Kandel 2003: Prozess offenbart Justizskandal

aib-rlp 02.12.2008 17:53 Themen: Antifa Antirassismus Repression
2003 kamen im südpfälzischen Kandel 2 griechische Gastarbeiter durch Brandstiftung ums Leben. Ein rassistisches Motiv bleibt bis heute nicht ausgeschlossen.


Letzte Woche Urteilsverkündung+++Indizien-Prozess endet mit Schuldspruch++Angeklagter allerdings „nur“ zu knapp 4 Jahren Gefängnis wegen vorsätzlichem Vollrausch verurteilt +++Skandalöses Vorgehen der Ermittlungsbehörden+++Verteidigerin spricht von größtem Justizskandal seit 1949+++Dem Angeklagten über 2 Jahre Fiktive Criminal Organisation vorgegaukelt
Was war geschehen...


In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2003 brannte im südpfälzischen Kandel ein Wohn-und Geschäftshaus. Das in der Hauptstraße befindliche Gebäude beherbergte unter anderem ein Speiselokal sowie ein Internetcafe, welche jeweils türkische Betreiber hatten.
Bei dem Brand kamen 2 griechische Gastarbeiter ums Leben. Die beiden Cousins (22 und 23 Jahre alt), welche erst seit einigen Monaten in Kandel aufhielten, erlagen einerKohlenmonoxidvergiftung, bevor sie den Flammen zum Opfer fielen.
Schnell erhärtete sich der Verdacht, dass das Feuer auf Brandstiftung zurückzuführen war, was sofort Spekulationen bezüglich Täterschaft los trat.


Die Gerüchteküche brodelte


Zum einen wurde der Hausbesitzer als Täter vermutet, da dieser sich zuvor erfolglos um einen Verkauf des sanierungsbedürftigen Anwesens bemüht hatte.
Zum anderen konzentrierten sich die Verdächtigungen auf den in der Tatnacht festgenommenen, damals 22 jährigen Phillip R. aus Kandel, dessen Täterschaft für das Gericht letztendlich als erwiesen gilt. Der Verdacht einer möglicherweise fremdenfeindlich motiviterten Tat ließ in diesem Zusammenhang den „Nationale Widerstand Kandel“ in den Fokus rücken. Die Spekulationen gingen dabei unter anderem auch auf Indymedia zum Teil so weit, von einer Auftragstat des NWK´s zu sprechen.


Der Prozess


Als Ende August die überhaupt erst auf Druck des rheinlandpfälizischen Oberlandesgerichts zu Stande gekommene Verhandlung nach langjährigen Ermittlungen gegen Phillip R. eröffnet wurde, lautete die Anklage auf schwere Brandstiftung mit Todesfolge. Aus den zu Beginn veranschlagten zwölf Verhandlungstagen wurden schlussendlich 20 Sitzungen der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Landau.

Zum Prozessauftakt erschien der Angeklagte stark alkoholisiert, woraufhin er für verhandlungsunfähig erklärt und Haftbehl gegen ihn erlassen wurde, was für ihn eine zwangsweise Unterbringung in einer geschlossene Anstalt für die Dauer des Prozesses zur Folge hatte.


Der Tatverdächtige Phillip R.


In der Nachschau scheint dieser erste Prozesstag trotz seiner Kürze als richtungweisend im Hinblick auf das Urteil: Schon seit seit frühster Jugend ist R.´s Biographie geprägt von exzessivem Alkoholismus, der ihn regelmäßig unangenehm auffallen ließ. Exemplarisch sind hier zahlreiche Strafverfahren gegen den mittlerweile 27 Jährigen, u. a. wegen Freiheitsberaubung, Trunkenheitsfahrten, Beleidigungen und Gewalttaten zu nennen, die ihm ein beachtliches Vorstrafenregister bescherten.

Während der Verhandlung machte R. von seinem Aussageverweigerungsrecht gebrauch und verfolgte das Geschehen (zumeist) ohne sichtbare Gefühlsregungen. So waren vor allem die ersten Prozesstage von dem Versuch des Gerichts geprägt, sich ein umfangreiches Bild vom Werdegang des Angeklagten und seiner Persönlichkeit zu machen: neben ehemaligen Arbeitgebern und Schulfreunden wurden auch zahlreiche Ex-Freundinnen R.`s angehört, wobei auch intime Details zur Sprache kamen und persönliche Briefe mit allerdings für das Verfahren z. T. eher belanglosen Inhalten verlesen wurden. Auch hier stand zumeist R.´s problematischer Umgang mit Alkohol im Mittelpunkt, aber auch familiäre Probleme wurden angesprochen: so wurde beispielsweise ein drastischer Ausraster R´s gegenüber seiner Mutter thematisiert, welcher sich auf den Tag genau 2 Jahre nach der Brandnacht ereignet hatte.


