Kategorie C & Nazi-Hooligans in Berlin

Lisa Mehn 13.11.2008 15:35 Themen: Antifa Antirassismus
„Kategorie C“-Filmpremiere in Weißensee

Am Donnerstag, den 13. November 2008 findet im „Kino Toni“ in Berlin-Weißensee die Berliner Filmpremiere des neuen Films „Kategorie C“ [1] statt. Die Premiere in Berlin-Weißensee ist restlos ausverkauft und mit Blick auf Ausschreitungen in Leipzig am vorletzten Wochenende, an denen auch Neonazis beteiligt waren, kann an diesem Donnerstag auch in Weißensee mit Auseinandersetzungen gerechnet werden.
Die Geschehnisse in Leipzig

Am 1. November kam es in Leipzig bei der Premiere des Films zu massiven Ausschreitungen. Im Kino wurde eine Gruppe von Fans des Leipziger Fußballclubs BSG Chemie, die sich den Film ansehen wollte, von mehreren Hooligans brutal angegriffen. Die angreifenden Hooligans kamen aus dem Spektrum des 1. FC Lokomotive Leipzig sowie des Clubs „Hallescher FC“ und wurden von Leipziger Neonazis unterstützt.
Der Überfall schien geplant gewesen zu sein, ein rechter Hintergrund lässt sich hier nur schwer ausschließen. Was dafür spricht, ist zum einen die Fehde zwischen den Anhängern des 1.FC Sachsen Leipzig, dessen Fangemeinschaft zum Großteil im rechten Lager verortet ist und den Fans des BSG Chemie, die weitläufig als antifaschistisch gelten. Zum anderen spricht die zahlenmäßig hohe Beteiligung von Neonazis an dem Angriff. So waren Neonazis der Leipziger Gruppierung „Freies Netz Leipzig“ [2] beteiligt.

Die Hintergründe

Chemie-Fans waren auch in der Vergangenheit immer wieder Ziel rechter Angriffe, wobei es verfeindete rechte Ultra-Gruppierungen maßgeblich auf Mitglieder der Chemie-Ultra-Gruppe „Diablos“ abgesehen hatten.
Diese waren früher beim 1.FC Sachsen Leipzig beheimatet, wo sie sich klar antifaschistisch positionierten. Unter anderem fielen sie positiv durch Aktionen auf, die sich gegen das Tragen der rechten Modemarke „Thor Steinar“ im Stadion richtete oder das entschiedene Verweisen von Neonazis aus den Fanrängen.

Die „Diablos“ hatten schon öfter Probleme mit der Politik des Vereins und waren auch den alteingesessenen Hooligans des 1.FC Sachsen Leipzig, die sich gern auf Abstand zu politischen Äußerungen sahen und sehen sowie den Rechten beim 1.FC Sachsen Leipzig ein Dorn im Auge. Aus diesen Gründen wechselten die „Diablos“ diese Saison zur BSG Chemie [3], wo sie mittlerweile eine neue 1. Mannschaft gegründet haben und mit Spielen in der untersten Liga der Stadt anfangen. Seit ihrem Fernbleiben auf den Rängen des 1.FC Sachsen machen sich auch hier wieder verstärkt Neonazis im Publikum des Vereins breit.
Eine wichtige Rolle innerhalb dieser Fanfeindschaft spielt die Gruppierung „Metastasen“, die besonders gewalttätig gegen Chemie-Anhänger vorgeht. Die offen rechtsradikalen „Metastasen“ wollen nach eigener Aussagen verhindern, dass der Verein zu einem "zweiten St. Pauli wird" [4] Da beiden Gruppierungen zuvor Anhänger des selben Vereins waren, traten derlei politische Auseinandersetzungen nie so offen zu tage wie es jetzt der Fall ist. So wurde beispielsweise letztes Jahr am 8. Dezember die Weihnachtsfeier der „Diablos“ von Hooligans des 1. FC Lokomotive Leipzig und Mitgliedern der „Metastasen“ mit Stangen und Feuerwerkskörpern angegriffen, was in der Öffentlichkeit für einigen Wirbel sorgte [5]. Erst im Oktober 2007 hat es beim Derby zwischen Sachsen Leipzig II und Lok Leipzig Auseinandersetzungen mit den rechten Fangruppen von Lok gegeben. Auch intern gab es in letzter Zeit Auseinandersetzungen: Beim Auswärtsspiel des FC Sachsen Leipzig gegen Sangerhausen im November 2007 kam es zu Angriffen seitens der „Metastasen Chemie Leipzig“ auf Mitglieder und Sympathisanten der „Diablos“.
Die Feindschaft gegen die Fans des BSG Chemie, speziell gegen die „Diablos“, ist eine politische. Hooligans des Lok Leipzig, die bekannt sind für ihr rechtes Klientel, beteiligen sich aktiv an den Attacken gegen die Chemie-Fans. Diese waren vorrangig an den Jagdszenen am vorletzten Wochenende beteiligt. Mit dabei waren unter anderem auch Nazi-Hooligans aus Halle.
In der Innenstadt machte der Mob aus 150 Neonazis, Lok-Anhängern und Hallensern gezielt Jagd auf Chemie-Fans. Hierbei wurden 20 von ihnen verletzt.

