Aachen: Weihnachtsnazis

AKantifaAC 17.11.2008 17:25 Themen: Antifa
Nachdem in Aachen jahrelang Nazis nicht öffentlich auftraten, versuchen nun wieder junge extreme Rechte in der Innenstadt Fuß zu fassen. Sie bekommen hierbei Unterstützung von Außerhalb: Reitz und Worch nehmen sich der lokalen Nazi-Szene an, die – neben öffentlichen Saufgelagen und gewalttätigen Übergriffen – nicht viel geregelt bekommt.
In der Region Aachen gibt es einer der aktivsten neonazistischen Szenen in NRW. Gerade um die Stadt Aachen herum gibt es einen „braunen Gürtel“, der auf eine lange Tradition verweisen kann. In diesem Jahr nahmen jedoch die Bemühungen zu, auch in Aachen Innenstadt Präsenz zu zeigen. Es entsteht der Eindruck, dass die Neonazis versuchen, die Region Aachen zu einem Schwerpunkt ihrer Aktivitäten im Rheinland zu machen. So marschierte zunächst im Februar diesen Jahres die NPD in Düren auf, im März wurde von ca. 40 Nazis versucht, eine antifaschistische Demonstration in der Aachener Innenstadt anzugreifen.
Im April wurde in Stolberg ein junger Mann erstochen von dem sich die extreme Rechte so sehr wünschte, er sei einer der ihren gewesen, dass sie infolge dessen in diesem Monat gleich zu drei Aufmärschen in Stolberg auflief.

Seither haben der Märtyrer-Fan Christian Worch sowie der bekennende Antisemit Axel Reitz und die bundesdeutsche NPD-Elite Blut geleckt: Die Existenz der Region Aachen-Düren scheint bei den rechten Kadern nicht nur angekommen sondern überdies auf Interesse gestoßen zu sein. Die Märtyrer-Geschichte um die Vorfälle in Stolberg birgt, wie sich nicht zuletzt an den andauernden Beiträgen auf dem wohl bekanntesten bundesdeutschen Neonaziforum zeigt, ein Potential für die extreme Rechte, welches sich die Kader nur ungern entgehen lassen wollen. So war der Aufmarsch am 12.04.2008 in Stolberg mit fast 800 „Autonomen Nationalisten“ wohl der bis dahin größte so genannten „NS Black Block“ überhaupt. Die NPD meldete vorsorglich schon mal bis ins Jahr 2018 für den 4. April weitere Demonstrationen in Stolberg an.

Durch diesen Mobilisierungserfolg gepusht, verstärkten sich auch die Aktivitäten lokaler Nazis in Aachen Stadt, welche sich neben der NPD überwiegend in der „AG Rheinland“ und in der „Kameradschaft Aachener Land“ organisieren.
Der Aktionismus der noch jungen Aachener Neonaziszene dürfte wohl dazu beigetragen haben, dass Axel Reitz sich in diesem Jahr Aachen aussuchte, um seine Demonstration „Gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung. Gedenkt der deutschen Opfer“ zum Jahrestag der Reichspogromnacht durchzuführen. Und auch dieser Termin spornte die lokalen Kräfte an. So gab es allein in den letzten zwei Tagen vor dem Aufmarsch fünf Übergriffe auf (vermeintliche) politische Gegner_innen:
Donnerstag 06.11.2008: Am Aachener Hauptbahnhof greifen drei Neonazis unvermittelt eine Jugendliche an, verfolgen im Anschluss daran zwei Konzertbesucher des Autonomen Zentrums bis sie feststellen müssen, dass es keine gute Idee ist, direkt vors AZ zu laufen. Sie ergreifen die Flucht.
Freitag 07.11.2008: Drei Schüler_innen werden beim Verteilen von Flugblättern gegen den geplanten Naziaufmarsch um ca. 17 Uhr am Kugelbrunnen – Mitten in der Aachener Einkaufszone – von sechs „Autonomen Nationalisten“ angegriffen. Passanten greifen ein und wehren den Naziangriff gemeinsam ab. Abends feiern in der Pontstraße, der Aachener Kneipenmeile, an die 40 Nazis. Zwischen 23-24 Uhr kommt es dann zu einem Angriffsversuch durch 30 Neofaschist_innen auf fünf Antifaschist_innen in der Nähe des Hauptbahnhofes. Flaschen werden gegen einen Imbiss geworfen, in dem sich Antifaschist_innen aufhalten. Diese können jedoch entkommen. In derselben Nacht lauern gegen vier Uhr etwa zehn, mit Holzlatten und Flaschen bewaffnete „Autonome Nationalisten“ den letzten Konzertbesucher_innen auf. Es gibt eine kurze Auseinandersetzung, die Neonazis ergreifen die Flucht.

