Erster Prozesstag im sog. [mg] Verfahren

Prozess-Blog 25.09.2008 15:15 Themen: Militarismus Repression
Eindrücke vom ersten Prozesstag im Verfahren gegen Axel, Florian und Oliver in Berlin.
Pünktlich um acht begann die Kundgebung gegenüber dem Gericht. Das war aber auch das einzige was pünktlich begonnen hatte. Die "Öffentlichkeit" die dem Prozess beiwohnen wollte, wurde nur in zweier Schritten in die Überprüfung eingelassen. Strikt getrennt zwischen Mann und Frau, ging es in den Vorraum der Kontrolle. Als erstes wurde der Ausweis verlangt, der dann auch recht zügig in einem Schlitz verschwand, hinter dem "ein" Beamter gesessen hat, um zur besseren identifikation von Störern, Kopien anzufertigen. Dieser Umstand sollte später in der Verhandlung noch zu Anträgen führen. Alles in allem habe ich den Saal erst betreten können als die Uhr 9.40 zeigte. 9.00 Uhr war eigentlich als Verhandlungsbeginn angesetzt. Der Umstand das ein Großteil der Zuschauer noch vor dem Gerichtsgebäude auf Einlass wartete, führte zu einem Antrag der Verteidigung, ob die Öffentlichkeit des Verfahrens überhaupt hergestellt sei. Das Gericht unterbrach die Sitzung für kurze Zeit. Nach dem die 50 Plätze im Zuschauerraum belegt worden waren, wurde die Sitzung fortgesetzt.
Im Saal waren vier bewaffnete Bundespolizisten anwesend, was mit der Sicherheitsverfügung begründet wurde und eine Lockerung wurde vom Vorsitzenden der Kammer abgewiesen. Desweiteren führte der Umstand das die BesucherInnen des Prozesses ihren Platz verlieren, wenn sie zur Toilette gehen möchten, ebenfalls zu einem Antrag der Verteidigung. Die BesucherInnen müssen nämlich zum Toilettengang den Sicherheitsbereich verlassen und den ganzen Sicherheitscheck am Einlass wiederholen. Dies sei baulich allerdings nicht anders umzusetzen.

Wir sind hier nicht in einem Fernsehgericht!

Dies stellte der Vorsitzende der Kammer (anm. Name leider zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Erfahrung zu bringen, da BeobachterInnen erst verspätet Zutritt in den Saal erlangten) bei der ersten größeren Unruhe im Publikum fest. Die Szenerie lies trotz alledem irgendwie an eine Filmvorlage erinnern. Der Saal selber war schwer gesichert. Die Angeklagten im Prozess dürften zum Glück vor dem im Saal vorhandenen Käfig platz nehmen. Auf der anderen Seite fielen einem die schwer gepanzerten Fensterfronten auf. Die StaatsanwältInnen waren ebenfalls durch einen streifen Panzerglas gesichert.

Moin, moin und erstmal ein herzliches Rotfront!

Der Vorsitzende fragte die Personalien der Angeklagten ab, was irgendwie schon zu beginn lästig erschien, da sie ja bereits im Saal sitzen und somit die Datensätze gegriffen haben mussten. Oliver lockerte die Szenerie etwas auf in dem er nicht zum Vorsitzenden sprach, sondern sich zum Publikum wandte: "Moin, moin und erstmal ein herzliches Rotfront! Ausserdem möchte ich das Publikum begrüssen!" Der Vorsitzende fragte trotz alledem stur die Personalien ab. Zu diesem Zeitpunkt konnte Mensch bereits die ersten schweren Augen bei den Justizangestellten entdecken, die einige male sichtlich schwere Augen hatten, um dies mit diesen Worte festzuhalten. Nach ein paar Anträgen, dessen Entscheidung geschoben wurde, verlas Axel die Prozesserklärung, da sie sonnst zur Sache nichts aussagen werden. Nach dem diese verlesen wurde, gab es großen Applause aus dem Publikum. Der Vorsitzende lies diesen zum letzten mal noch ungestraft zu und drohte mit Ordnungsgeld in Höhe von 1000 Euro und Ordnungshaft von bis zu einer Woche. Es zeigt sich also, wohin die Fahne weht.

