NewYorck/ Bethanien: Wir bleiben Alle!

wba 27.09.2008 15:22 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe

Drei Jahre nach der Gründung der NewYorck durch die Besetzung leerstehender Flächen im Bethanien-Südflügel wird derzeit erneut über eine dauerhafte Legalisierung durch Mietverträge diskutiert. Der Ausgang ist ungewiss: kommt nun ein Mietvertrag - oder scheitern die Verhandlungen, und der Bezirk setzt erneut auf Räumung? Wird es ein selbstverwaltetes interkulturelles Anwohner_innen-Forum geben? Und auch die Perspektiven für ein Bethanien-Hauptgebäude als kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum nicht nur, aber auch für die Anwohner_innen, wie es durch das erfolgreiche Bürger_innenbegehren 2006 eigentlich entstehen sollte, sind derzeit zweifelhaft.

Was bisher geschah

Nachdem 2002 die kommerzielle Privatisierung des Bethanien-Hauptgebäudes als "Internationales kulturelles Gründerzentrum" (würg) vom Bezirk beschlossen worden war, begannen Anwohner_innen und vom Zwangsumzug bedrohte Nutzer_innen sich dagegen zu wehren und gründeten die Initiative Zukunft Bethanien (IZB). Tatkräftige Unterstützung erhielten sie nach der Besetzung der leerstehenden zwei Etagen im Südflügel im Juni 2005 durch die eine Woche zuvor geräumten Menschen und Projekte des Hausprojektes Yorckstrasse 59, welche nun in den neuen Räumen, gemeinsam mit vielen neuen Menschen und Projekten, die NewYorck im Bethanien - Raum emanzipatorischer Projekte gründeten.

Noch im Sommer 2005 wurde beschlossen, ein Bürger_innenbegehren auf Bezirksebene gegen die geplante Privatisierung zu starten. Verschiedene Räumungsdrohungen gegen die NewYorck konnten, durch Engagement und Glück, abgewendet werden, die NewYorck entwickelte sich zum wichtigsten alternativen und linksradikalen Zentrum in Kreuzberg 36.

Das Bürger_innenbegehren gegen die Privatisierung wurde im Sommer 2006 mit über 14.000 Unterschriften sehr erfolgreich zu Ende gebracht. Anfang September kam es zu einem Beschluss der BVV, der die wesentlichen Forderungen des Bürger_innenbegehrens übernahm. Aus diesem Grund wurde kein Bürger_innenentscheid durchgeführt. Bereits im August des Jahres hatte die IZB, in Anbetracht des erfolgreichen Bürger_innenbegehrens, ein sowohl umfassendes als auch offenes neues Konzept für die Entwicklung des Bethanien-Hauptgebäude vorgelegt.

Anfang 2007 startete unter Moderation des neuen Bezirksbürgermeisters Franz Schulz der "Runde Tisch" zur Zukunft des Bethanien, unter Teilnahme aller derzeitigen Nutzer_innen, interessierter Projekte, Politiker_innen aller Fraktionen und Vertreter_innen der Anwohner_innen.

In einem ersten Schritt beschäftigte der Runde Tisch sich mit der zukünftigen inhaltlichen Nutzung des Bethanien-Hauptgebäudes. Dies gestaltete sich sehr schleppend. Während seitens der IZB und der NewYorck kontinuierlich konzeptionell gearbeitet wurde, beschränkten sich die Leiter der etablierten, großen Nutzer Künstlerhaus Bethanien GmbH (Tannert) und Druckwerkstatt (Mrovka) darauf, zu pöbeln und keinerlei inhaltliche konstruktive Vorschläge zu machen, bevor sie im Sommer des Jahres den Runden Tisch entgültig verließen - sie waren sich zu fein dafür, mit den ganzen "Dilettanten" und "Kiezdödeln", sprich Anwohner_innen und anderen Interessierten, über die Zukunft des Bethanien zu reden. Tannert und Mrovka hatten sich auch schon vor der Besetzung beschwert - nämlich über das Publikum des seinerzeitigen Sozialamtes im Südflügel, daß überhaupt nicht ihrer Vorstellung von Besucher_innen des heiligen (oder sterilen?) Kunsttempels Bethanien entsprach. Zur Rolle der Parteien ist zu sagen, daß hier insbesondere PDS und SPD durch eine wilde Mischung aus Uninformiertheit, Ignoranz, Starrköpfigkeit und Desinteresse auffielen.

