Kriegsverbrecherprozess in München

pasta 12.10.2008 18:46 Themen: Antifa Militarismus
Prozess geht weiter:
Josef S. ist wegen Mordes angeklagt, weil er die Tötung von italienischen Zivilisten während des 2. Weltkrieges befehligt haben soll.
Er wurde deshalb bereits 2006 vor dem italienischen Militärgericht in La Spezia zu lebenslanger Haft wegen 14-fachen Mordes verurteilt.
Diese Woche sagte der einzige Überlebende des Massakers vor dem Gericht in München aus.
Kriegsverbrecherprozess in München

Josef S. ist wegen Mordes angeklagt, weil er die Tötung von italienischen Zivilisten während des 2. Weltkrieges befehligt haben soll. Er war damals Leutnant des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818, das in Mittelitalien den Rückzug der deutschen Truppen sichern sollte.
Er wurde deshalb bereits 2006 vor dem italienischen Militärgericht in La Spezia zu lebenslanger Haft wegen 14-fachen Mordes verurteilt.

Die Tötung war eine Racheaktion der Wehrmacht. Nachdem italienische Partisanen zwei Wehrmachtssoldaten erschossen hatten, zogen deutsche Soldaten als Suchtrupps durch die Landschaft und erschossen wahllos Menschen und nahmen andere gefangen. Als erstes fielen ihnen eine 74 Jahre alte Frau und drei Männer zum Opfer.
Danach nahmen sie 11 Männer gefangen und trieben sie auf dem Dorfplatz in Falzano (kleines Dorf bei Cortona in der Toskana) zusammen.
Schließlich wurden die Männer gezwungen in ein mit Dynamit bestücktes Haus zu gehen, das daraufhin verriegelt und gesprengt wurde. Nur der damals 15-jährige Gino M. Überlebte das Massaker.
Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe vollumfänglich und lässt über seine Anwälte erklären, dass eine solche Tat bereits von der Wehrmacht und von ihm als Offizier geahndet worden wäre.
Schließlich hätte er gar keine Zeit gehabt eine Erschießung zu befehligen, da er mit dem Wiederaufbau einer Brücke voll beschäftigt gewesen sei.
Auch hätte ein solcher Befehl nur von höherer Stelle kommen können.

Josef S. wird von drei Anwälten verteidigt, die alle Kontakte zur rechtsextremen Szene haben: Thesen, Stünkel und Goebel.
Goebel arbeitet als Anwalt für die Nazi-Organisation „Stille Hilfe“ und verteidigte schon den Holocaust-Leugner David Irving. Der Rechtsanwalt Stünkel aus Jena vertritt regelmäßig Neonazis in Sachsen-Anhalt. Thesen ist Oberstleutnant der Reserve, hat schon unter Scheungraber gedient und schreibt Leserbriefe für die Junge Freiheit.
Letzterer stellte für seinen Mandanten den Beweisantrag den Bundeswehroberst Klaus Hammel als „militärhistorischen Sachverständigen“ vor Gericht zu hören, da nur ein Mann der selbst gedient habe, diese komplizierten Fragen der Kriegsführung beurteilen könne.
Ob dieser Antrag angenommen wird, hat das Gericht noch nicht entschieden.
Hammel, der heute Autor der Jungen Freiheit ist, soll vor Gericht darlegen, dass Scheungraber als Täter nicht in Frage kommt.

