Aachen: Provokationen von Rechts

ak antifa aachen 24.10.2008 09:59 Themen: Antifa Repression
Neofaschistische, rassistische und antisemitische Gruppen gibt es überall. Auch in Aachen haben sich in den letzten Jahren Gruppen gebildet, die Politik gegen Migrantinnen und Migranten, gegen Linke machen, gegen alle Szenen, die nicht in ihr Weltbild passen. Nachdem in Aachen jahrelang NeofaschistInnen nicht öffentlich auftreten konnten, häufen sich seit nunmehr geraumer Zeit Übergriffe von Neonazis der Kameradschaft Aachener Land und der AG Rheinland in der Aachener Innenstadt. Zudem will Axel Reitz am 8. November aufmarschieren lassen.
Eine zwingend unvollständige Chronik
Im letzten Jahr, in der Nacht vom 31.08. auf den 01.09.07, fand ein Angriff auf junge BesucherInnen des "Fight Fascim"-Konzerts in Stolberg statt. Zwanzig vermummte, bewaffnete Neonazis griffen drei KonzertbesucherInnen auf dem Heimweg an.
In der Sylvesternacht attackierten Neonazis in Aachen ein von MigrantInnen bewohntes Haus mit Böllern und Flaschen.
Im Februar diesen Jahres – Karneval – wurde eine Gruppe (von den Faschos als junge AntifaschistInnen ausgemacht) SchülerInnen von 30-35 Neonazis auf dem Aachener Markt umstellt, massiv bedroht und angegriffen. Nachdem die SchülerInnen von der Polizei so einer Personalienkontrolle unterzogen wurden, dass die extremen Rechten Einsicht in Namen und Adressen erhielten, geriet die Aachener Polizei massiv in die Kritik. Einer der „Geouteten“ bekommt heute noch „nächtlichen Besuch“, inklusive regelmäßig eingeworfener Fensterscheiben. Infolge dieses Vorfalls kam es zu mehreren teils heftigeren Auseinandersetzung um und in Aachen zwischen Antifas und Neonazis.
Im März versuchten ca. 40 Neonazis eine Antifa-Demonstration in der Aachener Innenstadt anzugreifen. Von der eigens herbeigeführten Situation schlicht überfordert – mussten sie schneller wieder den Ort des Geschehens verlassen, als sie aufgetaucht waren. Eine (unvollständige) Aufzählung der an dem Angriffsversuch Beteiligten vermummten und bewaffneten Neonazis findet sich hier:  http://de.indymedia.org/2008/03/211714.shtml?c=on#comments2. Auch in diesem Fall wurde eine öffentliche Stellungnahme der Polizei nötig. Die völlig überforderten (?) Cops konzentrierten sich zunächst auf teils gewaltsame Ingewahrsamnahmen einiger AntifaschistInnen. Inzwischen wurden in dieser Sache Vorladungen an AntifaschistInnen verschickt, Verfahren wurden eingeleitet. Den Fokus ihres Verfolgungswillens änderten die Bullen nicht.
Nur kurze Zeit später wurde eine junge Linke mitten in der Aachener Innenstadt von bekannten Neonazis angegriffen und verletzt.
Nachdem im April 2008 in Stolberg bei einer Auseinandersetzung ein Mann, den neofaschistische Szenen zumindest als einen der ihren beschreiben, von einem anderen erstochen wurde, fanden ebendort drei Naziaufmärsche in Folge statt. Großdemonstrationen sind bis 2018 angemeldet. Die Szene schien dieser Vorfall zu stärken, Opferkultur kommt halt geil in rechten Milieus.
Seitdem ist ein verstärktes Auftreten in der Aachener Innenstadt zu beobachten. In diesem Zusammenhang kam es immer wieder zu kleinere Handgreiflichkeiten zwischen Neonazis und Leuten, die keine Lust auf ebendiese haben. Auch entdeckten die NeofaschistInnen – nach über 15 Jahren – nun doch tatsächlich, dass das Autonome Zentrum eventuell was mit Antifaschismus zu tun haben könnte. Immerhin. Seit dieser grandiosen Erkenntnis wurde das Aachener AZ mehrmals mit rechten Parolen besprüht. Auch schauten einmal acht Neonazis vorbei, mussten aber schnell einsehen, dass das keine so gute Idee war.
Während der Fußball-EM kam es vermehrt in Aachens Kneipen-Konsum-Meile, in der Pontstraße zu Provokationen der FaschistInnen. So liefen – ungeachtet von tausenden StudentInnen bis zu 50 Nazis mit Reichskriegsflaggen durch das Getümmel. In diesem Zusammenhang fand ein (vereitelter) Angriff auf ein polnisches Lokal statt.
Seit Anfang September werden immer wieder mit Teleskopschlagstöcken und Quarzsandhandschuhen bewaffnete Neonazis in der Pontstraße gesichtet. Nahezu jedes Wochenende kommt es dort zu Auseinandersetzung zwischen Antifas und Neonazis. Treffen die Faschos auf wesentlich kleinere Gruppen oder gar Einzelne, finden regelrechte Hetzjagden statt. Zuletzt griffen am Elisenbrunnen etwa zwanzig NeofaschistInnen in „autonomem Look“ drei Jugendliche mit Steinen und Flaschen an. Nachdem einer in einen Imbiss flüchtete und dort „versteckt“ wurde, folgten ihm fünf vermummte Neonazis und versuchten in die Räume einzudringen. Auch häufen sich Meldungen über eingeworfene Fenster- und Autoscheiben bei AntifaschistInnen.

Das Verhalten der Polizei
Dass immer öfter auch die Wohnorte von AntifaschistInnen von Nazis attackiert werden können, liegt nicht zuletzt an dem Verhalten der Aachener Polizei. Die Adressen derer, die von Neonazis bedroht werden, wurden den FaschistInnen allesamt durch Kontrollen der Polizei oder Akteneinsicht in den Verfahren gegen sie zugänglich gemacht.
Die Aachener Polizei fokussiert ihre Aufmerksamkeit und einen großen Teil ihres Verfolgungswillens auf AntifaschistInnen. Angegriffene werden von den BeamtInnen kriminalisiert, ihnen wird mit Anzeigen gedroht, sie werden unmittelbar nach Angriffen vorübergehend inhaftiert. Betroffene faschistischer Gewalt, die die Polizei verständigten, wurden selbst zur Zielscheibe des Verfolgungswillens. Und diese Strategie ist nicht neu in Aachen. Wir werden keinen polizeilichen Schutz unserer Veranstaltungen fordern, aber wir beharren auf unserem Recht zur Selbstverteidigung. Die momentane Praxis der Polizei werten wir als Einschüchterungsstrategie gerade gegen junge Menschen, die sich gegen Neofaschismus engagieren.

Das Schweigen der Offiziellen
Eine Stadt kann aber nicht einerseits Engagement fordern, andererseits Engagement dann kriminalisieren lassen. Die Stadt Aachen, mit kleinen Ausnahmen alle Ratsfraktionen üben sich unterdessen in Schweigen und Aussitzen. Ein schwerwiegendes Problem einer massiv erstarkten Neonaziszene in der Stadt Aachen zuzugestehen, hieße, Gegenstrategien ausarbeiten zu müssen oder zumindest denen, die Gegenstrategien haben, keine Steine in den Weg zu legen. Gegenstrategien gibt’s genug. Ob das die Stärkung alternativer Kultur, die Schaffung einer eigenen Dokumentaions- und Informationstelle ist, Konzepte sind vorhanden. Mensch muss nur wollen…

