Schanzenfest HH: Die Büchse der Pandora
Schanzenviertelfest, runde Tische und Krawallambiente: In Folge des diesjährigen Schanzenfestes, hat der Hamburger Innensenator Alhaus angekündigt, das Strassenfest im Schanzenviertel zukünftig verhindern zu wollen. Um dieser Gewaltandrohung einen Hauch von Legitimität zu verleihen wurde zusätzlich angekündigt, einen sogenanannten „runden Tisch“ aus Parteien, Polizei und Behörden einzurichten, der noch um vermeintliche Initiativen aus dem Viertel erweitert werden soll. Die Zielsetzung dieses runden Tisches ist es anstatt des traditionellen Schanzenfestes -welches im nächsten Jahr zum 21. mal stattfinden wird- ein behördlich genehmigungsfähiges Einerlei in die Welt zu setzen.
Wir wenden uns gegen den Versuch, ein unverwechselbares, weil mit Eigenleben gefülltes Fest durch massenkonforme Dosenware mit Unbedenklichkeitszertifikat der Innenbehörde zu ersetzen. Es gibt genügend Hafengeburtstage und Alstervergnügen in dieser Stadt. Es gibt zu viele unnötige Auflagen und hirnverbrannte Vorschriften, die in hohen Standgebühren münden, zu viele todlangweilige Straßenfeste die von professionellen Ständen und Markenlogos überschwemmt werden.
Wir werten die Initiative zu einem „runden Tisch“ als Angriff auf alles, was das Schanzenfest in den letzten 20 Jahren ausgemacht hat!
Das Straßenfest verlief in diesem Jahr, wie in allen Jahren zuvor, den Tag über entspannt. Gemessen an dem, was bei vergleichbaren Veranstaltungen mit mehr als 20 000 Besucher_innen passiert, ist das Schanzenfest eine der friedlichsten Veranstaltungen überhaupt. Jedes Dorffest hat mehr Schlägereien, jede mittlere Disco eine höhere Zahl an Alkoholleichen und jedes Sportereignis mehr Konfliktpotential. Der vordergründige Anlass der Ankündigung, das Fest im nächsten Jahr anzugreifen, waren verschiedene, in erster Linie von Jugendlichen getragene Auseinandersetzungen in der Nacht. Eine Situation, die im Schanzenviertel nicht wirklich selten ist. Die oft politische Ursachen, aber manchmal auch eher soziale hat. Gemessen an dem, was jedes Wochenende auf der Reeperbahn stattfindet, ist die Schanze allerdings so oder so ein Hort des Friedens und der Glückseeligkeit. Allerdings liegen die Verhältnisse dort auch nur noch einen Steinwurf von der Schanze entfernt und diese Entwicklung mag auch ein Mitgrund für viele Auseinandersetzungen in den letzten Jahren sein. Das Schanzenviertel ist zum Ersatz- Kiez aufgestiegen, die Mieten steigen unaufhaltsam und immer mehr Modelabels und große Ketten suchen Platz am aufstrebenden Standort.
Menschen, die schon länger hier wohnen, können sich die Mieten nicht mehr leisten und werden verdrängt, ältere Kneipen und Läden machen dicht.
Sie werden gekündigt, um Platz zu schaffen für eine teurere Konsumkultur, die die neuen durchgeschleusten Massen an Besoffenen bedienen soll. Das Ganze nennt sich dann aufstrebender Stadtteil und ist eine einzige große Scheiße. Wir können dem Umstand, bei einem Reformhaus die Scheiben einzuwerfen, wirklich nichts abgewinnen, aber wir verstehen die Wut, die sich hier breit macht, auf eine Immobilienbranche, die immer mehr Eigentumswohnungen verkauft, auf teure Glasneubauten oder schicke Läden, die für diesen Wandel stehen. Das Schanzenfest läßt sich nicht isoliert außerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse betrachten. Wie Rufe von zum Untergang Geweihten wirkte mitten im gleichzeitigen Auflösungsprozeß der SPD um die Demontage von Kurt Beck der verbale Amoklauf vom Hamburger Landesverband. Innenexperte Dressel forderte, der Senat müsse klären, wie es zu den „schweren Zusammenstößen“ kommen konnte und kündigte an, die SPD werde in der Bürgerschaft eine Kleine Anfrage stellen. Er forderte analog zum bemüht hemdsärmeligen Jargon des auf die Politikbühne zurückgekehrten Müntefering „eine scharfe Kante“ gegen die linke Szene.