Aussage des einzigen Überlebenden
Anfang dieser Woche reiste der heute 79-jährige Gino M. aus Italien an, um vor Gericht als Zeuge auszusagen. Er beschrieb wie er am Vormittag des 27.Juni 1944 von den deutschen Soldaten festgenommen wurde.
Er hatte von weitem Schüsse gehört und näherte sich vorsichtig den Soldaten, weil er neugierig geworden war. Doch diese entdeckten ihn und steckten ihn zu einer Gruppe anderer Zivilisten, die sie schon zuvor gefangen genommen hatten. Diese Gruppe musste mit den Soldaten mitlaufen, während sie das Gebiet nach weiteren potentiellen Opfern durchkämmten.
In dem kleinen Ort Falzano angekommen, mussten sie sich an einer Hofmauer in einer Reihe aufstellen. Währenddessen wurde bereits ein Nachbargebäude gesprengt.
Dann kamen zwei Soldaten in einem Motorrad mit Beiwagen angefahren. Ein Soldat (wohl der Befehlshaber) stieg aus, brüllte den anderen Soldaten etwas auf Deutsch zu und fuhr wieder weg.
Danach sahen die Gefangenen wie Zivilisten Kisten in das obere Stockwerk eines Gebäudes trugen. Gino M. war damals noch nicht klar, dass die Kisten mit Sprengstoff gefüllt waren.
Schließlich wurden sie gezwungen, in das Bauernhaus zu gehen und die Tür wurde von Außen mit Draht verschlossen. Nach circa fünf Minuten wurde das Haus in die Luft gesprengt.
Danach waren noch Schreie aus den Trümmern zu hören und die Soldaten feuerten mit Maschinengewehren auf den Trümmerhaufen.
Gino M. lag mit Verbrennungen und schweren Verletzungen an Beinen und Rücken unter einem Balken eingeklemmt und verlor immer wieder das Bewusstsein. Erst am Abend wurde er von einer Frau aus den Trümmern befreit.
Danach konnte er wegen der Verbrennungen seine Augen über einen Monat nicht mehr öffnen und zudem seine Beine nicht bewegen. Als Langzeitschaden hat er eine Arthrose im Rücken und muss zeitweise ein Stützkorsett tragen.
Zu den körperlichen Verletzungen kommen jedoch noch die psychischen hinzu. So konnte es Gino. M. noch Jahre danach nicht ertragen, deutsch zu hören.
Zum Schluss bat Gino M. darum, in Zukunft nicht mehr über dieses Thema reden zu müssen, da er damit abschließen wolle.
Diese Bitte richtete sich sowohl an das Gericht als auch an die Presse.

Der nächste Prozesstag ist am 13. Oktober 2008 vor dem Landgericht München I.
Weitere Infos unter:  http://www.keine-ruhe.org/
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Ergänzungen

Der Anwälte des Angeklagten

pasta 12.10.2008 - 19:13
Der Anwälte des Angeklagten: Thesen (im Vordergrund) und Stünkel

Antifascist Action

Antifa Muc 12.10.2008 - 19:20
München steht ein grosser Naziaufmarsch zum "Heldengedenken" bevor. Am 15.11. wollen sich Neonazis aus ganz Bayern um 12 Uhr am Hauptbahnhof treffen um dann um 13 Uhr vom Goetheplatz einen "Trommelmarsch zum Grab des unbekannten Soldaten" durchzuführen.

Es wird vielfältige Gegenaktionen geben, haltet euch auf dem laufenden:
www.antifa-nt.de
www.myspace.com/ajmuenchen
www.aida-archiv.de

Flugblatt zum Scheungraber-Prozess am 7.10.08

AK Angreifbare Traditionspflege 13.10.2008 - 10:47
Freie Assoziation Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege

Das schwarz-braune Schattenreich des Gebirgsjägerkameraden Josef Scheungraber

Seit Mitte September findet vor dem Landgericht München der Mordprozess gegen den Gebirgsjäger Josef Scheungraber statt. Er ist Mitglied des „Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.“ und Träger von dessen „Goldener Ehrennadel“. Scheungraber ist angeklagt, im Sommer 1944 als Kompanieführer eines Gebirgs-Pionier-Bataillons die Ermordung der in dem italienischen Dorf Falzano di Cortona (bei Arezzo) lebenden
Antonio Grezzi - Angiolo Lescai - Luca Cascini - Lorenzo Donati - Agostino Paludini - Agostino Petrini - Domenico Trasenni - Guido Trasenni - Domenico Sassini - Edoardo Zampagni - Ferdinando Cannicci - Santi Lescai - Francesca Bistarelli - Angiolo Donati
angeordnet zu haben.
Gebirgsjägerkamerad Scheungraber kann sich für den Strafprozess in München auf die vorbehaltlose Unterstützung seines „Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.“ (KK) verlassen. Dieser zählt etwa 6.000 Mitglieder, darunter ca. 2.000 ehemalige Wehrmachtsoldaten. Er darf auch den bayerischen Ministerpräsidenten a. D. Stoiber, den derzeitigen Chef der Führungsakademie der Bundeswehr, Löser, sowie den amtierenden Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Schmidt (CSU) zu seinen Beitragszahlenden Mitgliedern zählen.
Delinquent Scheungraber ist in diesem Prozess keineswegs verlassen. Bei Prozessauftakt erhoben sich als Geste der Ehrenbezeugung vier bekannte Münchener Neonazis gemeinsam mit alten Kameraden, als Scheungraber den Gerichtssaal betrat. Auf einer Nazi-website der so genannten „Freien Nationalisten“ schreiben sie hierzu u. a.: „Als der nun 90 jährige Angeklagte Scheungraber den Sitzungssaal betreten hatte, standen alle anwesenden Aktivisten der FN München geschlossen auf, um ihre Solidarität zu bekunden. An diesem heutigen Tag, als Antideutsche und Medien ihr Urteil schon gefällt hatten, dürfen Kriegsveteranen, welche für uns ihr Leben riskiert haben, nicht im Stich gelassen werden.“ Zusammen mit den Gebirgsjägerkameraden verfolgten die Neonazis den ersten Verhandlungstag.
Scheungraber hat für diesen Strafprozess gleich drei Verteidiger mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt:
Der Bundeswehr-Reserveoffizier und Rechtsanwalt Rainer Thesen (Nürnberg) vertrat in allerjüngster Zeit den Kameradenkreis in einer Pressesache gegen den Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, Ulrich Sander. Thesen erwirkte am Landgericht Nürnberg-Fürth unter Geldstrafenandrohung eine einstweilige Verfügung u. a. dazu, dass Sander nicht mehr öffentlich behaupten darf: „Seit 2002 protestiert eine bundesweite Bewegung Jahr für Jahr in Mittenwald/Oberbayern gegen das größte Soldatentreffen, das - indem es vom Kameradenkreis der (NS-)Gebirgstruppe veranstaltet wird - auch das größte Kriegsverbrechentreffen ist.“ Vor zwei Jahren nahm Thesen in einem Beitrag der Zeitschrift des KK, „Die Gebirgstruppe“, vehement dagegen Stellung, dass die Wehrmacht heute als „weitgehend willfähriges Gewaltinstrument des nationalstaatlichen Unrechtsstaates“ betrachtet werde, und aus staatsoffizieller Sicht keine Tradition begründen darf. Das sieht der Reserveoffizier aus Nürnberg und eifrige Leserbriefschreiber für die „Junge Freiheit“ natürlich ganz anders, wenn er positiv gestimmt feststellt: „Die Wehrmacht ist Teil unserer Geschichte.“ Folgerichtig beklagte er im heutigen Selbstbild der Bundeswehr eine „Verengung“ der Tradition auf „politisch korrekte Taten“, die so in anderen Ländern nicht existiere. (Gebirgstruppe 2006, Heft 4, S. 56-57).
Der zweite bei Prozessauftakt anwesende Anwalt und Mitglied der schlagenden Verbindung Halle-Leobener-Burschenschaft Germania (Halle/Saale), Christian Stünkel (Jena), ist seit 2005 in Thüringen/Sachsen-Anhalt als engagierter Rechtsbeistand von organisierten Neonazis bekannt. Vier Tage nach der Scheungraber-Prozesseröffnung verteidigte er am Freitag den 19.9.2008 vor dem Amtsgericht Halberstadt den Kreistagsabgeordneten der NPD im Kreis Harz Michael Schäfer, der dort wegen Beleidigung eines Mitgliedes der Partei Die Grünen angeklagt ist. Stünkel verteidigte darüber hinaus in anderen Strafverfahren Emanuel Reuter von der Wernigeröder Aktionsfront (WAF), den Landesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten in Thüringen, Marcus Großmann, sowie den wegen eines Brandanschlags auf die Asylbewerberunterkunft Sangerhausen angeklagten Danny Rieche.
