Besuch beim Totalverweigerer Jan-Patrick

die soligruppe. 11.10.2008 12:56 Themen: Militarismus Repression
Am Freitag war Besuchszeit in Storkow (dort wurde Jan-Patrick aus Strausberg verlegt). Zwei Freunde des Totalverweigeres haben diese Zeit genutzt und uns untenstehenden Bericht, inklusive eines Interviews
zukommen lassen.
Zu mindest hat Jan-Patrick die Bücher, die ihm ja kurzzeitig entzogen wurden, zum Teil wieder bekommen.
Am 13.10 wird er in Storkow entlassen. Wir gehen davon aus, dass er dann aber gleich wieder in den Arrest wandert.
Eine Stunde in Storkow...

Nachdem wir in Storkow angekommen waren und die Kaserne gefunden hatten, wurden unsere Personalien von den wachhabenden Soldaten eingezogen und unsere Ausweise einbehalten.
Nach einer kurzen Kontrolle der Sachen, die wir für Jan- Patrick besorgt hatten – Naschen, Bücher,Zeitschriften – wurde uns erlaubt mit allen Sachen zu ihm zu gehen; das Gespräch musste aber mit offener Tür geführt werden und die Wachen warfen immer wieder ein Blick in den Raum. Es war eine Arrestzelle wie die von Jan- Patrick: etwa 7-8 qm groß, ein Bett, ein Tisch, zwei Fenster mit Milchglas, drei Stühle und eine Toilette befinden sich in dem Raum.
Nachdem wir ihm begrüßt hatten und langsam ins Gespräch kamen, erschien ein Soldat und forderte, dass zwei der drei Bücher von uns wieder zurückgenommen werden. Eine Begründung dafür gab es allerdings nicht, jedoch schienen die Titel das ausschlaggebende Element zu sein, „die seien links“, äußerte der Soldat noch. Bei den Büchern handelt es sich um „Die Kritik der politischen Ökonomie“ (Michael Heinrich) und „Wir sind die Guten – Antisemitismus in der radikalen Linken“(Irit Neinhardt & Willi Bischof). Eine linke Monatszeitschrift durfte er jedoch behalten, dass „ist mir egal, Hauptsache keine Bücher“(Zitat Soldat). Schlussendlich haben wir die beiden Bücher wieder eingepackt, und ihm ein Kurzgeschichtenband da gelassen. Nun konnten wir ungestört unser Gespräch weiter fortsetzen; wir führten ein kleines Interview mit ihm, damit Jan-Patrick in eigenen Worten Beschreiben kann, wie es ihm mit seinem Arrest geht.

Interview mit Jan-Patrick

Wie geht es dir ?

Soweit geht es mir gut ! Die Zeit vergeht auch zur Zeit noch relativ schnell, allerdings ist es doch auch recht langweilig hier.

Ja, das können wir uns vorstellen, du bist ja 23 Stunden in der Zelle; was machst du da die ganze Zeit ?

Also ich habe einen Tagesplan, an dem ich mich orientieren kann, der sieht in etwa so aus: von 6.00-7.00 Uhr ist Frühstück, danach muss ich zurück in die Zelle und hab bis Mittags Zeit zu lernen, d.h. Ich darf einen Ordner mir angucken, wo irgendwelche Gefechtsübungen und Bundeswehrabzeichen beschrieben sind. Ich soll pro Tag ein Kapitel dieses Ordner lernen, allerdings mache ich das nicht.
Nachdem Mittagessen muss ich wieder zurück in die Zelle und soll weiter „lernen“. Nachmittags habe ich dann eine Stunde Hofgang. Ich werde dann von einer Wache spazieren geführt. Allerdings kenne ich das Gelände bereits nach zwei Tagen auswendig.
Zwischen 17.30 und 20.00 Uhr habe ich dann Freizeit, ich darf dann an meine Sachen, wie z.B. Bücher etc. ran, bis jetzt gab es aber auch kein Problem, wenn ich anstelle des Bundeswehr- Ordners ein Buch las. So sieht mein „Dienstplan“ aus.

Wie ist der Umgang mit den Wachsoldaten und den anderen Soldaten ?

Also die Wachen behandeln mich so freundlich wie es sie eben sein können. Sie fragen öfter nach, ob ich rauchen möchte, bei den Hofgängen kann ich auch mal das Ziel bestimmen und denen, die es wissen wollen, erkläre ich auch, wieso ich Totalverweiger bin.

...und die Reaktion ?

Die meisten nehmen es einfach so hin. Der Kantinenkoch meinte einfach nur „Ach, das Übliche also.“

Und schmeckt die Bundeswehr- Kost ?

Ja, es gibt extra ein vegetarisches Gericht für mich; am dritten Tag probierte der Koch ein ganzes vegetarisches Menü für alle aus, es kam aber bei den anderen Soldaten nicht gut an, so dass ich immer eine einzelne Portion bekomme. Ich werde immer satt und Obst kann ich soviel haben wie ich möchte. Zum Essen werde ich immer von zwei Wachen begleitet wodurch das Kontakt herstellen mit anderen Soldaten – um ihnen z.B. die Totalverweigerung zu erklären - stark erschwert wird.

