Berliner Erzieher_Innen-Streik geht weiter

Autonome Anarchist_In 10.11.2008 13:11 Themen: Soziale Kämpfe
Seit einiger Zeit streikt in Berlin ja ein teil des öffentlichen Dienstes. Mittlerweile in der angeblich längsten Tarifauseinandersetzung seit dem Bestehen der BRD. Auch die IG-Metall streikt. Doch bisher gibt es keine gemeinsamen Demos mit der IG-Metall. Vielleicht machens ja bald die Lehrer, Erzieher und Schüler gemeinsam? Was heute geschah, was die nächsten Tage geschieht.
Heute Streiken ja nicht nur die noch staatlichen Kitas und die Schulhorte. Auch die angestellten Lehrer streiken. Morgens sah mensch überall Leute mit der "B.Z." rumlaufen und auch im U-Bahn-Fernsehen stand es: "1074 Lehrer krank". Ausser der Hetze sah Mensch schon viele KiTa- und Schulhorterzieherinnen zum Streik fahren. Einerseits gibt es ja diese gelben "Verdi-Streikwesten" und andererseits die "fetten GEW-Streikbuttons".

Wie auch immer kamen wir schon gegen 9 Uhr am S+U Bahnhof Potsdamer Platz an! Es war schon recht voll und Verdi gab schon die Streiklisten aus. Gegen 9:15 Uhr war es schon so voll das sie die Stresemannstraße absperren mussten. Da fielen mir 2 Nazis auf die sich in "Thor Steinar"-Klamotten über mein Antifa-Button lustig machten. Da auch Berufsschulen streikten, schien es mir das es "Berufschüler" seien, die sich solidarisierten. Da offensichtlich einige Schulen gar kein Unterricht hatten kamen auch ein paar versprengte Grüppchen von Schülern an und solidarisierten sich mit dem Streik. Linke Gruppen sind nicht offen aufgetreten.

Es setzte sich der Demozug so gegen 9:20 Uhr in Bewegung mit "Gewerkschaft der Polizei" (GdP) und "Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft" (GEW) an der Spitze, musste aber nicht denken dass irgendjemand Panik gekriegt hätte, so nach dem Motto: "Oh Schreck, die Demo geht los!" Nein, die meisten blieben sogar Seelenruhig stehen. Die Demospitze war schon 200 Meter weg, dann 300, dann 500. Das Willy-Brandt-Haus, also die Bundeszentrale der "Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" (SPD), lag ja nur ca 1500 Meter entfernt und mensch konnte es vom Potsdamer Platz aus gut sehen. Als die Demospitze bereits (2 Bushaltestellen weiter) am SPD-Haus ankam da ist das Ende noch nicht mal losgegangen. Obwohl bereits beide Richtungsfahrbahnen benutzt wurden kam die Demo kaum vorwärts. Als wir so dreiviertel Zehn losgingen brauchten wir mindestens eine dreiviertel Stunde.

Auf der Demonstration waren über 10.000 Leute. Das ist auf jeden Fall ein Quantensprung zu den letzten Streikdemos. Die Veranstalter wurden von der Polizei (angeblich war Herr Hass auch da) angemahnt, sie hätten zuwenig angemeldet. Naja, dachten sich viele: "Da hätten se ja nur ma ihre Streikenden Kollegen fragen müssen". Nichtsdestotrotz war die "Deutsche Polizeigewerkschaft" (DPolG) auch wieder mit dabei.

Am Sonnabend habe ich mir die sogenannte "bundesweite Montagsdemo" angeschaut, dort waren meiner Meinung nach 5.000 bis 7.000 Leute, überwiegend Arbeitermilieu. Die Polizei sprach von Tausend, der Veranstalter 5.000, die Leute die da waren 8.000. Ich hab sie mir von vorne bis hinten angekuckt und bestaunt, teilweise mit "Blockdisziplin", obwohl überall nur MLPD-Fahnen waren, aber wahrscheinlich städteweise und da waren es maximal 7.000 Demonstrant(inn)en.

Aber heute waren es wesentlich mehr. Mensch muß ja auch bedenken, das immer mehr mit den "öffentlichen Verkehrsmiteln" nachströmten und die Ersten die ankamen, also GdP und GEW sich schon anfingen in die Streiklisten einzutragen und dann zu gehen. Also 10.000 ist schon eine "magische Schallgrenze" ab die eine Demonstration meiner Meinung nach schon was zu bedeuten hat, zumal das ja auch noch "Klassenkampf" ist.

Trotz erhaltener Kritik möchte ich betonen, das lohnabhängige Menschen in Repressiven Berufen, wie Knastwärter, Polizei usw. meiner Meinung nach nicht zur Arbeiterbewegung gehören, da sie meiner Erfahrung nach oft eingesetzt wurden um Streiks zu brechen, wie z.B. 2002 beim IG BAU-Streik.