Kontakte zur rechten Szene ?


Einen weiteren Aspekt, den das Gericht immer wieder zu beleuchten versuchte, nämlich ob R. in der Vergangenheit rassistische Einstellungen offenbarte und ob es Kontakte zur rechten Szene, insbesondere zum NWK gegeben hatte, den gesamten Prozess. In diesem Zusammenhang wurden auch mehrere Mitglieder des NWK befragt, die sich in der Tatnacht in unmittelbarer Nähe des Tatorts aufhielten und dabei mit R. auch Kontakt hatten. So wurde Stefen Runck, Anführer des Nationalen Widerstands gleich zwei mal befragt, wobei das Gericht zuletzt den Verdacht einer Tatbeteiligung verwarf.


Erhebliche Brandschutzmängel an Gebäude


Im Laufe des Verfahrens rückte auch immer mehr der Hausbesitzer D. ins Blickfeld. Dem ehemaligen Vollstreckungsbeamten aus Karlsruhe, der mehrere Haftbefehle wegen Überschuldung, so u. a. eine Woche vor dem Brand abwenden konnte, war das Gebäude, so der Richter ein „Klotz am Bein“, womit ein klassisches Tatmotiv vorlag. Allerdings konnten sich die Verdächtigungen nicht erhärten.
An seinem von zahlreich angehörten, ehemaligen Mietern zu meist als marode und baufällig beschriebene Anwesen wurden im Laufe der Ermittlungen von einem Brandsachverständigen erhebliche Brandschutzmängel, insbesondere für das 1993 ausgebaute und zuletzt von den Todesopfern bewohnte Dachgeschoss , festgestellt. Aus diesem Grund hat der Nebenklagevertreter der Familienangehörigen mittlerweile Anzeige wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung erstattet.


Die Tatnacht


Im Folgenden soll kurz die Tatnacht nach den Vorstellung der Richter skizziert werden:

Am späten Nachmittag des 5. Dezember besucht R. mit einem Bekannten, dem diverse Zeugen eine rechtsradikale Gesinnung attestierten, den Weihnachtsmarkt in Karlsruhe. Nach einigen Glühwein fahren beide gemeinsam nach Wörth, wo weiterer Alkohol konsumiert wird. R. Fahrt alleine weiter nach Kandel, wo er gegen 23:45 ankommt. Wenige Minuten später betritt er die Kneipe Schalander. Dort fällt er unangenehm auf, da er weibliche Gäste belästigt und mit deren Begleitern aneinander gerät. Ein Polizist außer Dienst greift ein und spendiert, nach dem die Situation bereinigt scheint, R. ein Biermixgetränk. Danach trifft er Stefan Runck in der gegenüberliegenden Kneipe Cheers, wo er zu wiederum weibliche Gäste begrabscht und eine Frau mit einem Feuerzeug bedrängt. Nach einigen „Jacky´s“ (die er unter anderem spendiert und nicht bezahlt hat) begibt er sich mit Runck auf einen nahe gelegenen Parkplatz, wo das damalige NWK-Mitglied Bechtinger in einem PKW schläft, um diesen zum Weitertrinken zu überreden. Nachdem Bechtinger dies abgelehnt und sich mit seiner Freundin auf den Heimweg gemacht hat, kehrt Runck ins Cheers zurück. R. dagegen wird wenig später von der Besitzerin des Schalander kauernd in der Frankenhofpassage entdeckt und nach hause geschickt.


Angeklagter zur Tatzeit in Tatortnähe


Während R. sich laut seiner ersten Aussage durch den Hintereingang der Frankenhofpassage auf den Heimweg gemacht haben will, wobei er „zwei Zigarettenlängen“ auf einem Spielplatz verweilt habe, zeichnet die auf zahlreiche Zeugen gestützte Rekonstruktion des Gerichts ein anderes Bild:
Nachdem ihm gegen 4:00 in einem nahe gelegenen Internetcafé u. a. wegen offensichtlicher Trunkenheit der Eintritt verweigert wird, soll er u.a. am Brandobjekt die Briefkästen durchstöbert haben, wobei ihm auffällt, dass die Tür nicht verschlossen ist. R. tritt ein und folgt dann einer Lust zu zündeln, wobei er Werbeprospekte mit einem Feuerzeug entfacht. Er soll nun, die Flammen beobachtend, ein wenig ausgeharrt haben, um dann zu merken, dass das Feuer außer Kontrolle gerät. Ein Versuch, das Feuer mit den Schuhen auszutreten, misslang, weshalb er das Haus verlässt.