Martialische Töne die einige Wochen zuvor bereits im Zusammenhang mit dem AntiraKlimaCamp in Lurup angeschlagen wurden. Dort wurde gewettert, es dürfe kein solches Camp mehr in Hamburg geben. Nun einige Wochen später wird festgestellt, ein Schanzenfest dürfe es so wie bisher nicht mehr geben. Wahlen waren doch gerade erst?! Wir sind sehr gespannt auf die unerschöpfliche Liste der Parteien, was es bis in drei Jahren zugunsten des Landfriedens so alles nicht mehr geben soll. Demonstrationen, Osterfeuer, Walpurgisnacht, Hamburger Dom, Trinken in der Öffentlichkeit, Hochzeitsfeiern und selbstverständlich der Wochentag Samstag, weil die meisten Krawalle in ritualisierter Art und Weise ja schließlich auf diesen Tag fallen.
Die SPD besinnt sich in ihrer Krisenhaftigkeit an alte Zeiten und setzt voll und ganz auf die „Law and Order“ Karte. Solche offensichtliche Anbiederung an rechte Wählerschichten ist in erster Linie peinlich. Historisch betrachtet gingen die Krawalle nach dem Schanzenfest nämlich unter SPD Regierung und Innensenator Olaf Scholz erst richtig los. Hintergrund war ein Anziehen der Repression und Schwenk nach rechts aus wahltaktischen Gründen, da die SPD stark unter rechtspopulistischem Druck stand. Brechmittel wurden eingeführt und Innere Sicherheit großgeschrieben. Der Achidi-John-Platz vor der Roten Flora trägt nicht umsonst den Namen des ersten von der Innenbehörde durch Brechmittel Ermordeten. Doch die Radikalisierung der SPD nutzte schon damals nichts: Schill setzte sich durch und noch einen drauf! Die Macht ging verloren und Hamburg kam bundesweit in die Schlagzeilen der Regenbogenpresse: Sylt, Schill, Beust, Koks, Polizeigewalt und Populismus. Vieles ist bis heute geblieben!
Erst durch die völlig unnötigen Polizeieinsätze der Vergangenheit eskalierten die Auseinandersetzungen nach dem Schanzenfest zur heutigen sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Eine „Law and Oder“-Politik hat die Büchse der Pandora überhaupt erst geöffnet. Das wissen auch alle Verantwortlichen in der Innenbehörde und wenn sie könnten, würden einige Personen dort das Rad der Geschichte sicherlich gerne noch einmal zurückdrehen. Auf die martialisch inszenierten Wasserwerferüberfälle auf ein noch traditionell betont friedliches Fest verzichten. Ein Blick zurück ist daher hilfreich. Mitte der Neunziger begannen die Auseinandersetzungen mit der Polizei. Anlass war damals ein kleines Feuer auf dem Schulterblatt, um das acht bis zehn Personen saßen. Gitarre wurde gespielt, gesungen und Bier getrunken. Morgens um 5 kam eine Polizeistreife vorbei und löschte das Lagerfeuer. In den folgenden Jahren spitzten sich die Ereignisse um diese Banalität jedoch zu und immer mehr Polizist_innen wurden zum Einsatz bemüht. Wasserwerfer spritzen wahllos alles über den Haufen, Polizist_innen griffen wahllos Stände und Besucher-_innen an und sperrten ganze Straßenzüge mit Hamburger Gittern ab.
Wurden diese Einsätze anfangs noch relativ gelassen und mit Ironie hingenommen, nahm irgendwann dann auch die Gegenwehr zu. Bis hin zum Zeitpunkt wo es von vielen Jugendlichen und Flaneur_innen als nicht mehr notwendig erachtet wurde, darauf darauf zu warten, bis die Polizei kommt und eine_n verkloppt, sondern dieser zuvor gekommen wird. Denn regelmäßig kam es zu schweren Verletzungen von Besucher_innen und gravierenden Rechtsverstößen der Polizei.
