Die Magie der Sicherheitstechnik

Roland Ionas Bialke 03.10.2008 03:22 Themen: Bildung Freiräume Netactivism Repression
Im Januar 2008 wurde "angeblich" in der Berliner Wohnung der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eingebrochen. Das Wort "Einbruch" ist hier eigentlich fehl am Platz, denn die Wohnungstür der Politikerin soll "zerstörungsfrei" geöffnet worden sein. Dieser Artikel befasst sich auf Grund dieses Vorfalls mit "Sicherheitsschlössern" und wie leicht die Schlüssel dafür von Schlüsseldiensten, Geheimdiensten und jedem anderen Menschen kopiert werden können. Auch soll der Artikel aufzeigen wie mit der Unwissenheit und der Angst der Menschen Geld verdient wird.
Vor einigen Jahren verlor ich meinen Schlüssel und wollte mir daher meinen Schlüssel nachmachen lassen. Zu meiner Verwunderung sagte mir der Mensch vom Schlüsseldienst, dass er für diesen Schlüssel einen speziellen Code bräuchte um diesen nachmachen zu können. Ich sollte doch lieber ein neues Schloss kaufen. Einige Tage später gab ich den Schlüssel eine andere Person. Diese ging wieder zu dem Menschen vom Schlüsseldienst und bekam den Schlüssel ohne einen Code vorweisen zu müssen kopiert. Das Schloss hätte mich damals bestimmt ein Vielfaches von der einfachen Schlüsselkopie gekostet. Viele dieser Menschen die einen Schlüsseldienst betreiben wollen erst einmal testen wieviel Geld in den Taschen der KundInnen ist und verdienen an der Unwissenheit der KundInnen.

Wie funktioniert der "Sicherheitsschlüssel"? Es gibt verschiedene Arten von Schlüsseln. Ich möchte hier aber nur den am häufigst verwendeten Schlüssel behandeln: Den Zylinderschlüssel. (Siehe Bild - Quelle: Wikipedia Deutschland) Vereinfacht beschrieben werden Stifte im Schloss durch den Schlüssel in eine bestimmte Position gedrückt. Nur in dieser Position lässt sich das Schloss öffnen. Wird ein Stift zu weit oder zu wenig heruntergedrückt kann das Schloss nicht entsperrt werden.

Jetzt fragen Wir Uns was denn gebraucht wird um einen Schlüssel kopieren zu können. Im gewerblichen Bereich werden Schlüsselfräsemachinen benutzt. Die Schlüssel werden in die Fräsemaschine eingespannt und abgetastet. Die gewonnenen Daten werden dann auf einen passenden Schlüsselrohling übertragen. So eine Maschine kostet ein- bis zweitausend Euro. Eine solche Kopie geht aber auch noch billiger. Als erstes muss herausgefunden werden welcher Schlüsselrohling gebraucht wird. Das steht zum Glück auf der Vorderseite des Schlosses und auf dem Schlüssel bzw. es lassen sich auch einheitliche Schlüsselrohlinge kaufen. Zur Not geht auch einfacher Federstahl. Nun wird der zu kopierende Schlüssel auf ein Blatt Papier gelegt und mit einen Bleistift genau abgezeichnet. Das Abgepauste wird ausgeschnitten und auf den Schlüsselrohling geklebt. Dann wird alles überstehende vom Schlüsselrohling vorsichtig abgefeilt. Wenn genau genug gearbeitet wurde, bei einigen Schlössern muss niemand wirklich genau sein, dann kann mit dieser Kopie das Schloss geöffnet werden.

Doch auch ohne Schlüssel kann von einen solchen Zylinderschloss eine Schlüsselkopie angefertigt werden. Diese Technik wird Impressionstechnik genannt. Hierbei wird ein passender Schlüsselrohling in das Schloss eingeführt und gerüttelt. Durch das Rütteln enstehen Abdrücke von den Stiften auf dem Rohling. Dort wo Abdrücke enstehen wird solange abgefeilt bis keine Abdrücke mehr zu sehen sind. Das ganze wird solange wiederholt bis nach dem Rütteln keine Abdrücke mehr zu sehen sind bzw. sich das Schloss öffnet.

Für alle die jetzt Paranoia haben: Einfach beim Abschliessen vier unterschiedlich gefärbte Papierstreifen nehmen, einen vor und einen Hinter die Tür legen und beim Abschliessen die anderen beiden zwischen die Tür klemmen. Die Farben und ihre Position immer notieren. So ähnlich macht das auch die Polizei um zu kontrollieren ob eine Wohnung genutzt wird.

