"Warum hat der Staat mich nicht geschützt?"

aka 01.11.2008 15:46 Themen: Antifa Bildung Repression Weltweit
Dies ist eine Leserbrief eines Schülers aus Rom, der berichtet, was am 29. Oktober auf der Piazza Navone aus seiner Perspektive ablief. Dieser Brief ging an "La Repubblic". Der Schüler scheint eher unpolitisch zu sein und ist deshalb "unverdächtig" für eine linke Mystifizierung. Auf der anderen Seite hat ihn der faschistische Übergriff auf die Demo und die Gleichgültigkeit der Polizei derart erschreckt, daß er beginnt nachzudenken! Der 29. Oktober ist ein Trauma für die bisher relativ unpolitische breite Anti-Gelmini-Bewegung.
Ich bin Schüler an der Oberschule "Tasso" und befand mich am 29. Oktober 2008 auf der Piazza Navona um gegen die Gelmini Reformen zu demonstrieren. Wir waren friedlich und riefen enthusiastisch Parolen als ein Pritschenwagen mit lauter Musik angefahren kam und versuchte in die vorderen Reihen des Demonstrationszuges zu kommen, was Ihm jedoch nicht gelang. Die Menge war derart groß und eng, daß viele Schüler und Studenten sich nicht wegbewegen konnten, weshalb die Situation sich zunehmend anheizte. Jetzt begann eine Diskussion mit den Neuankömmlingen. Die Leute vom "Blocco Studentesco" waren im Übrigen durchgehend mindestens 20 Jahre alt. Mir war klar, was hier abbging. Ich entfernte mich ein wenig um mehr abseits zu bleiben, was im Falle gewalttätiger Auseinandersetzungen eigentlich sinnlos war. Wir - Jungen und Mädchen, einfache, fünzehnjährige Schüler, die von den eigenen Lehrer begleitet wurden, begannen folgendes zu singen: "Nicht Rot, nicht Schwarz, nur frei in Gedanken" (Nè rossi! Nè neri! Ma liberi Pensieri!) Nachdem der Chor beendet war begann die Gewalt der aufgebrachten, neofaschistischen Schutztruppe. Die Typen des "Blocco" holten Knüppel, Ketten, Messer, Stangen, also ein eindrucksvolles und enormes Arsenal heraus, das offensichtlich an der Polizei vorbei gezaubert worden war. Sie griffen panisch an, trafen jeden, der ihnen zu Nahe kam. Ein Jugendlicher versuchte sich zu schützen, wurde aber von 10 Leuten umzingelt und zusammen geschlagen. Wer konnte, flüchtete in die Bars, um der Gewalt, der blinden Wut zu entkommen, mit der sich jeder plötzlich unter den Augen der Polizei konfrontiert sah.

Mit dieser ersten Attacke erkämpfte sich der "Blocco" einen günstigeren Platz um die Demonstration besser steuern zu können. Wir waren sehr verwirrt, erschreckt, moralisch und seelisch am Ende. Wir zählten durch, um zu sehen, ob wir alle da waren oder jemand verletzt wurde. Die Bestien des "Blocco" intonierten ironischerweise "Wir sind alle Studneten" (Siamo tutti Studenti) und einige antworteten "Wir sind alle Antifaschisten" (Siamo tutti Anti-Fascisti). Ein zweiter Angriff begann, der diesmal sehr viel heftiger als der vorhergehende ablief und sich weiter von der Mitte des Platzes Piazza Navona abspielte. Wieder gab es Verletzte, wieder Knüppelschläge, wieder die bekannte Gleichgültigkeit von Seiten der Einsatzkräfte, die mich bestürzte, mich entsetzte. Warum werde ich in einem demokratischen Land nicht beschützt? Ich hatte das dumpfe Gefühl verlassen zu sein. Der Staat, dem ich immer vertraut hatte, was ist, wenn er mich verarscht, wenn er mich mit Knüppeln reumütig zurückführen möchte.