Am Samstag, den 08.11.2008, dürfen 108 Neonazis am Vortag des 70sten Jahrestages der Reichspogromnacht eine von Axel Reitz angemeldete Kundgebung am Aachener Hauptbahnhof abhalten. Der Gedenktag zum ‚Auftakt’ der Verfolgung und Vernichtung des europäischen Judentums sollte umgedeutet werden „zum Schicksalstag der Deutschen“. Anwesend ist als Versammlungsleiter Christian Worch, außerdem der Vorsitzenden der NPD Düren Ingo Haller. Zudem der Anführer der Kameradschaft Aachener Land (KAL) und NPDler Rene Laube, der Düsseldorfer Sven Skoda, Claus Cremer für die nordrheinwestfälische NPD und der gerade erst aus der Haft entlassene Paul Breuer. Von den lokalen Neonazis sind erschienen: Frank Streithoff, Jugendbeauftragter der NPD Düren und Mitglied der KAL, Peter Salber, Mitglied der NPD und KAL. Andere lokale Faschos schaffen es erst gar nicht, sich bis zum Bahnhof ‚durchzuschlagen’. Die Polizei verwehrt denen, die es bis zum Bahnhof geschafft haben, zwar den Aufmarsch durch die Stadt, schützt aber ihre Kundgebung am Bahnhof. Für die lächerliche Teilnehmer_innenzahl und das lange Rumstehen entschädigen sich ca. 70 Neonazis, indem sie eine Spontandemonstration durch Düren machen, bei der sie sich nebenbei und trotz einer völlig überraschten Polizei (diese musste ja noch in Aachen Antifaschist_innen schikanieren) 37 Anzeigen wegen Volksverhetzung einfangen.
Eine Woche später am Freitag den 14.11.2008 treffen gegen 23Uhr drei Jugendliche in der Stadt auf eine Gruppe von sieben Neonazis (KAL und „ANs“). Drei Nazis lösen sich aus der Gruppe und laufen den Jugendlichen hinterher, bewerfen diese dann aus einem Abstand von fünf Metern unvermittelt mit vollen Bierflaschen. Es handelte sich jedoch um extrem miese Werfer. Nachdem ihre Munition daneben ging, ergreifen auch sie die Flucht.

Der Aktionismus und das öffentliche Auftreten der Nazis führen dazu, dass sich zunehmend Widerstand bei den Aachener_innen regt. Gerade das Problem feiernder Nazis in der Pontstraße scheint auch bei den Bürger_innen angekommen zu sein. So hat sich ein Bündnis „Pontstraße gegen Rechts“ gegründet, welches den Kabarettisten Serdar Somuncu einlud. Am 05.12 findet im Labyrinth, einer Kneipe, die ebenfalls auf der Pontstraße liegt, eine Veranstaltung zu „Autonomen Nationalisten“ statt – die an die Kampagne „Faschismus ist nicht trendy!“ anknüpft.

Vielleicht ist Reitz und Worch bewusst, dass die Aachener Nazis weder inhaltlich eigene Akzente setzen können, noch sonst irgendwie besonders viel auf dem Kasten hätten. Vielleicht haben sie Mitleid. Jedenfalls haben sie sich vorgenommen, nach Aachen zurückzukehren. Reitz meldete für den 24.12.2008 erneut einen Aufmarsch in Aachen an. Beginn soll zehn Uhr am Hauptbahnhof sein – den kennt Axel schließlich schon. Motto ist diesmal: „Da habt ihr die Bescherung! Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ist kein Geschenk, sondern unser Recht!“. Wir werden mal schauen, welches passende Geschenk wir für ‚unsere’ Nazis finden.
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hahaha, anti-antifa! — indirekte aktion