Struktur(en) und ‚Personal’ der extremen Rechten in und um Aachen
Derweil organisieren sich FaschistInnen in Aachen in verschiedenen Gruppen. Unter dem absurden Label „Autonome Nationalisten“ (was sie unter Autonomie verstehen, konnte noch niemand von ihnen auch nur in Ansätzen erklären) entstand eine Gruppe NS-orientierter FaschistInnen in Aachen, die auch in der überregionalen „AG Rheinland“ organisiert ist. Diese Gruppe war maßgeblich an dem versuchten Angriff auf die Antifa-Demo im März beteiligt, ihr Nachwuchs rekrutiert sich hauptsächlich aus dem Umfeld der „AC Ultras“, aus einem bestimmten Teil des Fanmilieus der Alemannia Aachen. Führende Personen dieser Nazi-Gruppe sind Eric T., einst um Anti-Antifa Arbeit, also um Datensammlung politischer GegnerInnen bemüht und Mitbegründer des inzwischen aufgelösten „Sturmbunds Aachen“ und der Herzogenrather Marc Corneli, der sich vom Bonehead zum Stylo-Nazi wandelte. Meist auf Distanz zur NPD und zur NPD nahen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) gehend, gibt es doch einige Neonazis, die sich in beiden Szenen bewegen, die Brücke zwischen AN’s und NPD-Nahen herstellen. So tritt der NPD Jungkader Denis Unruh immer wieder mit „Autonomen Nationalisten“ auf, organisierte sich mit T. in der „Anti-Antifa Aachen-Düren“. Auch Frank Streithoff, Jugendbeauftragter der NPD Düren und KAL Mitglied kann sich anscheinend nicht so recht entscheiden, wo er hingehört. So wird er immer wieder mit AN’s gesichtet.
Die „Kameradschaft Aachener Land“ existiert seit 2002 und wurde von Boneheads aus dem Blood&Honour Umfeld gegründet. In ihren Hochburgen Düren und Stolberg pflegte sie seit jeher enge Kontakte zur NPD. In Aachen Stadt tritt vor allem die junge Generation der KAL auf. Auf eine vollständige namentliche Aufzählung der Aachener KAL Mitglieder muss an dieser Stelle leider verzichtet werden. Die „wichtigsten“ Mitglieder, oder die, die sich exponiert an Angriffen beteiligen, sind wohl neben Frank Streithoff Marcel B., Mats B., Peter S., Thomas U., Patrick L. und Joachim G.

Unterstützung von Axel Reitz
Am 8.11.2008 wollen nun Neonazis durch die Aachener Innenstadt marschieren. Unter dem Motto „Gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung! Gedenkt der deutschen Opfer!“ plant Axel Reitz deutsche Geschichte umzudeuten.
Reitz, einer der bekanntesten Aktivisten aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften und glühender Hitler-Verehrer, ist führender Aktivist des extrem rechten Netzwerkes Widerstand West und Mitbetreiber der Internet-Plattform Aktionsbüro Westdeutschland. Erst vor kurzer Zeit aus der Haft entlassen – Reitz wurde auf Grund antisemitischer Parolen wegen Volksverhetzung verurteilt – bemüht er sich wieder um den Rang des Hauptorganisators der Neonazi-Aufmärsche in NRW.
Mit Aachen hat sich Reitz eine Stadt ausgesucht, in der der letzte Aufmarsch von Neonazis über 20 Jahre zurückliegt. Die letzte erstzunehmende Großaktion von Neonazis in Aachen fand (sieht man von 23 Neonazis und Burschenschaftern ab, die im April 1998 gegen die Wehrmachtsausstellung protestieren wollten) am 4. Mai 1985 statt. Die beiden heute verbotenen Organisationen FAP und Wiking-Jugend demonstrierten mit 150-200 Nazis gegen eine DGB Veranstaltung zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus.
Gewagt also ist das Vorhaben, nach über 20 Jahren eine Nazi-Demonstration in Aachen durchführen zu wollen.

