"Gott ich wollt ich wär ein Vogel..."

Nachtschattenreich 12.10.2008 16:27
Je nach Blickwinkel ist er entweder der bunteste Imam oder der frommste Altachtundsechziger Deutschlands: Hadayatullah - vormals: Paul Gerhard - Hübsch, welcher seinerzeit im Streit um die historische Startbahn West von der FAZ eine "in persönlichem Habitus und Umgang eine außergewöhnliche, jeglichen bürgerlichen Rahmen des Abendlands sprengende Erscheinung" genannt wurde, und in Frankfurt am Main seit Jahrzehnten eine einzigartige Doppelrolle von singendem Hippiekünstler und islamischem Freitagsprediger lebt. Am 28.09.2008 trat der Mohammed-Freak im Sonntagsprogramm der Kelsterbacher Waldbesetzung auf.
"Zum Jahreswechsel 1968/69 wollte ich, daß alle Kommune I-Mitglieder einen [LSD-]Trip nahmen. Ich nahm eine Überdosis mit dem Erfolg, daß ich 8 Tage und Nächte schlaflos und ohne zu essen durch Berlin irrte und schließlich am 8.1., meinem Geburtstag in der Psychatrie ("Bonnie's Ranch") aufwachte. Meine Existenz als Kommunarde war damit beendet. Ich selbst war psychisch kaputt." So Hübsch über Hübsch im Interview mit einem Literaturmagazin. In seinem geistlichen Lebenslauf bei der Ahmadiyya-Muslimgemeinde liest sich derselbe Sachverhalt so: "Durch die Erfahrung mit Drogen erlebte er eine schreckliche Zeit und fühlte sich schuldig und sündhaft. Darauf folgten ein paar Jahre der verzweifelten Suche nach einem Weg, durch den man die absolute Glückseligkeit erreichen könnte. ... Tief in seinem Herzen empfand er nun, ein Muslim zu sein." Einer aktuellen Einschätzung des Züricher Kirchenboten zufolge "vertritt Herr Hübsch in seinen Texten einen Islam, der in den grossen Zügen von den meisten Muslimen geteilt wird."

BI: Fotos Sonntagsprogramm 28.09.2008

Die viertelstündige Gesangsdarbietung deutschsprachiger poetischer Texte zu bekannten Melodien aus dem Fundus der Achtundsechzigergeneration bildete den inhaltlichen Höhepunkt des zweiten Kelsterbacher Sonntagsprogramms. Dem vorausgegangen waren Redebeiträge des Vizepräsidenten des Hessischen Landtags Hermann Schaus und des Sprechers der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau Michael Wilk sowie der Auftritt des Absinto Orkestra. Organisiert wurde der Auftritt vom jungwilden Ariel-Verlag im Rahmen der Veranstaltungsreihe Schriftsteller lesen gegen den Flughafenausbau.

Vor den Augen des staunenden Publikums wurde das in den Redebeiträgen erwähnte Fertigbaugartenhäuschen der Linkspartei mithilfe einer Hebeplattform in die Baumkronen hinaufgezogen. Dieser Vorgang (die Bürgerinitiative nennt ihn eine "Beschlagnahme") nahm den gesamten Nachmittag sowie die Blicke des Publikums für sich in Anspruch, so dass die panoptische Zentralperspektive insbesondere der Literaturlesung aufgebrochen wurde. Der Acapellagesang Hübschs war dadurch nicht mehr nur Lesung klassischer Prägung, sondern Soundtrack zu einer Flaschenzugaktion mit dem Ziel, die Einschüchterung der hessischen Kommunalpolitik durch das von den Flughafenausbauplänen repräsentierte Investitionsvolumen aufzubrechen.

Tontechnische Anmerkung: Es gab eine Bullenauflage keine Lautsprecher zu benutzen, womit von den unterschiedlichen Rednern durchaus unterschiedlich umgegangen wurde. Hermann Schaus sprach ohne Verstärkung und ist deswegen in der Aufzeichnung gut ausgepegelt. Michael Wilk sprach durch ein lautgestelltes Megaphon und ist in der Aufzeichnung leider häßlich übersteuert. Das Absinto Orkestra spielte unplugged und die Aufzeichnung nutzt tonqualitätsmäßig alles aus was der verwendete mp3-Apparat chinesischer Bauart hergibt. Hadayatullah Hübsch sprach über einen Stativlautsprecher, der jedoch selbst bereits ein punktuell übersteuertes Signal lieferte, da der Künstler erst im Lauf seiner Darbietung einen angemessenen Abstand zum Mikrofon einnahm. Das Titelzitat kommt aus Stück 4, Minute 18. Das aufdringliche Geräusch gegen das der erste Redner nach 46 Sekunden anschreit ist der Start eines Flugzeugs, wie er auf Rhein-Main gegenwärtig circa eine halbe Million mal pro Jahr vorkommt.

Frühere indymedia-Berichte aus Kelsterbach: 25.08.2008, 17.08.2008, 30.07.2008, 22.07.2008, 08.07.2008, 10.06.2008, 05.06.2008, 04.06.2008, 03.06.2008, 01.06.2008, 28.05.2008, 28.05.2008

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Ergänzungen

Nachbesserungen

Nachtschattenreich 14.10.2008 - 20:12
In der Zusammenfassung: "Umgang [...] außergewöhnliche" statt "Umgang eine außergewöhnliche"

Im letzten Absatz: anstelle der fehlerhaften Zahlenangabe: "wie er auf Rhein-Main zur zählt." ( bleibt)

@phobienbote

Nachtschattenreich 14.10.2008 - 20:13
Zweck des Zitats ist es darauf hinzuweisen, dass diese Quelle etwas beobachtet hat was der FAZ damals nicht aufgefallen war, nämlich dass Hübsch mittlerweile ein islamisches Publikum hat in dessen Augen er ein ganz gewöhnlicher deutschsprachiger Imam ist. Das war im Wald jedoch nicht präsent. Im übrigen ist dies die einzige Quelle welche Rückschlüsse ermöglicht auf welche Weise er von den Repräsentanten der Leitkultur rezipiert wird.

Nachbesserung der Nachbesserung

Nachtschattenreich 15.10.2008 - 14:05
Im letzten Absatz: anstelle der fehlerhaften Zahlenangabe: "wie er auf Rhein-Main zur _alltäglichen Geräuschkulisse_ zählt." (_Link_ bleibt)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

Hübsch hässlich. — Konvertierer

glaub i net!! — -------