Köln; Proteste bei "JobProfil"

agenturschluss 19.09.2008 14:35 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Im Rahmen der offiziellen Feier "10 Jahre Jobprofil" kam es zu Störungen u.a. durch kritische Erwerbslose aus dem Spektrum der KEAs und der Kampagne 'Zahltag!'. Das Buffet wurde zur "Kölner Tafel" erklärt.
Um es vorweg zu nehmen: Ja, zu den Blockadeaktionen gegen den so genannten 'Anti-Islamisierungs-Kongress' des rechtsextremistischen Wählerbündnisses 'Pro Köln' sind die DemonstrantInnen im Anschluss auch noch gegangen, ... aber zuvor musste man die Feste feiern, wie sie halt fallen.

Der arbeitsdiagnostische Dienst der ARGE Köln lud zum Jubiläum seiner zehnjährigen Existenz. Sozialdezernentin Bredehorst (B'90/Die Grünen), ARGE-Geschäftsführer Müller-Starmann und viele andere übermittelten vor Ort ihre Grußbotschaften mit verbalen Huldigungen von "Menschen" - auf der einen - und "Kunden" - auf der anderen Seite.

Bevor die etwas über zehn AktivistInnen jedoch die Party betreten konnten, wurden sie im Foyer genötigt, sich diverser Namensschilder auf einem Empfangstisch zu bedienen. Also war dann der im Urlaub befindliche stellvertretende Geschäftsführer der ARGE, Olaf Wagner, dann doch noch (würdig vertreten) anwesend. Und so fielen sie zunächst auch optisch nicht weiter auf, als man sich unter die Gästeschar mischte, bis auf den einen oder anderen kritischen Zwischenruf.

Müller-Starmann, der erst kürzlich im Rahmen einer ähnlichen Aktion mit einer Torte beworfen wurde, ließ man am Rednerpult noch gewähren, als plötzlich im Hintergrund Musik abgespielt wurde, Trillerpfeifen zu hören waren und Flyer verteilt wurden.

Ausgerechnet der Protestlieder des Kölner Straßen- und Salonmusikers Klaus der Geiger bediente man sich, zumal dieser just selbst im Programmplan jenes Feiertages steht. Die "Demo" also würde am Nachmittag zwangsläufig weitergehen, aber diese verhärteten Gutmenschen werden Texte und Anliegen Klaus' nicht mehr begreifen, nicht mehr an sich ranlassen können.

Angesichts der beruflichen Einbindung in einem Apparat, wo studierte SozialarbeiterInnen und gelernte ErgotherapeutInnen sich in anmaßender Art und Weise per Fragebogen, Beobachtungen, Drohungen und abschließender Bewertung in das Intimleben (noch) mündiger Menschen schleichen, ist der innere Verdrängungseffekt offenbar ein Reflex des Selbstschutzes. Schließlich muss man Abends noch einschlafen können.

Allein der Titel eines dort gehaltenen Referats von Achim Storck: „Fernweh – Ziele und Reisewege für arbeitsmarktferne und -nahe Kunden“ offenbart, dass diese Menschen nicht mehr von dieser Welt sind. HartzIV macht nicht nur betroffene Erwerbslose kaputt, sondern auch darin involvierte Mitarbeiter! Und wer noch nicht krank ist: bei JobProfil stehen die Chancen gut, es alsbald zu werden. Hier wird entschieden, für welchen 1-Euro-Job, für welche geschützte Werkstatt, für welches Krankheitsbild der "Kunde" in Frage kommt. Und immer nach der Devise: "Und bist Du nicht willig, dann brauch ich Dein Geld!" (in Form von Sanktionen!) Was, verdammt, ist SOZIAL an dieser Sozialarbeit?

Während Geschäftsführerin Elke Titze im Dreieck sprang und erfolglos versuchte an die Musikanlage der AktivistInnen zu gelangen, setzte die Moderation am Mikrophon auf Deeskalation und gestattete die Verlesung der Grußbotschaft der SELBSTorganisierten Erwerbslosen.

Und so hätte der Feiertag nach diesem kleinen MUNTERmacher in geordneten Bahnen weitergehen können, nachdem die DemonstrantInnen gingen, ... wenn sie nicht durch die Hintertür wiedergekommen wären.
Ein Aufschrei und das gesamte Personal von JobProfil verließ hektisch den Saal, um das Buffet auf dem Hof zu verteidigen. Verwaltungsleiter Staphan Wichterich musste zurückgehalten werden, bevor er gegenüber einer Frau ernsthaft gewaltätig werden wollte, um einen Sack Brötchen(!) zurück zu erobern. (Vielleicht sollte er sich mal als "Kunde" seiner Firma einchecken und therapieren lassen.)

Hier die Grußbotschaft:


10 Jahre JobProfil
... und kein bisschen weiser !

Unter dem Motto „10 Jahre JobProfil“ - der arbeitsdiagnostische Fachdienst der
ARGE Köln – lädt man zu Kaffee und Kuchen und lecker Essen vom Grill.

Dazu eine poetisch anmutende Lesung von Joachim Storck (Gesellschaft für
psychosoziale Einrichtungen in Mainz und stellvertretender Vorsitzende der
BundesArbeitsGemeinschaft Integrationsfirmen) unter dem Titel:

„Fernweh – Ziele und Reisewege für arbeitsmarktferne und -nahe Kunden“

Und Karin Opphard (B'90/Die Grünen) vom Verband kommunale Abfallwirtschaft
und Stadtreinigung erzählt schon mal, wie das so funktioniert, mit dem Arbeitsmarkt und dessen „KundInnen“, die seit HartzIV gerade im Bereich der Stadtreinigung ihre vermeintliche Profession finden sollen.

Lobbyisten unter sich

Eine geballte Ladung an Gutmenschen und SozialarbeiterInnen, die ihr klägliches
Dasein damit fristen, erwerbslose Menschen auf ihre materielle Verwertbarkeit zu
überprüfen, was mit Gängelei, Verfolgungsbetreuung, Entrechtung, mit 1-Euro-Jobs
und nicht zuletzt mit finanziellen Sanktionen (Hand in Hand mit der ARGE)
einhergeht. Denn:

„Ein allen Förderungsmaßnahmen gemeinsamer Mangel ist die Bevormundung der Leute.“ *

Wir erachten es als zwingend notwendig und bereichernd, einer solchen Feierstunde
auch die Lobby des Prekariats bzw. der „Überflüssigen“ dieser Gesellschaft entgegen zu stellen. Nicht, um mit Euch zu reden – Wer HartzIV durchsetzt, um daran zu verdienen, kann nicht unser Gesprächspartner sein! –, sondern um Euch die Grußbotschaft zu übermitteln:

IHR KÖNNT UNS MAL!

+++ Weg mit HartzIV! +++ ARGE abwickeln! +++

Eine Initiative der Kampagne „Zahltag!“

_______
*
Der Soziologe Andreas Willisch 'über Unterschichten, Prekariat und das Phänomen der sozialen Entbettung'


Weiterführende Links:

 http://www.jobprofil-koeln.de/content/index_ger.html
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen