Zahltag XXL Tag 3

... 04.12.2008 17:57 Themen: Freiräume Medien Soziale Kämpfe
Bericht über Zahltag XXL - Tag 3: Zapf, Zug um Zug und Umsonst FahrAktion.
Gestern fand Tag 3 des Zahltag XXL in Köln statt. Hier noch mal Links zu den ersten beiden Aktionstagen und zum Hintergrund des Zahltages XXL:

Tag1
Tag 2
Hintergrund zum Zahltag XXL

Tag 3 – Alles für alle und zwar umsonst!
Wie an beiden vorigen Tagen trafen sich um 8 Uhr morgens mehrer Aktivistinnen von Erwerbslosen, antirassistische, antimilitaristische und antifaschistische Gruppen um den Zumutungen der ARGen und andere Institutionen ein wenig Widerspenstigkeit entgegen zu setzten.

Unberechenbar, wie der Zahltag XXL nun mal ist, ging es diesmal nicht in die ARGe an der Luxemburgerstr. sondern in den Kölner Norden Niehl. Enttäuscht kuckten also erstmal die Hausmeister drein, die an der ARGe Luxemburgerstr abgestellt worden waren, die AktivistInnen daran zu hindern, das Foyer der ARGe zu erobern.

Ziel der AktivistInnen in Niehl war das „Zentrum für Analyse von Potential und Fähigkeiten“ (Zapf), welches in Erwerbslosen-Kreisen auch unter der Bezeichnung „Anstalt zur Erfassung, Sortierung und Erziehung von Erwerbslosen“ bekannt ist.

Innerhalb des Zapf finden so genannte „Profilings“ oder Assessments“ von Erwerbslosen statt. Dabei sind für die ermittelnden SozialarbeiterInnen nicht nur die Fähigkeiten von Erwerbslosen, sonder auch deren Lebensgewohnheiten, Gesundheitszustand, Einstellungen und Ansichten, Vorlieben und Abneigungen sowie sämtliche familiären und freundschaftlichen Beziehungen.

Zwei Ziele erhoffen sich die ARGen durch diese Durchleuchtungen von Personen und deren Verhältnissen. Zum einen wollen die ARGen die Menschen sortieren in Kategorien. Wer aht ein Suchtproblem, wer ist ein QuerulantIn oder einfach nicht angepasst. Worauf die Fragen nach Sonderbehandlungen, Therapie, Sucht oder Schuldenberatung gestellt werden. Zum andern dienen die „Profilings“ auch als „Erziehungsmittel“. So sollen die Erwerbslosen eine„aktive Teilnahme“ vorweisen um im Konzept des „Selbstkonzept, Motive und Motivationen. Werte und Interessen der Teilnehmenden [zu bearbeiten]...“. Nur diejenigen Erwerbslosen die voll auf „motiviert“ und zu jedem Schwachsinn bereit sind, dürfen die Hoffnung hegen keine Leistungskürzungen zu bekommen.

Das Zapf ist bei den Praxen der organisierten „Selbstunterwerfung und Durchleuchtung“ eine der „tüchtigsten“ Institutionen in Köln, so werden jährlich 2000 Erwerbslose unter Androhung von Geldkürzungen dazu gezwungen sich unter Androhung von Geldkürzungen den zweiwöchigen „Profiling“ zu unterziehen.

