Angst essen auf – ein paar Zeilen zur „Gefähr

thomas meyer-falk 04.10.2008 14:11
Angst essen auf – ein paar Zeilen zur „Gefährlichkeit“ von Gefangenen
Angst essen auf – ein paar Zeilen zur „Gefährlichkeit“ von Gefangenen

Im Strafrecht ist die Tendenz zur Ausgrenzung (nämlich der Angeklagten und später: Gefangenen) immer schon angelegt. In den letzten 10 – 15 Jahren paaren sich jedoch neoliberales Risikomanagement und Angstklima. Ergebnis dieser verhängnisvollen Liaison ist eine Kultur der Kontrolle.

Zu beobachten nicht nur in ebenso unzähligen wie unsäglichen Fernsehsendungen vom Schlage „Achtung Kontrolle“, oder „N24 – auf Streife“, sondern auch im Umgang mit Gefangenen.

Ein erster populistischer Höhepunkt war 2001 (Bild am Sonntag, 08.07.2001) die Forderung des damaligen SPD-Bundeskanzlers Schröder „Wegschließen – und zwar für immer!“.

Seit 2001 gibt es im deutschen Strafrecht das Mittel der „nachträglichen Sicherungsverwahrung“. Erweist sich ein Gefangener während des Strafvollzugs (angeblich) als „gefährlich“ für die Allgemeinheit vor den Gefängnismauern, so kann er seitdem auch über das reguläre Haftende hinaus in Haft gehalten werden! Ein Gericht kann gegen ihn in einem neuen Prozess die Sicherungsverwahrung verhängen, die dann auch bis zum Tode vollstreckt werden darf.
Nachdem 2004 das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltenden Landesgesetze zur nachträglichen Sicherungsverwahrung als verfassungswidrig verworfen hatte, da für diese Materie der Bund zuständig sei, gibt es seit 2004 ein entsprechendes (und seitdem mehrfach ausgeweitetes) Bundesgesetz.

Nach einer aktuellen Untersuchung wurden seit 2001 von den Gerichten 110 Anträge auf Unterbringung in der nachträglichen SV zurückgewiesen. In einer Antwort auf die kleine Anfrage der Partei DIE LINKE im Bundestag, teilte die Bundesregierung am 22.05.2008 (BT-Drucksache 16/9241) mit, erst in 7 Fällen habe der Bundesgerichtshof die Verhängung der nachträglichen SV bestätigt (wobei in einem Fall, dies nur nebenbei, das Bundesverfassungsgericht die entsprechende Entscheidung als verfassungswidrig beanstandet und aufgehoben hat).

Jetzt wäre es doch interessant zu wissen, was aus jenen 110 Gefangenen geworden ist, die nach Ansicht von Gefängnismitarbeitern, Staatsanwaltschaften, vielfach Land- und Oberlandesgerichten als „brandgefährlich“ galten, bei denen jedoch keine SV nachträglich rechtskräftig angeordnet wurde. Haben diese sofort nach der Freilassung aus der Haft gemordet, vergewaltigt, geraubt, wie es ihnen eigentlich zuvor attestiert wurde, dass sie es tun würden?

Michael ALEX von der Universität Bochum zog eine erste empirische Bilanz zu obiger Frage.

Leider verweigerten sich die Behörden in Bayern und Baden-Württemberg offenbar einer intensiven Mitwirkung an einer Untersuchung (obwohl aus Bayern überproportional viele Anträge auf nachträgliche SV kommen), so dass nur Daten der übrigen 14 Bundesländer ausgewertet werden konnten, konkret 67 Fälle.

Von diesen verbleibenden 67 (der insgesamt 110) Fällen wurden 23 wieder straffällig, davon wiederum lediglich zwei schwer. Diese zwei wurden verurteilt wegen schwerer räuberischer Erpressung, bzw. schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern.

So ungemein tragisch die Situation für die Opfer in den zwei genannten Fällen auch ist, so muss doch festgestellt werden, dass von 67 zuvor als äußerst gefährlich „diagnostizierten“ Gefangenen, denen JVA-Mitarbeiter und weiteres Justizpersonal unterstellte, umgehend schwerste Delikte zu begehen, es letztlich nur derer zwei waren.

Als – Zitat - „besorgniserregend“ bezeichnet Alex in seiner Untersuchung diesen Befund im Hinblick auf die Situation derer, bei denen schon mit dem Strafurteil Sicherungsverwahrung angeordnet wurde und die nun aktuell in SV sitzen (Stand 31.03.2008: 435).

Von diesen 435 Verwahrten säßen, so Alex, ca. 360 Menschen in Haft, wiewohl sie „keine Gefahr für die Gesellschaft darstellen“.

360 Menschen ......

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
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N.N. 05.10.2008 - 17:43
Auf die Nerven geht die präventive Kontrolle ALLER Sozialarbeiter über das Polizeiliche Führungszeugnis daraufhin ,ob sie ventuell straffällig im Tatbestand Kindesmißbrauch geworden sind .Der Abgleich der Personaldaten aller Jobanwärter auf sozialpädagogische Jobs durch die Arbeitgeber mit einer Blinddatei "Sexualstraftäter Kindesmißbrauch" ohne Speicherung der Negativdaten wäre die freundlichere Variante der Überprüfung für alle ,die niemnaden nachweisbar mißbraucht haben .Jede menge "Datenmüll" entsteht ,der nicht gebraucht wird /unbrauchbar ist,und ein Verdacht streift jeden im Arbeitsfeld Tätigen a,uch z.B. Opfer von sexueller Gewalt ,die ihre Erfahrungen im Job über den Job produktiv in Arbeit mit andren umsetzen.Dr Nachweis ,KEIN Täter zu sein ,sit besondes in diesem Fall demütigend und überflüßig ,das ganze Gesetz ist sperrig und dient der Kontrolle vor allem UNSCHULDIGEr SozialarbeiterInnen.Ein positiv /negativ-Abgleich mit einer Täterdatenkartei würde zumindestens "Unschuldige" im Sinne von nicht Verurteilten nicht datenmäßig belasten .