Die Polizei guckt zu

Ika Dano 04.11.2008 01:57 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
In Rom geht der Protest der Lehrer, Schüler, Studenten und Professoren weiter, die sich gegen die maßlose Streichung der Schul- und Bildungsfinanzierung lehnen. Rechten schlagen zu, die Polizei rührt sich nicht. Es scheint die Cossiga-Strategie zu sein.
Gewalt unter den Augen der Polizei

Die konservative Koalition hat mit einem Eilgesetz (decreto legge) unter Nutzung der Vertrauensfrage eine „Reform“ durchgesetzt, die die Unterrichtsstunden in der Schule verkürzt, einen „einzigen Lehrer“ pro Klasse sowie Klassen nur für Ausländer einführt. Gleichzeitig werden die Finanzierungen für Forschung und Lehre massiv gestrichen. Die Universitäten sollen außerdem zu privaten Körperschaften werden.
Dies hat trotz der Ankündigung der Regierung, die Polizei in die besetzten Schulen und Universitäten zu schicken und die protestierenden Studenten anzuzeigen, hunderttausende auf die Straße getrieben: Studenten, Lehrer, Schüler und Professoren die unabhängig von ihrer politischen Überzeugung gegen eine Ressourcenkürzung demonstrieren. Eine Kürzung, die selbst vom Dekan der Università La Sapienza als „Mord an Universität und Forschung“ definiert wurde.
Einer der renommiertesten italienischen Journalisten Curzio Maltese berichtet in La Repubblica vom 30.10.2008: am vorigen Donnerstag in Rom ist der Protest blutig verlaufen. Daran sind laut den Polizisten „diese Arschlöcher der Kommunisten“, „die Linken“ schuld. Als der Polizeichef merkt, dass Journalisten da sind – bestreitet er, eine Minute zuvor behauptet zu haben, die die Krawalle wollen, seien „die Linken“. Eine Technik der Verleugnung des Offensichtlichen, die er von seinem Vorgesetzten Berlusconi gelernt haben mag. Wenige Schritte von ihm entfernt schlägt eine Gruppe von ungefähr sechzig vermummten Leuten mit in der italienischen Flagge umwickelten Stöcken wahllos zu. Sie umringen einen Abiturienten und schlagen ihn zusammen. Die Polizei steht tatenlos daneben. Sie schreien „Duce, duce!“ und als sie nicht durchkommen, können sie ungestört die Polizeikette durchqueren um durch eine Seitenstraße wieder auf die Piazza Navona zurückzukommen. Der Journalist Maltese wird dagegen angehalten, auf Nachfrage behauptet ein Polizist, man hätte die bewaffnete Gruppe von Rechten gerade nicht bemerkt. Die Beamten rufen sich zu „Gehen wir dann „Unsere“ auf dem Platz beschützen?“ „Ja, aber nicht sofort“. Als die Menge auf die gewaltbereite Gruppe zugeht und die Tische und Stühle einer Bar gegen sie schmeißt, reagiert die Polizei nicht. Erst nach fünf Minuten heftiger Auseinandersetzungen greift sie ein und bildet eine Schutzkette um die vermummten Rechten. Ein Student wird auf den Nacken geschlagen und muss ins Krankenhaus, die friedliche Demonstration zieht sich zurück.
Der italienische Journalist berichtet wie ein Student der Physik erklärte: "Ich glaube, es ist zu Ende, heute ist es vorbei. Wenn nicht heute, morgen. Es bringt nichts friedliche Proteste zu organisieren, dir gute Ideen einfallen zu lassen, der Unterricht in den Straßen, die Fackelzüge, die „Sit-ins“. Es bringt nichts, die politische Instrumentalisierung abzulehnen, über konkrete Probleme nachzudenken. Heute Abend wird die Tageschau nur über die Auseinandersetzungen berichten, schon bald wird sich die Idee durchsetzen, dass die Studenten sowieso nur Chaos machen wollen. Es ist die Cossiga-Methode. Die legen uns gerade rein ".