Back to the Resistance!
Unter dem Schlachtruf: “Profiling sabotieren! Zapf schließen! ARGe abwickeln!“ verschafften sich gestern morgen mehr als 60 AktivistInnen des Zahltags XXL Zugang zur Zapf. Die erstaunten MitarbeiterInnen riefen, wie nicht anders zu erwarten erstmal Team Grenn. Unter dessen waren die AktivistInnen jedoch schon längst in den Räumlichkeiten und begannen mit ihren Ermittlungen bzgl. des „Profiling“. Nach akribischer Festhaltung von Namen, Adressen und weiterer in Zukunft hilfsdienlichen Informationen über die Verantwortlichen, Mitarbeiter und Sozialpädagogen bei der Zapf mischte sich die AktivistInnen unter die Erwerbslosen bei den Profiling. Sichtlich verdutzt schienen so dann die „ProfilerInnen“, SozialarbeiterInnen, zu sein als in den Ausquetsch-Runden, ihre eigenen „Einstellungen und Motivationen“ zum Thema wurden. Die eine und andere SozialarbeiterIn schien trotz universitärer Ausbildung mit solche einer Konfliktsituation scheinbar überfordert gewesen zu sein. Vlt. helfen zukünftige Besuche bei der Zapf und bei den MitarbeiterInnen zu Hause, diese noch nicht ausgeformte Fähigkeit besser zu schulen. Natürlich wurden auch die anwesenden Erwerbslosen über die Aktion aufgeklärt und Flugschriften zur ARGe und zur Zapf verteilt.

Nach dem recht erfolgreichen Auftakt ging es erstmal weiter innerhalb des Kölner Norden nach Nippes.

ZUG Um Zug oder wie mache ich aus dem Elend andere Leute Geld?

„Zug um Zug e.V“ betreibt moderne Zwangsarbeit. Beschäftigt werden mehrer Menschen in als so genannte 1-Euro-Jobber, denen man bessere Zeiten in Aussicht stellt. In diese Jobs werden die meistenvon der Kölner ARge gezwungen, unter Androhung der Kürzung des Arbeitslosengeldes II um 30 Prozent. Trotzdem muss bei "Zug um Zug" professionell 40 Stunden die Woche gearbeitet werden, für ca. 3,50 Euro die Stunde. Dies entspricht dem Arbeitslosengeld II inklusive einer Aufwandsentschädigung von 0,70 bis 1,30 Euro die Stunde. Einen Arbeitsvertrag gibt es hier nicht. Ebenso keine Lohnfortzahlung.

Neben den Ein-Euro-Jobs werden von „Zug um Zug“ auch noch weitere „Maßnahmen“, wie „Integrationsplanung“ (siehe Profiling), angeboten. Innerhalb der Institution scheint eine „Aufstiegshierachie“ zu existieren. Zunächst werden Leute in die Maßnahmen von Zug um Zug gezwungen und können nach „erfolgreicher“ Eingliederung in „Integrationsmaßnahmen“ etc. sich das Anrecht sichern, als ein Euro-Jobber bei Zug um Zug aufzusteigen.

Innerhalb von Zug um zug wurden wieder Informationsstände aufgebaut und das ANgebot geschaffen Menschen bzgl. ARGE etc. zu beraten. Zudem wurde eine weitere Erfassung von MitarbeiterInnen und deren Zumutungen vorgenommen und ein leckeres Frühstück gab es zudem auch noch. Einer Person konnte mit sachdienlichen Hinweisen derart geholfen werden, dass sie gleich vor Ort die Formulare für die Beendigung der Maßnahme bei Zug um Zug unterzeichnete.

Nach einiger Zeit zogen die AktivistInnen schließlich weiter, um zur nächsten Aktion überzugehen.

PS: Polizei war auch vor Ort, außer wild rum Telefonieren, aber nix gewesen.

Nee, Nee, Nee – keine/r mag die KVB!
Um 13:30 ging der Zahltag XXL am Zülpicher Platz weiter. Diesmal hatten sich die AktivistInnen die Kölner Verkehrsbetriebe (kurz KVB) ausgesucht um auf soziale Ausgrenzungs-Praxen, Kriminalisierungen und Kontrollwahn aufmerksam zu machen. So bestiegen die AktivistInnen die Bahnen der KVB ohne zu bezahlen und fingen an Flugblätter zu verteilen, in denen auf die Zumutungen der KVB aufmerksam gemacht wurde. Zudem erfolgte bei jedem Betreten einer kurzen Ansprache an die Fahrgäste, in der erklärt wurde, dass dies gerade eine „Umsonst-Fahraktion“ darstellt.