Alle beruhigten sich und "Normalität" setzte sich durch. Der "Blocco" bekam den Platz, den er haben wollte. Jetzt erfuhren wir aber, daß ein paar Leute von den Centri Sociale (Besetzten Hausprojekten) angekommen waren. Ich dachte, jetzt würde das Inferno nicht mehr lange auf sich warten lassen, weshalb ich mit meinen Freunden zum "Tasso" zurückkehrte. Außerdem erwartete ich einen Überfall des "Blocco Studentesco", aber das ist eine andere traurige Geschichte unseres Land, wo die Politiker Partisanen wie Attentäter und Faschisten wie Opfer behandeln.

PS. Mir ist zu Ohren gekommen, daß die Regierung verbreitet, daß wir linke Studenten waren und den "Blocco" angegriffen hätten. Richig ist aber, daß wir nicht so blöd und unvorsichitg waren uns mit denen anzulegen, mit einer Gruppe, die unschuldige Leute brutal zusammenschlägt, die sich jetzt auch noch als unschuldig empfindet und ihre Übergriffe als legitime Verteidigung darstellt. Damit schützt die Regierung, wie früher schon einmal, die erbärmliche Wahrheit der faschistischen Schutztruppen.

(Quelle: Leserbrief an La Repubblica via Bollettini Antifa)

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Ergänzungen

Gut kassiert

alerta antifascista 02.11.2008 - 13:50
haben sie dann aber doch, die Faschisten vom "blocco studentesco". Seht mal auf Corriere della Serra - TV:  http://video.corriere.it/?vxSiteId=404a0ad6-6216-4e10-abfe-f4f6959487fd&vxChannel=Dall%20Italia&vxClipId=2524_444ce52c-a75e-11dd-90c5-00144f02aabc&vxBitrate=300
Unter scontri piazza navona müßt ihr schaun. Auf der Faschistensite "zentropa.info" feiern die Faschisten sich ab. Mit der Parole "me ne frego" - das ist ein altes Faschistenlied und Parole von denen. Gleichzeitig heulen sie auf anderen Videos auf Youtube rum, sie seien Opfer gewesen.
Wie auch immer: Gut, das sie kassiert haben.
Adelante antifascista!

Kleine Hinweise

alerta antifascista 02.11.2008 - 14:37
Hier ein paar Bilder, wie die Faschos ihre Aktion auf der Piazza Novona abfeiern.
RBN ist ein faschistisches Internet-Radio.
Zentropa eine faschistische Internetsite.
Beide gehören eng zusammen und sind Teil eines internationalen, vorwiegend europäischen, Netzwerks von Falangisten, Faschisten, Nationalrevolutionären, Nationalsyndikalistischen, Nationalanarchisten und Autonomen Nationalisten.
Hauptakteure sind Italiener, Franzosen und Spanier.

Generalstreik gegen Berlusconis Schulreform

http://www.welt.de 02.11.2008 - 20:26
Es war der erste Generalstreik in Italien seit Jahren, die Piazza del Popolo in Rom ein Meer von Demonstranten. Der Grund: Die jüngst beschlossene Schulreform. Italiens Opposition wähnt sich schon im Aufwind, doch fest steht nur: Die Unzufriedenheit junger Italiener beider politischer Lager droht zu eskalieren.

Wenn in Italien demonstriert wird, ist Zahlensalat unausweichlich: Landesweit gingen Schüler, Lehrer, Parteien und Gewerkschaften gegen eine Bildungsreform der italienischen Regierung auf die Straße, doch wie viele es waren, darüber waren sich beide Seiten uneins.

Waren es für die Veranstalter 1,7 Millionen Menschen, sprach die Regierung davon, die echte Zahl sei „mit zehn multipliziert" worden. Allein auf der römischen Piazza del Popolo versammelten sich am Donnerstag nach Angaben der Veranstalter eine Million Menschen. Diese waren in Hunderten Bussen und Sonderzügen in die Hauptstadt gekommen.

Die Schulreform, die nun zum ersten Generalstreiks seit mehreren Jahren führte und bereits am Mittwoch vom italienischen Senat zum Gesetz gemacht worden war, sieht die Einsparung von 130 000 Stellen im Bildungswesen vor; damit sollen mehrere Milliarden Euro für die bessere Bezahlung der verbliebenen Lehrer freiwerden. Außerdem will Bildungsministerin Gelmini wieder Betragensnoten einführen, welche auch über die Versetzung eines Schülers entscheiden können.

