Gö: Aktion gegen Heeresmusikkorps-Konzert

Antimilitaristische Perspektive (Göttingen) 18.11.2008 23:28 Themen: Militarismus
Unter dem Motto "Bundeswehr wegtreten!" protestierten etwa 20 AntimilitaristInnen in Göttingen heute (18.11.) gegen einen Auftritt des Heeresmusikkorps 2 in der Stadthalle.
Die MusiksoldatInnen traten bereits zum 35. Mal auf Einladung des Göttinger Tageblatts im Rahmen der Benefizaktion "keiner soll einsam sein" auf. Wie die MilitärmusikerInnen selber in ihrem Programmflyer schreiben, berufen sie sich auf "eine jahrhundertealte Tradition" (gemeint ist damit auch das "Tausendjährige Reich" unter Hitler) und auf den damit verbundenen "Ausdruck soldatischen Empfindens." Auch solle der Musikdienst "das Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Truppe fördern, die Bindungen zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung festigen sowie das Ansehen der Bundeswehr im In- und Ausland stärken." Diesem Versuch der zivilgesellschaftlichen Mobilmachung wurde entgegen getreten: Transparenten, Plakaten, ein Flugi und eine Störaktion haben das Militärkonzert begleitet.

In der Einganshalle wurde auf Plakaten ein vom Heeresmusikkorps neu arrangiertes Lied der Gruppe Queen aufgegriffen: "Who wants to live forever?" Dieser Titel wurde mit Bildern von einem zerbombten Haus in Belgrad und einem Foto von der "Verabschiedung" zweier toter Bundeswehrsoldaten in Kabul kommentiert. Ein Flugblatt (s.u.) wurde zahlreich verteilt und stieß auf reges Interesse beim vorwiegend älteren Publikum.

Beim Protest im Saal wurde es dann etwas lauter und unbequemer. Einige AntimilitaristInnen hatten sich Eintrittskarten besorgt und nutzten gleich das erste Musikstück ("Hymne und Triumphmarsch aus der Oper Aida"), um in der ersten Reihe auf die Stühle zu steigen und ein Transparent mit der Aufschrift "Spiel mir das Lied vom Tod" hoch zu halten. Sofort wurde gegen die Leute geboxt und am Transpi gezerrt, Gäste der zweiten Sitzreihe traten gegen die Stühle. Trotzdem konnte das Transpi für alle sichtbar gezeigt und antimilitaristische Sprüche gerufen werden. Einige BesucherInnen des Konzerts wurden zunehmend rabiat, aber nach einigen Minuten war die Aktion auch schon beendet.

Worum es den AntimilitaristInnen ging, dürfte erreicht worden sein: Die Werbewirkung des Militäraufmarschs unter dem Denkmantel der Nächstenliebe wurde beschädigt. Ein Vertreter des Göttinger Tageblatts schimpfte hinter den abziehenden AntimilitaristInnen her, dass sie so etwas doch nicht machen dürften, denn es ginge doch um eine ernste Sache (Benefizkonzert für Arme). Ja, ernst ist verstärkte Vorrücken der Armee in das zivile Leben tatsächlich. Es bereitet den Boden für die Kriegsbeteiligungen Deutschlands in aller Welt. Bundeswehr wegtreten!
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Ergänzungen

Text des Flugblatts

Antimilitaristische Perspektive (Göttingen) 19.11.2008 - 00:39
„Who wants to live forever?“

Heute spielt das Heeresmusikkorps 2 (HMK 2) beim Benefizkonzert für die GT-Aktion „Keiner soll einsam sein“ eine Neubearbeitung dieses Hits der Gruppe Queen. Dem Veranstalter ist dieser Zynismus entweder nicht aufgefallen oder nicht peinlich, weil er militärischer Alltag ist.

Für uns ist Militär nichts Alltägliches und gehört nicht in die Gesellschaft. Das heutige Konzert wurde für unseren Protest ausgewählt, weil der Musikdienst der Bundeswehr den Anspruch erhebt, das Militärische in das Zivilleben zu tragen und die Akzeptanz für Armeeeinsätze im Innern und im Ausland zu vergrößern. Diesem Zugriff der Armee auf das zivile Leben gilt es zu widersprechen.

Sollte die Aktion mit dem Motto „Keiner soll einsam sein“ ehrlich gemeint sein, dann könnte sie nur die Auflösung der Bundeswehr zum Ziel haben. Denn SoldatInnen bringen weltweit Folter, Tod und Einsamkeit. Soziale Not wird durch Armeen verstärkt und nicht gelindert.