Auszüge aus dem verteilten Flugblatt:
„Liebe Kundinnen und Kunden,
wenn Sie diesen Flyer lesen, dann können Sie Teil einer Aktion werden, in der wir kollektiv umsonst mit der KVB fahren…Dabei geht es uns nicht um bessere Serviceleistungen oder einfach nur günstigere Fahrkarten, sondern wir stellen das Bezahlen selbst in Frage. Warum soll der öffentliche verkehr in einer Gesellschaft in der immer mehr Menschen weniger Geld haben, um sich z.B. so etwas normales wie einen Fahrschein zu leisten, nicht einfach kostenlos sein? Warum werden Menschen immer härter dafür bestraft, dass sie ihr Recht auf freie Wahl des Aufenthaltsort wahrnehmen?....Freie Fahrt für Alle!“

Neben der Forderung nach freier Fahrt für alle wurde noch auf die überfallartigen Kontrollen der KVB, die flächendeckende Videoüberwachung und die unsinnigen Verhaltensregeln, wie dem Ess- und Trinkverbot unter Androhung von Geldbußen aufmerksam gemacht.

An den Umstiegshaltestellen sorgte die mitfahrende Samba-Gruppe jeweils für die nötig Öffentlichkeit, so dass bei anschließender Verlesung des Flugblattes viele Interessierte als Zuhörer gewonnen werden konnten.

Die Reaktion der Fahrgäste war meistens sehr positiv. Viele scheinen die Politik der KVB, welche sich in Überfällen auf Fahrgäste ohne Fahrausweis, Verhaltensregeln und Verteuerung der Tickets ausdrückt, nicht gut zu heißen.

Neben der Verteilung der Flugschriften wurden auch praktische Schritte gegen die KVB Zumutungen durchgeführt. So waren die Videokameras in den Bahnen auf einmal überklebt und die Fahrscheinautomaten schienen defekt zu sein, zumindest machten Überkleber auf den Defekt aufmerksam.

Der KVB waren die häufigen Bahnwechsel wohl zu schnell, so dass sich relativ lange außer einzelnen KVB-„OrdnerInnen“ , die immer recht wild rumtelefonierten oder funkten, die Gruppe nicht lokalisieren konnten.

Ein einzelner verwirrter KVBler versuchte auch einen körperlichen Angriff auf einen Aktivisten, jedoch musste er sich nach kurzer Rangelei schließlich geschlagen geben.

Nach einer Tour durch Köln erreichten die AktivistInnen schließlich den Wiener Platz in Köln-Mülheim. Dort schaffte es ein KVB-„Ordner“ für viel Heiterkeit zu sorgen. Nachdem er ein Flugblatt ergattert hatte, freute er sich über das VISDP so sehr, dass er mit stolzer Brust verkündete: „Dieser Herr Hungerkamp, kann sich auf eine beachtliche Rechnung für die Schäden und die Belästigungen freuen!“ Nun wir sind gespannt, was Herr Rechtsanwalt Klaus D. Hungerkamp, An der Flora 27, 50735 Köln, in seiner Funktion als Eintreiber von Bußgeldern für die KVB-Köln, wohl dazu sagen wird?

Nach so viel Spaß entschloss man sich aufzulösen, denn am nächsten Tag ging schließlich der Zahltag XXL weiter. Die Abreise gestaltet sich jedoch schwierig. Inzwischen waren mehrer Teams von KVB-„Ordnern“ unterwegs und suchten verzweifelt nach den AktivistInnen, konnten aber offensichtlich nicht unterscheiden wer Aktivist und wer einfach normaler Fahrgast war. So entschlossen sie sich einfach alle Bahnen (Linie 13, 18, 3 und 4 – Wiener Platz ist eine der größeren Umsteigehaltestellen) nicht mehr weiter fahren zu lassen. Dies sorgte bei den anwesenden Fahrgästen nicht gerade für Freude.Gleichzeitig war auch noch die Polizei in den Einsatz gekommen und versuchte ebenfalls durch großräumige Suchaktion, irgendjemanden ausfindig zu machen.

