Niedersächsisches Versammlungsgesetz geplant

PanoptikOS 18.11.2008 22:15 Themen: Repression
Nachdem Bayern als erstes Bundesland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, nach Inkrafttre­ten der Föderalismusreform 2006 ein eigenes Versammlungsgesetz zu verabschieden, will jetzt auch die niedersächsische CDU-FDP-Landesregierung ein neues Versammlungsgesetz vom Knie zu bre­chen. Die ersten ReferentInnen-Entwürfe werden bereits intern diskutiert und ähneln in Aufbau und Inhalt relativ stark dem Bayrischen Versammlungsgesetz. Innenminister Schünemann kündigte an, im Januar 2009 einen entsprechenden Gesetzesentwurf im niedersächsischen Landtag zu präsentie­ren.
Die bisher diskutierten Entwürfe basieren grundlegend auf dem Bayrischen Versammlungsgesetz, dass am 1.Oktober 2008 in Kraft getreten ist, und gegen das derzeit eine Verfassungsklage läuft (Verweis). Obwohl sich der Gesetzesentwurf noch in einer relativ jungen Fassung befindet, zeichnen sich deutliche Tendenzen und Bestrebungen ab. Nach dem Vorbild Bayerns sollen Demonstrationen zukünftig dem Wohlwollen von Polizei und Ordnungsämtern sowie umfassender Dauerüberwa­chung unterliegen. Zusätzliche bürokratische Hürden und voraussichtlich hohe Strafen führen zu weiteren Aushöhlungen des Versammlungsrechts. Das immer repressivere Vorgehen der Polizei ge­gen Demonstrationen verschiedenster Couleur soll durch dieses Gesetz nicht nur juristisch legiti­miert, sondern sogar verschärft werden.

Ähnlich wie im Bayrischen Gesetz und auch im Entwurf für das Baden-Württembergische Ver­sammlungsgesetz bedeutet ein Inkrafttreten eines solchen Gesetzes einen breiten Angriff auf alle gesellschaftlichen Kräfte, die dieser Entwicklung tatsächlich oder potentiell entgegenstehen; von der antifaschistischen Bewegung bis zu den Gewerkschaften.

Neben einem Uniformierungsverbot beinhaltet der Gesetzesentwurf auch ein allgemeines Militanz­verbot, das verhindern soll, dass Demonstrationen eine „einschüchternde Wirkung“ und den „Ein­druck von Gewaltbereitschaft“ vermitteln. In der Begründung hierzu greift der Gesetzesentwurf auf den Extremismusbegriff zurück, der jenseits aller inhaltlichen Kriterien linke Gesellschaftskritik und antifaschistischen Widerstand mit dem Denken und Handeln von Nazis gleichsetzt. In der Pra­xis hätte dies dann zur Folge, dass statt belegbarer Fakten ein vages Gefühl Dritter ausreichen wür­de, damit ein Einsatzleiter der Polizei eine nicht genehme Demonstration auch gewaltsam auflösen lassen kann. Streikkundgebungen vor einem Betrieb oder Proteste gegen Nazi-Läden könnten als störend empfunden und damit verboten werden.

Demo-Ordner soll die Polizei schon im Voraus namentlich überprüfen, durchleuchten und relativ beliebig abgelehnt werden können, während der Leiter einer Demonstration zu einem Helfershelfer der Polizei gemacht werden soll.
Darüber hinaus sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Polizei Demonstrationen und somit alle Teil­nehmer jederzeit und ohne konkreten Anlass auf Video aufzeichnen darf, bei Versammlungen unter freiem Himmel soll dies sogar „versteckt“ geschehen dürfen. Die Übersichtsaufzeichnungen können sogar zu „Fort- und Ausbildungszwecken“ beliebig lange aufbewahrt werden.

Statt der bisherigen drei Personen, sollen nun schon zwei Personen die sich zur Teilhabe an der öf­fentlichen Meinungsbildung treffen, ausreichen, um als Versammlung zu gelten. Damit würden schon 2 Personen, die Flyer verteilen oder sich in der Innenstadt über ein politisches Thema unter­halten unter dieses restriktive Gesetz fallen. Eine Versammlungen unter freiem Himmel muss mind. 72 Std. statt bisher 48 Std. vor Bekanntgabe der Versammlung von der zuständigen Behörde geneh­migt werden, außerdem ist eine öffentliche Einladung auch bei Versammlungen in geschlossenen Räumen erforderlich.
Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die gleichen Beschneidungen, wie sie das Bayrische Versammlungsgesetz vorsieht.

Über die genauen Straf- und Bußgelder bzw. Freiheitsstrafen, die bei Nichtbefolgen der Vorschriften geltend gemacht werden können, liegen uns derzeit noch keine konkreten Angaben vor.

Beim neuen Versammlungsgesetz handelt es sich somit um ein Gummigesetz, das Polizei und Ord­nungsämter Veranstaltungen überwachen und verbieten lässt, ohne dass sie dafür konkrete Gründe benötigen. Die Praxis besteht häufig darin, emanzipatorischen Protest – bislang oft widerrechtlich – mit schikanösen Auflagen zu behindern, abzufilmen und anzugreifen. Praktisch unüberwindbare formaljuristische Hürden sollen dazu führen, dass sich Demonstrationen grundsätzlich in einer Grauzone bewegen, so dass die Polizei immer einen Anlass für eine Kriminalisierung finden kann.

Die gesellschaftliche Debatte um das neue niedersächsische Versammlungsgesetz hält sich bisher eher in Grenzen, was unter anderem auch daran liegen könnte, dass es dazu bisher wenige konkrete Informationen gab. Umso wichtiger ist es jetzt, darüber zu informieren, sich zu vernetzen und Wi­derstand zu organisieren.

Gegen das neue niedersächsische Versammlungsgesetz!
Gegen Überwachungswahn und Polizeistaat!
Für unkontrollierte Versammlungen!
Solidarität ist eine Waffe!
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, ...

red 18.11.2008 - 23:04
Informationen zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes in Baden-Württemberg und zum geplanten Widerstand dagegen:  http://aabw.antifa.net

Anmeldung ungleich Genehmigung

Jura-Fuzzi 18.11.2008 - 23:06
Vielen Dank für den Artikel! Eine Sache muss aber richtig gestellt werden: Zumindest bisher hängt die Legalität eines Demonstrationsaufrufs nicht, wie im Artikel steht, von der Genehmigung der Versammlungsbehörde (das ist meist die Polizei) ab, vielmehr muss die Versammlung schlicht 48 Stunden vorher ANGEMELDET werden. Versammlungen werden grundsätzlich nicht genehmigt, sondern nur angemeldet. Sie werden dann allerdings im bürokratischen Verfahren häufig, in den letzten Jahren sehr häufig, mit Auflagen überzogen und manchmal sogar ganz verboten, was aber vor Gerichten höherer Instanz eher selten Bestand hat.
Ausnahmen bilden die beispiellosen Grundrechteinschränkungen insbesondere bei Castortransporten, wo eine Allgemeinverfügung für ein bestimmtes Gebiet in einer bestimmten Zeit Versammlungen grundsätzlich untersagt - da können dann Ausnahmen genehmigt werden (passiert aber sehr selten). Spontanversammlungen, die sich gewissermaßen über solch Allgemeinverfügungen hinwegsetzen, gelten trotzdem solange als (grundrechtlich geschützte) Versammlungen, bis sie von der Polizei aufgelöst werden - vorher ist die Teilnahme nicht ordnungswidrig. Soweit eine kleine Rechtskunde...

Widerstand organisieren!

afa 68erz 18.11.2008 - 23:26
Es zeichnet sich ein bundesweiter Trend ab die Versammlungsgesetze nach und nach in allen Bundesländern zu verschärfen. Zudem ist diese Entwicklung zu sehen im Kontext mit Vorratsdatenspeicherung, der Diskussion um Bundeswehreinsätzt im inneren und dem Neuerungen des BKA Gesetzes. Dieser massive Ausbau des zum Polizeistaat, ist letzlich nichts anderes als Teil präventiver Aufstandsbekämpfung, zur repressiven Absicherung von Sozialabbau, Studiengebühren dem Ausbau des Niedriglohnsektors. Eine Einschätzug dieser Entwicklung, hin zu polizeilicher Konfliktbearbeitung und Autoritärer Kriesenlösung, findet sich im Aufruf des ak antifa mannheim ( http://akantifa-mannheim.de)zu den in nächster Zeit stattfindenden Aktionen gegen das neue Versammlungsgesetz. Beteiligt euch an den Aktionen gegen den Ausbau des Polizeistaates und kapitalistische Herrschaft am: 29.11. in Mannheim, am 06.12. in Stuttgart und am 13.12. in Freiburg.

weitere Infos unter aabw.antifa.net, akantifa-mannheim.de, autonome-antifa.net

rein in den antikapitalistischen Block

. 18.11.2008 - 23:29
hier die Presseerklärung der Antifa Mannheim zum antikapitalistischen Block am 29.11. in Mannheim.

Bündnisdemonstration gegen das neue Versammlungsgesetz am 29.11. in
Mannheim - AK Antifa ruft zu antikapitalistischem Block auf

Am 29. November 2008 wird es in Mannheim eine von einem breiten
gesellschaftlichen Bündnis getragene Demonstration gegen das neue
Versammlungsgesetz geben. Der AK Antifa Mannheim ruft an diesem Tag zu
einem antikapitalistischen Block auf, um eine umfassende Kritik an den
gesellschaftlichen Verhältnissen auf der Strasse sicht- und hörbar zu
machen.

Die geplanten Änderungen des Versammlungsrechts zielen auf eine noch
schärfere Überwachung, Einschüchterung und Kriminalisierung von
Versammlungen und reihen sich ein in eine repressive Politik der
präventiven Aufstandsbekämpfung, die vor dem Hintergrund von Sozialabbau
und der massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen weiter Teile der
Bevölkerung zu sehen ist.

