Unmenschliche ARGE-n Bonn und Remagen

Martin Behrsing 21.10.2008 19:41 Themen: Soziale Kämpfe
ALG II und das Recht auf Wohnraum und Erstausstattung

Bonn/Remagen – Der nachfolgende Erfahrungsbericht zeigt die Unmenschlichkeit und Ignoranz der Hartz IV-Behörden aus Bonn und Remagen. Beide Behörden handeln nach dem Motto:» Wie kann man einen Haftentlassenen möglichst schnell wieder ins Gefängnis bringen«. Das Recht auf Wohnraum und Erstausstattung gilt nicht für alle. Gerade Haftentlassene benötigen der besonderen Unterstützung, da sie meist langjährigen Haftstrafen weder ein soziales Netzwerk haben, noch irgendwelche Einrichtungsgegenstände für eine Wohnung. Auch für Haftentlassene muss gelten, dass mit Verbüßung der Haft die Strafe ab gegolten ist und Hartz IV-Behörden kein Recht haben noch nachträglich nach zu karren. Die Autorin des Berichtes ist uns bekannt.
Vorbemerkung der Verfasserin des Berichts

Vorausgeschickt sei hier, dass es sich um einen Fall aus meinem persönlichen Umfeld handelt.
Es geht hier um meinen Mitbewohner Herrn S., der nach mehrjähriger Freiheitsstrafe bei Entlassung ohne festen Wohnsitz und zwangsläufig wieder in die Kriminalität zurück geraten wäre, wenn ich ihm nicht ermöglich hätte, in meiner Wohnung in Untermiete ein Zimmer zu bewohnen.
Im Auftrag und in Kooperation mit Herrn S. verfasse ich als Wohnungsgeberin den nachstehenden Bericht.


Herr S. wurde am 09.04.08 aus der Haft entlassen.
Laut Angaben des Sozialdienstes der JVA Bückeburg stünden ihm neben dem ALG II und der Kostenübernahme für Unterkunft eine Kostenübernahme für die Erstausstattung von Wohnraum in Höhe von 1700,00 Euro zu.

Herr S. meldete sich am 11.04.08 bei der ARGE Bonn, wo zunächst versucht wurde, ihn mit der Antragsabgabe auf einen Termin für Ende Mai 2008 zu verweisen.
Es wurde jegliche Hilfe verweigert mit der Begründung, da er ja 214.80 Euro Eigengeld bei Entlassung aus der Haft erhalten habe, sei er nicht bedürftig.

Er bestand bei der Anmeldung im Foyer der ARGE Bonn darauf, direkt mit einem Sachbearbeiter zu sprechen, dies wurde zwar ermöglicht, Herr S. wurde jedoch ausgesprochen herablassend und diskriminierend behandelt zudem wurde ihm und seiner Vermieterin, die ihn begleitet hat der Sicherheitsdienst in den 3.Stock hinterhergeschickt. Während der gesamten Wartezeit auf dem Flur patrouillierte der SD auf dem Gang.
Andere Leute wurden nicht derart behelligt.

Betreffend der Übernahme einer Wohnungskaution (die auch bei Untermietverhältnissen anfällt) und der Erstausstattung wurde Herr S. rundheraus abgewimmelt und alles wurde abgeblockt.
Man redete sich darauf heraus, dass eben Leistungen, die in Niedersachsen gewährt werden, in NRW nicht vorgesehen sind.

AM 01.09.08 zog Herr S. nach Remagen, Kreis Ahrweiler, Rheinland-Pfalz, die Hauptmieterin der Wohnung hat ihren Wohnsitz aus beruflichen Gründen dorthin verlegt und Herrn S. die Weiterführung des Untermietverhältnisses angeboten.

