"Koks und Spiele": Helge Schneider macht den Dollar spaßkonvertibel.

Alte Hunkel 27.09.2008 18:14 Themen: Freiräume Globalisierung Kultur Weltweit
Logischerweise müssen wir uns fragen, ob "Vertrauen" wirklich der allereinzigste moralische Wert, das einzige gute Gefühl ist, auf dem Papiergeld beruhen kann. Es gibt ja auch noch andere unveräußerliche Werte, im Leben wie z.B. Sex, Drogen und Rock-und-Roll! Da eine Rückkehr zum Goldstandard schon mangels Gold nicht in Frage kommt, werden wir stattdessen den Wert des Dollars eben durch die schönsten Dinge des Lebens garantieren, genauer gesagt: Den Spaßkonvertibilität einführen.
"Koks und Spiele": Helge Schneider macht den Dollar spaßkonvertibel.

Schon durch sein Outfit unterstrich der amerikanischen Notenbankchef Helge Schneider, daß sein Auftritt diesmal anders verlaufen wird als sonst. Keine wuschelige Mähne, keine Gittare - stattdessen ein dunkler Nadelstreifenanzug und eine hochmodische 350-Dollar-Krawatte. Die Zeiten sind ernst, und Helge meint es heute ernst. Die Unruhe im Publikum hat sich noch nicht gelegt, da hat er schon angefangen zu sprechen. Leise, aber konzentriert:

"Wir retten nicht die Banken, sondern die Währung, den Dollar. Der Dollar ist unter Druck geraten und könnte demnächst weiter an Wert verlieren. Wie Sie alle sehr gut wissen, beruht der Dollar seit 40 Jahren nicht mehr auf Gold, sondern nur noch auf "Vertrauen", genauer gesagt, auf dem Vertrauen in Gott, in Amerika und in seine US-Zentralbank, und damit irgendwie auch auf dem Vertrauen in MICH. Und es könnte sein, daß das bald nicht mehr ausreicht, um einen dramatischen Wertverfall zu verhindern." Bei diesen Worten mußte Helge schlucken und sah dabei so "authentisch besorgt" und staatsmännisch aus, daß selbst Ronald Reagan hätte neidisch werden können. Der versiserte Rhetoriker beherrscht sein Metier aus dem Effeff. Die Gesichter der gebannt lauschenden Journalisten, Analysten und Banker spiegeln es wider: das Vertrauen, daß sie ihm, Helge blind entgegenbringen. Und in der Tat: wer ist sonst noch da, dem sie vertrauen können? "Vertrauen ist ein sehr wertvoller Wert", fuhr Helge fort, "und das ja nicht nur in materieller, sondern auch in geistig-moralischer Hinsicht. Wir vertrauen ja nicht nur aufs Vertrauen ins Geld, sondern auch ins Vertrauen auf uns gegenseitig im Kreis herum, meine ich", und klang dabei schon fast wie ein wenig wie Pfarrer Schorlemmer. "Wir alle vertrauen uns gegenseitig, manchmal zu unrecht, aber häufiger noch zu Recht! Vertrauen ist vielleicht nur ein abstrakter Wert, sozusagen gebuchte Luft, aber trotzdem extrem wertvoll für alles und jeden und überhaupt. Wenn also..." - und nun kam Helge endlich zu seiner ziemlich holperig und ungeschickt vorbereiteten Schlußfolgerung, "schon das Vertrauen allein so unglaublich wertvoll ist, daß all die Trilliarden und Abertrilliarden der zirkulierenden Dollar-Geldmenge vierzig Jahre lang darauf "beruhen" konnten, (sie "ruhten", während wir schwitzten), dann macht das schon einmal Hoffnung. Und nicht nur das: Logischerweise müssen wir uns fragen, ob "Vertrauen" wirklich der allereinzigste moralische Wert, das einzige gute Gefühl ist, auf dem Papiergeld beruhen kann. Es gibt ja auch noch andere unveräußerliche Werte, im Leben wie z.B. Sex, Drogen und Rock-und-Roll! Da eine Rückkehr zum Goldstandard schon mangels Gold nicht in Frage kommt, werden wir stattdessen den Wert des Dollars eben durch die schönsten Dinge des Lebens garantieren, genauer gesagt: Den Spaßkonvertibilität einführen. Wenn der Kapitalismus alle menschlichen Werte zur Ware degradiert, wenn der Kommerz unsere Seelen zu Materie verwursten tut, dann können wir ja die Materie auch wieder in den Kreislauf der wahren menschlichen Werte zurückspeisen. Denn" -- und hier verfiel Helge, untypisch für ihn, ins oberlehrehafte Dozieren -- "alles, was die klassische Ökonomie bisher als "Prokuktion" bezeichnet hat, ist eigentlich nur "Reproduktion" und umgekehrt! Und genau diese ERkenntnis habt Ihr Amis, hahaha, ist nett gemeint, also die habt ihr Amis uns schon mal voraus, net! Einfacher gesagt: Gold kann man nicht konsumieren, Drogen schon!
Konkret wird das so aussehen:
1) Der "Koks-Standard": Wir garantieren den Wert des Dollars künftig so, daß jede Bankfiliale jedem Kunden jederzeit auf Wunsch für Papiergeld eine genau fixierte Menge an Hasch, Kokain oder Viagra aushändigt (ob der "Besitz" dann auch zum Konsum berechtigt, wird wie bisher durch die Gesetze der Bundesstaaten geregelt). Zugleich werden wir auf all diese Handelsgüter selbstverständlich ein Staatsmonopol einführen - so, wie wir es früher mal beim Gold hatten. Nebenbei gesagt, wird das auch den Finanzminister freuen! Wir kaufen das Zeug im Ausland (Kolumbien, Afghanistan) billig ein und lassen uns in Ohio mit neuerhärteten Dollars dafür bezahlen!
2) Der DotCom-Standard: Wir verbieten allen Kindern, Jugendlichen, Arbeitslosen und sonstigen Wirtschaftssubjekten im Kinderzimmer oder im Internet mit falschem Spielgeld zu spielen: Wer es trotzdem tut, kommt in den Knast! Gesetzestreue Staatsbürger dürfen beim Poker, Monopoly nur noch ihr ECHTES GELD einsetzen. (Für Knastbrüder gilt das natürlich auch). Bei allen Online-Spielformen des Second Life werden wir einen 1:1 Zwangsumtausch einführen - genau wie damals in Helmstedt! Wir alle wissen, welche Vermögen manche Global Player im virtuellen Spiel zu verzocken bereit sind. Wenn die ihre Bauprojekte künftig nicht mehr in Springfield/Ohio, sondern in SimCity.com realisieren, dann haben wir endlich wieder einen Wachstumsmarkt!
3) Der Clou an der Sache: Weder Koks noch Computerspielgeld dürfen jemals wieder in "echtes" "Papiergeld 1.0" zurückgetauscht werden. Und damit haben wir die Kapital-Monster-Blase in den virtuellen Raum verschoben! Dringende menschliche Bedürfnisse wie Größenwahn, Egomanie, Spielsucht und Narzißmus, also all die Verhaltensweisen, die unsere permanenten Finanzkrisen erst hervorbringen, können wir ja dort genauso gut ausleben wie im Echt-Laif!"