In einer weiteren Runde ging es um die zukünftige Trägerschaft und Finanzierung des Bethanien. Hier zeigte sich schnell, daß sich der Bezirk außerstande sieht, für das Problem der sogenannten "Kalkulatorischen Kosten" eine angemessene Lösung zu finden. "Kalkulatorische Kosten" sind Gelder, die der Senat den Bezirken für die Nutzung von Gebäuden von ihrem Budget abzieht, die den Bezirken also verloren gehen. Die Einführung der "kalkulatorischen Kosten" hatte ursprünglich den Druck auf den Bezirk geschaffen, das Bethanien zu privatisieren: da das Bethanien, das für etwa 2,5 Millionen Euro an einen privaten Investor verkauft hätte werden sollen, in den Büchern des Senats mit einem absurd hohen Wert von 32 Millionen Euro (!) geführt wird, sollte der Bezirk jedes Jahr (!) etwa 800.000 Euro (!) alleine für die Nutzung des Gebäudes zahlen - also zusätzlich zu allen sonstigen anfallenden Kosten wie Instandsetzung, Instandhaltung, Verwaltung, Neben- und Betriebskosten.

Um nun die anfallenden "kalkulatorischen Kosten" zu umgehen, wurde am Runden Tisch darüber diskutiert, das Bethanien in das sogenannte "Treuhandvermögen" der Gesellschaft für Stadtenwicklung (GSE) zu geben. Dieses Modell bedeutet, daß das Eigentum auf zunächst 10 Jahre an die GSE fällt, welche es in dieser Zeit im Auftrag des Landes Berlin bewirtschaftet.

Anfang 2008 wurde ein neuer Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zum Bethanien getroffen, der die Übergabe an die GSE vorsieht. Seitens der IZB wurde dieser Beschluss scharf kritisiert, u.a. deswegen, weil nun die Trennung des Hauses in Soziokultur im Südflügel und Kunst im Quer- und Nordflügel vorgesehen ist. Dies ist weit von dem ursprünglich mit dem Bürger_innenbegehren durchgesetzten Beschluss entfernt, das Bethanien-Hauptgebäude insgesamt als "kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum" zu entwickeln, und unmittelbar auf den Versuch der Künstlerhaus GmbH, den Bezirk mit permanenten Auszugsdrohungen zu erpressen, zurückzuführen.
Mensch beachte die Vorwürfe von Tannert und Mrovka an die bösen Besetzer_innen: Diese sind ganz offensichtlich nicht nur für jedes mögliche Übel ("fehlende Eis- und Schneebeseitigung", "mehrfacher Ausfall der Heizung" etc.) direkt verantwortlich, sondern terrorisieren auch noch bewußt Tannert und Mrovka, etwa durch "uninspiriertes Auftreten" und "amateurhafte Plakate". Selbst dafür, dass in den eigenen Räumen der Künstlerhaus Bethanien GmbH seit 30 Jahren anscheinend versäumt wurde, Doppelglasfenster einzubauen, werden nun die Besetzer_innen verantwortlich gemacht.

Ein selbstverwaltetes interkulturelles Anwohner_innenforum im Bethanien?

Die Einrichtung eines interkulturellen AnwohnerInnenforums war eine der zentralen Forderungen des BürgerInnenbegehrens "Bethanien für Alle" und wurde auch in den entsprechenden BVV-Beschluss übernommen. Seit September 2006 wuchs die Gruppe der an der Entwicklung und Trägerschaft eines solchen Ortes interessierter Menschen (sOfa = selbstverwaltetes offenes Forum der Anwohner_innen) beständig. Im Juli 2007 wurde der sOfa-Gruppe schliesslich ein 27-qm-Raum im Bethanien-Vorderhaus zur Miete zugestanden, obwohl wesentlich größere Räume weiterhin leerstanden. Trotzdem fanden dort seitdem vielfältige Aktivitäten statt.

Immer wieder wurde versucht, einen größeren barrierefreien Raum anzumieten, der auch einen Zugang zu Wasser und eine Küchennutzung beinhaltet, und so erst geeignete Bedingungen für ein AnwohnerInnenforum schaffen würde. Dies wurde aber von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung abgelehnt, zuletzt mit der Begründung, die Künstlerhaus Bethanien GmbH drohe mit Auszug, wenn die "Kiezdödel" nicht verschwänden.

Im Februar entschied die BVV Friedrichshain-Kreuzberg erneut über das Bethanien. Dem sOfa sollten geeignete Räume im Bethanien-Südflügel angeboten werden, nur dort sei Platz. Der nach wie vor bestehende Leerstand von rund 500 qm im Erdgeschoss straft diese Aussage Lügen. Statt eines Angebotes zur Anmietung eines Teiles der leerstehenden Flächen erhielt das sOfa die Kündigung zum 01.09.08, ohne dass die Verantwortlichen von Seiten des Bezirksamts - d.h. Baustadträtin Jutta Kalepky - eine Alternative angeboten hätten. Da die Kündigung zugleich mit der Androhung juristischer Schritte verbunden war, hat das SOFA den angemieteten Raum verlassen. Das sOfa wird aber weiter um angemessene Räume in einem zukünftigen Bethanien-Hauptgebäude als kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum kämpfen.

Kommt jetzt die Legalisierung der NewYorck?

Praktisch seit dem ersten Tag der Besetzung hat die NewYorck im Bethanien mit dem Bezirk über eine Legalisierung der dauerhaften Nutzung durch einen Mietvertrag zu angemessenen Konditionen verhandelt. Die erste Verhandlungsrunde im Sommer 2005 wurde vom Bezirk ohne Ergebnis abgebrochen. Im folgenden wollte die damalige PDS-Bürgermeisterin Reinauer von den Bullen räumen lassen. Nach zwei Demos, eine durch den SO36-Kiez und eine zur PDS-Zentrale nach Mitte, kam es schließlich nicht zu einem faktischen Räumungsversuch, weil sich die Bullen bzw. ihr oberster Chef, Innensenator Körting (SPD), Anfang November 2005 weigerten, nach fünf Monaten Besetzung einfach so, auf Wunsch der Bürgermeisterin, ohne Räumungstitel zu räumen. Hinter diesem ungewöhnlichen Vorgang stand vermutlich der Wunsch der SPD, die PDS in Person von Reinauer zu ärgern.

Räumungsversuch misslungen - dann also doch wieder verhandeln. Darauf schien die insgesamt doch sehr planlose Strategie des Bezirkes hinauszulaufen. Also wurde ab Anfang 2006 wieder über einen Mietvertrag verhandelt. Die Verhandlungen liefen recht zäh - so verlangte das Bezirksamt unter anderem eine notatiell beglaubigte "Selbsträumungsklausel", also eine vor einem Notar abgegebene Erklärung, einer polizeilichen Räumung ohne Räumungsurteil nach Ende des Mietvertrages zuzustimmen. Insgesamt dürfte fast ein Dutzend Verhandlungstreffen stattgefunden haben, die Verhandlungen wurden immer zäher, und schließlich, der Sommer war schon fortgeschritten, vom Bezirk wie schon im Jahr zuvor ohne Ergebnis und ohne Begründung abgebrochen.

Im Herbst 2006 kam eine neue Bezirksregierung an die Macht, Bürgermeister wurde nun Franz Schulz von den Grünen. Das Jahr 2007 wiederum war von Anfang bis Ende dem "Runden Tisch zur Zukunft des Bethanien" gewidmet (siehe oben). Zunächst wollte der Bezirk nicht über einen Vertrag reden, während der Runde Tisch noch lief - doch als Anfang September die Bild-Zeitung mit dem Aufmacher "Steuerzahler empört: unser Geld für Hausbesetzer" herauskam, das Thema auch von einigen Zeitungen aufgegriffen wurde, kam es zu einem erneuten Verhandlungstreffen. Diesmal blieb es jedoch vorläufig bei einem einzigen Treffen - der Bezirk schien keine Eile zu haben, einen Vertrag abzuschließen.