Die Regierung scheint sich tatsächlich für die vom Senator auf Lebenszeit Francesco Cossiga vorgeschlagene Strategie entschieden zu haben. In dem Interview von Cangini im „Quotidiano Nazionale“ hatte er am 23.10.2008 erklärt: “Der Innenminister Maroni sollte das machen, was ich gemacht habe, als ich Innenminister war (…) Agents provocateurs die zu allem bereit sind in die Bewegung infiltrieren und zehn Tage lang zuzulassen, dass die Demonstranten die Städte zerstören. Erst dann, mit dem gewonnenen Konsens der Bevölkerung, werden die Sirenen der Krankenwagen die Sirene der Polizei übertönen. Die Polizei sollte die Demonstranten gnadenlos zusammenschlagen und alle ins Krankenhaus schicken. Alle blutig schlagen, auch die Lehrer die sie anfeuern. Vielleicht die Älteren nicht, aber die jungen Lehrerinnen, ja".
Der friedliche und legitime Protest wird nach den Attacken der Vermummten blutig niedergeschlagen und als eine Aktion von krawalllustigen „Kommunisten“ dargestellt. Eine Strategie die in diesem Land der gelenkten Medien sehr gut gelingt. So kann sich die Bildungsministerin Mariastella Gelmini auf die „zustimmende stille Mehrheit“ berufen, die vielleicht noch nicht verstanden hat, dass es um einen weiteren Schritt in die Perspektivlosigkeit der eigenen Kinder geht und nicht um die Agitationen einiger weniger Linken.
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Ergänzungen

Proteste gehen weiter! Trotz Naziübergriffen!

aka 04.11.2008 - 10:22
Die Gleichschaltung der italienischen Medien funktioniert erstaunlicherweise nur eingeschränkt. Die großen Zeitungen - "La Repubblica", "Corierre della Sera", "La Stampa", "Unità" - berichten recht offen und kritisch über das Wegschauen der Polizei, die Duldung der Prügelorgie von Faschisten und sogar die beinah schon als bewiesen angesehene Infiltration eines Polizeispitzels in die "Blocco Studentesco" Gruppe, der scheinbar als Verbindungsmann zur Polizei fungierte. Die Anti-Gelmini Proteste lassen - trotz der Naziübergriffe und die Polizeigleichgültigkeit - nicht nach, sondern weiten sich nun aufs Netz aus! Die Seite der Bildungministerin Mariastella Gelmini (siehe  http://www.mariastellagelmini.it) wurde "besetzt"!

Pressemitteilung (zum inter'len Aktionstag)

International Students Movement 04.11.2008 - 17:16
International vereint für Freie Bildung
"Internationaler Aktionstag gegen die Kommerzialisierung von Bildung"


Schon seit vielen Jahren setzten sich Studenten, Lehrkräfte und Eltern in vielen Teilen der Welt gegen die immer größer werdende Kommerzialisierung des öffentlichen Bildungssystems ein. So wie viele anderen öffentliche Sektoren gerät auch die öffentliche Bildung immer stärker unter Druck effizienter und auf globaler Ebene wettbewerbsfähiger zu funktionieren.
Vermehrt werden Türen für Unternehmen und Konzerne aus der Privatwirtschaft geöffnet, damit diese verstärkt in insbesondere höhere Bildung investieren, Studiengebühren – sobald sie eingeführt wurden – schnellen auf der ganzen Welt in die Höhe, unrentable Fakultäten, welche es nicht schaffen genügend Investoren aufzutreiben, werden geschlossen und die herrschende Politik konzentriert sich vermehrt darauf einige wenige Institutionen besonders zu fördern und somit auf Kosten der Masse an Einrichtungen, sogenannten „Elite-Universitäten" zu züchten.

Vermehrt fragen sich Menschen in den betroffenen Ländern: Dient das öffentliche Bildungssystem eigentlich weiterhin dem Interesse der Öffentlichkeit, oder verschiebt sich der Fokus immer mehr zu Gunsten privatwirtschaftlicher Interessen?