Opferkultur und Neonazismus
Der Opferkult der extremen Rechten nimmt derweil erstaunliche Ausmaße an. Das Motto und das Datum der Reitz-Demonstration versucht ein Gedenken an die Reichspogromnacht, an die Shoa zu delegitimieren und stattdessen ein nationalistisches und revisionistisches Gedenken an „deutsche Opfer“ zu etablieren.
Am 9. November 2008 jährt sich der Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 zum 70sten Mal. In der Reichspogromnacht fand eine vom NS-Regime organisierte Zerstörung von jüdischen Einrichtungen und Eigentum statt. Fast alle Synagogen und viele jüdische Friedhöfe in Deutschland und Österreich wurden zerstört. Etwa 400 Jüdinnen und Juden wurden in den Tagen um den 9.11.1938 ermordet. Ab dem 10. November wurden ungefähr 30.000 Jüdinnen und Juden in KZs deportiert. Die Reichspogromnacht kann als Beginn der Vernichtung des europäischen Judentums gesehen werden, als Wegweiser zur Shoa.
Am 70sten Jahrestag der Pogrome, die von einem großen Teil der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung unterstützt und mit durchgeführt wurden, wollen also Neonazis „deutscher Opfer“ gedenken. Damit sind wohl nicht deutsche Jüdinnen und Juden gemeint, denn diese galten und gelten der historischen wie aktuellen extremen Rechten als das „abweichende Prinzip“. Antisemitismus eint seit jeher die extreme Rechte.
Um was es Reitz geht, macht folgendes Zitat anschaulich:

„Wir glauben auf dieser Erde alleine Adolf Hitler. Wir glauben, dass der Nationalsozialismus der allein seligmachende Glaube ist für unser Volk. Wir glauben, dass es einen Herrgott im Himmel gibt, der uns geschaffen hat, wir glauben, dass es einen Herrgott im Himmel gibt, der uns führt, der uns lenkt, und der uns sichtbar segnet. Und wir glauben, dass dieser Herrgott uns Adolf Hitler gesandt hat, damit Deutschland für alle Ewigkeit ein Fundament werdet. Heil Hitler.“

Hier geht es um NS-Propaganda, um eine nachträgliche Legitimation der Novemberpogrome.
Reitz versucht, an deutsche Erinnerungsdiskurse anzuschließen, in denen immer häufiger von dem Opferstatus ‚Deutscher’ gesprochen wird, immer seltener von der massenhaften Ermordung von Sinti und Roma, von der massenhaften Ermordung von KommunistInnen, von AnarchistInnen, von DemokratInnen, und von etlichen anderen „Unliebsamen“, von dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht und schließlich von der industriellen Vernichtung des europäischen Judentums. An ein Vergessen der Opfer des Nationalsozialismus, an so genannte Schlussstrichdebatten und an eine Funktionalisierung des Gedenkens kann die extreme Rechte inhaltlich leicht anschließen.

‚Opfer-sein’ ist bei extrem Rechten nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil aus einer unterdrückten Position heraus der verzweifelt heroische Kampf mit allen Mitteln gegen die vermeintlichen UnterdrückerInnen legitimiert werden kann. Und was mit vermeintlichen UnterdrückerInnen, also mit politischen GegnerInnen passiert, erläutert Axel Reitz ebenso freimütig:
„Diejenigen, die uns heute bekämpfen, werden einmal auf dem Marktplatz erschossen!“.
Wir werden sehen…
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Ergänzungen

Naziaufmarsch verhindern!

xxx 24.10.2008 - 10:15
Am 08.11.2008 Aachen HBF, 10.00 Uhr
Aachen dicht machen! Naziaufmarsch verhindern!
Weitere Infos unter: akantifaac.blogsport.de
Presse:  http://klarmann.blogsport.de

Reitz-Aufmarsch (vorerst) verboten

xxx 24.10.2008 - 18:49

Protest gegen Rechts in Bochum

http://www.derwesten.de 25.10.2008 - 10:44
Bochum. Gegen einen NPD-Aufmarsch am Samstag in Bochum sind mehrere Demonstrationen angekündigt. Die Polizei richtet sich mit einem Großaufgebot auf die Veranstaltungen in der südlichen Bochumer Innenstadt ein. Hinweise auf Gewalttaten gebe es bislang nicht, teilte ein Polizeisprecher mit.