Mit Solidarität von Soldaten hast du ja wahrscheinlich eh kaum gerechnet; wie sieht es mit Solidarität von außen aus?

Ich bekomme öfter Post, bis jetzt etwa 15 Briefe, was mich natürlich freut, aber desto mehr desto besser! Jeden Brief den ich bekomme beantworte ich auch, denn jeder Brief nimmt mir die Zeit und die Beantwortung noch mehr !
Allerdings ist wahrscheinlich ein weiterer Grund für die Verlegung nach Storkow der erschwerte Zugang für mich zur Post. Die Briefe sind ja alle mit der Adresse in Strausberg versehen und so bekomme ich nur alle paar Tage Post, z.B. kamen heute erst die Briefe von Dienstag, und das nächste Mal bekomme ich erst Sonntag wieder Post. Es kann aber sein, dass ich ab Montag wieder in Strausberg sein werde, da mir dann wohl der nächste Arrest bevorsteht, da ich dann auch wieder jeden Befehl verweigern werde.

Viele Leute trauen sich nicht – jedenfalls unserer Auffassung nach – dir zu schreiben, weil sie denken, dass sie nicht das richtige schreiben. Wie stellst du dir so einen Briefkontakt vor ?

Also mir kann jede_r schreiben was er/sie möchte, sein es jetzt die letzten Urlaubserlebnisse, die Party im besetzten Haus oder sonstwas. Ich freue mich, wie gesagt über jeden Brief! Bis jetzt haben mir auch schon Leute geschrieben, die ich nicht persönlich kenne und es ist wirklich gut, von ihnen soviel Solidarität zu erfahren.

Was wünscht du dir was dir Leute schicken oder mitbringen ?

Naschen ist schon ziemlich gut! Ich mag einfach alles; ansonsten brauche ich nicht viel, habe noch einiges zu lesen und einige Bücher werden auch einfach wieder abgenommen.

Wie läuft dein Kontakt mit deinem Anwalt ?

Ich darf jederzeit mit meinem Anwalt telefonieren, jedoch wählen die Wachen die Nummer. Es läuft aber so, dass sie über die interne Nummer, die 88, eine Freischaltung für ein Gespräch nach draußen anfordern!

Ok, wie geht es nun bei dir weiter ?

Das weiß ich selber nicht so genau, aber es wird wohl so sein, dass ich Sonntag oder Montag meinen nächsten Befehl erhalten werde und dann nach erneuter Verweigerung vorläufig festgesetzt werde. Im Prinzip heißt das für mich, dass ich dann kein Arrest mehr habe, also keine Erziehungsmaßnahme mehr habe, sondern eine Disziplinarstrafe habe. Im konkreten Fall bedeutet das für mich, dass ich dann meine Zelle dann nicht mehr mit Gürtel und Schnürbändern betreten darf, da ich mich damit "suizidieren" könnte.

Wie liefen die Befehlsverweigerungen denn bis jetzt ab?

Also die erste Verweigerung fand an meinem ersten Tag (01.10) bei der BW statt. Es gab den Befehl der Voreinkleidung, den ich verweigerte. Daraufhin wurde ich vorläufig festgenommen und musste zu einem Verhör, dass das der Polizei ersetzt. Im Gegensatz zum Verhör bei der Polizei herrscht Anwesenheitpflicht. Jedoch kann mensch auch hier die Aussage verweigern, was ich tat. Am 02.10 wurde ich beurlaubt, da das Truppendienstgericht Potsdam im Urlaub war und ich dadurch nicht mehr als 24 Stunden festgehalten werden konnte. Daraufhin konnte ich die Kaserne verlassen und kam einen Tag später zu Hause an.
Am 06.10 fuhr ich wieder nach Strausberg da meine Beurlaubung zu Ende war. Dort angekommen bekam ich den Befehl an der Ausbildung mit dem Zug teil zu nehmen. Ich verweigerte, wurde wieder vorläufig festgenommen und kam in die Arrestzelle in Strausberg. Dort wurden mir alle Gegenstände die gefährlich für mich sein könnten abgenommen, und auch meine Bücher wurden mir vorenthalten.
Zwei Stunden später wurde ich nach Storkow verlegt. Dort angekommen musste ich mich bis auf die Unterwäsche ausziehen und meine Kleidung wurde komplett gefilzt.
Nachdem alle Bücher kontrolliert wurden durfte ich einige mitnehmen, andere wurden einbehalten.
Am 08.10 wurde ich dann wegen der erneuten Befehlsverweigerung verhört, wieder verweigerte ich die Aussage. Heute morgen fand noch das Abschlussverhör statt, und wieder wollte ich nichts sagen.

Ok, danke für das Interview. Wir werden es dir zukommen lassen! Lass dich nicht unterkriegen Solidarität und Rotfront!



Hiermit nochmal solidarische Grüße an Jan- Patrick !!!

Immer dran denken : He is inside for us. We are outside for him!
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Ergänzungen

Wie schreibe ich Gefangenen?

ABC Berlin 11.10.2008 - 14:17
Wie schreibe ich Gefangenen?