Das heutige, von vielen beklagte Straßenschlachtritual ist eines, das zu keinem Zeitpunkt vom Fest gesucht oder geschaffen worden ist, sondern dessen Entstehung einzig und allein von Polizei und Politik zu verantworten ist! Alle, die schon länger hier im Stadtteil feiern, leben und diese Entwicklung mitgemacht haben, wissen das.
Der Staat demonstrierte ungebremst seine Gewalt und wundert sich heute, dass dies nicht unbemerkt blieb.
Die Krawalle nach dem Fest haben nichts ursächlich mit dieser Veranstaltung, aber viel mit den repressiven Verhältnissen zu tun. Wenn die Verantwortlichen aus der Erkenntnis ihrer Unfähigkeit, mit dieser selbstgeschaffenen Situation klarzukommen, jetzt diesen Ball in den Stadtteil zurück spielen wollen, dann sind wir nicht so blöd, auf solche Ablenkungsmanöver einzugehen. Wir lassen uns nicht zum Teil einer alles umfassenden Sicherheitsarchitektur machen und haben keinerlei Veranlassung, die verfehlte Politik des Hamburger Senates auszubaden: Wir werden weiterhin das Schanzenfest feiern und lassen uns von einem wildgewordenen Polizeiapparat diesen Tag nicht kaputtmachen!
Es geht Innensenator Alhaus auch gar nicht darum irgendwelche Krawalle zu verhindern. Im Gegenteil, Alhaus möchte eine Eskalation und Zuspitzung schaffen in deren Rahmen er sich selbst als Friedensstifter darstellt. In unglaublicher Arroganz und Selbstüberschätzung lässt er sich in der Hamburger Morgenpost zu der Bemerkung herab:
»Ich verstehe den runden Tisch als Angebot, dem friedlichen Teil des Schanzenfestes noch eine Chance zu geben.«
Die autoritäre Gutsherrenart, in der Alhaus glaubt, im ungeliebten Schanzenviertel sein Zuckerbrot verteilen zu können, stellt sich als beeindruckendes Beispiel an
Weltfremdheit und Selbstüberschätzung dar.
Er ist weder in der Position, moralisch fragwürdige Angebote zu machen, noch werden hier irgendwelche Initiativen, die für dieses Fest stehen, einer Aufforderung zum Hofknicks vor dem schwarz/grünen von Beust Senat nachkommen. Dass es lediglich um den Umstand geht, dass im Schanzenviertel seit Jahren ohne das Siegel des Hamburger Senates gefeiert wird, wird auch aus der Reaktion des Grünen Koalitonspartners deutlich: »Gibt es einen Veranstalter des Festes, könnte der es anmelden und hätte eine Rechtsgrundlage für die Durchführung. Mit solch einer Regelung kann das Fest sich eindeutig von dem trennen, was danach passiert« Niemand rechnet anscheinend damit, dass im Rahmen einer Anmeldung oder eines Verbotes weitere Krawalle ausbleiben. Diese Erkenntnis hat sich nach mehreren erfolglosen Versuchen der Be- und Verhinderung des Festes selbst im Polizeiapparat durchgesetzt, weshalb dort inzwischen auch eher auf eine Tolerierung des Festes gesetzt wird. »“Aus polizeilicher Sicht können wir nur mit starken Kräften reagieren. Verhindern lassen sich diese Krawalle kaum“, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. Auch das Verbieten des Festes würde vermutlich keinen Sinn machen. „Die Probleme hatten mit dem Fest an sich nichts zu tun“.«
Ein Fest das gewaltsam be- oder verhindert wird oder unter Drohungen zwangsangemeldet, wird aufgrund der eingeschlagenen Eskalation erst recht in einem Meer aus Feuer und Flamme untergehen. Weshalb nun also diese populistische Kriegserklärung an das seit Jahren so entspannt verlaufende Fest? Das CDU und SPD das Streichholz an diese sich selbst erfüllende Gewissheit halten, verbleibt lediglich als parteipolitisches Manöver auf Kosten von Anwohnerinnen und Anwohnern, die sich seit Jahren hier engagieren. Es dient der Ideologie der Bekämpfung angeblicher rechtsfreier Räume und knüpft direkt an die Angriffe gegen die Hafenstraße oder die Rote Flora an. Es steht im Kontext einer zunehmenden Überwachung und Repression im Alltag. Der Verschärfung von Gesetzen und immer lückenloseren Kontrolle im Alltag.