Kurz darauf trifft ein Angestellter des Schalander in der Frankenhofpassage auf eine Person, die mit weinerlicher Stimme ( „dohinne brennt´s“) auf einen kleinen Papierbrand an einem Fahrrad verweist. Während er im Nachhinein nur bestätigen kann, von Kleidung und Statur her könne es sich dabei durchaus um den Angeklagten gehandelt haben, ist sich seine Chefin, die Teile der Szene von der nahen Tür des der Gastwirtschaft beobachten konnte, sicher, dass es sich bei der Person um R. gehandelt habe. Dem Schalander-Mitarbeiter gelingt es ohne Probleme, das kleine Feuer mit einem Eimer Wasser zu löschen. R. betritt kurz darauf erneut das Cheers, dies zusammen mit Stefan Runck, welcher nach eigenen Angaben die Kneipe nur kurz zum Urinieren verlassen hatte. Die beiden berichten nun jedenfalls so aufgeregt von einem Brand, dass sich die verbliebenen Bersucher des Cheers zum Nachsehen auf die Straße begaben, während R. und Runck sich erst einmal ein Bier an der Theke bestellen. Für das Gericht steht später fest, dass R. hier Täterwissen offenbarte, da er mit dem Brand nicht etwa das brennende Papier, sondern den Großbrand gemeint habe.
Später wird er um 5:30 Uhr am Brandort von einem Polizeibeamten unter den Schaulustigen entdeckt und nach seinen Personalien befragt, da seine Erscheinung mit der Verdächtigenbeschreibung der mittlerweile verhörten Schalanderbelegschaft übereinstimmt. R. gibt erst falsche Personalien an und versucht sich anschließend der Festnahme durch einen Biss in einen Finger des Beamten zu entziehen.


Widersprüchliche Aussagen


Der Festgenommene hat zwei Feuerzeuge bei sich, in seinem Rucksack befinden sich Zeitungen, welche ihm nach eigenen Angaben in der Nacht geschenkt wurden, wobei sich allerdings herausstellte, dass er diese wohl um 5:09 vor einem Kiosk in der Kandeler Hauptstraße entwendet hatte. Des weiteren wurden Brandspuren an Kleidung und Schuhen festgestellt, an einer Sohle klebten zudem Reste von verkohltem Papier.

In einer zweiten Vernehmung mit diesen Ergebnissen konfrontiert, gab R. an, in den Monaten vor der Tat mit Bekannten regelmäßig am Baggersee gewesen zu sein, wo auch immer wieder Lagerfeuer gemacht wurden.
Nicht zuletzt, da keiner der angegebenen Zeugen derlei gemeinsame Aktivitäten bestätigen konnte, werteten die Richter R´s Einlassung als eine dem Ermittlungsstand angepasste Schutzaussage. Einer der Bekannten sagte dagegen aus, R. hätte ihm berichtet, für den Brand verantwortlich zu sein, dies aber sofort als Scherz revidiert.


Das Urteil: knapp 4 Jahre wegen Vollrausch


Letztendlich kam das Gericht zu dem Schluss, dass R. der alleinige Täter gewesen sein muss.
Auf Grund der für die Tatzeit errechneten Blutalkoholkonzentration von 3.23 Promille sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein nicht rationales, vom Alkohol bestimmtes Handeln R´s vorlag, weshalb dem Angeklagten auch eine Schuldunfähigkeit zugestanden wurde und die Tat als alkoholbedingte Straftat gewertet wurde.
Die Richter folgten damit nicht den von der Staatsanwaltschaft geforderten 7 Jahren und 6 Monaten wegen Brandstiftung mit Todesfolge, sondern verurteilte R.zu 3 Jahren und 9 Monaten wegen vorsätzlichem Herbeiführen eines Vollrausches. Darüber hinaus konnte die Jury kein Motiv feststellen.

Während ihm seine vielfachen, immer wieder alkoholisiert begangenen Straftaten nachteilig für die Strafbemessung ausgelegt wurden, wurde zu Gunsten des Angeklagten die überlange Verfahrensdauer gewertet, weshalb ihm auch ein Jahr Haft erlassen wird.

In diesem Zusammenhang stellte das Gericht eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung fest und betonte, dass der 2007 erfolgte Schlussbericht bereits 2004 möglich gewesen wäre.


Größter Justizskandal seit ´49


Was sich in den knapp 3 Jahren dazwischen abspielte, bezeichnete die Verteidigerin als größten Justizskandal seit Begründung der Bundesrepublik.