Zweiter Prozesstag ist der 01.10. um 11 Uhr an gleicher Stelle.
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Ergänzungen

ergänzung

Prozess-Blog 25.09.2008 - 15:29
Der Satz "Strikt getrennt zwischen Mann und Frau, ging es in den Vorraum der Kontrolle." ist falsch formuliert worden. Gemeint ist: "Strikt jeweils nur Mann und Frau dürften in den Vorraum zur Kontrolle."

Vielleicht ergänzend noch: Die Auflagen wurden voll durchgesetzt. Mensch dürfte nur ein Blatt Papier mitnehmen, Bleistift wurde zugelassen. Sonnst alles wie vorher verkündet, sogar das mit den Schuhen war kein Witz! Also immer schicke Socken anziehen als BesucherInn! ;-)

Richter

bkjbk 25.09.2008 - 16:09
Richter ist im übrigen Josef Hoch

prozeßbeobachter

tagmata 25.09.2008 - 17:22
wollen die rechtsreaktionären - stichwort pi-news - diesmal auch vorbeischicken.

ergänzung

(ausgefüllt) 25.09.2008 - 17:39
zu erwähnen ist noch, dass der einlass ab 8 uhr beginnen sollte, aber erst um 8.30 begann. bis alle 50 plätze belegt waren, war es inzwischen fast 10 uhr.
zu den baulichen gegebenheiten der toiletten ist zu sagen, dass hinterm eingang für die anwälte, beamte, angeklagte und presseleute toiletten vorhanden waren und man sich ernsthaft fragen muss, ob es nicht möglich sein könnte, die zuschauer wenigstens einzeln (zur not in polizeilicher begleitung) auf die toiletten zu lassen.

weiter war v.a. die BAW nicht daran interessiert, dass die zuschauer mitbekamen, was die BAW zu sagen hatte, denn die raumakustik war schlecht und der BA redete leise, undeutlich und bemühte sich nicht mal ins mokroffon zu sprechen.

positiv ergänzend ist zu sagen, dass der prozess die ganze zeit von redebeiträgen und guter musik begleitet wurde. denn draußen hatte sich das einstellungsbündnis (?) positioniert und beschallte den ganzen vormittag/mittag das gerichtsgebäude. dies geschah so laut, dass man es im gerichtssaal deutlich hören konnte.

Erklärung?

egal 25.09.2008 - 17:41
Gibts die Prozesserklärung schon irgendwo als Onlinelink?

'Abstruses' Rotfront

riotqueer 25.09.2008 - 17:43
Es scheint ein Zeichen der Zeit, um die Schiene der Verschwörung 'Rotfront' im justiziellen Gebrauch zu erwirken. Klassenjustiz ...so what! War und gibt es keine Auseinandersetzung sektiererischen Elemente in der linksradikalen 'Szene' um Berlin herum?

"This is the situation even when one introduces for the first time expressions of specialized language, since one has to make clear in ordinary language what these primitive expressions of specialized language means.
But in using an already developed specialized language one always has the alternative of introducing new expressions into specialized language, using ordinary language to relate these new primitive expressions of the already existing hood. It is just because of this rock-bottom character for the judicary sense to speak. That it makes sense, in other words, to distinguish between what ordinary language says and what 'my hood' may say that it says...."

Die Schreibtisch-Mafia near 'you'!

Prozessbeobachtung

Roland Ionas Bialke 25.09.2008 - 17:56
Der Rechtsanwalt Thomas Herzog begründete seinen Antrag gegen die Sicherheitsverfügung, also zum Beispiel, dass "bewaffnete Polizisten" im Gerichtssaal sind, wie folgt: Die Sicherheitsverfügung wäre unverhältnismässig, da alle im Raum befindlichen Menschen nach Waffen durchsucht werden. Das macht Sinn, denn wenn ein Angriff aus dem Zuschauerbereich geschehen würde, wozu dann "bewaffnete Polizisten"? Wollen die auf einen unbewaffneten Angreifer oder eine unbewaffnete Angreiferin schiessen? Dieser Antrag passte zu einen späteren Zitat eines hohen Politikers. Dieser forderte die Todesstrafe wieder einzuführen, damit "Terroristen" abgeschossen werden können.

Ich konnte mir nicht alles merken und nicht alles notieren, durfte nur einen Bleistift und ein Blatt Papier mit rein nehmen. Es wäre daher gut, wenn jemand die Anträge der Verteidigung und die Erklärungen der Angeklagten hier posten würde.

