News zu Antimoscheedemo in Pankow-Heinersdorf

Emanzipative Antifaschistische Gruppe 14.10.2008 23:39
Am Donnerstag mobilisiert die rassistische "Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger" (ipahb) mal wieder zu einem Aufmarsch aus Anlaß der Moscheeeröffnung durch die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde in Berlin-Heinersdorf. Auch die NPD und andere Neonazis werden sich dem Aufzug anschließen, nachdem die extrem rechte Partei eine Mahnwache nahe der Moschee am Dienstag abgesagt hat. Bleibt noch die Aktion der selbsternannten "Zivilgesellschaft", die durch Heinersdorf ein "buntes Band für Vielfalt und Toleranz" knüpfen will. Hier erfahrt Ihr den aktuellen Stand.
NEWS

- Die Ahmadiyya-Gemeinde feiert am frühen Abend die Eröffnung ihrer Moschee mit rund 300 Gästen

- Eine zivilgesellschaftliche Initiative aus Arbeiterwohlfahrt Nordost, Wir sind Pankow der Zukunftswerkstatt Heinersdorf und den Fraktionen der BVV ruft zu einer Aktion "Ein buntes Band für Vielfalt und Toleranz" auf. Mit der subtilen Nebenerscheinung, dass einige Mitunterzeichner_innen (Die Linke, Bezirksamt) ihre Teilnahme als Protest gegen NPD und ipahb verstehen und im auch von der CDU unterstützten Aufruf nur von der NPD die Rede ist. Treffpunkt ist 17 Uhr Rothenbach-, Ecke Romain-Rolland-Straße bzw. im Kiez Berliner Straße, Romain-Rolland-Straße, Neukirchstr.

- Die ipahb trifft sich 18 Uhr an der Kreuzung Prenzlauer Promenade Ecke Granitzstraße und plant anschließend, durch Pankows Zentrum vor das Rathaus in der Breiten Straße zu ziehen

- Die NPD hatte zunächst eine Mahnwache angemeldet, die von 18-23 Uhr nahe des Moscheegeländes stattfinden sollte. Inzwischen wurde die Anmeldung zurückgezogen, die Neonazis werden sich also wieder bei der ipahb einreihen




AKTUELLER BEITRAG DER EAG ZUM THEMA HEINERSDORF

Rassist_innen im Tiefschlaf?

Die Antimoscheebewegung in Heinersdorf verliert endlich an Dynamik. Unklar ist, welchen Weg die sogenannte Bürgerinitiative ipahb gehen wird. Eine Provinzanalyse von Emanzipative & Antifaschistische Gruppe [EAG]

Von der kleinen Volksbewegung in Pankow-Heinersdorf, die sich kurz nach der Ankündigung der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde im Jahr 2006, eine Moschee im Ortsteil zu errichten, erhoben hatte, ist heute, kurz vor der Eröffnung des muslimischen Gotteshauses, ziemlich wenig zu hören.

Dies dürfte weniger daran liegen, dass unter den Bewohner_innen Heinersdorfs rassistische Vorurteile weniger verbreitet seien, als sie es noch vor zwei Jahren waren. Vielmehr mußten die in der „interessengemeinschaft pankow-heinersdorfer bürger“ (ipahb) zusammengeschlossenen Moscheegegner_innen resigniert zur Kenntnis nehmen, dass sie den Bau nicht haben verhindern können. Somit dürfte die Vermutung nicht ganz aus der Luft gegriffen sein, dass der geplante Aufmarsch der ipahb am 16. Oktober aus Anlaß der Moschee-Einweihung als ein letztes Aufflackern der Proteste zu verstehen ist.

Mit ziemlicher Sicherheit läßt sich zumindest prognostizieren, dass die Teilnehmer_innenzahl der ersten Antimoscheedemos von rund 2000 Menschen diesmal bei weitem unterschritten werden dürfte.

Der Niedergang der Antimoscheebewegung in Heinersdorf hat aber auch noch andere Gründe:
Die Schwächung der Moscheegegner_innen innerhalb der lokalen CDU und die Abwahl von René Stadtkewitz als Pankower Vorsitzender der Partei. Der Kampf gegen die Moschee und folglich die Unterstützung der ipahb war eine Herzenssache des stramm-rechten CDU-Politikers und seiner Parteigefolgschaft aus Pankower Provinzpolitikern, die so Namen wie Eichler, Michehl, Luther und Stettner tragen. Zwar konnte sich Stadtkewitz im für Berliner Verhältnisse weiterhin extrem rechts geltenden Pankower CDU-Kreisverband der Unterstützung durch die Alt-Pankower Ortsverbände sicher sein, Widerstand erfuhr er jedoch von CDU-Politiker_innen aus vielen anderen Bezirken und den Prenzlauer Berger Strukturen seines Kreisverbandes.