So wurde im Umfeld des Tatverdächtigen zwischen Januar 2004 und Mitte 2006 ein Netzwerk von insgesamt 8 verdeckten Ermittler (VE) und V-Leuten (VP) bei gleichzeitiger Überwachung dessen Telekommunikation installiert. Dieses Netzwerk gebärdete sich als „Criminal Organisation“, für die R. allerlei dubiose Aufträge erledigen sollte. (Beispielsweise sollten Koffer von A nach B verbracht werden.). Die V-Leute nahmen dabei unterschiedliche Rollen in der „Familie“ein, Beispielsweise gab es wohl eine gleichaltrige Vertrauensperson sowie einen „Big Boss“, der eine Art Vaterfigur darstellen sollte. Der fiktive Zusammenschluß agierte kurioserweise unter dem Organisationsmotto „Vertrauen, Loyalität, Ehrlichkeit“!


Telefongespräche zwischen Verteidigerin und ihrem Mandanten mitgeschnitten


Im Laufe des Prozesses stellte sich heraus, dass bei der Telefonüberwachung durch die Landauer Polizei auch vor den persönlichen Gesprächen der Verteidigerin mit ihrem Mandanten nicht halt gemacht wurde: die Telefonate wurden scheinbar aufgezeichnet und ausgewertet.

In die Gespräche der V-Leute mit R. , der nach den beiden, bereits oben angesprochenen Vernehmungen von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte, konnten diese also umfangreiche Ermittlungsergebnisse einspielen und ihn mit Insiderwissen konfrontieren. Ziel dieser von kanadischen Ermittlern entwickelten „Cold-Case-Techniken“ sei es gewesen, dem als labil eingeschätzten Verdächtigen ein Geständnis zu entlocken.

Von richterlicher Seite wurde einer Verlängerung der Maßnahmen scheinbar immer wieder und ohne größere inhaltliche Begründung zugestimmt. „Eine psychische Destabilisierungsphase R.`s lässt baldige Ermittlungserfolge (sprich Belastungsaussagen) erwarten“, so in etwa lautete beispielsweise ein erfolgreicher Antrag auf Verlängerung dieser.

Zu dem Vorgehen der Ermittlungsbehörden stellte die Verteidigerin einige Anträge, beispielsweise auf vollständige Vorlage der entsprechenden VE-Ordner, aus denen Konkreteres zu Zielen und Genehmigungen der V-Aktion hervorgehen solle oder auf Anhörung der VE`s/VP´s, welche im Prozess nur einmal von einem Vorgesetzten vertreten wurden. Sie kritisierte zudem, dass gezielt destabilisierend auf ihren Mandanten eingewirkt wurde und somit mögliche Therapieerfolge des immer wieder dem Alkoholismus verfallenden R. unterlaufen wurden. In diesem Zusammenhang bleibt unklar, ab wann R. das Spiel der Ermittler durchschauen konnte.


Formelle sowie materielle Unrechtmäßigkeit des Vorgehens seitens der Ermittlungsbehörden


Das Gericht wies zwar auf die formelle sowie materielle Unrechtmäßigkeit des Vorgehens hin, da beispielsweise ein Tatverdächtiger, welcher die Aussage verweigert, nicht unter Erschleichung eines Vertrauensverhältnisses trotz allem Verhör-ähnlich befragt werden darf, hielt allerdings die Maßnahmen angesichts der Schwere der Tat grundsätzlich für angemessen.

Weiter legten die Richter dar, dass die gewonnenen Erkenntnisse der durch öffentliche Gelder finanzierten, verdeckten Ermittlungen für die Urteilsfindung irrelevant waren.

Ansonsten wurde auf „grundrechtssichernde Verfahrensmaßnahmen“ verwiesen, eine Zuständigkeit hierfür jedoch abgelehnt.

Der hiermit angesprochene „nachträgliche Rechtsschutz“ kann allerdings erst als Reaktion auf eine entsprechende Benachrichtigung über vorgenommene Überwachungsmaßnahmen beantragt werden.

Da im vorliegenden Fall solche Benachrichtigungen nie ergangen seien, monierte Verteidigerin Katja Kosian in diesem Zusammenhang, dass es sich das Gericht mit der Zurückweisung seiner Zuständigkeit sehr einfach machen würde.


Nach dem Urteil


Während R. das Urteil gewohnt gleichgültig wirkend aufnahm und nach der Verhandlung eher lässig den Gerichtssaal verließ, wirkte seine Verteidigerin äußerst frustriert. Sie kündigte an, in Berufung gehen zu wollen und verwies in einem SWR- Fernsehinterview noch einmal auf die Tatsache, dass es für die Ausführung der Tat keine Zeugen gibt.