Die nächste - und aktuelle - Verhandlungsrunde begann im Mai diesen Jahres, und auch hier verlaufen die Verhandlungen, an denen von Beginn an der Bezirk und der eventuelle zukünftige Treuhänder GSE beteiligt sind, ziemlich zäh. Neben diversen kleineren und mittelgroßen unterschiedlichen Auffassungen ist einer der größten Streitpunkte die Höhe der zukünftigen Miete: geht es nach Bezirk und GSE, soll die NewYorck in Zukunft eine Warmmiete von über 10.000 Euro im Monat bezahlen.

Hintergrund der nun kalkulierten teuren Miete ist u.a., daß alleine für die Übertragung an die GSE - obwohl diese das Bethanien doch ausdrücklich im Sinne öffentlichen Eigentumes verwalten soll - 250.000 Euro einberechnet sind, die die derzeitigen und zukünftigen Mieter in den nächsten 5 Jahren aufbringen sollen. Auch der Instandhaltungsrückstau in Höhe von über 600.000 Euro, entstanden durch mangelhafte Instandhaltung in den vergangenen Jahrzehnten, soll komplett durch die Miete aufgebracht werden. Insgesamt sollen alleine in den nächsten fünf Jahren über 2 Millionen Euro durch die Miete erwirtschaftet werden, um das Gebäude baulich auf einen aktuellen Stand zu bringen und die Übertragung an die GSE zu finanzieren. Hinzu kommen noch Verwaltungskosten, Leerstandrisiko und eine laufende Instandhaltung, die allein für die nächsten fünf Jahre auf 600.000 Euro geschätzt wird.

Wie in einer Pressemitteilung und auf einer anschließenden Pressekonferenz Anfang September bekanntgegeben wurde, ist die NewYorck grundsätzlich bereit, eine angemessene Miete zu zahlen. Allerdings kann es nicht sein, daß über eine zu hohe Miete zum einen die Kassen des Senats gefüllt werden (Übertragungskosten an die GSE), und zum anderen der Bezirk, der über Jahrzehnte hinweg die Instandhaltung des Gebäudes vernachlässigt hat, aus der politischen Verantwortung entlassen wird. Die NewYorck geht davon aus, daß sich mit einer Warmmiete von 6.280 Euro die von ihr genutzten Flächen kostendeckend bewirtschaften lassen. Eine Miete in einer Höhe von 10.000 Euro, wie derzeit noch von Bezirk und GSE gefordert, ist nicht nur unangemessen, sondern würde auch das Ende für die nichtkommerzielle, ehrenamtliche kulturelle, künstlerische, politische und soziale Arbeit in der NewYorck, wie sie nun seit über 3 Jahren stattfindet, bedeuten. Die NewYorck wird diese kostendeckende Miete von 6.280 Euro pro Monat ab September auf ein bei ihrem Anwalt eingerichtetes Sperrkonto überweisen.

Was ist eigentlich die NewYorck im Bethanien?

Am 06.06.2005, morgens um 5 Uhr, wurde das Hausprojekt Yorckstraße 59 nach fast zwanzig Jahren Existenz von über 500 Bullen brutal geräumt. Im Anschluss daran kam es zu massiven Unmutsbekundungen: bis zu 3000 Menschen zogen demonstrierend durch Kreuzberg, ein Haus in der Oranienstraße wurde besetzt (und brutal geräumt). Eine Woche später, am 11.06.05, besetzten die obdachlosen Bewohner_innen, Projekte und Unterstützer_innen der Yorck59 zwei leerstehende Etagen im Bethanien-Südflügel am Mariannenplatz, wo bis 2004 das Sozialamt sich befunden hatte.