Der Rechtsanwalt Sven Lindemann beantragte anschliessend die Einstellung des Verfahrens wegen Verfahrensmangels. Beispielsweise wäre ein Sprachgutachten vor dem April 2007 nicht angefertigt worden. Ein Polizist hatte behauptet ein Angeklagter benutze so ähnliche Wörter wie die mg (zum Beispiel "Entscheidungsträger", "implodiert", usw.) und das ermittlungsintern als "Sprachgutachten" dargestellt worden. Lindemann meinte weiter, dass mehrere Akten der Verteidigung nicht zugänglich gemacht wurden, sie sich deshalb nicht rechtgemäss verteidigen können. Dann folgte die Aufzählung der nicht-erhaltenden Akten, insofern diese bekannt waren, und es war eine sehr lange Aufzählung. Danach folgte dann die Aufzählung der fehlenden Seiten in den Akten und auch diese Aufzählung war sehr lang! Lindemann forderte einen Gerichtsbeschluss, das heisst die Richter müssen die Verhandlung unterbrechen, entscheiden und die Entscheidung protokollieren lassen.

Der vorsitzende Richter schien ziemlich genervt, versuchte zu drängeln und zu der Personalienfeststellung zu kommen. Die Rechtsanwälte liessen aber nicht locker und unterbrachen den vorsitzenden Richter um weitere Anträge zu stellen. Der vorsitzende Richter versuchte den Antrag zurückzustellen. Er wolle erst die Anklageschrift vorgelesen bekommen, da er ja sonst nicht über inhaltliche Sachen entscheiden könnte. So viel "Neutralität" habe ich noch nie von einem Richter mitgekriegt! (Haha!) Die Richter und Richterinnen lesen ganz sicher die Akten vorher und da müsste dem vorsitzenden Richter schon aufgefallen sein, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Beispielsweise, so erläuterte die Verteidigung, würde von Seiten der Repressionsorgane gegen mehrere Gruppen und Personen ermittelt die die Militante Gruppe (mg) sein sollen.

Nach Verlesung der Anklageschrift, der Staatsanwalt versprach sich, sodass Wir alle hofften die mg würde auch noch 2008 aktiv sein, verlas ein Angeklagter eine Erklärung: "Das Militär gehöre auf die Anklagebank, nicht aber die Antimilitaristen." (sinngemäss)

Neben dem voprsitzenden Richter fiel der Staatsanwalt schlecht auf. Als die Verteidigung sich beschwerte, dass übersendete Akten schief gescannt worden waren, brachte der Staatsanwalt folgendes heraus: "In Zukunft können sie sich ihre Akten selbst kopieren." Da merkt gleiche jede/r was hinter der Fassade steckt.

Zu dem Kopieren der Personalausweise von Prozessbeobachtern und Prozessbeobachterinnen und der Verwendung der Kopien durch das LKA/BKA bemerkte der vorsitzende Richter: "Das Prozedere ist so angeordnet worden wie ich es angeordnet habe." Also entweder hat dieser Richter angeordnet, dass die Ausweiskopien durch das LKA/BKA ausgewertet werden dürfen oder er ist schlicht ein Lügner. Ich habe diesen Richter während des Einlasses beobachtet und er konnte nicht sehen was mit den Kopien geschieht. Er sass fast die ganze Zeit auf seinen hohen Richterstuhl im Gerichtssaal und kontrollierte nicht was unten am Einlass geschah!

Als es um die Vorenthaltung der Akten ging meinte Rechtsanwalt Herzog folgendes zum Staatsanwalt: Ich beantrage jetzt nicht sie als Zeuge zu benennen." Das ist meiner Meinung nach sehr schade - Soll der Staatsanwalt doch mal dafür Rechenschaft ablegen warum so viele Akten nicht zu der Verteidigung gingen und er jetzt dadurch einen Vorteil hat.















und durch die Polizei die Behauptung eines Polizisten



Gemeint sind wir alle!!!

