Was in Deutschland brennt,

ein Prozessbeobachter 04.12.2008 11:46 Themen: Militarismus Repression
kann in Afghanistan keinen Schaden mehr anrichten.

Der Prozess am 1. Dezember 2008 gegen 2 AntimilitaristInnen vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“ (Sie sollen kleine Aufkleber mit dem Bild eines brenenden Bundeswehrjeeps und der Aufschrift "Why not?" an Laternenmasten geklebt haben) wurde heute nach kurzer Verhandlungsdauer von der Richterin Müller auf einen späteren, noch unbekanntem Termin vertagt.
Sichtlich überrascht waren die Richterin und der Staatsanwalt über die 25 ZuschauerInnen, die den Gerichtssaal bis auf den letzten Platz füllten. Auch vor dem ZuschauerInnenbereich waren alle Plätze, die der Presse vorbehalten waren, belegt. Die Richterin verlangte von den Journalisten, dass jeder persönlich vorzutreten habe und ihr und dem Staatsanwalt die Presseausweise zu zeigen habe. Als die Richterin erklärte, dass sie die Vorgänge im Zuschauerbereich nicht interessieren würden, solange der Ablauf des Verfahrens nicht gestört werde und sie daher ihre Brille auch nicht aufsetzen würde, mussten viele unweigerlich an das Bild der Justiz in Deutschland denken: Justizia mit verbundenen Augen.

Nach dieser recht demütigenden Behandlung der Presse begann die Gerichtsverhandlung in einer angespannten Atmosphäre, in der die Richterin Mühe hatte, ein geregeltes Verfahren durchzuführen. Überhaupt wirkte die Richterin insgesamt sehr angespannt, betonte mehrmals, dass sie ja schon seit fünf Stunden ohne Pause am Arbeiten ist.

Schon das Verlesen der Anklageschrift durch den Staatsanwalt wurde von einem der beiden Rechtsanwälte mit dem Hinweis unterbrochen, dass die Anklageschrift inzwischen um weitere Behauptungen ergänzt wurde, die sich so nicht aus den bisher zur Verfügung gestellten Akten ergeben. Daher beantragte er die Streichung des letzten bislang nicht bekannten Punktes, dass der besagte Aufkleber mit dem Bild eines brennenden Jeeps und den Worten „Why not“ sich eindeutig auf einen Brandanschlagsversuch aus dem Jahre 2007 beziehen würde. Um wohl dieses Verfahren nicht weiter zu verzögern, erklärte jedoch die Richterin, dass sie auch die veränderte Anklage zulasse, so dass nach beendeter Verlesung der Anklageschrift den angeklagten AntimilitaristInnen das Wort erteilt wurde.

In einer gemeinsamen Erklärung, verwiesen sie auf eine Veranstaltung am 23. Februar 2008 in Berlin mit dem Titel „Kriegsgerät interessiert uns brennend“ hin, zu der antimilitaristische AktivistInnen aus Irland, Belgien, Holland und der BRD eingeladen waren, um über ihre Aktionen zu berichten. Für diese Veranstaltung wurde mit dem gleichen Bild geworben (Brennender Jeep der Bundeswehr mit dem Zusatz „Why not?“). Im Vorfeld zu dieser Veranstaltung hätten die beiden AntimilitaristInnen aus Zeitungsberichten und dem Internet erfahren, dass in der Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am 14. Februar 2008, auf die Anfrage des CDU-Abgeordneten Frank Henkel Innensenator Erhardt Körting (SPD) antwortete, die Überprüfung durch Polizei und Staatsanwaltschaft habe ergeben, dass keine strafrechtlich relevanten Vorgänge im Zusammenhang mit der für den 23. Februar geplanten Veranstaltung vorlägen. Soweit ihnen bekannt, seien auch keine weiteren Ermittlungsverfahren hinsichtlich dieser Veranstaltung eingeleitet worden. Daher wären sie völlig überrascht, dass Polizei und Staatsanwaltschaft derart aufwendig versuchen, das Kleben eines Aufklebers mit dem Motiv der Veranstaltung zu kriminalisieren und damit im Gegensatz zu dem stünden, was der Innensenator im Abgeordnetenhaus am 14. Februar 2008 erklärt hat.