Zur Situation am 13. November in Weißensee

Ähnliche Szenen könnten sich auch am heutigen Donnerstag abspielen. In Internetforen kursieren bereits Aufrufe den Film zu besuchen. Erwartet werden Fans des 1. FC Union, des BFC, so wie Anhänger des 1.FC Lok und des 1. FC Sachsen Leipzig. Der Antonplatz in Weißensee, der gerade rund um das Wochenende zum Angstraum für Migrant_Innen, Linke, nicht-heterosexuelle Menschen wird, könnte aus diesen Gründen heute Abend zur No-Go-Area für eben jene Menschen werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich nicht nur die Fangruppierungen untereinander angehen werden, sondern auch andere Menschen betroffen sein können, die nicht dem „deutsch-arischen Sonnenbank-Typus“ entsprechen.

Außerdem ist davon auszugehen, dass weite Teile der Langhansstraße Tummelplatz für dieses Klientel sein kann. Hier befinden sich einige beliebte Anlaufpunkte für das Hoolspektrum [6] und damit u.a. auch für dessen rechten Anhang. So war auch in einem Fan-Forum des 1. FC Sachsen Leipzig zu lesen, das beabsichtigt sei in eine der nahe gelegen Kneipen zu gehen. Wir möchten darum an dieser Stelle dazu auffordern, dass Menschen, die sich heute in Weißensee bewegen, die Augen offen halten und vorsichtig sind.

Aufgabenfeld für die Antifa

Leipzig ist sehr stark von einer unappetitlichen Mischung aus Hooligans mit rechten Tendenzen, organisierten Neonazis, Türstehermilieu, Rockern und „organisierter Kriminalität“ (Waffen, Drogen, Prostitution) geprägt. Die Antifa steht dem mit mehr Fragen als mit passenden Antworten gegenüber. Gerade bei den Auseinandersetzungen in Leipzig zeigte sich, dass die fast schon Symbiose-ähnliche Zusammenarbeit, der oben beschriebenen Spektren den Nazis und rechten Hooligans einen guten Schutz gewährleistet. Die Angreifer hatten sich nach dem Eintreffen der Polizei in Kneipen und Cafes zurückgezogen, die zum Großteil aus diesem Spektrum heraus betrieben und finanziert werden. Eine Intervention in Form von direkten Aktionen oder Öffentlichkeitsarbeit, wie wir sie aus der üblichen Antifa-Arbeit kennen, würde nichts bewirken und wohlmöglich eine Auseinandersetzung provozieren, deren Ende zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar ist.
Auch im Berliner Nordosten muss sich in nächster Zeit mit diesem Thema intensiv beschäftigt werden. Zum einen gibt es hier gerade in Pankow und Weißensee eine häufige Überschneidung von Rocker-Gruppen, Hooligans und Neonazis [7] und zum anderen tut sich mit den Spielen des BFC im Jan Sport Park, wo demnächst auch der 1. FC Union öfter spielen wird, da das Stadion „Alte Försterei“ in Köpenick, auf Grund seiner Drittligauntauglichkeit zur Zeit umgebaut wird.
Am kommenden Samstag, dem 15. November wird es unter anderem im Jan Sport Park-Stadion zu einem Derby zwischen dem BFC und dem TFG Neustrelitz kommen.
Eine Mobilisierung der Pankower Neonazi-Szene, die ebenfalls zum Großteil beim BFC angesiedelt ist, nach Pankow ist somit nicht auszuschließen. Hier wird um 14 Uhr eine Demonstration gegen die anhaltende Bedrohungen gegen Antifaschist_Innen in Pankow stattfinden.

