Köln: Tag 1 –Zahltag XXL

flying indy reporter 01.12.2008 21:16 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Heute begann der Zahltag XXL in der Kölner ARGe (Luxemburgerstr.). Pünktlich um 8 Uhr versammelten sich über 50 AktivistInnen diverserer Erwerbslosen Gruppen sowie antirassistischer, antimilitaristischer und antifaschistischer Gruppen um der ARGe mal wieder „Dampf unterm Arsch“ zu machen.
Verständlicherweise hatte die ARGe und ihre Security alias Hausmeister kein größeres Interesse am angekündigten Besuch und versuchten zunächst die AktivistInnen den Eingang zur ARGe zu verwehren. Nach kurzer Schubserei konnte jedoch das Foyer der ARGe erobert werden, so dass die nun recht hilflos und panisch wirkenden Hausmeister erstmal die Streifenhörnchen riefen. Diese waren auch recht schnell zur Stelle und versuchten mit „Räumungsandrohungen“ irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Da aber niemand so recht Interesse an deren Geblubber hatte, blieb dem „Anstaltsleiter“ der Kölner ARGe nur überig die faktische Situation anzuerkennen und sogar für die komplette Woche den Aufenthalt der Zahltag-AktivistInnen innerhalb der ARGe zu dulden.

Exkurs Zahltag
Die Aktion 'Zahltag!' steht mittlerweile bundesweit für eine Aktionsform von unmittelbarer, kollektiver Selbstermächtigung und -Verteidigung gegen einen fortwährenden sozialen Angriff von oben.

Im Rahmen des 'ZAHLTAG! XXL' wird es große und kleinere Aktionen geben, die das ARGE-Geschäft direkt in Frage stellen sollen. Mit der Aktionsform 'ZAHLTAG!' geht es uns nicht darum, mit der ARGE in einen Dialog zu treten. Es geht nicht darum ein besseres und anderes HartzIV, sondern dessen Abschaffung einzufordern.

Auch wenn die politisch Verantwortlichen in Berlin oder sonst wo sitzen, die Auseinandersetzung beginnen dort, wo Betroffene angegriffen werden, wo finanziell sanktioniert, entrechtet, entwürdigt und diszipliniert wird.

Mehr Hintergründe zur Zahltag-Aktion hier: http://de.indymedia.org/2008/11/231518.shtml

Back to Programm:
Nachdem die „Machtverhältnisse“ im Foyer der ARGe geklärt waren, konnte die inzwischen auf über 80 Leute angewachsenen AktivistInnen mit Ihrem Programm beginnen. Mehrer Informationsstände wurden aufgebaut, sowie Plakate und Transparente an den Wänden befestigt. Zudem gab es ein leckeres Frühstück sowie immer frisch gekochten Kaffe, was für die eine oder andere zur der Uhrzeit auch dringend nötig war.

Die Kölner Erwerbslosen in Aktion, die Zahltag-Gruppe sowie Tacheles boten die gesamte Öffnungszeit der ARGe über Informationen und Beratungen zu Hartz IV und anderen „Leistungen“ an. Hauptprogrammpunkt waren beim Zahltag selbstredend die Begleitungen von Erwerbslosen zu ihren „Terminen“ mit SachbearbeiterInnen, wo in kollektiv-solidarischer Form für einige auch die von der ARGE verweigerten Auszahlungen durchgesetzt werden konnten.

Zudem gab es mehre Video-Beiträge zu verschiedenen sozialen Protesten. Und auch die berühmteste StreikerIn der BRD – Emmely – war vor Ort, die aufgrund ihres couragierten Engagements bei Kaiser gekündigt worden war. Hier ein Indy-Artikel zu dem Fall: http://de.indymedia.org/2008/06/220342.shtml

Zudem waren noch Menschen von Solidaritäts-Komitee „Gottfried Fischer“ und Leute von der Oldenburger Zahltag-Gruppe da. Die auch einen Film über ihre erfolgreichen Proteste bei ihrer ARGe berichteten.