Während sich der Protest gegen die sozialen Zumutungen beispielsweise in
der steigenden Häufigkeit und Länge von Streiks, der Mobilisierung gegen
Studiengebühren oder Aktionen gegen Hartz-IV und 1-Euro-Jobs äußert und
auch wieder breitere Teile der Bevölkerung mobilisiert, verlegt sich die
Baden-Württembergische Landesregierung als traditionelle Vorreiterin bei
repressiven Gesetzesvorhaben zunehmend darauf, diese Konflikte als
ordnungspolitisches Problem zu behandeln und die für ihre Unterdrückung
notwendigen gesetzlichen Mittel zu schaffen.
Es zeigt sich einmal mehr, dass der Staat nicht Garant eines guten
Lebens für alle ist, sondern die kapitalistische Ausbeutung und die
Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems als Ganzes organisiert.
Konkret beinhaltet der von der CDU-Landesregierung forcierte
Gesetzesvorschlag die Einführung eines sogenannten ?Militanzverbotes?,
dass Demonstrationen, die den ?Eindruck von Gewaltbereitschaft?
erwecken, verbieten soll. Darüber hinaus soll die Polizei das Recht
bekommen, namentlich zu nennende Ordner im Vorfeld einer Demonstration
abzulehnen und deren Daten unbegrenzt zu speichern, sowie Versammlungen
jederzeit und ohne konkreten Anlass flächendeckend zu filmen.

Eine Sprecherin des AK Antifa dazu:
Wir begrüßen die Initiative der verschiedenen Bündnisgruppen und die
erstarkenden Aktivitäten gegen das neue Versammlungsgesetz. Es geht uns
dabei aber nicht um eine Aufrechterhaltung des status quo, sondern um
die grundsätzliche Kritik am Bestehenden. Kapitalistische Ausbeutung und
staatliche Repression sind zwei Seiten der gleichen Medaille.
Wir treten ein für die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die
Abschaffung des Staates und seiner Zwangsorgane. Diese Forderungen
werden wir am 29.11. mit einem antikapitalistischen Block auf die
Strasse tragen.

Nachdem es in der Vergangenheit zu zahlreichen, gut dokumentierten,
Schikanen und Übergriffen gegen linke Demonstrationen gekommen ist,
fordern wir die Polizei auf, sich jeglicher Provokationen zu enthalten.

Die Demonstration beginnt um 13 Uhr am Hauptbahnhof Mannheim.

Unterstützt wird die Demonstration bislang von: AK Antifa Mannheim,
Anarchistische Gruppe Mannheim, Attac Mannheim, DIDF-Jugend, Die Grünen
Mannheim, Die Linke.Mannheim, Die Linke.SDS, Fachschaftsrat für Soziales
FH Ludwigshafen, GaHG Mannheim, Grüne Jugend Mannheim, Greenpeace Jugend
Mannheim, Jusos Mannheim, linksjugend ['solid'], Party&Activism,
Piratenpartei BaWü, SPD Mannheim, Verdi Rhein-Neckar, VVN-BdA e.V.

Mehr Informationen finden sich unter:
www.akantifa-mannheim.de
» http://versammlungsgesetz.wordpress.com/

Und die wichtigen Fakten???

anderer Jura-Futzi 19.11.2008 - 07:58
Uniformierung und Militanz (im Sinne von aktiver, wie passiver Bewaffnung) sind genauso bereits jetzt Verboten, wie Vermummung. Außerdem fehlt das wichtigste: die Idee von besonders geschützten Räumen und wenn ich mich nicht irre auch Daten (9.November). Als Argument dienen ehemalige KZ sowie andere Stätten an denen Nazis demonstrieren, wo Demos "einfach so" verboten werden könnten. Das trifft dann relativ fix auch auf uns zu, dann wird die Bahnstrecke oder der Nazi-Laden zu so einer Zone erklärt...

Eine bessere Recherche wäre schon toll, statt hier mit etwas Bauchgefühl zum Teil Nebensächlichkeiten zu verbreiten!
Ein wenig mehr Recherche im

Bündnis gegen Versammlungsgesetz

bekannt 19.11.2008 - 08:16
unter versammlungsgesetz.wordpress.com findest mensch die Bündnisseite des Mannheimer Bündnis gegen das BaWü Versammlungsgesetz. Dieses ist auch eng vernetzt mit dem Stuttgarter Bündnis. Gruppen aus Niedersachsen können sich gerne an das Bündnis wenden und Texte/Flyer etc. erfragen. Mensch muss ja gleiche Arbeit nicht doppelt machen.

Bündnis

PanoptikOS 19.11.2008 - 15:59
Um möglichst schnell ein Bündnis auf die Beine zu stellen, haben wir schon mal nen Blog eingerichtet

 http://versammlungnds.wordpress.com/

Ist zwar noch ein wenig proprietär, aber wir können an der Infrastruktur ja noch arbeiten. Wär cool, wenn sich alle interessierten Gruppen Organisationen usw., die was gegen das Gesetz machen wollen, sich so schnell wie möglich vernetzen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Schweinerei — The unknown phantom

wut — jo

Aufruf der KTS zur Demo in Freiburg am 13.12. — AnwohnerInnen einer Polizeiburg