Hamburger Superhelden vor Gericht?
Morgen läuft der Berufungsprozess. Diesmal wird ihr vorgeworfen, dass auf ihrem Laptop Texte gefunden wurden, in denen von Prekarisierung die Rede war - das scheint für eine Anklage zu reichen.
Für alle, die sich z.B. im Rahmen von Euromayday, Gewerkschaftsarbeit, oder als Forschende mit Prekarisierung beschäftigen, ist das eine interessante Entwicklung. Es erinnert an die überstürzte Verhaftung des Berliner Soziologen Andrej Holm letztes Jahr, der unter Terrorismusverdacht gestellt wurde, weil er sich mit Gentrifizierung beschäftigt. Im folgenden eine genauere Erklärung [de/en] des Hamburger Euromayday.
Prekäre Superhelden vor Gericht? Teil 2
Ende April 2006 haben etwa 30 prekäre Superhelden Delikatessen aus einem Gourmet-Supermarkt in Hamburg entwendet und anschließend verteilt. Die Staatsanwaltschaft glaubt eine an der Aktion beteiligte Superheldin ausfindig gemacht zu haben.
Nach einer Verurteilung im Juni 2007 geht der Prozess jetzt in die nächst höhere Instanz. Der Berufungsprozess findet statt am Mittwoch, den 8. Oktober um 9 Uhr im Landgericht Hamburg (Sievekingplatz 3) im Saal 345. Zur Erinnerung: Am Vormittag des 28. April 2006 entnahmen prekäre Superhelden Champagner, Hirschkeulen und andere Delikatessen aus dem Gourmet-Supermarkt "Frische Paradies" an der Großen Elbstraße in Hamburg. Anschließend machten sich Spider-Mom, Superflex und ihre Mitstreiterinnen an die Umverteilung. Die Delikatessen wanderten diskret in die Hände von Erzieherinnen, Praktikanten, Putzfrauen und Ein-Euro-Jobbern. Warum sollten prekär Beschäftigte, von denen es immer mehr gibt, nicht auch etwas von dem Reichtum haben, der in Hamburg im Überfluss vorhanden ist?
Die Polizei reagierte „auf den wahrscheinlich lustigsten Coup in der deutschen Kriminalgeschichte“ (The Guardian) mit ziellosen und rechtlich zweifelhaften Hausdurchsuchungen. Dennoch wurde die Beschuldigte in erster Instanz verurteilt.
In der zweiten Instanz sind, die den Anschuldigungen zugrunde liegenden Beweise, nicht weniger absurd. Diesmal ist es nicht ein dunkler Pferdeschwanz, der angeblich auf die Beteiligung der Beschuldigten hindeutet. Vielmehr stehen nun die Dokumente auf dem Computer der Angeklagten im Mittelpunkt, in denen es unter anderem um das Thema Prekarisierung geht. Seit mehr als zehn Jahren wird dieser Begriff in der Wissenschaft und in den Medien diskutiert.
Bereits 1996 veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung einen Kongress zu dem Thema Prekarisierung. Heute gibt es bei Google 46 000 Treffer für den entsprechenden Suchbegriff. Peter Bremme, Leiter des Ver.di Fachbereichs 13 - Besondere Dienstleistungen ist der Ansicht: "Sollte die Beschäftigung mit dem Thema Prekarisierung für eine Verurteilung ausreichen, dann stünden auch die Gewerkschaften unter Generalverdacht. Prekarisierung ist vor allem im Fachbereich Besondere Dienstleistungen ein Kernthema." Sabine Dittmar vom EuroMayday Hamburg macht deutlich: „Eine Verurteilung die sich auf die Verwendung des Begriffs Prekarisierung stützen würde, käme dem Versuch gleich, gesellschaftliche Debatten zu kriminalisieren.“
Euromayday Hamburg
Ende April 2006 haben etwa 30 prekäre Superhelden Delikatessen aus einem Gourmet-Supermarkt in Hamburg entwendet und anschließend verteilt. Die Staatsanwaltschaft glaubt eine an der Aktion beteiligte Superheldin ausfindig gemacht zu haben.