So morgen früh geht um 8 Uhr weiter an der Luxemburger Str. 121Wer morgen zu spät kommt ruft bei: 0160/6896831 an. (ab 9 Uhr)
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Ergänzungen

Streß am Ende und weiter Termine

... 01.12.2008 - 21:37
Gegen Ende der Aktion gab es in der Arge Süd noch Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein ALG II Empfänger trotz Krankmeldung bei der ARGe zu erscheinen hätte. Dies führte dazu, dass sich noch mal 20 Leute aufmachten um auch hier noch mal die Fronten zu klären. Wieder mal dachten sich die Securitys alias Hausis sie könnten in Form körperlicher Gewalt bestehen, was aber ein Trugschluss war. Wiedermal mussten die Streifenhörnchen anrücken, diese sahen sich wiedermals außerstand das „Problem“ zu beheben, so dass sie wieder abzogen. Nun konnte die Frage nach Krankmeldung und Erscheinen unbürokratisch gelöst werden.

Freitag, 5. Dezember, 21 Uhr, Lotta (Karthäuserwall 1, Clodwigplatz) Zahltag Party – „Wild und unberechenbar!“



Aufruf Zahltag AK

Donnerstag, 11. Dezember VA: Einführung in die Kritik der Arbeit!
19 Uhr Alte Feuerwache Köln (Melchiorstr.3)



Für jeden ist Arbeit selbstverständlich. Sie nimmt einen besonderen Stellenwert ein. Es wird mehr Arbeit gefordert, Arbeit soll sich lohnen und ein sicherer Arbeitsplatz sei eine gute Aussicht. Aber wir sollen uns auch für die Arbeit lebenslänglich bilden, „Chancen erkennen“ und „Herausforderungen annehmen“.

Arbeit scheint also indiskutabel. Aber warum arbeiten wir?

Wieso beschäftigen wird uns selbst so sehr damit uns in Arbeit zu bringen? Wieso soll man sich seit dem 6. Lebensjahr möglichst gut bilden um später eine Arbeit zu finden? Und wieso soll man nicht sagen, dass Arbeit scheiße sei?

Mit dem Wandel der Arbeitsorganisation in den 70er Jahren hat die Krise der Arbeitsgesellschaft eingesetzt. Ihre Folgen sind Massenarbeitslosigkeit und Prekarisierung. Seit dem wird man von Ideen zur Arbeit erschlagen. Die einen wollen die Arbeit retten, damit wir nicht arm werden. Die anderen uns das Elend der Verhältnisse mit Werten und Leuchtreklame schönreden. Arbeitnehmern wird eine Bringschuld eingeredet um nicht „selbstverschuldet“ arbeitslos zu werden. Hauptsache alles wird getan, dass die Zahnräder in der kapitalistischen Maschine weiterlaufen. Geradezu irrelevant erscheint es dabei, dass es überhaupt nicht so viel Arbeit gibt wie nötig und welches Elend durch die neuen Arbeitsformen zugemutet wird.

Referent von der Gruppe Krisis
Donnerstag, der 11. Dezember, 19 Uhr
Alte Feuerwache Köln (Melchiorstr.3)

ZAHLTAG XXL – Der Auftakt

agenturschluss 01.12.2008 - 23:33
Nach einem arg halbherzigen Versuch des ARGE-Wachschutzes, den Eingang zum Foyer für die Zahltag-BesucherInnen mit Frühstück, portablem Kino und Infoständen zu versperren erschienen die anschließenden Räumungsandrohungen der ARGE als billige Inszenierung. Bereits vorab hatte die zentrale ARGE in Köln ihre MitarbeiterInnen auf Schmusekurs getrimmt: „Nicht provozieren lassen“ lautete die Dienstanweisung.

Unbeirrt davon enterten etwa 70 Leute die ARGE und gestalteten die Erdgeschossebene um. Ausstellungen und eine temporäre Beratungsstelle von Tacheles e.V. wurde aufgebaut, ein reichhaltigesFrühstück angeboten und die „Begleitung“ gestartet. Letzters ist das zentrale Element des ZAHLTAGs, mit dem heute in Gruppen bis zu 20 Leute Personen begleitet wurden, denen die Auszahlung ihrer Kohle oder sonstige Ansprüche von der ARGE verweigert wurden. Mit Erfolg (in den etwa 15 Fällen) – aber das kennen die meisten Leute bereits von den letzten Zahltagen und analysieren nicht ganz falsch, dass „es eigentlich schon reicht, dass ihr im Haus seid – dann fressen die Kreide“. Leider ohne großen Lerneffekt, denn tags darauf kehrt die ARGE in der Regel zum üblichen schiaknösen und entwürdigenden Geschäft zurück. Ganau deshalb wurde diesmal eine ganze Woche voller Zahltag eingeläutet – damit das Aussitzen schwerer fällt!