Eine weitere Möglichkeit um zerstörungsfrei das Schloss zu öffnen ist das "Lockpicking". Hierbei werden die Stifte einzeln und/oder mit einer Harkbewegung mit einem "Pick" in die richtige Position gebracht. Zum Nachahmen der Drehbewegung wird ein "Spanner benutzt. Auch das ausnutzen des "Perkussionsprinzps" mit Hilfe eines entsprechenden Werkzeugs funktioniert auf diese Weise. Eine weitere Möglichkeit ist es einen passenden Schlüsselrohling für jeden Stift auf die tiefste Stelle zu feilen. Ein solcher Schlüssel wird "Schlagschlüssel" genannt. Der Schlüssel braucht nur in das Schloss eingeführt zu werden und dann wird mit einen Gegenstand (zum Beispiel ein Schraubendrehergiff) auf den Schlüssel geschlagen. Die Stifte springen dabei einen kurzen Moment in die richtige Position und das Schloss kann so mit einer Drehung geöffnet werden.

Elektronische bzw. elektronisch-mechanische Schliesssysteme werden das Zylinderschloss ablösen. Doch auch hier gibt es subkulturelle Wissenschaft: Das Phreaking. Ursprünglich ermöglichten die Methoden des Phreaking mithilfe spezieller Signaltöne eine kostenlose Benutzung von Telefonen, später wurden beispielsweise durch Phreaking die Fahrkartenautomaten durch Tastenabfolgen und -kombinationen von aussen umprogrammiert. So konnten sich die Menschen für 10 Cent eine Monatskarte kaufen. Nun ist auch das Phreaking ein bestandteil der zerstörungsfreien Schlossöffnung geworden. Das beste Beispiel für einen elektonisch-mechanischen Schlüssel der durch Phreaking geöffnet wurde ist der Bluechip, ein blauer Schlüssel der ein elektronisches Signal an das Schloss weitergibt. Es stellte sich heraus, dass wenn ein starker Magnet an das Schloss gehalten wird der Schliessmechanismus überwunden ist.

Die Sicherheitsindustrie gaukelt den Menschen auch hier Professionalität vor und hat die Menschen wegen dank Unwissenheit und Angst auf ihrer Seite. Die das Wissen haben schlagen Profit daraus und wollen nicht teilen. Und auch die Schlüsseldienste profitieren von dieser Angst, beispielsweise nicht mehr in die eigene Wohnung zu kommen, weil der Schlüssel verloren gegangen ist oder sich ausgesperrt wurde. Die meisten Schlüsseldienste nutzen diese Notlage eiskalt aus und verlangen für eine Türöffnung 70 bis 150 Euro. (Und diese Preise sollen noch günstig sein.)

Wenn Du Dich ausgesperrt und ein Zylinderschloss hast, dann gibt es zwei Szenarien. Du hast abgeschlossen oder die Tür ist einfach zugezogen. Hast Du abgesperrt, so könnte "Lockpicking" angewendet werden. Die meisten Schlüsseldienste beherrschen das aber nicht oder sie wollen Profit machen. Doch die andere Möglichkeit eine solche Tür zu öffnen ist eigentlich auch günstig. Mit einer Fräse oder einem Bohrer wird das Schloss aufgefräst/aufgebohrt und es kann ohne die Tür oder den Beschlag beschädigt zu haben die Tür geöffnet werden. Das alles dauert 15 Minuten und sollte vom daher nicht mehr als 30 Euro kosten. Wenn die Tür nur zugezogen ist, dann kennen Wir den Scheckkartentrick aus Kinofilmen. Der funktioniert aber nicht bei den meisten Türen in Deutschland, da hier meistens Doppelfachfalztüren eingebaut sind. Daher bedienen sich viele Schlüsseldienste eines Tricks und bohren an der Türfalle ein kleines Loch in die Tür und drücken dann die Türfalle mit einen Draht zurück um die zugefallene Tür zu öffnen. Das Loch lässt sich später wieder mit Holzleim verschliessen.

Fast alle Schlüsseldienste knöpfen ihren KundInnen zuviel Geld ab. Was willst Du auch machen, wenn Du allein draussen stehst und nicht rein kommst? Und so mancher Schlüsseldienst zerstört dann viel zu viel, anstatt so vorsichtig wie möglich zu arbeiten.

Es ist daher wichtig, dass Du Dir nichts vom Pferd erzählen lässt und Dich bildest. Nehme an Workshops teil die sich mit dem zerstörenden und zerstörungsfreien Schlossöffnen beschäftigen! Wenn es solche Workshops nicht gibt, dann organisiere sie! Am Anfang sind die Erfolge noch recht spärlich, aber mit der Zeit kannst Du viele Öffnungserfolge erzielen.

Im Internet kannst Du Dich auf folgenden Seiten informieren:

 http://www.koksa.org
 http://1337crew.info
 http://www.ccc.de

Und komm zu dieser Demonstration:

Freiheit statt Angst
Samstag, den 11. Oktober 2008 um 14.00 Uhr
Berlin - Alexanderplatz
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