Für Antifaschist_Innen eröffnet sich zumindest im Bereich des Stadions die Möglichkeit politischer Arbeit. Hier liegt einer der wenigen Ansätze in dem Spannungsfeld Mischszene [8] zu intervenieren. Diese hat in den letzten Jahren zwar zugenommen ist allerdings noch wesentlich ausbaufähiger und bedarf auch weiterführender politischer Ansprüche, die über „Antifaschismus“ hinaus gehen (Antisexismus, Kampf gegen Homophobie und Antisemitismus). Die Frage wie Antifaschist_Innen mit dem Themenkomplex Mischszene umgehen kann aber nur Teil einer gemeinsamen Diskussion sein, die allerdings schon seit einigen Jahren aussteht.

Für eine starke antifaschistische Jugendkultur!
Queer/Feminist-Hools beak the rules!
The Kids united against racism, fascism and capitalism!

Support your local Antifa:
 http://www.nea.antifa.de


Quellen:

[1] Infos zum Film „Kategorie C“:  http://www.kategorie-c-derfilm.de/film.htm

[2] Infos zum Freien Netz:  http://gamma.antifa.net/gamma/gamma182_web.pdf
(Virtuelle Kameradschaft: Das Organisationsprojekt “Freies Netz”, aus gamma Nr. 182 – April/Mai 2008)

[3] Artikel zum Fan-Wechsel bei Chemie:
 http://www.chemieblogger.de/2008/10/06/zu-politisch-fc-sachsen-lehnt-antirassismus-arbeit-ab/#more-76
(„„Zu politisch“: FC Sachsen lehnt Antirassismus-Arbeit ab“, von www.chemieblogger.de - 6. Oktober 2008)

[4] Artikel zur politischen Auseinandersetzung bie Chemie:
 http://www.chemieblogger.de/2007/11/15/lonzens-richtige-reaktion/
(„Lonzens richtige Reaktion“, von www.chemieblogger.de -15. 11. 2007)

[5] Zusammenfassung zum Überfall auf Chemie-Fans:
 http://leipzig.noblogs.org/post/2007/12/10/berfall-auf-diabolos-vereinsheim-des-1.fc-sachsen-leipzig-zerst-rt-mehrere-verletzte-hoher-sachschaden-ohne-worte....
(„Überfall auf Diabolos“, von leipzig.noblogs.org – 10.12.2007)

[6] Artikel über Neonazis und Kneipenlandschaft in Weißensee und Pankow:
 http://www.infernal.antifa.de/html/homepage/images/antifarund/au0804_n25_net.pdf
(„Pankow und Weißensee“ Aus der Antifa Umschau - April/Mai 2008 Nr. 25, Seite 12/13)

[7] Zur Verstrickung von Hools, Rockern und Neonazis im Berliner Nordosten:  http://nea.antifa.de/liberation/texte_br_rocker.html
(„Gefährliche Mischung“, aus Liberationweeks-Jugendinfo – März 2007):

[8] Was ist „Mischszene“?:  http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/archiv/65/6.php
(„Von Mischszenen und Grenzverschiebungen“, aus dem Editorial des Antifa Info Blatt Nr. 65 - Winter 2005)

Ergänzungen:

Wir betrachten die Anhängerschaft von Fußballclubs stets als sehr heterogen, weshalb eine generelle Pauschalisierung als „Nazis“ falsch wäre. Wofür wir uns aber einsetzen ist eine klare Stellungnahme der Menschen im Verein, so wie in den Ultra-Gruppen und Fanprojekten zu Neonazis in und außerhalb des Stadions.
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Ergänzungen

Fehler!

Leipzig125 13.11.2008 - 16:33
Sehr guter Artikel nur du hast dich verschrieben:

"Was dafür spricht, ist zum einen die Fehde zwischen den Anhängern des 1.FC Sachsen Leipzig, dessen Fangemeinschaft zum Großteil im rechten Lager verortet ist und den Fans des BSG Chemie, die weitläufig als antifaschistisch gelten."

net 1.FC Sachsen oder der 1.FC LOKOMITIVE sind eher rechts.

dumpfe mische

nick hershaw 13.11.2008 - 16:43
diese verbindung/überschneidung von hools, rockern, zuhältern und neo nazis ist nun aber nichts spezielles. die gibt es in hamburg seit ewigkeiten.