Nach einer Verurteilung im Juni 2007 geht der Prozess jetzt in die nächst höhere Instanz. Der Berufungsprozess findet statt am Mittwoch, den 8. Oktober um 9 Uhr im Landgericht Hamburg (Sievekingplatz 3) im Saal 345. Zur Erinnerung: Am Vormittag des 28. April 2006 entnahmen prekäre Superhelden Champagner, Hirschkeulen und andere Delikatessen aus dem Gourmet-Supermarkt "Frische Paradies" an der Großen Elbstraße in Hamburg. Anschließend machten sich Spider-Mom, Superflex und ihre Mitstreiterinnen an die Umverteilung. Die Delikatessen wanderten diskret in die Hände von Erzieherinnen, Praktikanten, Putzfrauen und Ein-Euro-Jobbern. Warum sollten prekär Beschäftigte, von denen es immer mehr gibt, nicht auch etwas von dem Reichtum haben, der in Hamburg im Überfluss vorhanden ist?
Die Polizei reagierte „auf den wahrscheinlich lustigsten Coup in der deutschen Kriminalgeschichte“ (The Guardian) mit ziellosen und rechtlich zweifelhaften Hausdurchsuchungen. Dennoch wurde die Beschuldigte in erster Instanz verurteilt.
In der zweiten Instanz sind, die den Anschuldigungen zugrunde liegenden Beweise, nicht weniger absurd. Diesmal ist es nicht ein dunkler Pferdeschwanz, der angeblich auf die Beteiligung der Beschuldigten hindeutet. Vielmehr stehen nun die Dokumente auf dem Computer der Angeklagten im Mittelpunkt, in denen es unter anderem um das Thema Prekarisierung geht. Seit mehr als zehn Jahren wird dieser Begriff in der Wissenschaft und in den Medien diskutiert.
Bereits 1996 veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung einen Kongress zu dem Thema Prekarisierung. Heute gibt es bei Google 46 000 Treffer für den entsprechenden Suchbegriff. Peter Bremme, Leiter des Ver.di Fachbereichs 13 - Besondere Dienstleistungen ist der Ansicht: "Sollte die Beschäftigung mit dem Thema Prekarisierung für eine Verurteilung ausreichen, dann stünden auch die Gewerkschaften unter Generalverdacht. Prekarisierung ist vor allem im Fachbereich Besondere Dienstleistungen ein Kernthema." Sabine Dittmar vom EuroMayday Hamburg macht deutlich: „Eine Verurteilung die sich auf die Verwendung des Begriffs Prekarisierung stützen würde, käme dem Versuch gleich, gesellschaftliche Debatten zu kriminalisieren.“
Euromayday Hamburg
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Ergänzungen
Bericht über Superhelden im Frischeparadies
bzg. Andrej Holm
die Thematisierung von Gentrifizierungsvorgängen in den wissenschaftlichen Arbeiten war nicht der Grund für die Verhaftung, sondern für den Anfangsverdacht. Er geriet bei einer Internet-Sprachanalyse des BKA ins Visier der Fahnder, so die Behörden, wurde dann überwacht, und als die drei weiteren, mittlerweile angeklagten Personen, mit denen er "klandestine Kontakte" gehabt hatte, wegen versuchter Brandstiftung verhaftet wurden, wurde Andrej H. gleich mit eingesackt, wegen Verdachts auf mg-Mitgliedschaft.
einstellung.so36.net
arcor.home.de/dokumentationX/
prozess.blogsport.de
mehr links
Ausserdem, hier die nicht-funktionierenden Links aus dem Artikel nochmal einzeln:
Euromayday Hamburg Erklärung deutsch
Euromayday Hamburg Erklärung englisch
auch Andrej Holm
Details zur Situation von Andrej Holm finden sich im Blog seiner Freundin: annalist: Überwachung im Alltag und hier multimedial.
Er selber schreibt seit einer Weile ein Blog zum Thema Gentrifizierung: http://gentrificationblog.wordpress.com/ (ein Thema, das vor einem Jahr noch ein Thema vor allem von Fachleuten war).
Hamburger Aktivistin freigesprochen
Per google findet sich die Bestätigung bei der Berliner Morgenpost: Man habe sie nicht eindeutig als eine der verkleideten Superheldengestalten identifizieren können.
Anscheinend war viel Presse zugegen, morgen wirds wohl mehr Neuigkeiten zum Prozessverlauf geben.
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
bananeninsel deutschland