Anschließend stellten die Rechtsanwälte mehrere Anträge. Zunächst solle der Innensenator Körting als Zeuge geladen werden, der zeigen würde, dass hier ein Verbotsirrtum vorliegen würde. Die Angeklagten hätten im Glauben gehandelt, dass damit eben keine Straftat begangen wurde. Außerdem sollen verschiedene Kunstsachverständige gehört werden, die erklären können, dass es sich bei dem Motiv des Aufklebers um eine künstlerische Anfertigung handelt, die durch das Recht auf eine freie Ausübung der Kunst gedeckt wird. Am Ende müsse auch geklärt werden, ob der Aufkleber durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Weder Richterin noch Staatsanwalt wussten von der Sitzung im Abgeordnetenhaus. Zur Klärung der nächsten Schritte sei es daher notwendig, die entsprechenden Sitzungsprotokolle einzusehen. Darüber hinaus sei noch offen, von welchen Werbemotiven für die Veranstaltung der Innensenator gesprochen hat.

Der Staatsanwalt blätterte nervös in seinen Unterlagen und versuchte sich darüber zu retten, dass es noch möglich sei, dass das Motiv des Aufklebers in einem Detail von den verwendeten Motiven der Veranstaltung vom 23. Februar 2008 verschieden sein könnte. Er hielt es daher für erforderlich, speziell zu untersuchen, ob auch auf den damals verwendeten Plakaten ein Y nachträglich in das Bild des Künstlers Celestino Piatti von der Titelseite des Buches „Ende einer Dienstfahrt“ von Heinrich Böll eingefügt wurde. Spätestens hier zeigte sich der schlechte Verlierer. Statt einzugestehen, dass er seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte (er war über all dies nicht informiert), hielt er beharrlich an dem Kriminalisierungsversuch eines antimilitaristischen Motivs fest.

Die Richterin ließ für diesen Tag nur noch einen der insgesamt 6 geladenen ZeugInnen zu, einen Beamten der Staatsschutzabteilung des LKA, der sich aber auch als völlig uninformiert darüber zeigte, wie im Februar für die Veranstaltung geworben wurde.

Nach kurzer Unterbrechung der Verhandlung wurde von der Richterin erklärt, dass alles weitere auf den nächsten Verhandlungstag verschoben wird, dessen Termin später bekannt gegeben werde. Alle geladenen ZeugInnen wurden noch einmal in den Verhandlungsraum bestellt und deren Urlaubspläne notiert. Vier Polizeibeamte, drei von ihnen waren an der Festnahme beteiligt, zwei Beamte des LKA und der „engagierte Mitbürger“, der die Polizei informiert haben soll, waren natürlich „jederzeit bereit“ ein weiteres mal als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Damit verlief der erste Verhandlungstag, ähnlich wie in dem Buch von Heinrich Böll, „Ende einer Dienstfahrt“ mit einer Überraschung, die das ganze Verfahren zur Provinzposse werden ließ. Da passte es dann auch, dass der Staatsanwalt am Ende des Verhandlungstages auf Nachfrage eines Journalisten die Nennung seines Namens verweigerte.

Vor dem Gerichtsgebäude bedankten sich die beiden angeklagten AntmilitaristInnen beim Publikum für die große Unterstützung, die sie erfahren hatten. Sobald der nächste Verhandlungstag angesetzt wird, wird wieder öffentlich zur Teilnahme aufgerufen. Sie alle forderten ein Ende der Kriminalisierung von Widerstand gegen Krieg und Militarisierung.

Berlin, 1. Dezember 2008, Ein Prozessbeobachter
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Ergänzungen

Aktionstag gegen Repression 13.12.2008

Antifa 04.12.2008 - 12:22
Das Bündnis für die Einstellung des § 129a-Verfahrens und mehrere Linksradikale Gruppen rufen zu einem Aktionstag am 13.Dezember im Zusammenhang mit dem mg-Prozess auf. Auf verschiedenste Weise soll an diesem dezentralen bundesweiten Aktionstag am 13. Dezember 2008 gegen Repression agiert werden. Anlass dafür ist der aktuell stattfindende § 129-Prozess gegen Axel, Florian und Oliver, drei linke Aktivisten aus Berlin. "Wir würden uns freuen, wenn wir an diesem Tag gemeinsam in verschiedenen Städten gegen staatliche Repression auf die Straße gehen würden. Schließlich betrifft diese uns alle, wie unter anderem das derzeit laufende Verfahren in Berlin zeigt. Im Rahmen mehrerer § 129-Verfahren wurden in den letzten Monaten und Jahren Teile bundesweiter linker Strukturen ausgespäht. Informationen zum Prozess und zum Aktionstag unter :  http://www.einstellung.so36.net

