Die Vereinte Linke Spanien auf Einigungskurs?

Ralf Streck 15.11.2008 12:29
Noch immer ist unklar, wer beim Kongress der spanischen Vereinten Linken (IU) an diesem Wochenende neuer Chef der Koalition wird. Nach dem Rücktritt des »Generalkoordinators« Gaspar Llamazares, der inzwischen sogar mit der Gründung einer neuen Partei drohte ( http://de.indymedia.org/2008/10/230707.shtml). Dabei sah es zwischenzeitlich so aus, als würde die Wahl des Parteichefs vertagt, um auf dem Kongress einen neuen Machtkampf zu vermeiden. Denn der hätte die Gräben zwischen den Fraktionen, die in der IU "Familien" genannt werden, noch vertiefen können.
Es war die Kommunistische Partei (PCE), die einst die IU ins Leben rief, die mit Cayo Lara vor einer Woche einen Kandidaten benannte. Ohne Gegenstimmen wurde er vom Parteirat bestimmt. Der IU-Chef der zentralspanischen Region Kastillien - La Mancha soll für die PCE wieder die Macht in der IU übernehmen. Lara sollte die größten Chancen auf den Posten haben, denn hinter dem PCE-Kandidaten scharen sich 45 bis 47 Prozent der 800 Delegierten, die in der Hauptstadt Madrid ab Samstag tagen. Ob der unbekannte Lara die IU aus der Krise holen kann, ist fraglich. Bei den Regionalwahlen 2007 konnte er nur drei Prozent der Wähler in seiner Region hinter sich bringen. Er lag damit noch unter dem fatalen Ergebnis von 3,8 Prozent der IU bei den Parlamentswahlen im März ( http://de.indymedia.org/2008/03/210152.shtml), der das Ende von Gaspar Llamazares als Parteichef besiegelte ( http://de.indymedia.org/2008/05/217256.shtml).

Ihm fehlt ohnehin die absolute Mehrheit und hier setzt der Katalane Joan Josep Nuet als möglicher Konsenskandidat an. Er geht für den "Dritten Weg“ ins Rennen. Das sind frühere Unterstützer von Llamazares, die sich zu Kritikern der "Gasparistas" entwickelten, aber auch Probleme mit der PCE haben. Sie bilden das Zünglein an der Waage zwischen der PCE und dem Llamazares-Flügels, der keine Erfolgschancen hat. Der 44jährige aus Reus (Tarragona) bringt einen Vorteil mit. Es ist der einzige Senator der IU. Er ist auf nationaler Ebene etwas bekannter und hat nationale politische Erfahrung. Mit ihm hätte der neue Parteichef wenigstens eine Stimme im Unterhaus, denn Llamazares weigert sich, den einzigen IU-Sitz im wichtigeren Kongress zu räumen.

Für dessen Flügel wird Inés Sabanés als Kandidatin genannt. Doch die hat bisher ihre Kandidatur nicht offiziell bestätigt. Die 55 jährige wurde ebenfalls in Katalonien geboren, wuchs aber im Madrider Arbeiterviertel Vallecas auf. Sie ist Sprecherin der IU im Regionalparlament der Provinz Madrid. Sie schlägt vor, alle Kandidaten zurückzuziehen und sich gemeinsam im Vorfeld zu einigen. Angeblich soll damit Streit verhindert werden. Doch die Gasparistas wollen so verhindern, dass die PCE wieder die IU-Führung übernimmt. Llamazares hat offen gedroht, in diesem Fall eine neue Partei gründen zu wollen.

Kaum Aussichten auf den Chefposten hat der beliebte Bürgermeister der Gemeinde Marinaleda, Juan Manuel Sánchez Gordillo ( http://de.indymedia.org/2004/03/77891.shtml). Dabei verkörpert der Chef der kämpferischen andalusischen Landarbeitergewerkschaft SOC genau die Oppositionspolitik, welche die IU offenbar nach dem Schmusekurs zur Regierung nun wieder einschlagen will ( http://de.indymedia.org/2004/03/77209.shtml). Etwas Einigkeit haben die drei großen Familien vor dem Kongress schon demonstriert und sich auf einen Eröffnungstext verständigt. Darin wird vor der grassierenden Massenarbeitslosigkeit von einem "Notfall" gesprochen, in dem die IU "Schwierigkeiten in Möglichkeiten verwandeln" müsse. Sie soll eine Bewegung anführen, die dem Kapitalismus eine radikale Alternative entgegensetzt. Doch jede Hoffnung darauf hat der "Espacio Alternativo" (Alternativer Raum) verloren. Wie etliche Organisationen zuvor ( http://de.indymedia.org/2005/04/111788.shtml), hat er die Koalition vor dem Kongress verlassen, weil sie sich die IU den regierenden Sozialisten (PSOE) untergeordnet habe.

Ralf Streck, den 15.11.2008
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Ergänzungen

Neues von der Weltwirtschaftskrise

Ralf 15.11.2008 - 13:56
Immobilenkrise in den USA spitzt sich zu

US-Hypothekenfinanzierer Freddie Mac verbuchte im dritten Quartal einen Rekordverlust von 25,3 Milliarden Dollar.

 http://www.heise.de/tp/blogs/8/118928

Mehr deutsche Banken wollen Hilfe

Ralf Streck 13.11.2008
Umsatzeinbrüche in der Technologiebranche, US-Finanzminister nimmt vom ursprünglich geplanten Aufkauf fauler Krediten von den Banken Abstand

 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29129/1.html

Hypo Real Estate mit neuen großen Verlusten
Das Bundesfinanzministerium wusste schon seit Frühjahr von den Problemen.

 http://www.heise.de/tp/blogs/8/118763

Börsen wieder auf Talfahrt
General Motors steht vor der Pleite, US-Versicherer AIG braucht weitere Miliarden.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/118727

Erneuter Börsensturz trotz Zinssenkungen und Rettungsplänen

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg werden die Wirtschaftsleistungen der Industriestaaten über ein Jahr schrumpfen, kündigt der IWF an
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29092/1.html