Tja nach so viel Chaos in der KVB und rund um den Wiener Platz waren die AktivistInnen schließlich froh wieder zu Hause zu sein, und sich auf den kommenden Tag 4 des Zahltages XXL vorzubreiten.

Hier Bericht zu Tag Vier:
http://de.indymedia.org/2008/12/234675.shtml

Bilder von Tag 3 in andern Artikel oder als Ergänzung
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Ergänzungen

Morgen Abend Zahltag-Party

jjj 04.12.2008 - 18:10
Morgen 8:00 Uhr wieder Arge Luxemburger Straße. 121

Und nicht Vergessen: Freitag, 5. Dezember, 21 Uhr

Zahltag-Party

:

in der Lotta (Karthäuserwall 1, Clodwigplatz) oder 0160/6896831 (ab 21:30 Uhr)anrufen.

Seid Wild! Seid unbrechenbar!


PS: Zivi-Auto der Bullen von heute: schwarzer Opel saphira kenzeichen: k il 2864

VA zu Zahltag

blub 04.12.2008 - 18:24

Aufruf Zahltag AK

Donnerstag, 11. Dezember VA: Einführung in die Kritik der Arbeit!
19 Uhr Alte Feuerwache Köln (Melchiorstr.3)



Für jeden ist Arbeit selbstverständlich. Sie nimmt einen besonderen Stellenwert ein. Es wird mehr Arbeit gefordert, Arbeit soll sich lohnen und ein sicherer Arbeitsplatz sei eine gute Aussicht. Aber wir sollen uns auch für die Arbeit lebenslänglich bilden, „Chancen erkennen“ und „Herausforderungen annehmen“.

Arbeit scheint also indiskutabel. Aber warum arbeiten wir?

Wieso beschäftigen wird uns selbst so sehr damit uns in Arbeit zu bringen? Wieso soll man sich seit dem 6. Lebensjahr möglichst gut bilden um später eine Arbeit zu finden? Und wieso soll man nicht sagen, dass Arbeit scheiße sei?

Mit dem Wandel der Arbeitsorganisation in den 70er Jahren hat die Krise der Arbeitsgesellschaft eingesetzt. Ihre Folgen sind Massenarbeitslosigkeit und Prekarisierung. Seit dem wird man von Ideen zur Arbeit erschlagen. Die einen wollen die Arbeit retten, damit wir nicht arm werden. Die anderen uns das Elend der Verhältnisse mit Werten und Leuchtreklame schönreden. Arbeitnehmern wird eine Bringschuld eingeredet um nicht „selbstverschuldet“ arbeitslos zu werden. Hauptsache alles wird getan, dass die Zahnräder in der kapitalistischen Maschine weiterlaufen. Geradezu irrelevant erscheint es dabei, dass es überhaupt nicht so viel Arbeit gibt wie nötig und welches Elend durch die neuen Arbeitsformen zugemutet wird.

Referent von der Gruppe Krisis
Donnerstag, der 11. Dezember, 19 Uhr
Alte Feuerwache Köln (Melchiorstr.3)

Klasse Aktion

tut nichts zur sache 04.12.2008 - 23:35
Klasse Aktion, weiter so!! Wirklich genial, mein Respekt.

Leider sind aber die Links oben zu Zahltag 1 und Zahltag 2 vertauscht worden!

Ein weiterer Fotobericht

... 06.12.2008 - 16:20

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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wider ein ganz Toller Artikel

Berliner Hedonist 05.12.2008 - 10:01
guter Text & gute Aktion , macht weiter so !!!!