Bei der NPD-Kundgebung rechnet die Polizei mit mehreren Hundert Teilnehmern. Auch zu den vom linken und bürgerlichen Lager organisierten Gegenkundgebungen werden mehrere Hundert Teilnehmer erwartet. Auf einer Großveranstaltung des DGB wollen zahlreiche Bochumer Prominente, darunter auch Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD), sprechen.

Polizeipräsident Thomas Wenner machte am Donnerstag klar, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei, die politischen Inhalte der Demonstrationen zu bewerten. Vielmehr sei es ihr gesetzlicher Auftrag, das Demonstrationsrecht durchzusetzen. Wenner betonte daher, dass man Blockaden des rechten Umzugs durch Gegendemonstranten nicht hinnehmen werde: «Bei diesen Blockaden würde es sich um Straftaten handeln.»

Allerdings verwies der Polizeipräsident auch darauf, dass die rechte Kundgebung nur unter erheblichen Auflagen erlaubt wurde. So sei eine Uniformierung der Teilnehmer untersagt und die Zahl der mitgeführten Fahnen limitiert worden. Sollte gegen die Auflage verstoßen werden, behalte sich die Polizei ein Einschreiten vor. Zur Information der Anwohner hat die Polizei unter der Nummer 0234/909 4444 ein Bürgertelefon eingerichtet.

Die Kundgebung "Wir sind Bochum" startet um 10.30 Uhr und findet auf dem Dr.-Ruer-Platz in der Bochumer Innenstadt statt. Die Veranstaltung wird von Michael Hermund, Regionsvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Region Ruhr-Mark, eröffnet, als Gastrednerin spricht Dr. Ottilie Scholz, Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum.

Bochum: Live-Berichterstattung

http://www.ruhrnachrichten.de 25.10.2008 - 10:46
10.00 Uhr - Der Aufzug der Antifaschistischen Jugend Bochum beginnt. Die Veranstalter haben 600 Demonstranten angemeldet, etwa 200 finden sich vor der Stadtbadgalerie ein - und werden beständig mehr. "Wir hoffen, dass noch viele vom Bahnhof zu uns finden", sagt ein Veranstalter. Bis zur Abschlusskundgebung um 13 Uhr am Kuhhirten will man durch die Innenstadt ziehen.

10.20 Uhr - Im Kortumpark östlich des Hauptbahnhofes sammelt sich berittene Polizei. Auch gut hundert Einsatzwagen sind hier vor Ort. Um 12 Uhr will am Hauptbahnhof der Demonstrationszug der NPD starten.

10.45 Uhr - Auf dem Buddenbergplatz hinter dem Hauptbahnhof läuft ganz normales Markttreiben. "Wir stehen hier nicht unter Zeitdruck und haben im Vorfeld entschieden, dass es unproblematisch ist, den Wochenmarkt stattfinden zu lassen", sagt ein Polizeisprecher.

10.55 Uhr - Der Dr.-Ruer-Platz ist rappelvoll. Ein breites Bündnis Bochumer Bürger steht zur Demonstration gegen Rechts in den Startlöchern. Das Musikprogramm beginnt.

11.00 Uhr - Der Fahrradladen "m/sec" liegt hinter dem Hauptbahnhof genau am Versammlungsort der Rechten. Bisher ist weit und breit keiner von deren Aktivisten zu sehen. "Wir wurden von der Polizei gut vorbereitet" sagt Oliver Schmidt, der heute Dienst im Laden hat und ihn ganz normal bis 16 Uhr geöffnet lassen will. "Die Polizei sagte uns, wir sollen uns nicht bange machen lassen."

11.10 Uhr - Langeweile pur herrscht an einer Tankstelle an der Wittener Straße hinter dem Hauptbahnhof: Da die Polizei den Verkehr rund um die angekündigte Marschrute der Rechten abgeriegelt hat (auch die Ferdinandstraße ist betroffen) kann hier gerade niemand mehr tanken.