Vor ein paar Monaten enthüllte die Süddeutsche Zeitung, dass dem Dritten der Scheungraber-Anwälte, Klaus Goebel (München), eine „enge Verbindung zur Organisation ‚Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte’ nachgesagt“ wird. (SZ v. 18.7.2008) Dieser Rechtsanwalt hat sich bereits als Verteidiger des SS-Schlächters Anton Malloth und des Holocaust-Leugners David Irving engagiert. Er wird seine Gründe gehabt haben, dass er sich beim Prozessauftakt nicht gezeigt hat. Die im November 1951 in Wolfrathshausen, dem heutigen Wohnort von Edmund Stoiber, gegründete „Stille Hilfe“ war schon in den Kampagnen zur Freilassung der im „War Criminal Prison No. 1“ Landsberg inhaftierten deutschen Kriegsverbrecher in den frühen 1950er Jahren aktiv: Der Kriegsverbrecher Hubert Lanz, der bis in das Jahr 1982 als Ehrenpräsident des KK amtierte, konnte von dieser braunen Solidarität durch seine vorzeitige Freilassung profitieren.
Wenn es eine Organisation in der Bundesrepublik gegeben hat, die mit außerordentlichen Erfolg dafür gesorgt hat, dass Abertausende von Wehrmachtsoffizieren und SS-Schergen niemals für ihre Verbrechen niemals vor den Richter gestellt wurden, dann war es die „Stille Hilfe“. Im Laufe ihres Bestehens verfügte sie über exzellente Kontakte zu Figuren wie dem BND-Chef Reinhard Gehlen, dem bayrischen Ministerpräsidenten und Ehrengebirgsjäger Strauß und dem Ehrenvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Alfred Dregger.
Im Scheungraber-Verfahren wurde von Rechtanwalt Thesen der Antrag gestellt, Bundeswehroberst a. D. Klaus Hammel als „militärhistorischen Sachverständigen“ zu laden. Dieser sei aufgrund seines „militärischen Spezialwissens“ zur Beurteilung der Vorgänge in Italien 1944 in der Lage. Hammel ist kein Unbekannter: Bis zu seinen Ausscheiden 1997 war er Stabschef der 1. Gebirgsdivision. Zusammen mit dem Ex-Scheungraber-Verteidiger Klamert, der zugleich jahrelang als Vizepräsident des KK amtierte und der Scheungraber gegen die Anklage des italienischen Militärgerichts in La Spezia verteidigte, sorgte Hammel dafür, dass das Archiv des Kameradenkreises seit 1995 auf Kosten der Bundeswehr in Räumlichkeiten der Münchener Bayernkaserne untergebracht ist. Zusammen mit dem 1. Vorsitzenden des KK, Oberstleutnant a. D. Griesinger, setzte er die so genannte „Archivordnung“ in Kraft.
Seit seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr ist Hammel als freier Publizist sowohl in der Zeitschrift Die Gebirgstruppe wie auch in der Jungen Freiheit ein gern gesehener Autor. Ihm geht es wie Thesen darum, dem – wie er im Jahre 2003 schrieb, „pauschalierenden Vorwurf entgegenzutreten, bei dem mit der Bezeichnung ‚verbrecherische Wehrmacht’ unbescholtenen deutschen Soldaten ein Etikett angehängt wird, das im absoluten Gegensatz zum praktizierten Verhalten steht.“ Hammel unterzeichnete den 2005 in der Jungen Freiheit abgedruckten Aufruf „Gegen das Vergessen“, der den 8. Mai 1945 in erster Linie als „Niederlage der deutschen Wehrmacht, (den) Beginn der deutschen Teilung, und des teilweise grausamen Schicksals der deutschen Zivilbevölkerung und der Soldaten der ersten Nachkriegsjahre“ interpretiert wissen will. Warum hier die Tatsache unberücksichtigt geblieben ist, dass doch aus Hammels Sicht auch Reichskanzler Adolf Hitler gänzlich ungerechtfertigter Weise von der Roten Armee in den Tod getrieben worden ist, ließ sich bislang nicht aufklären.
In Gestalt der drei Scheungraber-Verteidiger und eines Teiles der Öffentlichkeit im Gerichtsaal geben sich der Kameradenkreis, moderner Militarismus, Geschichtsrevisionismus, die Neue Rechte und der organisierte Neonazismus die Hand. Wir nennen das ein schwarz-braunes Schattenreich, dass für die gesamte Geschichte der Bundesrepublik immer außerordentlich einflussreich war. Es umfasste schon die in den frühen 50er Jahren in Landsberg einsitzenden deutschen Kriegsverbrecher und setzt sich heute u. a. durch die seit rund 60 Jahren anhaltende Traditionspflege des Kameradenkreises in das 21 Jahrhundert fort.
Mit dieser Situation wird Herr Gino Massetti aus Italien konfrontiert sein. Er überlebte als einziger das Wehrmachtsmassaker in Falzano und ist nun vor Gericht geladen. Jeder Anflug einer diskriminierenden Behandlung oder Ansprache von Herrn Massetti durch wen auch immer im Gerichtssaal wird auf unseren energischen Widerspruch stoßen.

