Castor, Clowns & kreatives Chaos
Castor Aktuell - 11/2008
Ein buntbemalter Clown, zwei Clowns, plötzlich fünf, die wild um die Polizeibrigade 7 herumtanzen. Doch die ernst dreinschauenden Beamten, die zur aktuellen Überwachung des Castor-Transportes ihren Dienst schieben, starren stupide geradeaus wie steinerne Säulen und scheinen vorerst aus nichts aus der Ruhe zu bringen zu sein.
Ein buntbemalter Clown, zwei Clowns, plötzlich fünf, die wild um die Polizeibrigade 7 herumtanzen. Doch die ernst dreinschauenden Beamten, die zur aktuellen Überwachung des Castor-Transportes ihren Dienst schieben, starren stupide geradeaus wie steinerne Säulen und scheinen vorerst aus nichts aus der Ruhe zu bringen zu sein.
08.November 2008, Gorleben.
Bereits zum 11. Mal verwandelt sich das sonst so beschauliche, örfliche Wendland in eine Widerstandszone erster Güte. Bauern mit ihren geschmückten Traktoren, Familien mit kleinen Kinder, die fröhlich Anti-Atomkraft-Luftballons schwenken, schwarzgekleidete nhänger des linken Blocks, Alt-68er & bunte Studenten - sie alle sind hier, um ihren Unmut über den aktuellen Castor-Transport kundzutun.Am 07.11.08 startete erneut ein Zug mit elf Behältern aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague zum Zwischenlager Gorleben und erlebt dieses Jahr die höchste Anzahl von Widerständlern eit Jahren.
Jochen Stay von der wendländischen Initiative „X-tausendmal quer“ spricht von einer „Renaissance der Anti-Atomkraftbewegung“.
Wenn der Atomausstieg im kommenden Jahr Thema im Bundestagswahlkampf werde, „mischen wir kräftig mit“. Auch der Sprecher der Umweltorganisation Robin Wood, Dirk Seifert, zeigte sich erfreut über die „unerwartet große“ Beteiligung an den Protestaktionen. Sie hätten "klar gemacht, dass sich die Atomwirtschaft sehr warm anziehen muss."
Den Anfang der diesjährigen Proteste machten erste Demos & Mahnwachen im Wendland, akut manifestierte sich der Widerstand am 07.11.08 mit einer Schüler-Demonstration in Lüchow. Seitdem stehen in der ganzen Republik die Zeichen auf Sturm, versammeln sich Menschen zu Kundgebungen, spontanen Demos, Sitzblockaden & Laternenumzügen. Bereits auf der ersten Etappe des Castor-Transports demonstrierten 15 Robin Wood-Aktivisten mit Kletteraktionen über den Gleisen zwischen Lüneburg und Wendisch Evern auf den Bahngleisen ab und bewirkten so einen vorläufigen Stopp des Zuges.
Cécile Lecomte seilte sich auf der Brücke XX ab, einer Brücke, die schon wochenlang von der Polizei observiert & strengstens gesichert wurde (inklusive..). Lecomte wurde am Donnerstag vorbeugend in Gewahrsam genommen und ist seitdem in einer Ausnüchterungszelle in der Polizeikaserne in Braunschweig untergebracht. Ihr wurde nachts verwehrt das Licht auszuschalten und tags die frische Luft, ein kurzer Freigang nur mit Handfesseln, sie hatte lange kein Schreibzeug und hat keine eigene Toilette.
Nach Überwindung dieses Hindernisses kam der Atommülltransport nicht viel weiter, so ketteten sich zwischen den Grenzorten Lauterbourg und Wörth nach übereinstimmenden Angaben von Polizei und des Koordinationsbüros X-tausendmalquer drei Demonstranten an die Gleise und betonierten sich teils ein, was eine Verzögerung des Zuges um viele Stunden zur Folge hatte.
>>Die Fracht in den Behältern strahlt stärker als bei vorangegangenen Transporten. Daher wird der Atommüll nicht in deutschen Castor-Behältern, sondern in französischen TN-85-Behältern angeliefert. Die deutschen Castor-Behälter mit einer entsprechend stärkeren Abschirmung sind in der Entwicklung und noch nicht zugelassen. Die stärkere Strahlung geht auf einen höheren Abbrand der verarbeiteten Brennelemente zurück.<<
Am Samstag, 08.11.08 fanden sich dann 15.000 Demonstranten in Gorleben ein, um friedlich gegen Castor zu protestieren.