Die Richter hatten zuvor erklärt, dass unter anderem das fast perfekte Bewegungsbild des Angeklagten für der Tatnacht letztlich keine vernünftigen Zweifel daran zuließ, dass R. der Täter sei.

Ebenfalls vom SWR wurde Nebenklagevertreter Konstantinos Goumagias danach gefragt, wie er und die Angehörigen der zu Tode gekommenen das Urteil bewerten. Er zeigte sich zufrieden mit dem milden Urteil, da R. nicht nur als Täter sondern gleichzeitig als Opfer einzuschätzen wäre. Seine Mandanten seien froh, das der Brandstifter letztendlich überführt wurde, sehen aber den Hauptschuldigen für den Tod ihrer Angehörigen im ehemaligen Hausbesitzer Die angemietete Wohnung hatte sich im Nachhinein als Todesfalle herausgestellt.


Verdacht eines rassistischen Motivs bleibt bestehen


Nachdem zuletzt kaum noch jemand damit gerechnet hatte, dass es tatsächlich zu einer vermeintlichen Aufklärung der Katastrophe kommen würde, war die Überraschung groß, als die beschriebene Hauptverhandlung doch noch angesetzt wurde.

Positiv ist sicher zu werten, dass die Möglichkeit einer rassistisch motivierten Tat bis zuletzt in Betracht gezogen wurde, auch wenn in die Berichterstattung der Lokalzeitung Rheinpfalz immer nur Entkräftendes zu diesem Thema erwähnte .

Fakt ist, dass sich in Kandel und Umgebung das Problem mit einer organisierten Neonazi-Szene vor der Schreckensnacht immer mehr zuspitzte. Zahlreiche Übergriffe fanden ihren traurigen Höhepunkt, als ein Mob von etwa 50 Neonazis ein Punkkonzert im örtlichen Jugendzentrum angriff. Der für den Überfall wohl federführende Nationale Widerstand Kandel versuchte sich nicht nur vor Ort zu integrieren, seine Mitglieder rekrutierten sich eben aus der so genannten „Mitte der Gesellschaft“. Das so gleichzeitig recht einfach zu pflegende Saubermann-Image, man engagierte sich beispielsweise in den örtlichen Sportvereinen, pflegte diverse Denkmäler, scheint selbst heute noch nach zu wirken: im Prozess von einem Ex-NWKler getroffene Aussagen wie „im NWK waren ja nur gute Menschen organisiert“ und die sinngemäße Beteuerung, man sei ja nicht Ausländerfeindlich sondern nur Inländerfreundlich gewesen, schienen zumindest den Staatsanwalt in soweit zu überzeugen, dass er diese im Schlussplädoyer als entlastend für den NWK anführte.

Fakt ist jedenfalls auch, dass der NWK nach dem Brand sehr schnell in der Versenkung verschwand. Teile der Kameradschaft wanderten, so wird gemunkelt, zum örtlichen Motorrad-Club Gremium ab.

Was bleibt ist ein offenes Motiv. Weiterhin bleibt der Verdacht bestehen, dass in dem anfangs aufgekommenen Gerücht, bei der Tat habe sich um eine Art Aufnahmeprüfung des NWK gehandelt zumindest ein Fünkchen Wahrheit stecken könnte. R. hatte wohl Interesse signalisiert, sich dem NWK anzuschließen. Man wollte ihn jedoch nicht dabei haben, so das von den Mitgliedern im Prozess gezeichnete Bild. So war beispielsweise die oben zitierte Aussage, der NWK habe nur „gute“ Menschen aufgenommen, eben auf die Ablehnung R.´s bezogen. Ob R. die Kameraden durch die Tat vom Gegenteil überzeugen wollte, bleibt Spekulation.


Fazit


Dass ein mögliches Berufungsverfahren hierzu mehr Klahrheit in Bezug auf das Tatmotiv schaffen wird, ist jedenfalls nicht zu erwarten. Auf genauere Aufklärung des Polizei-Skandals darf dagegen nicht nur gehofft werden:

Das skandalöse Vorgehen der Ermittlungsbehörden bleibt auf das Schärfste zu kritisieren.

Sich hier alleine auf die fehlende Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens zu beziehen, dürfte jedoch im Hinblick auf aktuelle „Legalisierungsversuchen“ grober Einschränkungen elementarer Grundrechte, beispielsweise durch „Willkür-Paragraphen“, fatal sein. Viel mehr bieten solche „Auswüchse“ schon jetzt einen Vorgeschmack auf eine immer weitergehende Beschneidung von Freiheit allgemein.
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Ergänzungen