Flugblatt verteilt zum Verhandlungstag, den 7. Oktober 2008 am Landgericht München

ein weiterer kommentar dazu ...

... bei mir (bikepunk 089) ... 13.10.2008 - 16:59

Prozessberichte

Dein Name 16.10.2008 - 12:26
Prozessberichte und eine aktuelle Pressedoku zum Prozess gibt es auf der Seite:

"Erwischt hat es nur die armen Teufel"

http://www.sueddeutsche.de 17.10.2008 - 20:10
Immer mehr Zeitzeugen belasten den Angeklagten, der gibt sich aber nach wie vor unbeeindruckt.

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Josef Scheungraber, 90, kommt immer mehr in Erklärungsnotstand. Am achten Verhandlungstag bestätigte ein italienischer Ermittler am Mittwoch im Schwurgericht, dass im fraglichen Zeitraum im Juni 1944 nur die Einheit des Angeklagten in Falzano di Cortona tätig war. "In diesem Tal, in dieser Gegend und in diesen Tagen war nur das Gebirgs-Pionier-Bataillon 818", sagte Sandro R.. Scheungraber war damals Kompaniechef und soll nach einem Partisanenüberfall einen Vergeltungsschlag befohlen haben, bei dem 14 Zivilisten ermordet wurden.

Der Carabiniere Sandro R. aus Schlanders in Südtirol war Ende 2001 zu einer Spezialabteilung der italienischen Militärstaatsanwaltschaft abgeordnet worden, die zahlreiche Massaker deutscher Soldaten in Italien untersuchte. Anfang 2003 hörte Sandro R. erstmals von dem Weiler Falzano di Cortona in der Toskana. Nach und nach machte er Zeugen ausfindig, die 1944 in der Einheit 818 dienten. Viele waren Südtiroler, die 1943 von der Wehrmacht eingezogen worden waren.

