Antirassistischer Fahrradkorso in Berlin

Bündnis gegen Lager 25.10.2008 17:50 Themen: Antirassismus
Am 24.10. fand in Berlin ein antirassistischer Fahrradkorso mit 120 TeilnehmerInnen statt, bei dem die Verantwortlichen und Profiteure des Berliner Ausreiselagers in der Spandauer Motardstraße besucht wurden. Jede Station wurde mit kleinen Theaterstücken oder Performances bedacht. Bei einer Zwischenkundgebung vor dem Dussmann-Kaufhaus in der Friedrichstraße kam es zu vier Festnahmen und massiver Polizeigewalt. Die Demo wurde daraufhin abgebrochen.
Das Land Berlin erweitert zur Zeit die Kapazität für sogenannte Sachleistungslager. Das Lager Motardstraße war bisher das einzige Lager in Berlin in dem Fresspakete ausgegeben werden. Nun soll es zusätzlich eine sogenannte "familiengerechte Unterkunft" in der Degnerstraße in Berlin-Hohenschönhausen geben. Während das Lager Motardstraße von der sogenannten Arbeiterwohlfahrt (AWO) Berlin-Mitte betrieben wird, heißt die neue Betreiberin Invest-Plan GmbH.

Die Demo begann für einen Freitag ungewöhnlich früh um 13:30 vor der Sozialverwaltung in der Kreuzberger Oranienstraße, dem Sitz von Sozial- und Integrationssenatorin Knake-Werner, der politisch Verantwortlichen für den Betrieb der Lager, um ihre MitarbeiterInnen noch vor dem Wochenende mit unseren Anliegen erreichen zu können. Symbolisch wurde der Rohbau eines familiengerechten Lagers vor den Toren der Senatsverwaltung errichtet, mit dem besonderen Luxus eines eigens für Kinder vorgesehenen Eingangs. Im Laufe des folgenden Theaterstücks, einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Sozialsenatorin und einem Passanten, verlor die nach Argumenten ringende Sozialsenatorin ihr Herz für Kinder und wurde der Bauzaun stellvertretend für das neue Lager in der Degnerstraße von dem wütenden Passanten zerstört.

Die erste Zwischenkundgebung fand vor dem Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Blücherstraße statt, die sich ihre Eingänge von der Polizei schützen ließ. Mit bunter Kreide und Parolen wurden Straße und Bürgersteig verziert. Es wurde außerdem eine Fotoausstellung zur Lebenssituation der Menschen in Motardstraße auf einer Mauer aus Pappkartons aufgebaut. So hätten Angestellte vor ihrem wochenende die Möglichkeit gehabt, sich über die Machenschaften der Arbeiter"wohlfahrt" zu informieren. Auch diese Mauer haben die TeilnehmerInnen anschließend kaputt gemacht. Abgesehen von provozierender Anmache gegenüber einzelnen Teilnehmerinnen verhielt sich die Polizei bis hier noch ruhig. Weiter ging es in Richtung Dussmann-Kaufhaus.

In der Vergangenheit wurden Demonstrationen vor dem Dussmann-Kaufhaus immer wieder gerichtlich verboten. Diesmal war es möglich unmittelbar vor dem Haupteingang eine Zwischenkundgebung abzuhalten und die KaufhausbesucherInnen darauf hinzuweisen, daß der Dussman-Konzern neben seinem "Kulturkaufhaus" auch an der Schikane von MigrantInnen verdient, indem er ihnen widerliche und undefinierbare Essenspakete vorsetzt. AktivistInnen mit Bauchläden versuchten diese Pakete symbolisch an PassantInnen zu verkaufen bzw. zu verschenken, die das Essen aber einhellig entsetzlich fanden. Dafür interessierten sie sich sehr für die Protestpostkarten auf denen sie der Dussmann-Geschäftsleitung die Gründe für Ihre Verweigerung des Essens mitteilen konnten.

Bei den anwesenden Bullen handelte es sich um den Festnahmezug der 24. Einsatzhunderschaft, der kurz nach Beginn der Zwischenkundgebung ohne ersichtlichen Grund insgesamt vier Leute festnahm. Dabei wurde eine Person schwer mißhandelt, zudem gingen die Bullen massiv mit Faustschlägen ins Gesicht und Tritten zum Teil auf am Boden Liegende vor. Auch Herr Hass, der Leiter der Versammlungsbehörde des Berliner LKA, ließ es sich nicht nehmen Umstehende persönlich mit seinem Pfefferspray zu bedrohen. Die Demo wurde nach den Übergriffen der Polizei vom Veranstalter aufgelöst.

Leider konnten wir das Sozialamt Mitte nicht mehr aufsuchen, wollen dies aber noch nachholen. Der Bezirk Mitte ist derzeit Spitzenreiter bei der Anzahl der Einweisungen in die Motardstrasse. Das Land Berlin hat uns eine zweite Aufgabe beschert. Neben dem Lager Motardstrasse werden wir uns nun auch mit dem Lager Degnerstrasse beschäftigen müssen.

Wir bedanken uns bei allen TeilnehmerInnen für Eure Unterstützung! Auch in Zukunft würden wir uns eine Zusammenarbeit freuen.
In eigener Sache: Antirassistische Arbeit kostet Geld. Wenn Ihr Lust habt eine Soliparty zu organisieren oder unsere Arbeit anderweitig zu unterstützen, wendet Euch an: Link zu einer Emailadresse

Ein Filmbeitrag zum Fahrradkorso läuft am kommenden Montag um 21:30 im OKB Berlin.

Zu den Übergriffen:
Eine Brille, Fahrräder und andere Fundsachen wurden gerettet und die Abholung kann über uns vermittelt werden.

Wir bitten alle, die die Übergriffe beobachtet, fotografiert oder gefilmt haben, Gedächtnisprotokolle anzufertigen und sich beim Berliner Ermittlungsausschuss (EA) zu melden.

EA Berlin
Gneisenaustraße 2a
Sprechstunde: Dienstags zwischen 20.00 - 22.00 Uhr

Weitere Infos & Hintergründe zum Ausreiselager Motardstraße auf der Seite der Chipkartenini:
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TAZ Artikel vom 24.10.
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TAZ Artikel vom 25.10.
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ND Artikel vom 22.10.
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TAZ Artikel vom 24.10. http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ba&dig=2008%2F10%2F24%2Fa0176&cHash=63e4b9794d&type=98 TAZ Artikel vom 25.10.http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/?dig=2008%2F10%2F25%2Fa0199&cHash=2ea789cd50 ND Artikel vom 22.10.http://www.neues-deutschland.de/artikel/137655.mit-dem-fahrrad-gegen-ausreiselager.html?sstr=motardstra%DFe
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Ergänzungen

Polizeibericht

Tante Bou 25.10.2008 - 18:47
Polizeibeamte nahmen gestern Nachmittag in Mitte vier Teilnehmer eines Fahrradkorsos fest, die sich bei der Veranstaltung unfriedlich verhalten hatten.

Gegen 15 Uhr 45 wurde in der Friedrichstraße eine Zwischenkundgebung abgehalten. Als ein 34-Jähriger von Polizisten gebeten wurde, sich wieder auf die Veranstaltungsfläche zurück zu begeben, beleidigte er sie und wurde vorläufig festgenommen. Auf dem Weg zum Fahrzeug griffen rund 30 Personen die Beamten mit Tritten und Faustschlägen an. Durch Schubsen und Wegreißen versuchten sie zudem, den Mann zu befreien, was durch die Polizei verhindert wurde.

Gegen 16 Uhr 10 erklärte der Veranstalter die Kundgebung für beendet und löste sie auf. Bei dem Einsatz wurden insgesamt vier Männer festgenommen. Zwei wurden nach einer Personalienfeststellung am Ort, zwei andere nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung entlassen.

Es wurden Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, versuchter Gefangenenbefreiung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Körperverletzung eingeleitet.

Wenn HipHop zur einzigen Heimat wird

http://www.neues-deutschland.de 26.10.2008 - 14:47
Der Rapper Afro Hesse kam als Kind nach Deutschland. Seit Jahren lebt er ohne Aufenthaltsgenehmigung hier. Trotzdem produzierte er zwei CDs. Im August ist Afro Hesse verhaftet worden. Nun soll er ausreisen.

Hunderttausende Menschen leben in Deutschland ohne gültige Papiere. Die meisten von ihnen achten genau darauf, dass ihre Namen unbekannt bleiben. Sie wollen keine Spuren hinterlassen. Für den Rapper, der als Afro Hesse in der HipHop-Szene eine gewisse Bekanntheit in Kauf nahm, stimmt das nur teilweise. Seinen wirklichen Namen möchte er zwar nicht in der Zeitung lesen, aber Spuren hat er sehr wohl hinterlassen.