Das Bild war geprägt von kreativem Protest aller Coleur, durch musikalische Auftritte von lokalen Bands bis hin zum Auftritt von Madsen, intelligenter Kostümierung & engagierten Reden – ein neues Kapitel in der insgesamt schon 30 Jahre währenden Widerstandsbewegung gegen Atomkraft wurde aufgeschlagen. „Es ist erstaunlich, wie viele junge Menschen uns unterstützen, die in den Anfängen noch nicht einmal geboren waren - das hat es zuvor nicht gegeben“, freut sich Bettina Boll, Anti-Atomkraft-Gegnerin aus Geesthacht.
Trotz ausgesprochenem Versammlungsverbot der Polizei harrten Hunderte von Menschen bei bitterer Kälte auf den Schienen bis in die frühen Morgenstunden aus, um sogleich von neuen Protesten in Form von Fahrraddemos, manipulierten Schienensträngen, Brandanschlägen auf den Schienen & erneuten Sitzblockaden abgelöst zu werden. So vertrieb die Polizei unter Einsatz von Schlagstöcken u.a. Demonstranten zwischen Metzingen und Harlingen von der Bahnstrecke. Brennende Barrikaden, so ein Polizeisprecher, seien durch den Einsatz von Wasserwerfern gelöscht worden.
Der Staat war in Form seiner blauen Exekutive somit alle naselang beschäftigt, dem Widerstand der Bevölkerung Herr zu werden, der in seiner Vielfalt zeigt, dass ein strikter Atomausstieg mehr als gewollt ist. Die Protestgruppen im Wendland werten den bisherigen Verlauf der Proteste gegen den Castortransport als Erfolg. "Wir haben das Gefühl, dass uns die große Unterstützung neue Perspektiven eröffnet", sagte der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke.
Anders als auf den Schienen ist die Lage bei der Straßenblockade unmittelbar vor dem Zwischenlager Gorleben weiterhin ruhig: Inzwischen hat sich die Zahl der Blockierer auf 400 erhöht, darunter auch wieder diverse grüne Bundestagsabgeordnete wie Bärbel Höhn, Gerhard Schick und Katrin Göring-Eckardt. Einige grüne Landtagsabgeordnete sollen auch über Nacht auf der Straße ausgeharrt haben. Auch die beiden Robin Wood-Kletterer sind noch dort. Zur Stunde findet ein Konzert statt, es wurde eine Suppenküche aufgebaut - die Stimmung ist entspannt. 16.000 Bullen, die aus allen Bundesländern zusammengekarrt wurden, sind auch jetzt noch im Einsatz, die aufbrandenden Revolten in Schach zu halten.
Nach der Großdemonstration gegen Castortransporte fordern führende Politiker der Grünen ein neues gesellschaftliches Bündnis gegen Atomkraft. Dabei komme den Gewerkschaften eine ganz wichtige Rolle zu, sagte die Europa-Abgeordnete Rebecca Harms am Sonntag. In den vergangenen Jahren habe es zwar bereits punktuelle Zusammenarbeit zwischen Anti-Atom-Bewegung und Gewerkschaften gegeben, diese gelte es nun auszubauen.
Der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel würdigte Aussagen von IG Metall-Bezirkschef Hartmut Meine bei der Großdemonstration am Samstag in Gorleben. Meine habe nicht nur den Ausstieg aus der Atomenergie gefordert, sondern auch Alternativen aufgezeigt. "Er hat den Bogen zu den erneuerbaren Energien und den damit verbundenen Arbeitsplätzen gezogen, z.B. in der Windkraft- und Solarbranche", erklärte Wenzel. Die Grünen werteten die große Demonstration als Auftrag an die Politiker, sagte Harms. Sie müssten dafür sorgen, "dass endlich ein verantwortbarer Weg bei der Endlagersuche gegangen wird." "In Deutschland muss eine echte, ergebnisoffene und vergleichende Untersuchung beginnen. Dafür werden wir uns einsetzen", erklärte Harms.