Berlin:
12.12.2008 | 19.00 Uhr | Demonstration | Kottbusser Tor
12.12.2008 | 22.30 Uhr | Solitresen zum Prozess | Schnarup-Thumpy | Scharnweberstr.38
13.12.2008 | 13.30 Uhr | Block auf der Free-Mumia-Demonstration | Oranienplatz
15.12.2008 | 20.00 Uhr | Soliparty zum Prozess | Schnarup-Thumpy | Scharnweberstr.38

Hamburg:
13.12.2008 | 12.00 Uhr | Block auf der Free-Mumia-Demonstration | HBF/Glockengießerwall

Zürich:
11.12.2008 | 19.00 Uhr | Veranstaltung | Volkshaus | Stauffacherstr.60

Aufruf zum Aktionstag >>>
 http://einstellung.so36.net/de/1167
Aufruf der Roten Hilfe >>>  http://www.rote-hilfe.de/news/beteiligt_euch_am_dezentralen_bundesweiten_aktionstag_gegen_staatliche_repression
Aufruf des Netzwerkes "Freiheit für alle politischen Gefangenen" >>>  http://www.political-prisoners.net/home.php?id=789〈=de&action=news
Aufruf der Roten Hilfe International >>>  http://www.political-prisoners.net/home.php?id=785〈=de&action=news

Antirepressionademo Bremen

Bremen 04.12.2008 - 15:15
In Bremen findet am 13.12 ebenfalls eine Antirepressionsdemo statt!
Um 14:00h am 13.12.2008 am Schlachthof (Hinter dem Hauptbahnhof!) "We still stand together!" Against repression!!!!!
Mehr Infos unter: www.113a.org

kunstferne Richterin mit Vorentscheid

flopserver 04.12.2008 - 18:49
Die Richterin machte gleich ihre Befangenheit in der Sache deutlich, trotz ihrer Bekundung, der Fall wäre für sie "keine Herzensangelegenheit", indem sie dem Antrag der Verteidigung auf Begutachtung durch einen Kunstsachverständigen äußerst skeptisch gegenüber stand ("Keine Sache der Kunst sondern der Justiz")und ihn zurückstellen wollte, während sie dem Antrag der Verteidigung auf Verbotsirrtum nachgehen wollte. (Hier war die Verteidigung zunächst leider sehr unschlüssig, ob sie den Kunstsachverständigen-Antrag überhaupt schon einbringen sollte.) Verbotsirrtum seitens der Angeklagten setzt jedoch ein Verbot voraus. Darum wäre doch erst zu erklären, ob überhaupt ein Verbot vorlag und vorliegt. Die Richterin sollte also nochmal überdenken, ob sie den zweiten Schritt wirklich vor dem ersten machen will.

@lächerlich

egal 04.12.2008 - 19:06
Abbgesehen von ein paar Kleinigkeiten entspricht das Bild sehr wohl einem BW-Fahrzeug und zwar dem "Wolf"

 http://www.deutschesheer.de/portal/PA_1_0_P3/PortalFiles/C1256F87004CF5AE/W2698BEC064INFODE/wolf-1.jpg?yw_repository=youatweb

Jeep auf dem Aufkleber

RangeRover 05.12.2008 - 01:10
Der abgebildete Jeep auf dem Aufkleber ist nicht das Modell "Wolf", weil dort die Kühlrippen horizontal verlaufen und auf dem Aufkleber sind sie vertikal dargestellt. Es handelt sich unverkennbar um den US-Jeep, da ändert auch die kleiner Deutschlandfahne auf dem Nummernschild nix dran.

kunst, autos + sachverstand

mein name 05.12.2008 - 10:33
um die sache mal endgültig zu klären:

das fahrzeug auf dem aufkleber ist definitiv ein willys-jeep und nichts anderes.