Seit dem Tag der Besetzung, der Geburtsstunde der "NewYorck im Bethanien - Raum emanzipatorischer Projekte", leben und arbeiten hier dutzende Menschen in kollektiven Zusammenhängen. Die Büros und Veranstaltungsräume werden von vielen verschiedenen Gruppen genutzt, darunter die Dokumentationsgruppe der Antirassistischen Initiative (ARI), die Initiative Zukunft Bethanien (IZB), das Anarchistische Infocafe, die Gruppe B.O.N.E, Carambolage, die Rebel Clown Army, die Druzbar, die Gruppe Gipfelsoli, der Initiativkreis MediaSpree versenken! mit seinen AGs "Spreeufer" und Spreepirat_innen, das LatinoKino, das Nomadische Antikriegscafé, die KollektivBibliothek, das Südflügelcafé, der deutsch-afrikanische Kulturverein Solitarité, die Gruppe reflect und das Stadtteilbüro in Gründung.

Zu diesen festen Gruppen mit regelmässiger Nutzung und direkter Beteiligung am Projekt kommen noch ungezählte Gruppen, die zeitweise oder einmalig die Räume nutzen: Politische Gruppen und Netzwerke, Basisinitiativen aus der Nachbarschaft, Flüchtlingsgruppen, Kampagnen, Theatergruppen und viele mehr. Insgesamt haben hunderte Menschen die Räume der NewYorck in den vergangenen drei Jahren für eigene Veranstaltungen genutzt, tausende haben die vielfältigen Veranstaltungen besucht. Regelmäßig gibt es Lesungen, kulturelle & politische Veranstaltungen, Theater- und Filmabende, Konzerte und Soliparties.

Bei aller Vielfältigkeit gibt es einen gemeinsamen Konsens aller Gruppen und Menschen, die die NewYorck nutzen. Hier soll kein Platz sein für rassistische, sexistische, antisemitische, homophobe oder andere Diskriminierung, Entscheidungen werden grundsätzlich konsensorientiert mit allen Beteiligten getroffen, alle Gruppen und Projekte arbeiten nichtkommerziell, in der Regel ehrenamtlich. Und alle Gruppen und Projekte eint die Überzeugung, dass diese Welt, aufgebaut auf Prinzipien von Konkurrenz, Kapital, Macht, Patriarchat und Krieg, einer dringenden und umfassenden Veränderung bedarf.

Alle emanzipatorischen Menschen, Gruppen und Projekte, die gerne bei der NewYorck mitmachen möchten, sind herzlich willkommen! Sucht ihr einen Raum für Euer antifaschistisches Projekt, wollt ihr mit eurem Kollektiv eine Ausstellung machen, oder seit ihr gerade von einem längeren Aufenthalt auf dem Bio-Hof oder einer Polit-Reise zurück und wollt über Eure Erfahrungen berichten? Wie auch immer: schickt uns einfach eine E-Mail. Ob es um aktive Abrüstung geht oder um Nachbarschaftsarbeit - in der NewYorck ist vieles möglich, und die NewYorck versteht sich als lebendiges Projekt, bei Wahrung einiger Grundprinzipien stets selbst in Veränderung begriffen und an der Veränderung der Gesellschaft arbeitend.

Wo Menschen aktiv an der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse arbeiten, sind in der Regel die Büttel des Kapitals, die Bullen in ihren vielfältigen Ausprägungen, nicht weit. So gab es während der Freiraumaktionstage im Mai 08 halbherzige Versuche der Bullerei, in die Räume zu gelangen. Und auch von der bundesweiten Durchsuchungsaktion von über 40 Projekten vor dem G8-Gipfel, begründet mit angeblichem "Terrorismus", war die NewYorck betroffen.

Mehr als ein einzelnes bedrohtes Projekt: Wir bleiben Alle!

Die NewYorck ist nicht das einzige Projekt, das in absehbarer Zeit vielleicht wieder von Räumung bedroht ist. Bedroht sind eine Menge alternativer Räume, Hausprojekte und Wagenplätze. In einer Stadt, die zunehmend auf die Interessen des profitierenden Kapitals ausgerichtet ist, auf die Interessen von Hausbesitzern, Immobilienfirmen und Konzernen, wird die Luft dünner für Projekte, die auf Solidarität statt auf Konkurrenz setzen, auf nichtkommerzielles gemeinsames Arbeiten statt kommerzieller Produktion, auf kollektives Leben zu günstigen Mieten statt einer Gesellschaft, in der Armut nicht nur aus dem öffentlichen Leben, sondern auch aus der Stadt zunehmend verdrängt wird.