Zwei CDs hat Afro Hesse produziert, während er ohne Genehmigung in Deutschland und Frankreich lebte. Die erste trug den programmatischen Titel »Der verschollene Immigrant«. Die zweite ist unter dem Titel »Mehr als Musik« Anfang dieses Jahres erschienen. Auch dort berichtet Afro Hesse über sein Leben im Untergrund. Ein Leben, das den 28-Jährigen seit langer Zeit prägt.

1989 war er im Alter von acht Jahren mit seiner Familie aus Algerien, wo damals ein blutiger Krieg zwischen Islamisten und dem Militär tobte, nach Deutschland geflohen. 1997 wollte die zuständige Ausländerbehörde die Familie abschieben. Doch die ging zunächst ins Kirchenasyl und konnte dann mit Hilfe von Freunden in einer Wohnung bei Darmstadt unterkommen. Der Künstlername Afro Hesse rührt aus dieser Zeit. Während die übrige Familie nach Jahren des Wartens doch noch Papiere bekam, wurde Afro Hesse die Legalisierung wegen einer Jugendstrafe verweigert. Seit 2003 lebt er im Untergrund.

Afro Hesse begann sich schon als Teenager für HipHop zu interessieren. Anders als bei vielen seiner Kollegen war es aber keine Pose, wenn er vom Untergrund reimte. Er lebte ihn – erzwungenermaßen. Seine Musik sei für ihn auch ein Mittel der Stressbewältigung gewesen, betont er. Es sei seine Art des Ausrastens gewesen. Denn das Leben ohne Papiere war auch mit der Angst verbunden, eines Tages vor einem Polizisten zu stehen, der den Pass sehen will.

Am 2. August 2008 wurde der Albtraum wahr. Afro Hesse hatte mit einem türkischen Freund einen Club in Berlin besucht, als andere Feiernde ihre Geldbörsen vermissten und die beiden erkennbar Nichtdeutschen verdächtigten. Die herbeigerufene Polizei sah nicht einmal einen Anfangsverdacht. Doch dann sprach eine Polizistin die Aufforderung aus, vor der Afro Hesse sich so lange gefürchtet hat: »Zeigen Sie mir Ihre Papiere!« Im Nachhinein sei er sogar erleichtert gewesen, dass die Odyssee nun ein Ende hatte, meint Afro Hesse heute.

Der neue Lebensabschnitt führte ihn zunächst in die Justizvollzugsanstalt Moabit und dann in das Abschiebegefängnis Berlin-Grünau. Weil Afro Hesse mehrere Sprachen fließend spricht, bot er Dolmetscherdienste zwischen weniger sprachbegabten Mithäftlingen und den Behörden an. Obwohl Afro Hesse immer wieder betont, dass er den Humor nie verliert, wurde er doch manchmal richtig sauer. Beispielsweise, als Gefängnisbedienstete Häftlingen mit einem Lachen mitteilten, dass sie in zwei Wochen abgeschoben werden. Oder als eine Praktikantin betonte, sie habe einen deutschen Pass und die Abschiebehäftlinge nicht – deshalb säßen sie mit Recht im Knast.

Nach einer Petition des grünen Mitglieds des Berliner Abgeordnetenhauses Benedikt Lux an die hessische Ausländerbehörde wurde Afro Hesse Mitte Oktober aus der Untersuchungshaft entlassen. Ausreisen soll er trotzdem. Dabei würde er sich in Algerien wie ein Tourist fühlen. Bezüge zu dem Land hat er keine mehr. In Abschiebehaft habe er sogar richtig deutsche Züge an sich entdeckt, meint er lachend. So hat er als Einziger schon morgens mit dem Putzen in seiner Zelle begonnen und seine Mithäftlinge aufgefordert, ebenfalls zu putzen.

Afro Hesse kann darüber lachen. Mit nationalen Zuschreibungen konnte er schon immer wenig anfangen. So pflegte er als Kind in Algerien einen Hund. »Später erfuhr ich, dass es ein deutscher Schäferhund sei«, so Afro Hesse amüsiert. Für ihn war es nur ein Tier, an dem er sehr hing.

