Potsdam: eine Woche besetztes Haus

dieschönestadt 03.10.2008 14:52 Themen: Freiräume
Seit genau einer Woche gibt es nun wieder ein besetztes Haus in Potsdam. Mit der Besetzung scheint in Potsdam die Disskusion um bereits geschlossene, noch vorhandene und um mögliche neue alternative Freiräume neu entfacht zu sein. Im Folgenden sollen die Ereignisse der letzten sieben Tage zusammengefasst werden.
Am Freitag, den 26.09. wurde das ehemalige Gebäude des Streetwokerinprojekts "Villa Wildwuchs" besetzt. In den folgenden Tagen fanden sich eine Menge unterschiedlichster Menschen im Haus ein. Die Tage konnten mit einem spannenden, vielfältigen Programm gefüllt werden, die Veranstaltungen waren gut besucht und es gab eine Menge reger Disskusionen um die Perspektiven des Hauses, aber auch um die generelle Situation von Haus- und Kulturprojekten in einer Stadt, wie Potsdam. Nebenbei wurde das Haus in einen nutzbaren Zustand gebracht, entmüllt und das Dach repariert.
Bis auf zwei kurze Besuche der Bullen mit je einem Streifenwagen und den Kontrollfahrten der Wasserschutzpolizei (das Haus befindet sich direkt an der Havel) kam es zu keiner Art der Bedrohung von Seiten der Staatsorgane. Und auch eine Kontaktaufnahme von offiziellen Stellen der Stadt dauerte einige Tage. Erst gestern, Donnerstag, kam es zu einem Gespräch vor Ort mit einer Delegation bestehend aus den LeiterInnen des Sozial- und Jugendausschusses, einem Sprecher des Oberbürgermeisters und anderen Vertretern sozialer/kultureller Einrichtungen. In dem Gespräch konnte deutlich gemacht werden, dass die BesetzerInnen nicht bereit sind, sich von der Stadt mit anderen ähnlichen Projekten in einem Topf werfen zu lassen und auf einen zentralisierten Standort abschieben zu lassen. Das Haus an der Havel, auch wenn es nicht gross ist, eignet sich ideal als Kultur- und Projektzentrum. Es verfügt über mehrere kleine und einen grösseren Raum für Veranstaltungen und einem grossen Gartengrundstück für Projekte und Aktivitäten, die keine Räumlichkeiten bedürfen. Es gibt keine direkten Nachbarn und liegt genau zwischen den Stadtteilen Babelsberg, Innenstadt und Zentrum Ost. Es wurde zu dem eine Art "Waffenstillstand" mit der Stadt ausgehandelt, d.h. es wird vorläufig keinen Räumungstitel für das Haus geben und in einigen Wochen über eine langfristige Perspektive weiterverhandelt.
Neben den Ereignissen rund um das besetzte Haus, brachte die Woche aber auch für andere Projekte Neuigkeiten, positive, wie negative. Nach monatelangen und erfolglosen Verhandlungen um neue Räume für den im März geschlossenen Club Spartacus, kam es nun am Mittwoch überraschend zu einem erneuten Gespräch zwischen VertreterInnen des Vereins und VertreterInnen der Stadt. Die Stadt unterbreitete dabei den Leuten vom Spartacus das Angebot zwei ehemalige Wohnhäuser im Stadtteil Babelsberg zur Verfügung gestellt zu bekommen, so wie eine finanzielle Unterstütung zur Sanierung der Häuser. Das Angebot ist aber mit der Bedingung gekoppelt, den Standort nicht direkt an den Spartacus zu vermieten oder zu verpachten, sondern an einen grösseren Träger, der dann wiederum Räume dem Spartacus zur Verfügung stellt. Zu dem besteht eigentlich die Forderung nach einem Objekt in der Innenstadt und nicht in einem anderen Stadtteil von Potsdam. Wie diese Verhandlungen weitergehen, ist nun abzuwarten.
Für ein anderes Hausprojekt kam es die Woche allerdings zu einer ganz anderen Entwicklung. Das "Archiv", das älteste noch bestehende Hausprojekt in Potsdam (es wurde 1994 besetzt, zwischendrin einmal geräumt und dann legalisiert) bekamm am Mittwoch Besuch von der Feuerwehr, dem Bauamt und dem kommunalen Immobilienservice (kurz KIS). Der Termin sollte ursprüglich nur mit der Feuerwehr stattfinden um die Brandschutzmassnahmen in den öffentlichen Räumen, Kneipe, Cafe, Konzertraum und Bandproberäume zu überprüfen. Eine Thematik mit der das Haus seit einigen Jahren immer wieder konfrontiert wird. So wurde am Mittwoch zwar der Mietvertrag für das Haus wieder um ein Jahr verlängert. Dafür aber fanden Bauamt und Feuerwehr so viele angebliche Mängel, dass sämtliche öffentliche Räume mit sofortiger Wirkung von offiezieller Seite aus gesperrt wurden. Das Ergebnis einer Prüfung der Richtigkeit der gefundenen Mängel durch einen Anwalt ist nun noch abzuwarten. Doch stellt sich natürlich die Frage, welche Politik der Stadt hinter dieser Linie steckt? Zuckbrot und Peitsche?
Zwar befindet sich die Stadt unter einem gewissen Handlungsdruck, aufgrund der vielen geschlossenen Einrichtungen und der Proteste dagegen, wie die Verhandlungen um den Spatacus zeigen. Anzunehmen ist aber, dass die Stadt die Kontrolle über die noch bestehenden (Frei)Räume erlangen will.
Doch dazu soll es nicht kommen!!! So wir es die nächsten Tage weiter gehen mit Aktionen und Veranstaltungen in Potsdam. Achtet auf weitere Ankündigungen!