Doch wir werden nicht kampflos aufgeben - und wir werden auch nicht den Verlust von noch mehr Freiräumen hinnehmen, sondern uns neue Räume erkämpfen! Von Räumung bedrohte Projekte und auch viele Gruppen und Einzelpersonen, die an alternativen, unkommerziellen Räumen interessiert sind und keine Lust auf eine Stadtpolitik haben, die sich nur an kommerziellen Profitinteressen orientiert, haben sich in der Kampagne Wir bleiben alle! zusammengeschlossen.

Der Schwarzer Kanal ist akut von "MediaSpree-Bauvorhaben bedroht", die Köpi ist vorerst gerettet, doch das dürfte kein Zustand auf Dauer sein - nicht mitten im "MediaSpree"-Gebiet. Die Reiche 63 wird sich bald gegen untragbare Mieterhöhungen zur Wehr setzen müssen. Die Liebig 34 hat Stress mit dem Eigentümer, dem 2000-Häuser-Besitzer Padovicz, und Liebig 14 und Rigaer 94 werden von ihrem verpeilt-agressiven Eigentümer Beulker bedroht. Die Linie 206 wurde mal wieder verkauft und mobilisiert ihre Unterstützer_innen gegen die drohende Räumung.Die Zukunft des Wagenplatzes Laster und Hänger ist unklar, bald dürfte es wieder stressig werden, auch hier in unmittelbarer Nähe zu "MediaSpree". Und auch die Kastanie 86 und die Brunnen 183 werden von ihren jeweiligen Eigentümern schikaniert. Anfang Oktober soll das Hausprojekt Reiche 114 versteigert werden. Und das sind noch nicht alle der mehr oder weniger akut bedrohten Hausprojekte und Wagenplätze in Berlin! Und vielleicht gehört bald auch die NewYorck im Bethanien wieder zu denjenigen Projekten, die akut existenzbedroht sind.

Wie geht es weiter?

Der Bezirk hat Mitte Juli der Künstlerhaus Bethanien GmbH ein Ultimatum gestellt, sie sollen sich innerhalb von maximal vier Wochen entscheiden, ob sie bleiben wollen oder nicht. Bisher ist hier jedoch noch nichts passiert. Stattdessen beschränkt sich Leiter Tannert darauf, weiterhin gegen jede Form von alternativer Nutzung im Gebäude anzustänkern - mit so guten Argumenten wie demjenigen, diese alternativen Nutzer würden stinken. Auf seiner Webseite weigert sich die Künsterhaus GmbH sogar, die Existenz von langjährigen Nutzern im Bethanien-Hauptgebäude wie Sportjugend, Kita, Musikschule und NewYorck überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Ob es zu einem Mietvertrag für die NewYorck im Bethanien kommt, dürfte sich wohl in den nächsten Monaten entscheiden. Derzeit ist die Situation offen: eine Einigung über einen Nutzungsvertrag für die nächsten Jahre ist nicht ausgeschlossen, ein Scheitern der Vertragsverhandlungen vor allem an den unzumutbaren und überzogenen Mietforderungen jedoch auch nicht.

Doch eines ist klar: ob mit oder ohne Vertrag - NewYorck im Bethanien bleibt! Der Bezirk droht bereits wieder damit, dass bei einem endgültigen Scheitern der Vertragsverhandlungen das Bethanien an den Liegenschaftsfond geht, um dann vermutlich doch kommerziell privatisiert zu werden (wer sich für städtische Gebäude und Grundstücke interessiert, die privatisiert werden sollen, findet beim Liegenschaftsfond übrigens eine große Auswahl). Doch ob sich das die verantwortlichen Politiker_innen, auf Bezirksebene Grüne, PDS und SPD, auf Senatsebene PDS und SPD, wirklich trauen werden? Klar ist, dass eine kommerzielle Privatisierung mit der NewYorck nicht möglich ist - um zu privatisieren, müsste vorher geräumt werden. Mit einer solchen Strategie würden die verantwortlichen Politiker_innen sich nicht nur hoffentlich kräftigen Ärger mit den Nutzer_innen der NewYorck und ihren Unterstützer_innen einhandeln, sondern auch offensiv allen jenen, die das erfolgreiche Bürger_innenbegehren für ein zukünftiges Bethanien als gemeinnütziges kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum unterstützt haben, ins Gesicht spucken.