11.15 Uhr - Michael Hermund vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) eröffnet die Protestkundgebung auf dem Dr.-Ruer-Platz. Er kündigt an, dass Busse aus Köln und anderen Städten unterwegs sind, um die Bochumer zu unterstützen, und lobt die Kreativität, die die Jugendlichen bei ihrem Protest unter anderem beim Malen von Transparenten gezeigt haben. "Die Stadt ist heute zweigeteilt", sagt Hermund, aber es werde keinem Rechten gelingen, in die Innenstadt zu kommen. "Ich hoffe, wir werden so etwas nie wieder erleben!"

11.20 Uhr - Oberbürgermeister Ottilie Scholz ruft den Demonstrierenden bei ihrer Rede auf dem Dr.-Ruer-Platz zu: "Wir wollen keine Nazis in der Stadt. Bochum zeigt Flagge!" Die OB erinnert an die Demonstration der Rechten vor vier Jahren, als sie den Bau der Synagoge verhindern wollten, und an die Proteste gegen den mittlerweile geschlossenen Laden Goaliat im Ehrenfeld, der Kleidung aus dem rechten Spektrum verkauft hat.

11.25 Uhr - Der Leiter der Landesreiterstaffel Nordrhein-Westfalen, Kersten Klophaus, sagt nach einem Patrouillenritt durch den Kortumpark: "Wir haben nichts auffälliges bemerkt, es ist alles in Ordnung. Bisher sind noch keine Rechtsextremen zu sehen." Die Reiterstaffel ist mit zehn Pferden im Einsatz.

11.30 Uhr - Wegen der Absperrungen der Polizei, ist der Verkehr auf Nord- und Westring vollständig erlahmt. Nichts geht hier mehr vorwärts. Es wird empfohlen, die Innenstadt weiträumig zu umfahren.

11.35 Uhr - Auf den Straßen hinter dem Hauptbahnhof fahren zwar keine Autos mehr, aber Fußgänger dürfen unbehelligt passieren. Eine Passantin, die das große Polizeiaufgebot am Kortumpark erblickt sagt erschrocken: "Mein Gott, was der Aufstand für diese braune Soße kostet!" Von den NPD-Anhängern ist immer noch niemand zu sehen.

11.40 Uhr - Etwa ein Dutzend rechtsradkikale Demonstranten sind an der Ecke Wittener Straße / Ferdinandstraße eingetroffen. Sie bekleben einen Kleinlaster mit Plakaten auf denen geschrieben steht: "Deutsche wehr euch gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität."

Bochum: Live-Berichterstattung 2

http://www.ruhrnachrichten.de/ 25.10.2008 - 14:33
11.50 Uhr - Die Gruppe der NPD-Anhänger hinter dem Hauptbahnhof ist auf etwa 25 Demonstranten angewachsen. Weitaus mehr Polizei und Journalisten sind dort vor Ort.

12.05 Uhr - Dr.-Ruer-Platz: Der Kölner DGB-Chef Uellenberg van Dawen hält eine flammende Rede. Er berichtet davon, wie der DGB in Köln zusammen mit den Einzelhandelsverband einen Aufmarsch Rechtsextremer verhindert hat. van Dawen kritisiert, dass dies dem Bochumer Polizeipräsidenten nicht gelungen ist.

12.11 Uhr - Am Hauptbahnhof: Die Polizei begleitet die Teilnehmer des NPD-Aufzuges zur Sammelstelle Wittener Straße/Ecke Ferdinandstraße. In einem Zelt führen die Ordnungshüter eine Kontrolle der Personalien der Demo-Teilnehmer durch.

12.15 Uhr - Dr. Ruer-Platz: Die Kundgebung ist beendet. Michael Hermund vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bedankt sich bei den vielen Gruppen für ihr Engagement und ihre Kreativität.

12.21 Uhr - Wittener Straße: Die Polizei kontrolliert auch einige Passanten. Dabei werden bei einem Rentner eine Steinschleuder und Glasmurmeln sichergestellt.