Fehlerhafte Recherge

Idiot 13.11.2008 - 17:19
"Was dafür spricht, ist zum einen die Fehde zwischen den Anhängern des 1.FC Sachsen Leipzig, dessen Fangemeinschaft zum Großteil im rechten Lager verortet ist und den Fans des BSG Chemie, die weitläufig als antifaschistisch gelten."

Die BSG Chemie Leipzig heißt heute FC. Sachsen Leipzig.....Viele FC Anhänger tragen noch heute Schals des alten Vereins und es der Doppelnahme ist weithin gebräuchlich...so steht auf Schals des FC noch heute auf der Rückseite Chemie. DIe Fans des FC nennen sich Chemiker.
Deine Konstruierte Feindschaft ist absudr du solltest besser recherchieren.
Die Rechten sind die Anhängerdes FC Lok Leipzig und die anderen sind eben die Chemiker....

(muss ausgefüllt werden)

lord knolle 13.11.2008 - 17:50
Der Film fängt 20 Uhr an .

Kein Fehler

keep techno ultrà 13.11.2008 - 22:12
Aus der ehemaligen BSG Chemie Leipzig entstand nach der Wende der 1. FC Sachsen Leipzig. Bei diesem waren u.a., neben den besagten rechtsradikalen "Metastasen", auch die antirassistischen Ultràs "Diabolos" aktiv. Zwischen diesen beiden Gruppierungen gab es in der Vergangenheit Konflikte, da die Diabolos den vorherrschenden Konsens einer typisch-deutschen Kurve aufbrechen konnten und sich offensiv gegen Rassismus und Diskriminierung positionierten.
In diesem Jahr gründete sich aus verschiedenen Gründen der Verein BSG Chemie Leipzig neu bzw. wieder - die Diabolos entschieden sich, die Kurve beim 1. FC Sachsen Leipzig zu verlassen und fortan die BSG Chemie zu unterstützen.

Klingt verwirrend? Ist aber so...

Doch Fehler !

Fehler 14.11.2008 - 16:54
Es gab und gibt keinen Verein mit dem Namen 1.FC Sachsen Leipzig.

Noch`n paar Fehler!

helmutberger 15.11.2008 - 11:04
Du schreibst: "...Jan Sport Park, wo demnächst auch der 1. FC Union öfter spielen wird, da das Stadion „Alte Försterei“ in Köpenick, auf Grund seiner Drittligauntauglichkeit zur Zeit umgebaut wird. "

Richtig ist, dass der Jahn-Sportpark (!!!) schon seit Anbeginn der Saison Heimstätte der Spiele des FC Union Berlin ist. Und es auch bald zurück in die "Alte Försterei" geht. Sollte schon im Oktober der Fall sein, spätestens zu Beginn der Rückrunde 2008/09 wird Union wieder dort (Alte Försterei) spielen.

Auch nicht ganz richtig ist: "Am kommenden Samstag, dem 15. November wird es unter anderem im Jan Sport Park-Stadion zu einem Derby zwischen dem BFC und dem TFG Neustrelitz kommen. "

Richtigerweise spielen die heute in Berlin-Hohenschönhausen im dort ansässigen "Sportforum" - glaube so heisst das da. Und natürlich JAHN-SPORTPARK, bitte!

Vorwärts Chemie

Hopper 16.11.2008 - 13:21
Der Streit zwischen "Diablos" und den "Metastasen" ist doch erst entstanden,nachdem mehrere "Diablos" 3 "Metastasen" angegriffen haben.Daraufhin gab es die "Racheaktion".

Das die Szene von Sachsen Leipzig momentan immer weiter nach rechts geht,ist eindeutig...doch auch seiddem die "Diablos" nicht mehr beim FC Sachsen sind,ist die Stimmung grotten schlecht und ab der nächsten Saison wird leider der FC Lok den höchsten Fussball in Leipzig spielen...

Bleibt zumindest die Hoffnung,das die BSG Chemie den gleich Weg geht,wie der 1.FC Lok(nicht auf den Rängen,sondern auf dem Platz).


P.S.:Wenn sich Nazihools aus Leipzig und Berlin untereinander auf die Schnauze hauen,sollte man da garnicht eingreifen....Denn ie Szene von Union ist auch alles andere als links....Vom BFC garnicht zu sprechen...

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