das bild stammt von celestino piatti, einem schweizer graphiker, der jahrelang die buchcover des deutschen taschenbuch verlages (dtv) gestaltet hat.
es war titelbild des buches "ende einer dienstfahrt" von heinrich böll.

in dem buch zündet ein bundeswehr-soldat sein dienstfahrzeug an -
auf diese szene bezog sich piatti bei der gestaltung des einbandes.

vom entstehungszusammenhang her stellt das bild also tatsächlich ein bundeswehrfahrzeug dar. piatti war aber kein industrie-illustrator. ihm ging es in seinem werk darum, den geist eines buches möglichst prägnant auf einen punkt zu bringen. zur umsetzung des motives "brennendes armeefahrzeug" benutzte er darum das bild des (zur entstehungszeit) bekanntesten armeefahrzeuges der welt - eben des willys jeep.
der jeep steht hier als symbol für das armeefahrzeug an sich.
ganz einfach.

das buch erschien übrigens 1966 -
das bild kann schon allein aus diesem grund keinen "wolf" (was für ein dämlicher name übrigens, das ist ganz schlicht ein mercedes ml)darstellen, da dieses automodell zur entstehungszeit des bildes noch garnicht existierte...

http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/art

pressebeobachterin 06.12.2008 - 23:22
Why not Körting?
Angeklagte, die Sticker mit brennenden Panzern geklebt haben, berufen sich auf eine Aussage von Innensenator Körting. Der soll nun als Zeuge antreten. . VON PETER NOWAK

Keine Straftat: Das Cover des Böll-Romans "Ende einer Dienstfahrt" Foto:
Im Briefkasten der Innenverwaltung könnte bald Post vom Amtsgericht eintrudeln. Die Rechtsanwälte Stephan Schrage und Sven Lindemann haben in einem Prozess die Ladung von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) als Zeuge der Verteidigung beantragt.

In dem Verfahren sind Björn A. und Doris G. angeklagt. Sie sollen am 13. April Aufkleber verbreitet haben, auf denen ein brennender Militärjeep und die Frage "Why not?" zu sehen sind. Die Staatsanwaltschaft sieht darin eine Billigung von Beschädigungen von Militärfahrzeugen.

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Die Angeklagten haben in einer kurzen Erklärung ihre Verwunderung über die Anklage geäußert. Schließlich habe Innensenator Körting in einer Fragestunde des Abgeordnetenhauses am 14. Februar eine Strafbarkeit verneint. Damals wollte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Frank Henkel wissen, was der Senat gegen eine Veranstaltung der linken Szene mit dem Titel "Kriegsgerät interessiert uns brennend" unternehme, für die im Internet und auf Plakaten mit einem brennenden Militärjeep und der Inschrift "Why not" geworben wurde. Körting antwortete, dass eine Strafbarkeit von der Polizei und den Juristen geprüft worden sei. Eine strafrechtliche Relevanz habe sich nicht ergeben. Auf Nachfrage von Henkel sagte Körting, dass er persönlich die Veranstaltung zwar politisch verurteile. Allerdings sei nicht alles, was er verurteile, automatisch auch strafrechtlich relevant.

Die Verteidiger argumentierten daher, die Angeklagten hätten wegen Körtings Aussage davon ausgehen können, dass die von ihnen geklebten Motive keinen Straftatbestand darstellen.

Das Gericht vertagte sich daraufhin. Zunächst soll der genaue Prozesswortlaut von Körtings Einlassungen in Erfahrung gebracht werden. Das dürfte nicht schwer sein. Der Wortlaut von Abgeordnetenhausdebatten wird im Internet dokumentiert. Sollte es danach weitere für das Verfahren relevante Fragen geben, könne eine Zeugenvorladung von Körting unumgänglich werden, erklärte die Richterin vor der Vertagung.

Auch ohne Schützenhilfe des Senators sahen die Anwälte gute Chancen auf einen Freispruch. Das inkriminierte Motiv prangt mit nur kleinen Abweichungen auf dem Cover des Romans "Ende einer Dienstfahrt" von Heinrich Böll. Die Erzählung handelt von einem Vater, der mit seinem Sohn aus Protest gegen die Wiederbewaffnung ein Militärfahrzeug in Brand steckt. Beide kommen im Roman mit einer geringen Strafe davon.


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 http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/why-not-koerting
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lächerlich — egal

@egal Nr. 2 — ....