"Ehrenmal" in GÖ ruft jetzt zur Buße auf

B. Uße 19.11.2008 10:11 Themen: Militarismus
Zum heutigen Buß- und Bettag wurde in Weende (nördlicher Stadtteil Göttingens) das Soldaten-"Ehrenmal" umgewidmet. Unbekannte nahmen rote Sprühflaschen zur Hand und gaben dem Soldaten-"Ehrenmal" mit Sprüchen wie, "Weender Soldaten sind Mörder" und "tuet Buße" der Gedenkunkultur ein neues Gesicht.
Der Buß- und Bettag wurde bewusst ausgesucht, weil er zumindest in den (evangelischen) Kirchen noch immer eine wichtige Rolle einnimmt. Dass dieser Tag in fast der gesamten BRD wg. der Finanzierung der Pflegeversicherung als "gesetzlicher Feiertag" abgeschafft wurde, hat ja nichts mit den Kirchen zu tun. Sie halten weiterhin an diesem speziellen Tag der Besinnung und Buße fest.
Die Sprüh-Aktion sollte einen Kontrapunkt zum Gedenkkonsens des "Volkstrauertages" setzen.

"tuet Buße" und Weender Soldaten sind Mörder" sollen durchaus provozieren. Ein anderer weg schien den Unbekannten wohl nicht möglich. Das ist schade, aber sagt sehr viel über die Situation in der BRD aus. Nicht die unbekannten "Sprüher der Nacht" hatten sich im Vorfeld der offenen Diskussion in Staat, Gesellschaft und Kirchen über Schuld, Sühne/Buße und Trauer verweigert.

Zum Hintergrund: Am vergangenen Sonntag wurde wieder einmal staatlich verordnet getrauert. Der Begriff "Volkstrauertag" ist ja schon problematisch genug. Wenn aber die Kommunen und örtlichen Vereine (Feuerwehren, Sport- und Schützenvereine usw.) sowie die "Deutsche Kriegsgräberfürsorge" Kränze an den "Ehrenmalen", die mit Inschriften wie, "Unseren Helden - 1914/1918" (Zitat GÖ-Weende) beschriftet sind, niederlegen, dann zeigt es nur zu deutlich, dass es nicht um Trauer geht. Es sollen offensichtlich - wie zu NS-Zeiten - in erster Linie die selbstverständlich deutschen so genannten "Helden" "verehrt" werden. Wenn dieser Eindruck nicht entstehen soll, dann sind die "Ehren- und Mahnmale" allesamt textlich zu überarbeiten.

Besonders störend und irritierend ist dabei, dass solche Kriegsverherrlichungs-Ehrenmale oft auf Kirchengrundstücken (direkt an der örtlichen Kirche oder auf dem kirchlichen Friedhof) stehen. Die Ehrenfeiern mit dem Lied vom herrlichen Soldatentod ("Ich hatte einen Kameraden") finden fogerichtig oft im Rahmen von "Messen/Gottesdiensten" statt (gern gesehen auch mit offiziellem Militärpfarrer mit seinen uniformierten Soldatenkamerad_innen). "Du sollst nicht töten" scheint kein Essential des christlichen Glaubens mehr zu sein, denn schließlich werden aktuell Bundeswehrsoldat_innen militärseelsorgerlich betreut. Daas bedeutet, sie werden kampfbereit gemacht/gehalten, eine Umkehr zum Leben wird nicht gepredigt.

Eine wahre Trauer um die Opfer des soldatischen Handelns findet so nicht statt. Es soll hier nicht verkannt werden, dass auch Deutsche Leid erfahren haben und trauern dürfen und sollen, aber die Verursacher des zweifachen Millionensterbens im 20. Jahrhundert waren nunmal zu einem sehr hohen Maße Deutsche. Dieser Aspekt wird am "Volkstrauertag", der mal dem tatsächlichen Anliegen stärker entsprechend "Heldengedenktag" hieß, nur am Rande gestreift und nicht ernsthaft genug bearbeitet.

Es ist dringend eine neue Gedenkkultur von Nöten. Die "Versöhnung über den Gräbern", die gerne bei solchen Anlässen beschworen und gemeinsam mit eingeladenen ausländischen Soldaten "begangen" wird, setzt leider die Schaffung von Gräbern voraus. Und weil sich Deutschland sehr doll und sehr viel versöhnen will, schaffte und schafft Deutschland sehr viele Gräber und wütet(e) sehr brutal in aller Welt. So macht Versöhnung Spaß und auch Sinn, scheint man zu denken.

Diese geschilderte Grundsituation findet man auch in Göttingen vor. Derzeit soll für den Ortsteil Weende die Chronik erweitert werden. Es gab vor zwei Jahren einen offiziellen Aufruf an die Weender Bürger_innen sich doch bitte mit "Feldpostbriefen", Fotos, Tagebucheinträgen etc. beim Autor_innen-Team des Dritten Bandes der Ortschronik zu "melden." Damit sollte die "Soldatengeschichte der Weender" (Zitat) erzählt werden. Eine örtliche Initiative von Historiker_innen verfasste darauhin eine "Erweiterung des Weender Aufrufs," darin wurde gefordert, dem Autor_innen-Team doch mal mitzuteilen welcher Weender Soldat wann in welcher "Einheit" wo geplündert, vertrieben, gebrandschatzt vergewltigt und gemordet hat. Ferner wurde gefordert, dass ehemalige Zwangsarbeiter_innen auf Kosten des Ortsrates bzw. des Stadtteils Weende nach Göttingen eingeladen werden. Weende solle sich auch an der Göttinger Zwangsarbeiter-Entschädigung beteiligen, wurde weiter gefordert.
Der Ortsheimatpfleger, die Autor_innen der Ortschronik und der Ortsrat reagierten darauf nicht (der Ortsratsvorsitzende ist Mitglied von Bündnis 90/Die GRÜNEN).

Somit war der erneute Versuch einer Diskussion nötig. In diesem Sinne ist die Forderung "tuet Buße" zu verstehen.
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Pseudochristen — Ein antifaschistischer Christ