Es gibt für uns keinen einzigen guten Grund, weshalb das Fest in Zukunft angemeldet werden sollte. Wir sehen aber durchaus Gründe, die dagegen sprechen!
Ständig zunehmende Auflagen, steigende Kosten durch behördlichen Firlefanz, die Erfahrung von am Fest Beteiligten, dass dieser ganze Aufwand in keiner Art und Weise eine Bedeutung für den Ablauf des Festes als solches hat. Wir finden es z.B. gut und richtig, dass es einen Flohmarkt ohne Anmeldung und Standgebühren gibt. Im bürokratischen Genehmigungsverfahren sind solche soziokulturellen Freiräume für ein Stadtteilfest nicht vorgesehen. Stattdessen werden nach einer neuen Gesetzesrichtlinie Veranstalter_innen sogar noch zur Kasse gebeten, wenn die Polizei ein solches Fest angreift. Nach der Auflösung des Karoviertelfestes vor einigen Jahren wurde die Anmelderin dazu verurteilt, den Einsatz persönlich zu bezahlen. Eine Anmeldung bedeutet, dem staatlichen Kontrollwahn eine Legitimität zuzusprechen, die es nicht gibt. Wir fordern die politisch Verantwortlichen auf, ihre immer wiederkehrende Politik der polizeilichen Eskalation zu beenden. Es gibt für uns keinerlei Veranlassung, der vorgeschobenen Initiative von runden Tischen als Erfüllungsinstrument staatlicher und autoritärer Ordnungspolitik eine Legitimität zu verleihen. Diese Inszenierung dient nicht den Interessen der Menschen, die hier Leben, sondern ist ein Werkzeug zur weichen Durchsetzung einer bürokratischen Disziplinierungsgewalt. Der TeilnehmerInnenkreis solcher Runden gaukelt gesellschaftliche Offenheit vor, während er in Wirklichkeit die ökonomischen Interessen von privilegierten Protagonist_innen durchsetzt.
Dieser von oben inszenierte runde Tisch ist kein Forum zur Behebung der Gründe von gesellschaftlicher Gewalt oder Hierarchien, sondern Bestandteil dieser Verhältnisse.
Er ist ein parteipolitischer Angriff auf alle, die hier leben, arbeiten oder zu Besuch sind und denen etwas an selbstbestimmter Kultur und Politik in diesem Stadtteil liegt. Die Pappkartons werden weiter lodern, nicht nur beim Schanzenviertelfest, sondern auch im Rahmen anderer politischer Auseinandersetzungsfelder. Ob in Moorburg,
ob im Rahmen der Sozialpolitik oder den sich verschärfenden Alltagsbedingungen jener, die vom globalen Ökonomieexpress zunehmend abgehängt werden. Es ist nicht nur so, dass den Parteien politische Konzepte im Rahmen sich verändernder Bedingungen fehlen, sondern, dem zugrunde liegend als Teil des Ganzen, natürlich auch der Wille. Die wirkliche Antwort, eine Infragestellung der Werte des politischen Systems und seines autoritären Charakters bleibt in zwangsläufiger Weise aus.
Der Feuerschein am Abend des Schanzenfestes bildet insofern nicht nur ein lokales Erlebnis- und sperriges Protestbedürfnis von Jugendlichen ab, sondern ebenso das Hintergrundflackern eines viel weitreichenderen und politischeren Konfliktfeldes. Die Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe, nach Perspektiven jenseits ökonomischer Verwertung, die globale Entwicklung und ihre Auswirkungen vor Ort, das sind die Motoren dieser Auseinandersetzung. Wasserwerfer werden auf Dauer nicht ausreichen, um diesen Schwelbrand und seine lokalen Flammenausbrüche zu bändigen!