Helge machte eine Pause. An dieser Stelle hatte er eigentlich auf den fälligen Begeisterungsausbruch, stürmische Ovationen erwartet. Doch das Publikum blieb ruhig, schien auf weitere Ausführungen zu warten.
"So, das war eigentlich alles. Die Einzelheiten der Währungsreform werde ich in den kommenden Tagen noch mit dem Kongreß und den beiden Präsidentschaftskandidaten besprechen". Helge räusperte sich, zupfte nervös an seinem 350-Dollar-Schlips, und dann sah er es: Die Manager jubelten nicht, weil sie WEINTEN. Er sah, wie all die Anspannung der letzten Monate, all der Streß, all die Angst von ihnen abfiel. Stumm saßen sie auf ihren Stühlen, unbekannte legten sich die Arme auf die Schulter und flennten drauflos ohne Hemmungen. "Eeeeeeeendlich freies Koks zu vernünftigen Preisen", schluchzte Steve Goldfart, der Lehmann-Manager mit 20 Jahren Controller-Erfahrung, "das ich das noch erleben darf..."

Für Montag sagen Analysten einen Kurssturz des Euro gegenüber dem Dollar um mindestens 30 Prozent voraus.
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Ergänzungen

beste satire ever

Holger Klopfer 28.09.2008 - 02:05
Beiträge die eine inhaltliche Ergänzung darstellen .... stecke den folgenden Kommentar dazu
"Wir alle vertrauen uns gegenseitig, manchmal zu unrecht, aber häufiger noch zu Recht! Vertrauen ist vielleicht nur ein abstrakter Wert, sozusagen gebuchte Luft, aber trotzdem extrem wertvoll für alles und jeden und überhaupt. Wenn also..."
 http://de.indymedia.org/2008/09/228041.shtml?c=on#c527583
yeah 27.09.2008 - 20:59
helge wäre stolz auf euch!
pe-es: Helge Schneider, er ist wieder da! Im Radisson Hotel in Mitte präsentierte er sich gestern mit langen Haaren, platt gedrückt unter einer bunten Flanellmütze mit Ohren, geflicktem Jackett ("da waren die Motten drin"), hellblauer Jogginghose, rot-weißem Ringelschal. Er steht an einem Pult, hievt eine Ledertasche im Arztstil hoch und packt aus: Eine Plastikglatze, eine Brille aus Horn ("hab ich mir selbst gebastelt"), ein Modell mit verspiegelten Gläsern ("für die Amis, wo ich nie hinfahre"), eine rote Nase ("Clowns sind meine Idole"), ein abgeschnittener Schlips ("steht für die Zerstörung an sich") und ein paar Tanzschuhe. "Mit diesen Dingern bin ich richtig schnell. Da brauche ich keine Bodyguards wie Verona ooth. " http://www.morgenpost.de/printarchiv/leute/article228813/Helge_Schneider_Der_Clown_geht_wieder_auf_Tournee.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Müll — tztztz