solidaridad 25.09.2008 - 18:34
Der Tagesspiegel hatte gestern in seinem Artikel vermutet, dass der Prozessauftakt "turbulent" werden dürfte... Zumindest die Lautstärke der Musik, die im Gerichtssaal gut zu hören war, brachte etwas Trubel in das sonst so behäbige Berliner Kammergericht. Aber war das turbulent?
Muss man sich nicht schon fragen, warum nicht mehr Leute anwesend waren beim Auftakt zu einem Prozess, bei dem Linke nach §129 angeklagt sind? Die guten alten Parole: "Gemeint sind wir alle" und "Solidarität ist eine Waffe" scheinen nicht mehr sehr viele Menschen zu erreichen oder anzusprechen. Es müsste zusammen überlegt und diskutiert werden, woran das liegt.
- Lassen sich viele von den Sicherheitsvorkehrungen abschrecken?
- Gibt es politische Gründe, weswegen Solidarität verweigert wird?
- Was ist mit Berührungsängsten wegen des mg-Vorwurfs?
- Spielt der §129 keine Rolle im politischen Alltag?
- Sind alle nur in ihren ganz eigenen Kleinst-Szenen oder Sub-Spektren zu Hause?
- Sind so viele von uns zeitlich zu sehr eingespannt in Arbeits- bzw. Ausbildungsleben und andere Zwänge?
- Wurden Informationen über den Prozess bzw. das Verfahren nicht gut oder weit genug verbreitet?

Was gut lief:
Diejenigen, die sich zur frühen Uhrzeit nach Moabit aufgemacht hatten, wurden dankenswerterweise von der Vokü mit heißen Getränken begrüßt; es gab immer wieder Informationen von drinnen nach draußen und umgekehrt; im Saal wurde nach der verlesenen Erklärung der drei Angeklagten laut geklatscht; die Kundgebung funktionierte als Anlaufstelle, hat aber auch unseren Widerspruch gegen dieses Verfahren nach außen deutlich gemacht auch ein paar Infos an Interessierte verteilen können.

Kommt zu den Prozessterminen! Informiert Euch und andere über diesen aktuellen Ausdruck der Repression, der - über viele politische Differenzen hinweg - uns alle angeht, weil er uns alle meint!

Die weiteren angesetzten Prozesstermine - bitte vorher immer noch mal auf der homepage des Einstellungsbündnisses checken:

1.10. (11h), 8.10. (11h), 9.10., 15.10., 16.10., 29.10., 30.10., 5.11, 6.11., 12.11, 13.11., 10.12., 11.12., 17.12., 18.12., 7.1., jeweils 09.00 Uhr, am gleichen Ort. Pünktliches erscheinen um ca. 8 Uhr ist zu empfehlen, da Schikanen am Einlass aus Erfahrung bei politischen Prozessen nicht unbedingt ausbleiben.
Ort: Amtsgericht Tiergarten, Turmstr. 91 (U-Bhf. Turmstr.), Saal 700 (Eingang links neben dem Haupteingang)

Weitere Infos unter  http://einstellung.so36.net

Freispruch für Axel, Florian und Oliver!
Einstellung der Verfahren und die Abschaffung der §§ 129, 129a und 129b!

Farbbeutel-Anschlag

http://www.focus.de 28.09.2008 - 05:07
Nach dem Anschlag auf das Haus des Ex-„Spiegel“-Chefredakteurs Stefan Aust ist ein Bekennerschreiben aufgetaucht. Der Staatsschutz beschäftigt sich mit dem Fall.

Das Papier werde ausgewertet, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Die Suche nach den Tätern habe bisher allerdings nicht auf eine heiße Spur geführt. Es werde weiter „in alle Richtungen“ ermittelt.

Bei der „Hamburger Morgenpost“ war am Freitag ein dreiseitiges Bekennerschreiben eingegangen, in dem sich die unbekannten Absender auf den Kinostart des RAF-Films „Der-Baader-Meinhof Komplex“ beziehen. Nach dem Bericht werfen die angeblichen Täter Aust vor, sich mit den Büchern über die RAF zu bereichern und „die GenossInnen der RAF“ als Psychopathen darzustellen. Das Bekennerschreiben ende mit „Freiheit für Christian Klar und Brigitte Hogefeld“.

In der Nacht zum Donnerstag, unmittelbar vor dem Kinostart des RAF-Films „Der Baader Meinhof Komplex“, hatten Unbekannte mehrere Farbbeutel und Marmeladengläser mit Farbe gegen die Aust-Villa im Stadtteil Blankenese geworfen. Auch eine Rauchgranate wurde geworfen. Austs Frau und zwei Kinder hielten sich zum Zeitpunkt des Anschlags in dem Gebäude auf. Verletzt wurde niemand. Der 62-jährige Aust selbst, der die literarische Vorlage für den „RAF“-Film des Produzenten Bernd Eichinger geliefert hatte, war nicht zu Hause.

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