Der Senat will Befriedung durch Friedhofsruhe. Aber Wut macht erfinderisch!
Wir setzen auf kulturelle und politische Orte der Selbstdarstellung, eine Politik, die wir selbst gestalten und die an unserem Alltag ansetzt, auf Solidarität und Geschichtsbewußtsein. Wir setzen darauf, dass wir uns nicht zu den emotionslosen Objekten einer verfehlten Stadtplanung machen lassen, sondern lassen unseren subjektiven Bedürfnissen freien Lauf.
Wir sind laut, hysterisch, optimistisch. In keiner Art
und Weise stapelbar und passend zu biegen in eine Welt, die sich selbst und ihre Gefühle über den Normalzustand definiert.
WIR FEIERN, WIE WIR WOLLEN!
Für selbstbestimmtes Fluten und Leben!
Solidarität mit Betroffenen staatlicher Repression!
Autoritäre Tische umtanzen, ob rund oder eckig!
Wir werten die Initiative zu einem „runden Tisch“ als Angriff auf alles, was das Schanzenfest in den letzten 20 Jahren ausgemacht hat!
Das Straßenfest verlief in diesem Jahr, wie in allen Jahren zuvor, den Tag über entspannt. Gemessen an dem, was bei vergleichbaren Veranstaltungen mit mehr als 20 000 Besucher_innen passiert, ist das Schanzenfest eine der friedlichsten Veranstaltungen überhaupt. Jedes Dorffest hat mehr Schlägereien, jede mittlere Disco eine höhere Zahl an Alkoholleichen und jedes Sportereignis mehr Konfliktpotential. Der vordergründige Anlass der Ankündigung, das Fest im nächsten Jahr anzugreifen, waren verschiedene, in erster Linie von Jugendlichen getragene Auseinandersetzungen in der Nacht. Eine Situation, die im Schanzenviertel nicht wirklich selten ist. Die oft politische Ursachen, aber manchmal auch eher soziale hat. Gemessen an dem, was jedes Wochenende auf der Reeperbahn stattfindet, ist die Schanze allerdings so oder so ein Hort des Friedens und der Glückseeligkeit. Allerdings liegen die Verhältnisse dort auch nur noch einen Steinwurf von der Schanze entfernt und diese Entwicklung mag auch ein Mitgrund für viele Auseinandersetzungen in den letzten Jahren sein. Das Schanzenviertel ist zum Ersatz- Kiez aufgestiegen, die Mieten steigen unaufhaltsam und immer mehr Modelabels und große Ketten suchen Platz am aufstrebenden Standort.
Menschen, die schon länger hier wohnen, können sich die Mieten nicht mehr leisten und werden verdrängt, ältere Kneipen und Läden machen dicht.
Sie werden gekündigt, um Platz zu schaffen für eine teurere Konsumkultur, die die neuen durchgeschleusten Massen an Besoffenen bedienen soll. Das Ganze nennt sich dann aufstrebender Stadtteil und ist eine einzige große Scheiße. Wir können dem Umstand, bei einem Reformhaus die Scheiben einzuwerfen, wirklich nichts abgewinnen, aber wir verstehen die Wut, die sich hier breit macht, auf eine Immobilienbranche, die immer mehr Eigentumswohnungen verkauft, auf teure Glasneubauten oder schicke Läden, die für diesen Wandel stehen. Das Schanzenfest läßt sich nicht isoliert außerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse betrachten. Wie Rufe von zum Untergang Geweihten wirkte mitten im gleichzeitigen Auflösungsprozeß der SPD um die Demontage von Kurt Beck der verbale Amoklauf vom Hamburger Landesverband. Innenexperte Dressel forderte, der Senat müsse klären, wie es zu den „schweren Zusammenstößen“ kommen konnte und kündigte an, die SPD werde in der Bürgerschaft eine Kleine Anfrage stellen. Er forderte analog zum bemüht hemdsärmeligen Jargon des auf die Politikbühne zurückgekehrten Müntefering „eine scharfe Kante“ gegen die linke Szene.