Über den Protest scheint nun die zerstrittene Opposition wieder zusammenzufinden, während der von Silvio Berlusconi so bezeichnete „Honeymoon" zwischen ihm und den Italienern eingetrübt ist: Während der bislang auf 70 Prozent Zustimmung zu seiner Politik bauen konnte, haben nun nicht nur linksgerichtete, sondern auch rechtsgesinnte Schüler und Studenten gegen die Schulreform protestiert.

In Rom waren alle Vertreter des linken Lagers in seltener Eintracht vereint. Die italienischen Gewerkschaften, die sozialdemokratische „Demokratische Partei" sowie die kommunistischen Parteien. „Das ganze Land erhebt sich", sagte der Chef der größten italienischen Gewerkschaft CGIL vor den Demonstranten.

Vor allem die Demokratische Partei scheint neue Kraft gewonnen zu haben. Nun will Parteichef Walter Veltroni mittels eines Volksbegehrens die umstrittene Schulreform stürzen. Am Donnerstag sammelte er Unterschriften und gab sich ungewohnt populistisch: „Eine Regierung irrt sich, wenn sie nicht auf die Stimmen der Gesellschaft hört."

Bereits am vergangenen Samstag hatte die Partei mehrere hunderttausend Menschen im römischen Circus Maximus unter dem Motto „Rette Italien!" vereint. Nach der überraschend klaren Niederlage bei den Parlamentswahlen hatte die Partei über Monate darüber gestritten, wie sie sich gegenüber seiner Regierung verhalten sollte. Nun scheint sie endgültig von dem Versuch absehen zu wollen, einen so genannten „konstruktiven Dialog" mit der Regierung Berlusconi führen zu wollen.Völlig offen ist aber, ob die Oppositionsparteien die landesweiten Proteste von Menschen aller Generationen auch in Zustimmung zur eigenen Politik ummünzen können.

Denn der Protest der jungen Leute in Schulen und Universitäten suchte in den vergangenen Wochen die größtmögliche Entfernung von allen politischen Parteien, welche als Vertreter ein und derselben "Kaste" angesehen werden: Als sich im Laufe der Woche Parlamentsabgeordnete den Demonstranten vor dem italienischen Parlament anschließen wollten, wurden sie ausgebuht und weggeschickt; selbst dezidierte Anti-Politiker wie der Komiker Beppe Grillo wurden am Donnerstag in Bologna ausgebuht.

Der Mailänder „Corriere della Sera" schrieb am Freitag: „Die Proteste gegen die Schulreform sind nur der äußere Ausdruck einer viel tiefer liegenden Unzufriedenheit der jungen Leute." Mit diesem grundlegenden Misstrauen gegen die Politik geht gleichzeitig eine politische Radikalisierung junger Italiener einher. Italienische Zeitungen listeten in dieser Woche auf, welche römischen Schulen „links" oder „rechts" sind.

Am Mittwoch schlugen „linke" und „rechte" Studenten auf der römischen Piazza Navona aufeinander ein. Der „Corriere della Sera" glaubt, es wiederholten sich die ideologischen Kämpfe der 70er Jahre: „Nun hängt es von den Studenten ab, ob sie die gewalttätigen Radikalen an den Rand drängen können", schreibt die Zeitung am Freitag. Innenminister Roberto Maroni drohte allen, die Schulen oder Universitäten besetzten, mit einer Strafanzeige.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi glaubt sich trotz aller Proteste im Einklang mit dem italienischen Volk: „Es gibt eine skandalöse Linke, welche die außergewöhnliche Begabung hat, über wirklich vernünftige und logische Dinge zu lügen", sagte der Ministerpräsident zu den landesweiten Protesten: „Unsere Maßnahmen ergreifen wir mit dem Gefühl eines Familienvaters."

n diesem Gefühl offenbar beschloss das Kabinett am Freitag auch die Einführung eines so genannten „Bonus bebè". Kinderreiche Familien sollen demnach in Zukunft 5000 Euro als Darlehnen vom Staat bekommen. Die Regierung will nach einer schweren Woche mit guten Schlagzeilen ins Wochenende gehen.

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@Mike — alerta antifascista