Einer von ihnen war der Gefreite Josef G., der in der Kompanie des Angeklagten gedient hatte. Als Sandro R. 2004 den damals 82-Jährigen vernahm, war er "noch topfit. Er war ein einfacher Mensch, der immer in den Bergen gelebt hat." Josef G. erinnerte sich an einen Partisanenüberfall, bei dem zwei Kameraden erschossen wurden. Danach habe die Einheit "Häuser durchsucht und in Brand gesteckt". Von Kameraden habe er später erfahren, dass ein Haus mit Gefangenen in die Luft gesprengt worden sei. Ermittler Sandro R. ging sehr behutsam mit dem alten Mann um. Nachfragen hielt er zunächst einmal "für nicht angebracht", zumal er den Zeugen für weitere Aussagen einplante. Doch dazu kam es nicht mehr. Josef G. verstarb vor seiner zweiten Vernehmung.

"Die haben ein Mordstheater gemacht"


Etwas mehr Glück hatten die Ermittler mit Heinrich P. aus Schenna in Südtirol. Auch er ist inzwischen verstorben, doch zuvor konnte er bei drei Vernehmungen 2004, 2005 und 2006 noch viele wichtige Details nennen: Heinrich P. war 1944 ein junger Mann von 24 Jahren. Er war wie seine Südtiroler Kameraden in Mittenwald bei den Gebirgsjägern ausgebildet und dem Gebirgs-Pionier-Bataillon 818 zugeteilt worden. Heinrich P. erinnerte sich, dass bei dem Partisanenüberfall zwei deutsche Soldaten seiner Kompanie erschossen wurden.

Ein dritter habe die Attacke mit einem Armdurchschuss überlebt. Sofort nach dessen Meldung seien Soldaten losgezogen und hätten in Falzano einen 14-jährigen Jungen erschossen, der bei einem Munitionsdepot der Partisanen erwischt wurde. Am nächsten Morgen um drei Uhr sei die ganze Einheit ausgerückt, um die Gegend zu durchkämmen. "Die haben ein Mordstheater gemacht."

Er selbst sei nicht dabei gewesen, wisse aber von Kameraden, dass elf Männer in ein Haus getrieben wurden, das dann mit der erbeuteten Munition der Partisanen in die Luft gesprengt wurde. "Die Kameraden haben erzählt, dass die Gefangenen vorher verhört wurden, aber bestritten haben, Partisanen zu sein. Ich denke, die Partisanen waren viel zu schlau, die waren längst abgehauen. Erwischt hat es nur die Zivilisten, die armen Teufel. Ich bin froh, dass ich an diesem Massaker nicht teilgenommen habe."

Vernehmung mittels Video-Schaltung


Der Zeuge gab an, dass der Kompaniechef den Einsatz von Beginn an geleitet habe. "Er wollte die Gefangenen erst aufhängen. Später hat er beschlossen, sie mit der beschlagnahmten Munition in die Luft zu sprengen." Als Kompaniechef benannte der Zeuge einen "Stengel", ganz offensichtlich eine falsche Erinnerung. Denn einen "Stengel" gab es nie in der Einheit. Kompaniechef war der angeklagte Josef Scheungraber, Kommandeur der noch lebende, aber verhandlungsunfähige Ex-Major Herbert Stommel. Verwechselte der Zeuge also einfach nur die Namen? Vieles spricht dafür, zumal er stets vom "Kompaniechef" sprach und das war niemand anderes als Scheungraber.

Der hat bislang alles bestritten, er will nicht einmal "Kenntnis" von dem Massaker haben. Dem Gericht liegen noch mehr Aussagen ehemaliger Einheitsangehöriger vor. Einige italienische und österreichische Zeugen leben auch noch, sie werden voraussichtlich mittels einer Video-Schaltung vernommen. Einige werden aber auch noch persönlich erscheinen. Der nächste wird am kommenden Dienstag erwartet.