Herr S. stand diesbezüglich mit der ARGE Bonn in Kontakt, dort sagte man ihm dann erst die Übernahme der Umzugskosten zu – es könne unter einigen Umzugsunternehmen die mit der ARGE zusammenarbeiten jederzeit kurzfristig beauftragt werden und dies würde direkt mit der ARGE abgerechnet. Diese Aussage stellte sich als falsch heraus, Herr S. bekam keinerlei Umzugsbeihilfe – es wären erst mit mindestens 3-4 Wochen Vorlauf mehrere Angebote einzuholen und bei der ARGE zur Prüfung vorzulegen gewesen.
Die Zusage, die Kosten für Wohnungsbeschaffung (Kaution) zu übernehmen, die von der ARGE Bonn gemacht wurde diente der Sozialbehörde Remagen als Vorwand diese Kaution nicht zu übernehmen, es wäre vorher dort die Genehmigung und die Kostenübernahme zu beantragen gewesen.
Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt und die Angelegenheit einer Rechtsanwältin für Sozialrecht übergeben.

Inzwischen droht Herrn S. erneut Wohnungslosigkeit, da die Behörde weder die Kaution noch bisher die Miete für September und Oktober überwiesen hat. Es ist für Herrn S. kein tragbarer Weg im Falle der eintretenden Wohnungslosigkeit ins Obdachlosenwohnheim zu ziehen, nach Verbüßung der ersten Haftstrafe wurde er einem Obdachlosenwohnheim zugewiesen, wo er erneut rückfällig wurde (Drogen, Alkohol).

Jedoch bewilligte die Sozialbehörde in Remagen die Kostenübernahme für die Erstausstattung der Wohnung in Form eines Bezugsscheins in Höhe von 1200 Euro.
Auf diesem Bezugsschein ist jeder einzelne Einrichtungs- und Haushaltsgegenstand aufgelistet, dieser Bezugsschein gilt nur und ausschließlich für das Sozialkaufhaus LISA in 53498 Bad Breisig. Es wird auf diesem Bezugsschein jeglicher Anspruch auf Barleistungen ausgeschlossen, falls bei LISA die genannten Gegenstände nicht vorhanden sind.
Eine Beihilfe für eine Wohnungsausstattung als Geldleistung wurde von der Remagener Sozialbehörde ausgeschlossen. Es wird also im Grundsatz nicht ermöglicht, dass z.B. in einem Möbelgeschäft Inventar ausgesucht wird
Herr S.. suchte sich im Sozialkaufhaus LISA ein Bett, einen Teppich, einen Kühlschrank, ein 2-Sitzer und ein 3-Sitzer-Sofa, einen Kleiderschrank sowie Bettzeug, Geschirr, Gläser, Besteck und Kochtöpfe aus.


Die Sachen wurden am 14.10.08 angeliefert. Hierzu ist zu sagen, dass hier keine Hilfe beim Verbringen der Möbel in den 3. Stock (kein Aufzug vorhanden) erfolgte und Herr S. sich jemanden zum Mithelfen suchen musste. Die Einrichtungsgegenstände wurden auf der Straße vor der Haustür abgestellt.

Der Zustand der Einrichtungsgegenstände ist eine einzige Katastrophe, es ist ein Schlag ins Gesicht und eine Diskriminierung sozial benachteiligter Menschen.

Das Bett ließ Herr S. direkt wieder mitnehmen, das Bett ist kaputt, das Holz gesplittert, Stellen, die teilweise mehrfach gebrochen waren nur provisorisch mit Holzleim geklebt.

Der Kühlschrank ist komplett kaputt, die Tür schließt nicht, das Kühlaggregat ist komplett kaputt, außen finden sich vielfache Roststellen, der Kühlschrank ist von innen beschädigt, die Innenwände sind eingerissen es findet sich an mehreren Stellen dicker Schimmelbelag, in einem Seitenfach befindet sich verschmutzte Alufolie.

Der Teppich ist komplett verschmutzt, es finden sich viele Flecken, im Gesamten ein verschmutztes Erscheinungsbild, der Teppich riecht und wird schon allein deshalb zunächst nicht in die Wohnung gelegt.

Beide Sofas sind in verschmutztem Zustand, teilweise eingerissener Stoff, unfachmännisch und notdürftig mit Bindfaden „angepinnte“ Polster, defekte Reißverschlüsse.

Beim Kleiderschrank sind keinerlei Schrauben, Scharniere, Verbindungen etc. vorhanden.

Das Bettzeug unsauber und ungewaschen, ebenso die Bettwäsche – diese Sachen wurden wegen Geruchs zunächst auf dem Balkon gelagert.