Als Antwort auf diese globale Entwicklung bereiten Aktivisten – hauptsächlich Studenten – in mindestens 23 Ländern auf 5 Kontinenten Protestaktionen im Rahmen eines sogenannten "Internationalen Aktionstages gegen die Kommerzialisierung von Bildung" am 5.November vor.
In einigen Ländern – wie z.B. Israel, Kanada, Bangladesch und den Philippinen – sind nationale Studierendenverbände bei den Vorbereitungen involviert. In anderen wiederum organisieren einzelnen Studierendenvertretungen an Universitäten (hierzulande AStA genannt) oder andere Gruppen, welche Teil sozialer Bewegungen sind, die Aktionen.

Die größten Proteste werden in mehreren Städten in den Provinzen Kanadas, Liberia, sowie in Zagreb (Kroatien) und Kairo (Ägypten) erwartet. Demonstrationen, Versammlungen, sowie sogenannte „Teach-ins" werden zu diesem Anlass unter anderem in Kentucky (U.S.A.), Düsseldorf (Deutschland), Buenos Aires (Argentinien), Skopje (Mazedonien) und London (England) organisiert.
Aktivisten in Irland, Bulgarien, Serbien, Kirgisistan, Holland, Frankreich, Türkei, Griechenland, Spanien und vielleicht auch Italien und Österreich schließen sich ebenfalls dem internationalen Protest an diesem Tag gegen die Kommerzialisierung von Bildung an.

Internationale Chat-Konferenzen, wo sich Vertreter unterschiedlicher Gruppen im Internet verabredeten, um den Aktionstag etwas zu koordinieren, fanden regelmäßig im Voraus statt.
Man einigte sich auf einen gemeinsamen Spruch, welchen man am 5.November auf Bannern in vielen Teilen der Welt wiederfinden wird: „One World – One Struggle, Education is NOT for Sale!" (übersetzt: „Eine Welt – Ein Kampf, Bildung steht nicht zum Verkauf!").
Außerdem werden einige Gruppen während ihrer Proteste per Telefon Solidaritätsgrüße an andere Gruppen in anderen Ländern übermitteln.

Auch in Deutschland beteiligen sich Gruppen in mindestens 5 Städten an dem Aktionstag. Unter anderem wird auch zu einer landesweiten Demonstration in Düsseldorf aufgerufen.

Das gewählte Thema für den internationalen Aktionstag ist sehr aktuell. Allein letzten zwei Wochen fanden teilweise massive Proteste – von Studenten angeführt – in vielen Städten Spaniens, Italiens, Irlands, Kanadas, sowie in Dhaka (Bangladesch) für freie Bildung statt.

Der kommende "Internationale Aktionstag gegen die Kommerzialisierung von Bildung" wird erst der Anfang sein und kann als erster Schritt für eine internationale Bewegung, welche sich für freie und für alle zugängliche öffentliche Bildung (vom Kindergarten bis zur Hochschule) mit einer emanzipatorischen Ausrichtung einsetzt, gesehen werden.


Wenn Sie Fragen habe, oder weitere Informationen über den internationalen Aktionstag benötigen, dann kontaktieren Sie bitte Mo:  international.students.movement@gmail.com
Weitere Einzelheiten über den Aktionstag finden Sie außerdem unter:  http://www.emancipating-education-for-all.org

Für eine Zusammenfassung der weltweiten Proteste im Jahre 2008 gegen die Kommerzialisierung von Bildung gehen Sie bitte auf folgende Seite:  http://fading-hope.blog-city.com/students_protest_worldwide_against_commercialisation_bologn.htm

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Hier sind noch einige Materialen, welche für den Aktionstag relevant sind:

Homepage:  http://www.emancipating-education-for-all.org
Poster:  http://www.geocities.com/maulets/international_II.pdf
Flyer:  http://www.archive.org/download/flyergerman/FlyerGermanIda.pdf
Mobilisierungsvideo:  http://www.youtube.com/watch?v=OOeoMVnBjWg
Video aus Kroatien für 5.Nov.:  http://www.youtube.com/watch?v=gNwqzQMAbT8
Video aus Kolumbien zum nationalen Streik am 23.Okt.:  http://www.youtube.com/watch?v=3rTTra9oHHk

Machs nach, machs besser.

Antikapitalistischer Schüler 04.11.2008 - 19:39
Für italienische/französische Verhältnisse sorgen. Auch in Doofland.
Antikapitalistischer Schulstreik in Berlin! 12.11./11h/Rotes Rathaus

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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