Nach seinen Erfahrungen im Gefängnis will Afro Hesse sich weiter mit seiner Musik dafür einsetzen, dass jeder Mensch da leben kann, wo er möchte. Ein Freundeskreis, in dem sich viele Rapper engagieren, kämpft jetzt darum, dass Afro Hesse in Deutschland leben kann.

Bei einem Solikonzert für Afro Hesse stehen am 29.10. ab 18 Uhr im Berliner SO 36 u. a. Deso Dogg, MC Bogy, Tarek & Massimo und Mike Fiction auf der Bühne. Mit dem Erlös des Abends sollen Kosten gedeckt werden, die durch die Haft entstanden sind.

Fotos

fotofix 27.10.2008 - 13:55
zweiter Fototeil

Polizei beendet Spaß-Randale

http://www.tagesspiegel.de 27.10.2008 - 17:59
Weder die Kundschaft noch das Verkaufspersonal verstand, worum es ging: 70 teilweise verkleidete junge Leute stürmten am Samstagnachmittag das Modegeschäft H&M an der Tauentzienstraße, rissen Kleider von den Ständern und warfen sie zu Boden. Die meisten Randalierer waren bunt kostümiert oder maskiert. Manche klebten mitgebrachte neue Preisschilder auf die Ware, manche hielten Fantasiefahnen hoch und spritzten mit Wasserpistolen um sich. Das Motto dieser Aktion, nämlich „Tofuschnitzel für den Weltfrieden“, erschloss sich dem Publikum nicht, ebenso wenig, wieso sie von manchen aus der Schar umarmt oder gar geküsst wurden. Über den Tauentzien zog die „autonome Feierszene“, wie die Aktivisten sich nennen, in Richtung Wittenbergplatz durch einige andere Läden, „ohne dort Schaden anzurichten“, wie der Polizeibericht feststellte.

Die Beamten wollten die Spaß-Schnitzeljagd nicht gutheißen. Sie machten einen 26-Jährigen als Verantwortlichen für die Versammlung aus. „Der Aufforderung, die Veranstaltung unverzüglich zu beenden, kam er nach“, heißt es im Polizeiprotokoll. Er erhielt eine Anzeige. Es war die dritte Schnitzeljagd dieser Art in diesem Jahr. Die Teilnehmer kommen aus dem Umfeld von „Mediaspree Versenken“. Die Aktion ist ebenfalls durch witzige Aktionen aufgefallen.

Auf Friedlichkeit kommt es dieser Spaßguerilla nicht unbedingt an: „Wir gehen da hin, wo es weh tut“, heißt es in einem Video im Internet. Am Sonnabend war das zur „Langen Nacht des Shoppings“ eben die Tauentzienstraße.

Zäune zu Büroklammern!

Bürengruppe 28.10.2008 - 12:54
Mehr Aktionen gegen Lager und Zäune gibts hier in der übersicht:  http://buerengruppe.wordpress.com/2008/10/27/aktionen-gegen-lager-und-zaune/

Aufruf

Bündnis gegen Lager - Berlin/Brandenburg 28.10.2008 - 23:51
Fahrrad-Aktionstag: KEINE LAGER NIRGENDWO !
LagerMotardstraße schließen! Rassismus bekämpfen!

24.10.2008, Start 13:30 Uhr

Bringt Fahrräder und andere Fortbewegungsmittel mit!

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13:30 START: kein Spaß bei der Arbeit: Wir besuchen die verantwortliche Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner im Büro vor der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Oranienstraße 106 (Kreuzberg)

ca.. 14:30: Die AWO (Arbeiterwohlfahrt (sic!) betreibt das Lager Motardstraße Wohlfahrtsverband AWO Landesverband, Blücherstraße 62

ca. 15:30: Dussmann liefert abgepackte Nahrungsmittel in die Motardstraße. Wir wünschen einen guten Appetit! vor dem Kulturkaufhaus und dem Firmensitz von Dussmann, Friedrichstraße 90

Endstation am Rathaus Wedding, dem Sitz des Bezirksamts Mitte, Spitzenreiter bei der Einweisung von Menschen in die Motardstraße, Müllerstraße 146 (Nähe Leopoldplatz)

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Berlins inoffizielles Ausreiselager

In einem Industriegebiet in Spandau steht Berlins inoffizielles Ausreiselager. Zwar hat Berlin beschlossen, kein Ausreisezentrum zu errichten. Doch der formale Unterschied zwischen der Sammelunterkunft in der Motardstraße und einem solchen Zentrum besteht nur aus einem Verwaltungsakt: In Berlin sind es die Sozialämter, die dorthin einweisen; in anderen Bundesländern erledigen dies die Ausländerbehörden. Für die Bewohner_innen macht das keinen Unterschied. Sie sollen „freiwillig“ ausreisen oder in die Illegalität gehen, wo sie weitestgehend entrechtet sind und damit für Ausbeutungsverhältnisse aller Art zur Verfügung stehen.