Hier hatte es nicht ganz erfolglose Versuche gegeben, die Partei auch für Muslime attraktiv zu machen. Folge des CDU-Clinchs war die Ernennung des bedeutend liberaler auftretenden Peter Kurth zum neuen Pankower CDU-Vorsitzenden, der es seitdem tunlichst vermeidet, sich zur Moscheeproblematik zu äußern. Kurth hat im Gegensatz zu Stadtkewitz scheinbar irgendwann mitbekommen, dass die CDU-Hetze gegen die Moschee der Partei bei den Wahlen zwar in Heinersdorf kräftige Zuwächse bescherte, im Stadtbezirk Pankow insgesamt aber schlecht ankam und die Kampagne der Partei massiv Stimmen kostete. Ende September trat Stadtkewitz dann auch noch von seinem Stellvertreterposten innerhalb der Pankower CDU zurück, was seine Position im Kreisverband weiter geschwächt haben dürfte.

Das weiter oben skizzierte Dilemma zwingt die ipahb derzeit dazu, die für Bürger_innen-Initiativen klassische Kiezarbeit zu betreiben und die Moscheeproblematik erst einmal hinten anzustellen. Auf einmal kümmern sich die pionierhaften Kulturkämpfer_innen aus Heinersdorf auch um die Erneuerung von Spielplätzen, debattieren mit Bezirkspolitiker_innen Fragen der Straßenführung und der Gewerbeansiedlung oder organisieren Stadtteilfeste mit Hüpfburg für die Kleinen und Feuerwerk zum Schluß für die Großen.

Auf der anderen Seite versucht die ipahb vorwiegend durch krude Beiträge auf ihrer Website aber auch ein politisches Profil zu entwickeln, dass jenem der rechten Internetplattform „Politically Incorrect“ (PI) oder der sogenannten rechtspopulistischen Partei „Pro Köln“ zum verwechseln ähnlich ist. Letztere machte Mitte September mit einem „Anti-Islamisierungskongreß“ in der Domstadt Schlagzeilen, der durch Interventionen von bundesweit angereisten Antifaschist_innen und couragierten Kölner Bürger_innen jedoch verhindert werden konnte.

Statt einer progressiven Religionskritik, bei der neben dem Islam auch das Christentum nicht gut bei wegkommen kann, propagieren Autor_innen von PI ein Islam-Bild, das weit verbreitete reaktionäre und menschenverachtene Erscheinungsformen wie Antisemitismus, patriarchale Frauenbilder und Verfolgung von Homosexuellen oder auch fehlende Säkularisierung zwar benennt, diese aber nur auf den Islam projiziert und auf Menschen mit muslimischem Background rassistisch ummünzt.

Spätestens wenn der NPD-Jargon der „Überfremdung“ geschickt in Phrasen wie der „schleichenden Islamisierung“ gepackt wird, dürfte schnell klar werden, dass hier rechtskonservative bis fundamentalistische Christen lediglich ein neues Experimentierfeld gefunden haben, um klassisch kulturkämpferisch zu agieren und gegen Einwanderung in Stellung zu gehen.

Pustekuchen ist auch die stramme Israelsolidarität der PI-Leute, die verarmte jüdische Migrant_innen aus der früheren Sowjetunion getreu ihrer rassistischen Standortlogik am liebsten abgeschoben sehen müßten und die die jüdischen Bewohner_innen Israels für sich instrumentalisieren, weil sie dem Kampf gegen den „Islamismus“ nützlich erscheinen. Gern gesehen sind in diesem sumpfigen Umfeld dann auch, wie es nur auf dem ersten Blick scheint, etwas vom Kurs abgekommene und heute bei „Pro Köln“ aktive Neonazis, sich im Kampf gegen den „Islam“ plötzlich zu den Rettern „westlicher Werte“ ereifern und doch nur ihr „Europa der Vaterländer“ von den „Muselmännern“ wegen „zu erwartender Überfremdung“ bedroht sehen. Peinlicher ist dann nur noch die Berliner NPD, die mit ihrem neuen Landesvorsitzenden, Jörg Hähnel, der auch in Heinersdorf kein Unbekannter ist, jüngst in Neukölln gegen zwei neu entstehende Hindu-Tempel aufmarschiert ist, was selbst in bundesweiten rechten Internetforen für einiges Stirnenrunzeln gesorgt hat.

Auf Heinersdorf bezogen bleibt abzuwarten, ob die Kader der ipahb mit dieser Linie noch einmal an altbekannte Erfolg anknüpfen können oder sich vereinsintern eben jene Fraktion durchsetzt, die Lust auf eine stinknormale Bürger_innen-Ini­tiative hat. Der Mobilisierung zum „Anti-Islamisierungskongreß“ nach Köln schloß sich die Bürgerinitiative in diesem Jahr jedenfalls noch nicht an, wenn auch im ipahb-Büro gegenüber der neuen Moschee in der Tiniusstraße ein Kruzifix, das Geschenk des Dorfpfarrers Kaehler „als Zeichen des Widerstands gegen den Islam“ hängen soll. In Heinersdorf sind die richtigen Christ_innen eben noch stramme CDUler_innen. Und für die ist „Pro Köln“ (oder auch der Berliner Ableger) nur unerwünschte Parteienkonkurrenz. Die Frage ist nur, ob „Pro Köln“ mit seinem Expansionsprojekt „Pro Deutschland“ in absehbarer Zeit Erfolge aufweisen kann und in Heinersdorf und damit auch bei der ipahb die gewohnte Parteienbindung aufgebrochen wird. Zu wünschen wäre es sicher nicht. Der aktuelle Hühnerstall der Berliner CDU ist genau der richtige Verein für diese Leute.
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Ergänzungen