Dabei ist die Entwicklung des Bethanien und der dauerhafte Verbleib der NewYorck nicht getrennt von der Entwicklung der Gesellschaft, der Stadt und vor allem auch der Entwicklung im Kiez, also in Kreuzberg 36, zu denken. Derzeit steigen in fast ganz Kreuzberg 36 die Mieten sehr schnell, in einigen Gegenden sind massive Verdrängungsprozesse nachweisbar, etwa rund um die Reichenberger Straße. Gleichzeitig nehmen Polizei-Schikanen gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen deutlich zu. Am Kottbusser Tor soll die allerneueste Videoüberwachung mit automatischer Gesichtserkennung getestet werden. An der Reichenberger Straße entstehen sogenannte CarLofts, Luxuswohnungen mit Autostellplatz und Garten auf jeder Etage. Videoüberwacht und mit eigener Security, stehen diese Luxuswohnungen unter dem Motto "Luxus, Komfort und Sicherheit". Im Rahmen von MediaSpree wird die Stadtpolitik komplett unter die Prämisse hoher Profite der beteiligten Konzerne gestellt. "MediaSpree" wird ergänzt durch das Millionen-Euro-Programm Stadtumbau West, das, im Rahmen sogenannter "Aufwertungs"-Strategien, einen zumindest teiweisen Austausch der Bevölkerung in Teilen von Kreuzberg 36 als Ziel formuliert. Und am Oranienplatz fordert der Verein, der jahrelang die offizielle Bürger_innenbeteiligung für den Bezirk durchführte, "türkische Rentner", "trinkfreudige Arbeitslose" und "alkoholkranke Obdachlose" zu vertreiben, um endlich wieder Platz für "normale deutsche Familien" zu schaffen.

Die aktuelle Entwicklung in Kreuzberg 36 hin zum geordneten, alternativen, überwachten und sauberen Kiez der Wohlhabendenen und sozial Abgesicherten arbeitet gegen den Verbleib der NewYorck im Bethanien und die Entwicklung des Bethanien-Hauptgebäudes als kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum. Und so muß der Kampf für die NewYorck und ein Bethanien für Alle auch immer der Kampf gegen die stattfindende Gentrification, gegen steigende Mieten, Verdrängung, Überwachung, Ausgrenzung und Polizeischikanen sein.

Es bleibt also spannend. Aktuelle Informationen findet ihr stets auf den Webseiten der NewYorck und der Initiative Zukunft Bethanien.

NewYorck im Bethanien bleibt! Für ein Bethanien als kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum! MediaSpree versenken - CarLofts begraben - Stadtumstrukturierung angreifen! Wir bleiben alle!

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Ergänzungen

bar25 soll auch geräumt werden!

antifa 27.09.2008 - 20:04
“Berliner Bar25 wird geräumt. Komplett!

Der Streit zwischen der Stadtreinigung und der Afterhour-Location geht in die Endrunde.

Dass der Sommer 2008 der letzte der Berliner Bar25 sein würde, befürchteten viele und die Betreiber der Profit-Center-Kommune veranstalteten auch schon einige “letzte” Partys. Dennoch war die Pressemitteilung der Bar25 heute morgen doch etwas überraschend:

Aufgrund mangelnder Absicherung der Uferkanten solle die Bar25 bis Ende Oktober geräumt werden, letzte Woche habe man ein Kündigungsschreiben erhalten. “Noch im September 2007 versprach die Vorstandsvorsitzende der Berliner Stadtreinigung (BSR) Vera Gäde-Butzlaff […] dass die Bar25 nicht gehen müsse, bevor die Bagger kommen”, heißt es weiter.