Wie auch immer sprach eine "bundesweite Montagsdemonstrantin" solidarische Grüße aus und warb für den berliner Ableger. Sie bekam viel Applaus. Es sprach auch der berliner GdP-Vorsitzende der meiner Meinung nach immer die realistischsten Reden hält. Klar diesmal nicht so kämpferisch oder durchhalteparolenmäßig, aber das war heute auch nicht nötig. Na gut die SPD anzupissen wegen der "sozialen Marktwirtschaft" und der "sozialen Gerechtigkeit" ist schon richtig. Es wurde erwähnt das der im haus sitzende "Wowereit" seinerseits berliner Oberbürgermeister (vergleichsweise Ministerpräsident in anderen Ländern) gelte als SPD-Linker, sie meinten aber wohl links im Sinne von "gelinkt".

Ich denke das die meisten Menschen in Berlin gemerkt haben das heute gestreikt wurde. Zumal die Presse ja auch schon hetzt und denke das selbst die Gewerkschaftspitzen überrascht waren von der hohen Beteiligung.

Lokal gab es diesmal keine Streikkundgebungen und Demos. Stattdessen wird vom 10.November 2008 bis zum 17. November, also von Montag zu Montag zu zentralen Streikdemos aufgerufen. Der Grund sind die Bürgerämter die das letzte Mal dann auch plötzlich Sonnabend und Sonntag aufhatten. Das wird diesmal wohl nicht passieren und ich persönlich denke das spätestens heute gemerkt wurde das es tatsächlich ein Streik ist. Aber das langsame "Daumenschrauben andrehen" tut auch wahrscheinlich heute das erste Mal so richtig weh und wahrscheinlich fangen die verbeamteten auch an sich irgendwie zu beteiligen. An einigen Schulen, wo sich Lehrerinnen nicht in den Streik trauten, wünschten sie zumindestens ihren streikenden Kolleginnen viel Glück. Also ich denke es greift langsam eine "innerbranchenmäßige" Solidarisierung um sich und auch die "privatisierten" oder in "Eigenbetrieb" überführten KiTas merken mittlerweile das die anderen streiken.

Gut war auch das erst zum Schluß die Streiklisten kamen und ich denke auch das fast alle nicht nur wegen den Streiklisten da waren. Es gibt also schon eine langsame Radikalisierung. Auch hörte ich von einer Kollegin: "Die können nicht einfach den Streik beenden, da muß es erst eine Urabstimmung geben!". Ich persönlich hätte ja gedacht das die Streikfront bröckeln könnte, aber ich musste feststellen, das sie wesentlich stärker geworden ist!!! Es fiel mir ausserdem auch auf das sich die sogennanten "Funktionäre" ordentlich und anständig verhielten, also brav mitdemonstrieren und immer nett zu den Kolleginnen und Kollegen waren. Ja, ich hab nichtmal den Eindruck das sie sich "gleicher als andere" geben oder sich als die großen Organisatoren aufspielen, die haben einfach die Ruhe weg, was Streikpsychologisch eine "Große Rolle" spielt, denn sie sind ja nun mal zur Zeit tatsächlich die "Streikleitung". Das macht die Streikemos um ein vielfaches angenehmer. Die schienen mir früher immer so gehetzt. Was diesmal nicht klappte waren irgendwelche Snacks oder Kaffee oder so, aber das lag wahrscheinlich an Polizeilichen Auflagen da ja weder am Auftakt noch am Abschluß wirklich Platz war. Toiletten sind, wie es sich bei einer ordentlichen Gewerkschaftsdemo gehört, immer da.

So gegen 11 Uhr wurde die Demonstration als "geschlossen" erklärt. Und in alle Himmelsrichtungen verteilten sich grüppchen von Frauen, die sich ihre "verdi-westen" abstreiften und shoppen oder Kaffetrinken gehen. Einige Kolleginnen hörte ich gar sagen. Jetzt sehen wir mal endlich was von Berlin! Und mit ihrer Neudazugewonnenen Freizeit wissen die Kolleginnen sehr wohl was anzufangen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Nächste Termine

Autonome Anarchist_In 10.11.2008 - 13:25
Morgen wird sich um 9 Uhr am DGB-Haus in der Keithstraße 1-3, das ist fast direkt am Wittenbergplatz, getroffen und durch die City-West zum Ernst-Reuter-Platz demonstriert. Hui, da wird dann hoffentlich der Kreis-Verkehr dichtgemacht. Haha.

Mittwoch, den 12. November, geht es dann um 8:30 Uhr vom "Friedrichstadtpalast zum Roten Rathaus", weil ja ab 11 Uhr der "bundesweite Schülerstreik" dort ist müssen die Lehrer wohl vorher fertig werden. Es wäre ja mal richtig geil wenn die Lehrer und Schüler mal zusammen streiken würden...