Eine „Dokumentationsstelle für soziale Ausgrenzung“, die sich zum Ziel gesetzt hat, die anonyme Arbeitsweise all der versteckten Teams der ARGE auszuleuchten nahm ihre Arbeit auf. Über die vollständige Erfassung der SachbearbeiterInnen waren einige von ihnen gar nicht „amused“. Das hektische Abschrauben der Namensschilder, oder (noch besser) das sich davorstellen erwies sich als wenig hilfreich. Für einige MitarbeiterInnen ergab sich mit dieser Erfassung eine ganz neue Sichtweise auf die Internet-Bewertung von Lehrern durch ihre Schüler. Niemand hatte jedoch vernünftige Argumente gegen diese Form der „Qualitätssicherung“.

Emmely (aus Berlin angereist) berichtete von ihrem Streik bei Kaisers und dem anschließenden Kampf gegen ihre Kündigung [  http://de.indymedia.org/2008/06/220342.shtml ] und ihrer aktuellen Situation als HartzIV Empfängerin.

Das Arbeitslosenzentrum ALSO aus Oldenburg berichtete von den dortigen Erfahrungen mit wöchentlichen! Zahltagen. Zu Gast ebenfals eine Erwerbslosengruppe aus Duisburg, die an einem eigenen Zahltag-konzept feilt.

Die Aktion Zahltag steht mittlerweile bundesweit für eine Aktionsform von unmittelbarer, kollektiver Selbstermächtigung und -Verteidigung gegen einen fortwährenden sozialen Angriff von oben. Mit der Aktionsform ZAHLTAG geht es uns nicht darum, mit der ARGE in einen Dialog zu treten. Wir wollen kein besseres und kein anderes HartzIV, sondern dessen Abschaffung. Wir wollen uns selbst und selbstbewusst vertreten und uns gemeinsam zur Wehr setzen.
Auch wenn die politisch Verantwortlichen in Berlin oder sonst wo sitzen mögen, die Auseinandersetzung beginnt dort, wo Betroffene angegriffen werden, wo finanziell sanktioniert, entrechtet, entwürdigt und diszipliniert wird. Wer sich an einer solchen Behandlung von Erwerbslosen und der praktischen Umsetzung von HartzIV beteiligt, ist zwangsläufig Teil der Auseinandersetzung und muss sich fragen lassen auf welcher Seite er/sie stehen will.

In Köln haben sich diesmal antirassistische, antimilitaristische und antifaschistische Gruppen in die Vorbereitung mit eingeklinkt um ihren Bezug zur “sozialen Frage” ganz praktisch einzubringen. Darüber hinaus haben wir auswärtige Gäste, die von ihren Auseinandersetzungen um Lohn- und Sozialraub berichten werden. Mit einer ganzen Woche voller Zahltage wollen wir es der ARGE möglichst schwer machen, der Konfrontation auszuweichen. Es verspricht spannend zu werden - Nehmt oder haltet Euch also zumindest ein paar Tage der restlichen Aktionswoche ZAHLTAG XXL frei und kommt vorbei!

agenturschluss, 1.Dezember 2008

Noch ein Fotobericht

... 06.12.2008 - 16:21

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Kritik

Scholla 02.12.2008 - 15:45
Hallo Indy,

in einem Forum habe ich Kritik an der Art und Weise des Berichts geäußert.

Daraufhin wurde mir mitgeteilt, dass ich evtl. auf diese Weise mit dem Berichterstatter Kontakt aufnehmen könne.
Meine Kritik bezog sich auf die Wortwahl in dem Artikel, in dem Jemandem 'der Ar... aufgerissen' werden soll, Polizisten als Streifenhörnchen betitelt werden und noch einiges mehr.

Grundsätzlich finde ich *Zahltag* begrüßenswert, werde aber von der Art und Weise der Berichterstattung eher abgestoßen. Warum kann nicht sachlich über dieses Thema berichtet werden? So weit ich sehe, ist die indymedia.org eine neutrale Platform, Emotionen sollten zu Hause ausgelebt werden, zumindest in soweit, als sie andere beleidigen oder verunglimpfen könnten. Was du nicht willst...

Viele Grüße

Scholla