Dass eine Kündigung so kurzfristig ausgesprochen wird, wunderte dann schon, also fragten wir bei einer BSR-Pressesprecherin nach:

“Wir hatten mit der Bar25 von Anfang an einen Zwischennutzungs-Mietvertrag abgeschlossen, bei dem von vornherein klar war, dass er endlich ist. Der zweite Punkt ist, dass wir dort eine gesetzliche Sanierungspflicht [vom Land] haben. Das heißt, wir müssen dort Sanierungsarbeiten an der Böschung und auf dem Gelände durchführen, bei der kein Betrieb stattfinden kann.”

Die Frage nach einer Kündigung wies die BSR zurück: “Die Kündigung ist schon lange da und wir haben seit dem frühen Sommer eine Räumungsklage laufen und gehen davon aus, diese gerichtlich durchsetzen zu müssen.”

Christoph Klenzendorf, einer der Betreiber der Bar25, sieht die Sache anders: “Wir müssen jetzt massiv Presse machen, weil die BSR uns mit allen Mitteln loshaben will. Im Endeffekt geht es darum, dass das Gelände für Mediaspree-Zwecke genutzt werden soll und versucht wird, für 30 Millionen zu verkaufen.”

Dafür wolle die BSR ein besenreines Gelände, um es einfacher verkaufen zu können. Es stimmt, dass die Bar25 einen Zwischennutzungsvertrag habe, der aber einen Paragraphen enthält, “der besagt, dass dieses Gelände erst bei einer Weiterentwicklung geräumt werden muss. Wir sagen, dass die Klausel erst zutrifft, wenn ein Investor da ist, während die BSR das anders sieht.”

Deswegen ließen sich die Betreiber nicht auf die Kündigung ein, sondern gingen mit in den Prozess der Räumungsklage. Der Gerichtstermin findet Anfang Dezember statt. Die Betreiber rechnen sich vor Gericht kaum Chancen aus. Sie versuchen jetzt mit Hilfe der Öffentlichkeit und der Politik zu einer annehmberen Lösung zu kommen.

“Es ist klar, dass die Bar keine weiteren zehn Jahre bestehen bleibt. Wir wollen aber zumindest solange weitermachen, bis gebaut wird. Es wäre ein Drama, wenn hier so etwas passiert, wie beim Palast der Republik. Da wird zehn Jahre eine ungenutzte Wiese stehen, bis die Gelder für den Aufbau des Stadtschlosses zusammen sind.”"

Mehr Hintergrund-Infos

Wir wollen Alles! 29.09.2008 - 14:17
Mehr Infos über den Zusammenhang von Privatisierung, Stadtumstrukturierung und Kapitalismus:

Broschüre: They Gonna Privatize the Air
herausgegeben von der Antifaschistischen Linken Berlin

Eine Broschüre über Privatisierung im allgemeinen und konkret und die Kämpfe dagegen.

Aus der Einleitung:
„Das gesellschaftliche Klima ist also günstig für die radikale Linke um in die Kämpfe gegen Privatisierung zu intervenieren und antikapitalistische Positionen in die Gesellschaft hineinzutragen. Wir hoffen, dass in Zukunft der neoliberalen Parole „Liberalisieren!, Deregulieren!, Privatisieren!“ noch stärker als bisher ein andere Parole entgegengehalten wird: „Privatisierung stoppen! Alles für alle statt Profite fürs Kapital!“. Diese Broschüre möchte dazu einen Beitrag leisten. Wir haben verschiedene AutorInnen gebeten, einerseits „Privatisierung“ aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und andererseits Handlungsmöglichkeiten für eine radikale Linke in diesem Feld aufzuzeigen. Dabei sollten gerade AktivistInnen im Kampf gegen die neoliberale Privatisierung zu Wort kommen.“

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Mo. - Fr. 14 - 19 Uhr
Sa. 14 - 16 Uhr


Bethanien nicht im luftleeren Raum

Pedant 01.10.2008 - 03:48
Ja, einige werden es sich schon gedacht haben: Das Bethanien und das Projekt NewYorck59 befinden sich in Berlin, genauer gesagt in Kreuzberg. Auch wenne s sich im weiteren Verlauf des Artikels ergeben mag: Es sollte bei Indy-Artikeln der Ort des Geschehens zu Beginn genannt werden, denn nicht für alle sind Berlin und Kreuzberg der Bauchnabel der Welt...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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blöder kommentar — störenfried