Martialische Töne die einige Wochen zuvor bereits im Zusammenhang mit dem AntiraKlimaCamp in Lurup angeschlagen wurden. Dort wurde gewettert, es dürfe kein solches Camp mehr in Hamburg geben. Nun einige Wochen später wird festgestellt, ein Schanzenfest dürfe es so wie bisher nicht mehr geben. Wahlen waren doch gerade erst?! Wir sind sehr gespannt auf die unerschöpfliche Liste der Parteien, was es bis in drei Jahren zugunsten des Landfriedens so alles nicht mehr geben soll. Demonstrationen, Osterfeuer, Walpurgisnacht, Hamburger Dom, Trinken in der Öffentlichkeit, Hochzeitsfeiern und selbstverständlich der Wochentag Samstag, weil die meisten Krawalle in ritualisierter Art und Weise ja schließlich auf diesen Tag fallen.
Die SPD besinnt sich in ihrer Krisenhaftigkeit an alte Zeiten und setzt voll und ganz auf die „Law and Order“ Karte. Solche offensichtliche Anbiederung an rechte Wählerschichten ist in erster Linie peinlich. Historisch betrachtet gingen die Krawalle nach dem Schanzenfest nämlich unter SPD Regierung und Innensenator Olaf Scholz erst richtig los. Hintergrund war ein Anziehen der Repression und Schwenk nach rechts aus wahltaktischen Gründen, da die SPD stark unter rechtspopulistischem Druck stand. Brechmittel wurden eingeführt und Innere Sicherheit großgeschrieben. Der Achidi-John-Platz vor der Roten Flora trägt nicht umsonst den Namen des ersten von der Innenbehörde durch Brechmittel Ermordeten. Doch die Radikalisierung der SPD nutzte schon damals nichts: Schill setzte sich durch und noch einen drauf! Die Macht ging verloren und Hamburg kam bundesweit in die Schlagzeilen der Regenbogenpresse: Sylt, Schill, Beust, Koks, Polizeigewalt und Populismus. Vieles ist bis heute geblieben!
Erst durch die völlig unnötigen Polizeieinsätze der Vergangenheit eskalierten die Auseinandersetzungen nach dem Schanzenfest zur heutigen sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Eine „Law and Oder“-Politik hat die Büchse der Pandora überhaupt erst geöffnet. Das wissen auch alle Verantwortlichen in der Innenbehörde und wenn sie könnten, würden einige Personen dort das Rad der Geschichte sicherlich gerne noch einmal zurückdrehen. Auf die martialisch inszenierten Wasserwerferüberfälle auf ein noch traditionell betont friedliches Fest verzichten. Ein Blick zurück ist daher hilfreich. Mitte der Neunziger begannen die Auseinandersetzungen mit der Polizei. Anlass war damals ein kleines Feuer auf dem Schulterblatt, um das acht bis zehn Personen saßen. Gitarre wurde gespielt, gesungen und Bier getrunken. Morgens um 5 kam eine Polizeistreife vorbei und löschte das Lagerfeuer. In den folgenden Jahren spitzten sich die Ereignisse um diese Banalität jedoch zu und immer mehr Polizist_innen wurden zum Einsatz bemüht. Wasserwerfer spritzen wahllos alles über den Haufen, Polizist_innen griffen wahllos Stände und Besucher-_innen an und sperrten ganze Straßenzüge mit Hamburger Gittern ab.
Wurden diese Einsätze anfangs noch relativ gelassen und mit Ironie hingenommen, nahm irgendwann dann auch die Gegenwehr zu. Bis hin zum Zeitpunkt wo es von vielen Jugendlichen und Flaneur_innen als nicht mehr notwendig erachtet wurde, darauf darauf zu warten, bis die Polizei kommt und eine_n verkloppt, sondern dieser zuvor gekommen wird. Denn regelmäßig kam es zu schweren Verletzungen von Besucher_innen und gravierenden Rechtsverstößen der Polizei.
Das heutige, von vielen beklagte Straßenschlachtritual ist eines, das zu keinem Zeitpunkt vom Fest gesucht oder geschaffen worden ist, sondern dessen Entstehung einzig und allein von Polizei und Politik zu verantworten ist! Alle, die schon länger hier im Stadtteil feiern, leben und diese Entwicklung mitgemacht haben, wissen das.