Die Küchenutensilien sind dreckig – anders kann man das nicht bezeichnen. Die Besteckteile sind angelaufen, die Holzgriffe machen einen »speckigen« Eindruck. Zwei Kochlöffel sind fast schwarz verbrannt, zu den vorhandenen Tassen gibt es keine Unterteller, alles in allem ist in absolut unbefriedigendem weil unsauberen und ungepflegten Zustand.


Es wird größter Wert auf die Feststellung gelegt, dass es hier nicht um das von Springer, RTL et al bemühte Vorurteil vom Anspruchsdenken à la »sich bereichernder Harzt IV-Klient, der sich auf Kosten der Allgemeinheit Designermöbel finanzieren lässt« geht.
Zudem muss an dieser Stelle gesagt werden, dass das Sozialkaufhaus LISA für die o.g. Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände insgesamt 400 Euro der Stadt Remagen in Rechnung stellt. Das genannte Sozialkaufhaus besteht seit 2007 und bezieht bis voraussichtlich 31.12.2009 Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln. Träger des Sozialkaufhauses ist die Caritas Rhein-Mosel-Eifel. Hier wird aus der Notlage blutigstes kapital geschlagen!!
Es geht darum, dass jemand nur das haben will, was ihm zusteht – nicht mehr, nicht weniger.

Es geht darum, dass jemand, der insgesamt fast 10 Jahre Freiheitsstrafe hinter sich hat, wieder in ein normales geregeltes Leben zurückfinden will und hierzu gehören menschenwürdiger Wohnraum und eine menschenwürdige Ausstattung.

Herr S. besitzt noch nicht mal ein Bett er campiert im Wohnzimmer auf dem Sofa der Wohnungsgeberin. Herr S. kann sich das Zimmer, dass er in Untermiete bewohnt nicht vernünftig einrichten, weil ihm keinerlei vernünftiges, brauchbares Mobiliar gewährt wird. Herr S. besitzt außer einem Koffer und teilweise ausgeliehenen Kleidungsstücken nichts!
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Anspruch auf Designermöbel

Seppi 26.01.2010 - 01:13
Also selbstverständlich haben auch Mitmenschen ohne Einkommensplatz ein Recht auf Designermöbel, sofern sie denn auch einen praktischen Mehrwert haben.

Gestatten, Seppi, 26, 9 Semester Produkt-und Umweltdesign, jetzt auf Hartz IV.

Zur Zeit klage ich vor dem LSG Berlin Brandenburg neue Sätze für die Erstausstattung durch, was den Staat glücklicherweise schon viel Geld gekostet hat, allerdings gibt es da so ein Magnetfeld aus 10.000 Richter_Innen, die auf meine Kosten leben und das ganze wohl in die Länge ziehen wollen...zumindest bis zum Urteil in Karlsruhe zu den Regelsätzen.

Schließlich arbeitet hier niemand für sich selbst, es sei denn jeder bekomt sein Stück Land zurück und zuppelt die Kartoffeln selbst aus dem Boden. Heimlich mit der Nachbarin aus dem Süden dann gegen Weintrauben tauschen ist dann aber nicht.

Die böse Wirtschaft hat die Aufgabe den Menschen von der Arbeit zu befreien, Fortschritt bedeutet Wohlstand und nicht Profit. Wenn jemand den ganzen Müll herstellt soll er auch gekauft werden, Geld spielt da keine Rolle, das ist nur Politik. Staatsverschuldung und Knappheit an Zahlungsmitteln sind nur ein politisches Instrument, um des Status Quo der Herrschenden zu erhalten.

Resourcen sind aber irgendwann knapp. Ein Hartz IV-Empfänger bekommt in seine 45qm-Bude nicht soviel rein, wie ein Bohlen oder Ackergaul oder Gottschalk in seinen Palast.

Andererseits: Sollte man auch einem Ex-Knacki eine Erstausstattung zukommen lassen, die seinem Geschmack entspricht und eben etwas länger hällt. Design bildet eben doch das Bewustsein.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

sozial-gerichte — harz-4 assi

mal gnaz dumm gefragt... — dummfrager

Und wer hilft den Opfern? — Mitfühlender

zurück an den stammtisch — name is egal