Das Ausreisezentrum Berlin Motardstraße

Seit 1998 dient das Heim als Unterkunft für neu angekommene Flüchtlinge im Asylverfahren, wie es in der Beamtensprache heißt. Hinter Stacheldraht wohnen die Flüchtlinge in fünf Containerklötzen aus grauem Blech, drei Stockwerke hoch. Eine solche Behausung ist unzumutbar. In der Motardstraße aber leben mehr als 400 Menschen. Drei Monate sollen sie laut Gesetz aushalten, nicht länger. Doch seit 2006 werden immer mehr langjährig „geduldete“ Flüchtlinge einquartiert. Sie müssen bleiben, bis alle„Sachverhalte geklärt“ sind. Einige wohnen dort schon seit einem Jahr. Was heißt das für die betroffenen Menschen? Die Einweisung in die Motardstraße bedeutet, dass ihnen die Chance auf eine Teilhabe am sozialen Leben verwehrt ist. Sie bekommen abgepacktes, minderwertiges Essen. Sie schlafen in einem Mehrbettzimmer, auf engstem Raum mit ihnen fremden Menschen. Einen abschließbaren Schrank oder andere Orte für persönliche Dinge gibt es nicht. Die Duschen sind nicht abschließbar, die hygienischen Zustände unzumutbar. Die dort Untergebrachten dürfen zwar das Lager verlassen, aber es liegt in einem Industriegebiet, in dem außer ihnen niemand wohnt. Fahrkarten, um woanders hinzugelangen, und sei es zur Behörde oder zum Anwalt, können sie sich ohne Geld nicht kaufen. Wer dennoch wie ein Mensch leben möchte, muss kriminell werden: ohne Fahrschein fahren, irregulär arbeiten, in die Illegalität abtauchen. Wer dabei erwischt wird, verliert jede Chance auf einen legalen Aufenthalt.


Die Verantwortlichen

Verantwortlich für die Existenz des Lagers ist die Sozialverwaltung des Landes Berlin. Verantwortlich für die Belegung sind zur Zeit fast ausschließlich die Bezirke. Die Sozialämter der Bezirke können dabei nach eigenem Ermessen gemäß §1a des Asylbewerberleistungsgesetzes vorgehen. Ist ein_e Sachbearbeiter_in der Ansicht, ein Flüchtling wirke nicht genug an der Klärung eines Sachverhaltes mit - für geduldete Migrant_innen bedeutet das alles; von der Beschaffung von Papiere bis zur eigenen Abschiebung -, kann er/sie den Flüchtling in die Motardstraße schicken. Doch niemand zwingt die Sozialämter, Flüchtlinge in die Motardstraße zu dirigieren. Die Firma Dussmann und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) profitieren am Betrieb des faktischen Ausreisezentrums Motardstraße. Dussmann ist für die widerlichen Essenspakete verantwortlich, die AWO ist die Betreiberin des Lagers.


Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales

Ende 2008 läuft der Vertrag über das Lager Motardstraße aus. Die Sozialverwaltung beabsichtigt, diese Lager weiterhin zu nutzen. Politisch verantwortlich ist die Sozialstadträtin Knake-Werner, die für die Linkspartei dieses Amt ausübt. Besonders wütend sind wir über die geplante, zusätzliche Etablierung einer „Sachleistungseinrichtung“ für Familien. Dies empfinden wir als einen besonderen Skandal, auf den wir die „soziale“ rot/roten Regierung und die „antirassistische“ Linkspartei jetzt und in Zukunft verschärft hinweisen werden.


AWO – die Arbeiterwohlfahrt

Den Vertrag mit der Sozialverwaltung hält der AWO-Kreisverband Mitte. Die AWO ist ein Konzern, der in verschiedenen „sozialen“ Bereichen auf unterschiedliche Weise Geld verdient. Die bewusst betriebene oder aus ökonomischer Erwägung in Kauf genommene Schikane von Migrant_innen ist ein deutliches Indiz, dass es hier nicht um „Wohlfahrt“ oder soziale Belange geht.