Wir stellen deswegen fest, dass es keinen Unterschied zwischen „kämpfenden“ und „musizierenden“ SoldatInnen gibt. Die MusikerInnen tragen ja auch die gleichen Uniformen und lassen sich mit militärischen Dienstgraden ansprechen. SoldatInnen der Musikkorps werden gegebenenfalls auch in kämpfenden Truppen eingesetzt. Das HMK 2 ist zudem einer Panzergrenadierdivision zugeteilt, die in Afghanistan und bei anderen Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt ist.

Während die Bundeswehr hier heute Musik spielt, führt sie gleichzeitig Krieg in Afghanistan, unterhält im Kosovo ein Besatzungsregime und ist durch Hochrüstung und Umstrukturierung auf weitere Kriege vorbereitet. Deutsche SoldatInnen töten, sie schmeißen Bomben und killen im Nahkampf. Ferner beteiligen sie sich an Verschleppung von Gefangenen in Folterlager (Murat Kurnaz und unzählige weitere).

Militäreinsätze dienen nicht den Menschenrechten, sondern „Aufgabe der Bundeswehr ist es, den ungehinderten Zugang zu Rohstoffen und Märkten in aller Welt zu sichern.“ (Verteidigungspolitische Richtlinie seit Nov.1992). Deswegen ist der „mögliche Einsatzort der Bundeswehr die ganze Welt.“ (Ex-Kriegsminister Struck, 2003). Kanzlerin Merkel setzt diese Politik fort und nennt das „Ordnungspolitik mit freundlichen Worten und Marschflugkörpern“ (München 2005).

Diese Zitate und die dahinter stehende Politik bilden die Basis für immer mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr. Dabei werden die vorgeblichen Ziele (Menschenrechte, Frieden und Sicherheit) nicht annähernd erreicht. Ganz im Gegenteil verhindert der permanente „Krieg gegen Terror“ eine gerechte und solidarische Verteilung der Ressourcen und das selbst bestimmte gewaltfreie Zusammenleben in der Welt.

» Bundeswehr abschaffen
» Musiktalente zivil nutzen
» Für ein militärfreies Göttingen
» Für praktische Solidarität – KeineR soll einsam sein

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Das Heeresmusikkorps 2 (nicht römisch II) wurde am 01. Juli 1956 gegründet (anfänglich als HMK IV A), beruft sich allerdings auf eine vor Gründung der Bundeswehr liegende Musiktradition deutscher Heere. Offizieller Sitz der insgesamt fast 50 Wehrpflichtigen sowie Berufs- und ZeitsoldatInnen des HMK 2 ist die ehemalige Lüttich-Kaserne in Kassel.
Das HMK 2 untersteht seit Januar 2003 direkt der 13. Panzergrenadierdivision in Leipzig. Die deutsche Armee unterhält insgesamt 18 so genannter Musikkorps der Bundeswehr (MusKorpsBw), die der Streitkräftebasis, dem Heer, der Luftwaffe, der Marine oder den Gebirgstruppen zugeordnet sind. Die MusKorpsBw spielen u.a. bei Gelöbnissen, beim „Großen Zapfenstreich,“ bei Verabschiedungen und Begrüßungen von Kriegsschiffen in Wilhelmshaven und bei Trauerfeierlichkeiten, wie zuletzt in Zweibrücken.

Die Musik folgt stets dem Kampf: In den letzten 50 Jahren führten Auslandsreisen die Kasseler BundeswehrmusikerInnen in mindestens 18 Staaten; fast ausnahmslos in Staaten, die von Deutschland bereits mehrmals überfallen wurden: z.B. Belgien, Griechenland und Ex-Jugoslawien (Bosnien-Herzegowina und Serbien/Kosovo). Heute spielt das HMK 2 bereits zum 35. Mal im Rahmen der Benefizaktion des Göttinger Tageblatts (GT) „keiner soll einsam sein“ in der Stadthalle. Dieses Konzert ist zwar kein verfassungswidriger Einsatz der Bundeswehr im Innern, solche Einsätze unter Missachtung der Verfassung haben aber auch schon mehrfach stattgefunden (z.B. FIFA-WM 2006 und Heiligendamm 2007). Somit folgt auch hier die Musik dem Kampf.

Bundeswehr wegtreten!

Antimilitaristische Perspektive Göttingen
c/o Roter Buchladen, Nikolaikirchhof 7, 37073 Göttingen
18.11.2008

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Danke — marylou

Aktionstag gegen Repression — Antimilitarist

Neonazis wollen am 01. Mai 2009 — http://www.presseanzeiger.de/