Das Briefeschreiben ist eine Waffe...
... gegen Vereinzelung, Vereinsamung, Stagnation, Resignation und Isolation.
... gegen die auf Zerstörung angelegte Natur des Knastsytems.
... gegen die Kontrolle des Lebens durch das Knastregime.

Für Inhaftierte zählt der Erhalt von Briefen zu den wenigen Lichtblicken im alltäglichen Grau des vor-sich-hin-lebens in der Anstalt. Hinter den Mauern mit Stacheldraht, Wachtürmen und bewaffneten Schließern gibt es kaum menschliche Nähe und Gefühle, sondern Unterordnung und der tägliche Kampf ums Überleben. Aber das Schreiben ist eine Möglichkeit diese Mauern der Passivität, Kälte und Isolation zu durchbrechen. Es schafft eine Abwechslung und gibt die Möglichkeit die eigenen Gedanken zu erweitern.

Die Gefangenen sollen gebrochen werden, indem ihnen jegliche Emotionen, Gefühle und menschliche Nähe vorenthalten werden. Der regelmäßige Kontakt mit ihnen, sei es durch Briefe, Telefonate oder Besuche, ist das einzige Mittel, die vom den Herrschenden befohlene und von den Knastwärtern praktizierte Kontrolle über das tägliche Leben zu durchbrechen.

Knäste sind nur die Spitze des Eisberges dieses repressiven Systems, welches von der Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen lebt und diese zu gleichförmigen, emotionslosen Wesen formieren will. Viele die sich dieser Logik nicht unterwerfen wollen, werden zu Opfern der Repression und Unterdrückung und landen als letztes Zwangsmittel im Knast.
In unserem Kampf gegen dieses System dürfen wir die Knäste und diejenigen, die welche darin vor sich dahinvegetieren nicht vergessen und sie nicht ihrem Schicksal überlassen.

Wie fange ich an zu schreiben?
Für viele ist es ungewöhnlich fremden Menschen zu schreiben und von ihren Erlebnissen zu erzählen. Sie wissen nicht, was sie schreiben sollen und denken, dass sie mit dem, was sie aufs Papier bringen, den Menschen auf der anderen Seite der Mauern deprimieren könnten oder es ihn/_/sie gar nicht interessiert. Um im sogenannten Sinne „das Eis zu brechen“ ist es besser den ersten Brief eher kurz zu halten und nur die nötigsten Sachen zu schreiben, damit der/_/die Empfänger_in nicht gleich überrumpelt wird.

Schreibe ein paar Worte über dich und zu deiner Motivation des Schreibens. Falls du es als notwendig erachtest, schreibe welcher Gruppe/Organisation du angehörst. Aber bedenke, dass die Briefe nicht nur von dir und dem/_/der Gefangenen gelesen werden.

Achte darauf nichts zu schreiben was den/die Gefangene/n in Schwierigkeiten mit dem Knast bringen kann.

Jede Haftanstalt hat eigene Regelungen für den Briefverkehr, teilweise gibt es Begrenzungen für die Anzahl der Seiten und/oder Beilagen usw. Informiere dich, ob die Anzahl der Briefe/Postkarten, die Gefangene erhalten und schreiben können begrenzt ist und ob es erlaubt ist Briefmarken/Briefumschläge bei zulegen.
Informationen über die jeweiligen Regelungen findest du meist auf der Website der Knäste, auch kann ein Anruf vor Ort weiterhelfen.

Bei Gefangenen in Untersuchungshaft werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Briefe/Postkarten von der Staatsanwaltschaft gelesen. In der Strafhaft ist dies nicht der Standart. Bei renitenten Inhaftierten ist dies hingegen aber eher die Regel als die Ausnahme, sowie das Verschwindenlassen von Briefen.

Nummeriere die einzelnen Seiten deines Briefes um vorzubeugen, dass einzelne Seiten „verloren“ gehen. Auch ist es sinnvoll die Briefe fortlaufend zu nummerieren und immer das aktuelle Datum reinzuschreiben.. Dies hilft dabei zu erkennen, ob der Brief aufgehalten und die Auslieferung verzögert wurde. Liste außerdem alle Beilagen, wie Briefmarken, Broschüren, Zeitungsausschnitte o.ä. auf, denn auch solche Dinge verschwinden gerne mal.
Vergiss nicht auf den Briefumschlag deine Absendeadresse draufzuschreiben.

Briefe werden regelmäßig von den staatlichen Überwachungs- und Repressionsorganen aufgehalten, gelesen, verzögert oder gar „verlegt“. Eine Möglichkeit, mit der ein Verschwinden von Briefen bis zu einem Großteil unterbunden werden kann, ist der Versand per Einschreiben. Die Post notiert ob und wann sie den Brief der JVA übergeben hat. Somit ist im Fall des Falles nachprüfbar, auf welchem Wegabschnitt er „verschwand“. Aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es auch dafür nicht.

Als letztes wollen wir noch erwähnen, das es noch viele andere Möglichkeiten gibt, um Gefangenen gegenüber solidarisch zu sein und der Ablehnung von Knastanstalten Ausdruck zu verleihen.

Anarchist Black Cross Berlin

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