Dussmann

Die meisten Menschen verbinden Dussmann nur mit Büchern. Doch das Kulturkaufhaus in der Friedrichstraße ist nicht die einzige Einnahmequelle der Firma. Die Dussmann-Gruppe verdient ihr Geld unter anderem auch mit einem Sicherheitsunternehmen und einem Cateringservice, der jeden Tag Essenspakete in die Motardstraße liefert. Sie bestehen aus schwer definierbarem Essen, das keine Ernährungswünsche und -gewohnheiten zulässt. Was gegessen wird, ist standardisiert und vorgeschrieben. Wer nicht isst, was ihm zugeteilt worden ist, hat kaum Geld, um sich Ersatz zu beschaffen.
Den Menschen in der Motardstraße wird somit verwehrt, selbst zu entscheiden, was sie essen wollen und was nicht. Wir wünschen dem Kulturliebhaber und Firmenchef Peter Dussmann einen guten Appetit!

Politisch verantwortlich ist die Sozialstadträtin Heidi Knake-Werner, die für die Linkspartei dieses Amt ausübt.


Die Berliner Bezirke

In den letzten 2 Jahren haben wir unter anderem Druck auf einige Bezirke ausgeübt. Mit einigem Erfolg: in mehreren Bezirken wurden die Einweisungen verringert. Aktueller Spitzenreiter unter den Bezirken ist zur Zeit der Bezirk Mitte, mit seiner für MigrantInnen zuständigen Abteilung im Rathaus Wedding.
Das Bündnis gegen Lager hat sich zur Aufgabe gemacht, die Schließung des Ausreisezentrums Motardstraße voran zu bringen. Dass die baulichen, hygienischen und sozialen Zustände im Lager nicht hinnehmbar sind, ist für uns auch ein Argument, aber zweitrangig: Wir wollen den Rückbau des Lagers, das heißt die Auflösung zugunsten von Wohnungen für alle Betroffenen. In diesem Sinne haben wir und andere in den vergangenen Jahr immer wieder gehandelt: Verantwortliche wurden benannt, so die Sozialverwaltung Berlins, die mit der Arbeiterwohlfahrt einen lukrativen Pacht-Vertrag abschloss und ihn jetzt verlängern will.

Bündnis gegen Lager - Berlin/Brandenburg
Wir sind ein Bündnis linker und antirassistischer Gruppen und Einzelpersonen, u.a. mit Beteiligung von: FelS, Flüchtlingsinitiative Brandenburg, Initiative gegen das Chipkartensystem, Antifaschistische Initiative Moabit ...

www.chipkartenini.squat.net | Kontakt:  buendnis_gegen_lager@riseup.net

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Leider habe ich es nicht so mit Fahrädern

no name 26.10.2008 - 19:16
weil ich nicht sicher fahre ,trotzdem eine Idee:man könnte die Essenspakete an solidarische Intereßierte wirklich verkaufen ,es gibt eine Menge Leute mit unterschiedlichem Geschmack oder einem Mackerl,die eßen als Magersüchtige gerne portionierte Marmelade ,die zumindestens Lufthansaqualität hat ( ein Nachmittag mit Erdbeergelee und dann nach der Landung erstmal was Vernünftiges essen gehen ) und z.B. für tausend Kalorien -Diäten geeignet ist ,ist doch so Zeug ,das auch in Psychiatrien und Krankenhäusern verfüttert wird ,oder ? In schlechten Kantinen und Altenheimen ,in Reha-Einrichtungen und eben in Diätkliniken .Muß ja.Und für nächstes mal:
Kundgebungen bzw. Kleinbusse für FußgängerInnen könnte man organisieren ,Fahrradfahren ist nicht jedermanns oder jederfraus Sache,es gibt Alkoholikerinnen und Herzkranke und Leute mit schwachem Blutdruck.Ist da Zucker dabei und Instantkaffee und so Sachen ? Tütenbrot a la Marcuse ? Joghurts ? Und das Fertigeßen ,was für Gerichte ,Schnellgerichte ? Mit Fleisch ? Schweinefleisch ? Nährwertanalysen fertig ? Ausreichend ? Ab und zu die Marmelade würde ich nehmen .Welcher Gelierzucker drann? Billigschokolade ?