12.29 Uhr - Hauptbahnhof: 100 weitere Teilnehmer am NPD-Aufmarsch sind angekommen und werden von der Polizei zur Sammelstelle geführt. Aus dem weißen Kundgebungsauto schallt Musik mit patriotischem Liedgut.

12.31 Uhr - Oskar-Hoffmann-Straße: Der Fußball-Shop "Malente" hat Transparente gegen den NPD-Aufmarsch ausgehängt und überlegt, das Geschäft für die Zeit des Marsches zu schließen. Das Schauspielhaus hat seine Programm-Transparente abgehängt und durch Bannern "Wir sind Bochum - Nazis sind es nicht!" ausgetauscht.

12.36 Uhr - Polizeisprecher gibt die offiziellen Teilnehmerzahlen bekannt: 2000 haben sich der Kundgebung auf dem Dr.-Ruer-Platz angeschlossen. Dem Aufzug der Antifa-Jugend Bochum haben sich 500 angeschlossen, wobei die Gruppe derzeit weiter wächst. 170 Teilnehmer haben sich dem NPD-Aufzug angeschlossen.

12.45 Uhr - Ufuk (26), Student mit türkischen Eltern, ist als Teilnehmer der Kundgebung am Dr.-Ruer-Platz an der Wittener Straße angekommen und sagt, dass er "ein bisschen enttäuscht" sei, dass auf dem Platz vor der Sparkasse nicht noch mehr als die gezählten 2000 Gegendemonstraten erschienen sind.

12.52 Uhr - Die 170 Teilnehmer des NPD-Aufzuges formieren sich zum Abmarsch. In diesem Moment verschwindet die Sonne am Himmel und dunkle Regenwolken ziehen auf.

13.01 Uhr - Der NPD-Aufzug beginnt. Die Teilnehmer setzen sich - flankiert von einem großen Polizeiaufgebot - in Bewegung.

13.08 Uhr - Am Schauspielhaus wurden Lautsprecherboxen aufgebaut. Derzeit wird Musik gespielt. Wenn der NPD-Aufzug das Theater passiert, soll der Appell gegen Rechts des Schauspielers Manfred Böll abgespielt werden.

13.11 Uhr - Der NPD-Aufzug stoppt für die Verlesung der Demonstrationsauflagen. Als der Marsch weitergeht, sind neben Rechten Parolen auch "Nazis raus"-Rufe im Stadtviertel zu hören.

13.18 Uhr - Wittener Straße: Einige Gegen-Demonstranten gehen parallel zum NPD-Aufzug ebenfalls die Strecke. Anwohner stehen an Fenstern und Türen und beobachten die Szenerie.

13.20 Uhr - An der Alsenstraße sind gerade alle Gegen-Demonstranten von der Polizei gestoppt worden. Der NPD-Aufzug hat auf der gespenstig leeren Wittener Straße jetzt freie Bahn.

13.30 Uhr - Auf dem Steinring hat sich Anwohner-Protest mit Plakaten formiert. Jeder, der versucht, sich dem NPD-Aufzug zu nähern, wird von der Polizei rüde zurückgedrängt. Eine Frau ist gestürzt. Sie beschwert sich bei den Polizisten, dass diese die Rechten beschützen. Vor der Christ-König-Kirche, deren Glocken klingen, stehen Gemeindemitglieder mit einem Transparent "Nie wieder!" und werden von den Rufen der Rechtextremen übertönt.

13.30 Uhr - Die NPD-Gruppe erreicht die Einmündung zur Oskar-Hoffmann-Straße. Auch hier hat sich ein Anwohner-Gegenprotest organisiert, der am Gehweg von der Polizei zurückgedrängt wird. Eine Frau ruft: "Das hier ist einfach nur widerlich!"