feste Termine für das besetzte Haus (am Park Babelsberg 15. nähe Nuthestr./Humboltbrücke)

Heute Freitag ab 20.00 Uhr grosse Solisause mit
Harpiks Performance Collective feat. Pandemi & Rabalder Brothers (Hardcore-Kettensägen Trash-Massaker, Norwegen)
Black Blood World (HC-Metalpunk, Norwegen)
the hight society (Coffeinpunk Nürnberg)
Kurzer Prozess (politrap Nürnberg)
Disko mit landvogt (all time favourites)
drunky Uwe (elektronische Tanzmusik)

nächsten Mittwoch ab 20.00 Uhr
Offener Beratungsabend mit dem chillout e.V. zum Thema Drogen, deren Konsum und die Folgen


Und im Anschluss noch eine Verlautbarungen von den BesetzerInnen:

Wir nehmen uns was wir brauchen!

Am Freitag, den 26.09.08 wurde das Haus am Park Babelsberg 15, die ehemalige „Villa Wildwuchs“ besetzt, wiedereröffnet und belebt. In den letzten Tagen fanden sich eine Vielzahl von Menschen im Haus ein, die nicht nur die gemeinsam organisierten Konzerte, Diavorträge und Lesungen besuchten, sondern aktiv an Diskussionsprozessen und der Gestaltung des Hauses mitwirkten.
Die Gruppe, die das Haus geöffnet hat, besteht aus Menschen ganz unterschiedlichen Alters, Herkunft und sozialem Status, jedoch mit gemeinsamen Interessen und einem gemeinsamen Ziel. Das Haus kann ein Ort der Vernetzung und des Austausch werden und Raum bieten für Projekte, die anderswo noch nicht gestartet werden konnten. Ein Ort fernab der gängigen Event- und Partykultur .
Die große Resonanz der letzten Tage auf die Aktion bestätigt das Interesse und den Bedarf von vielen unterschiedlichen Menschen für einen unabhängigen, selbstorganisierte und unkommerziellen Projekt- und Begegnungsort.
Das seit Monaten leerstehende und zum Abriss gedachte Gebäude und die dazugehörigen Grünflächen sind im Besitz der Stadt. Diese zog sich in der Diskussion der vergangenen Monate um fehlende (Frei-)Räume auf die Position zurück, dass es keinen kostengünstigen und geeigneten Standort in Potsdam gibt.
Mit der Besetzung konnte das Gegenteil bewiesen werden. Auch zeigte sich, dass mit wenigen Mitteln und Eigenengagement das Gebäude nutzbar gemacht werden konnte. So wurde z. B. bereits das Dach repariert, Sperrmüll entsorgt und der Garten hergerichtet. Auch die nächsten Tage wird das Haus mit Aktionen und Veranstaltungen gefüllt sein: Es wird z. B. ein großes Soli-Konzert und ein Beratungsabend zum Thema Drogenkonsum geben.
Mit der momentanen Besetzung des Gebäudes an der Havel ist ein neuer, aber nicht der einzige Ort für eine lebendige Kultur geschaffen worden. Für die auch von der Stadt proklamierte angestrebte Vielfältigkeit muss es viele Orte und Möglichkeiten für alternative Räume in allen Stadtteilen Potsdams geben.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

..........

......... 03.10.2008 - 22:21
Was heisst hier wieder .es gibt in potsdam jede mange hausprojekte.ehemalige besetzte häuser und es gibt noch besetzte häuser und wohnungen. also ist die überschrift etwas falsch gewählt.

ich mag das Archiv

Skinny 03.10.2008 - 22:49
Ich mag das Archiv,

es ist aber schade, daß dort immer weniger Konzerte stattfinden, die auch für Skinheads interessant sind. Da war vor 1-2 Jahren echt mehr los. Black medal und Hip und Hop sind nischt für mir.

zum vormerken

efe 04.10.2008 - 12:32
bitte als termin vormerken:
überregionale demonstration "HÄNDE WEG vom besetzten haus in erfurt!" am 22. November, 13 Uhr Hauptbahnhof Erfurt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke den folgenden Kommentar

Solidarität aus der Schweiz

antagonism 03.10.2008 - 21:34
Wow...erfreulich auch mal wieder soetwas zu hören.Gratuliere,dass ihr es bis zu den Verhandlungen geschafft habt,nun bekommt ihr den Rest auch noch hin.:)
Viel Kraft,dicke Portion Glück und viele "Grüne"Politiker etc wünsch ich euch.