Aktuelle Infos zum Transport sind unter abzurufen auf: http://www.castor.de/ticker/index.html
Außerdem ruft Robin-Wood dazu auf, die Aktivistin Cecile zu unterstützen und die Polizeigewahrsamsstelle anzurufen, um für ihre Freilassung Wort einzulegen: 0531-476-3048 oder 0531-476-1212
Aktuelle Infos, Sonntag-Abend:
18:17Uhr:
Auf der Oldendorfer Brücke sind 60-70 Menschen+++In Metzingen brennen Reifen auf der Bundestraße+++ Auf der Bundesstraße 216 ist dort nicht mehr durch zu kommen
18:04 Uhr:
Rolf Zuchowski hat sein Konzert in der Johanniskirche in Hitzacker aus Solidarität gegenüber dem Widerstand gegen die Atomtransporte abgesagt
18:03 Uhr:
Die Blockade in Gedelitz bei Republik Freises Wendland hat es nach dreistündiger Aktion geschafft, dass die Hamburger Polizeieinheit samt ihrem schweren Gerät mit Wasserwerfer etc.p.p. den Rückwärtsgang quer durch Gedelitz antreten musste
17:27 Uhr:
Zwischen Eichdorf und Nahrendorf sitzen 25 Leute auf der Schiene+++Es ist keine Polizei anwesend+++Und bei Bahn km 202 (also weiter westlich) sitzen 70 Leute auf der Schiene.
17:22 Uhr:
In Harlingen zwischen Bahn km 187 und 188 findet eine Riesenparty mit mehreren hundert Zwergen statt.
17:21 Uhr:
Auf der Bahn-Brücke bei Oldendorf (B216) stehen Leute, die beobachtet haben, dass 40 Menschen 5 Polizisten eingekesselt haben+++Ansonsten gar keine Polizei vor Ort.
17:15 Uhr:
Widersetzen ist in Harlingen erneut mit ca. 150 Leuten auf der Schiene+++Diesmal bei Bahn-km 188,1.
17:09 Uhr:
Die Aktion "Sicherheits-Check" bewegt sich mit 15 Gruppen an der Bahnstrecke zwischen Eschede und Bienenbüttel.
LINKS
http://www.x-tausendmalquer.de/
http://www.widersetzen.de
http://www.robinwood.de/
http://www.gruene.de
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Ergänzungen
Bärbel Höhn blockiert am Tag auch ohne Castor
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
Vorstand Dipl.-Ing. Wilfried Soddemann
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Erfolge?
Erfolg ist trotz massiver Angriffe auf Polizeibeamte und Widerstand von Unbelehrbaren CASTOR-Transporte zu ihrem Ziel zu bringen.
Dies ist Erfolg. Ich habe selber einige Castoren mitgemacht und sie haben ihr Ziel erreicht und seit Jahren erreichen die Behälter immer wieder ihr Ziel in Ahaus und in Dannenberg.
Dies ist Erfolg, eure Aktionen sind lächerlich und alles alndere als Erfolg....
Erfolg - @Beobachter2
Alle Aktivistinnen und Aktivisten haben dies durchaus getan, und all denen zolle ich hohen Respekt. Bei kaltem, nassen Wetter Persönliches in den Hintergrund zu stellen, sich von Bullen und Staat niedermachen, kriminalisieren und oft auch strafrechtlich verfolgen lassen zu müssen und es trotzdem immer wieder zu schaffen, den Transport zu verzögern und somit zu verteuern ist erstaunlich. Dass die Gegenbewegung wieder etwas an Fahrt gewonnen hat, ist zu begrüßen. Die Diskussion, auch die öffentliche ist wieder da und bei allem Geschehenen kann man im gleichen Kontext auch andere politische Themen behandeln:
- die zunehmende Polizeistaatlichkeit
- das faktisch nicht mehr vorhandene Demonstrationsrecht
- usw.
Jeder Castortransport verdeutlicht auch vielen unpolitischen Menschen, was hier eigentlich geht. Und jede Minute Verzögerung, jeder verschwendete Euro für diesen Scheiß kann langfristig zu einem Umdenken führen, im besten Fall dazu, dass Atomstrom eben kein Leistungsbringer in der Bilanz der Giganten mehr ist. Der Preis, und nur der Preis, ist interessant für die Stromerzeuger. Je teurer dieser Mist für die wird, umso uninteressanter wird er, und das ist im Grunde die einzige Möglichkeit, den Ausstieg zu erzwingen. An vernünftigen Lösungen der STromerzeugung ist weder Staat und erst recht nicht die Industrie interessiert.
Ich jedenfalls fühle mich doof, da ich nicht teilnehmen konnte an den Protesten und ich bedanke mich noch einmal bei allen, die sich diese Schikanen, diese ganze Bullengewalt gegeben haben und sich mal wieder zeigen lassen mussten, wie machtlos mensch ist, wenn der Staat die Zähne zeigt. Und trotzdem machten sie es erneut und werden es wieder tun. Und das ist gut so!