13.45 Uhr - Auf dem Platz vor dem Schauspielhaus haben sich 80 Gegen-Demonstranten versammelt. U.a. Schauspieler, Anhänger der Bündnis-Grünen und der IG Metall. Es wid türkische Musik gespielt. Die Polizei duldet die Versammlung, riegelt sie aber von der Straße ab.

13.47 Uhr - Einige Anwohner der Oskar-Hoffmann-Straße haben ihre Stereoanlagen auf volle Lautstärke gedreht und spielen das Antifa-Lied der "Ärzte" ab - "Nur ein Schrei nach Liebe".

13.58 Uhr - Der NPD-Aufzug erreicht das Schauspielhaus. Dessen Direktor Elmar Goerden hat aufgrund seiner Kurzhaarfrisur Probleme, zur Gegendemonstration durch die Polizeisperren auf den Vorplatz zu kommen. Auf dem Platz angekommen betont er: "Wir sind gerüstet!"

14.02 Uhr - Der NPD-Aufzug stoppt am Schauspielhaus für eine Kundgebung und liefert sich mit den Teilnehmern der Gegen-Demonstration zunächst ein verbales Duell. Kurz darauf verstummen die Rufe der Gegen-Demonstranten.

14.09 Uhr - Aus den Lautsprecherboxen am Schauspielhaus schallen Gegenparolen im sachlichen Tonfall von Schauspieler Manfred Böll, während die NPD-Gruppe ihre Kundgebung abhält.

14.20 Uhr - Wie zu hören war, soll die Antifaschistische Jugend Bochum ihre Abschlusskundgebung nicht am Kuhhirten, sondern am Hauptbahnhof abgehalten haben.

14.37 Uhr - Der NPD-Aufzug pausiert - mit einem Erbsensuppen-Essen.

15.01 Uhr - Während die NPD ihre Kundgebung am Schauspielhaus abhält, hält die Polizei die Gegen-Demonstranten in sicherer Entfernung am Bermuda3Eck zurück. Dort essen jugendliche Gegen-Demonstranten der Antifa in aller Ruhe Currywurst.

Bochum: Live-Berichterstattung 3

http://www.ruhrnachrichten.de 25.10.2008 - 17:42
15.38 Uhr - Diskussion zwischen den NPD-Leuten und der Polizei, die feststellt, dass eine Fahne gegen die Aufzugsauflagen verstößt. Die Polzei zieht das Transparent aus dem Verkehr. Die NPD setzt ihre Kundgebung fort.

16.20 Uhr - Die Abschlusskundgebung des NPD-Aufzuges am Bahnhof Ehrenfeld (Bessemerstraße) ist beendet - und damit auch der Demonstrationstag in Bochum. Die Polizei berichtet von einer offiziellen Zahl von 200-NPD-Aktivisten. Auf der Fahne, die der Gruppe abgenommen wurde, soll ein volksverhetzender Text abgedruckt gewesen sein. Daher wurde das Banner von der Polizei eingezogen. Zu Übergriffen zwischen den verschiedenen politischen Lagern ist es im Laufe der sieben Stunden nicht gekommen.

Damit ist die Live-Berichterstattung zum Protest gegen den NPD-Aufzug abgeschlossen.

Polizeichef verbietet rechten Aufmarsch

http://www.mv-online.de/ 26.10.2008 - 11:48
Ein geplanter Aufmarsch von Rechtsradikalen anlässlich des 70. Jahrestags der Pogromnacht ist von der Aachener Polizei verboten worden. Ein 25-jähriger, vorbestrafter Rechtsextremist habe Kundgebungen in der Innenstadt am Vorabend des 70. Jahrestags der Pogromnacht am 9. November angemeldet, teilte die Polizei am Samstag mit. Im Hinblick auf zu erwartende Straftaten wie Volksverhetzung habe Polizeipräsident Klaus Oelze die Demonstrationen nach intensiver rechtlicher Prüfung untersagt. Aus der Bevölkerung waren bereits sechs Gegenveranstaltungen mit der Überschrift «Aachen sagt nein zu Neonazis» angekündigt worden.

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