Der Staat demonstrierte ungebremst seine Gewalt und wundert sich heute, dass dies nicht unbemerkt blieb.
Die Krawalle nach dem Fest haben nichts ursächlich mit dieser Veranstaltung, aber viel mit den repressiven Verhältnissen zu tun. Wenn die Verantwortlichen aus der Erkenntnis ihrer Unfähigkeit, mit dieser selbstgeschaffenen Situation klarzukommen, jetzt diesen Ball in den Stadtteil zurück spielen wollen, dann sind wir nicht so blöd, auf solche Ablenkungsmanöver einzugehen. Wir lassen uns nicht zum Teil einer alles umfassenden Sicherheitsarchitektur machen und haben keinerlei Veranlassung, die verfehlte Politik des Hamburger Senates auszubaden: Wir werden weiterhin das Schanzenfest feiern und lassen uns von einem wildgewordenen Polizeiapparat diesen Tag nicht kaputtmachen!
Es geht Innensenator Alhaus auch gar nicht darum irgendwelche Krawalle zu verhindern. Im Gegenteil, Alhaus möchte eine Eskalation und Zuspitzung schaffen in deren Rahmen er sich selbst als Friedensstifter darstellt. In unglaublicher Arroganz und Selbstüberschätzung lässt er sich in der Hamburger Morgenpost zu der Bemerkung herab:
»Ich verstehe den runden Tisch als Angebot, dem friedlichen Teil des Schanzenfestes noch eine Chance zu geben.«
Die autoritäre Gutsherrenart, in der Alhaus glaubt, im ungeliebten Schanzenviertel sein Zuckerbrot verteilen zu können, stellt sich als beeindruckendes Beispiel an
Weltfremdheit und Selbstüberschätzung dar.
Er ist weder in der Position, moralisch fragwürdige Angebote zu machen, noch werden hier irgendwelche Initiativen, die für dieses Fest stehen, einer Aufforderung zum Hofknicks vor dem schwarz/grünen von Beust Senat nachkommen. Dass es lediglich um den Umstand geht, dass im Schanzenviertel seit Jahren ohne das Siegel des Hamburger Senates gefeiert wird, wird auch aus der Reaktion des Grünen Koalitonspartners deutlich: »Gibt es einen Veranstalter des Festes, könnte der es anmelden und hätte eine Rechtsgrundlage für die Durchführung. Mit solch einer Regelung kann das Fest sich eindeutig von dem trennen, was danach passiert« Niemand rechnet anscheinend damit, dass im Rahmen einer Anmeldung oder eines Verbotes weitere Krawalle ausbleiben. Diese Erkenntnis hat sich nach mehreren erfolglosen Versuchen der Be- und Verhinderung des Festes selbst im Polizeiapparat durchgesetzt, weshalb dort inzwischen auch eher auf eine Tolerierung des Festes gesetzt wird. »“Aus polizeilicher Sicht können wir nur mit starken Kräften reagieren. Verhindern lassen sich diese Krawalle kaum“, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. Auch das Verbieten des Festes würde vermutlich keinen Sinn machen. „Die Probleme hatten mit dem Fest an sich nichts zu tun“.«
Ein Fest das gewaltsam be- oder verhindert wird oder unter Drohungen zwangsangemeldet, wird aufgrund der eingeschlagenen Eskalation erst recht in einem Meer aus Feuer und Flamme untergehen. Weshalb nun also diese populistische Kriegserklärung an das seit Jahren so entspannt verlaufende Fest? Das CDU und SPD das Streichholz an diese sich selbst erfüllende Gewissheit halten, verbleibt lediglich als parteipolitisches Manöver auf Kosten von Anwohnerinnen und Anwohnern, die sich seit Jahren hier engagieren. Es dient der Ideologie der Bekämpfung angeblicher rechtsfreier Räume und knüpft direkt an die Angriffe gegen die Hafenstraße oder die Rote Flora an. Es steht im Kontext einer zunehmenden Überwachung und Repression im Alltag. Der Verschärfung von Gesetzen und immer lückenloseren Kontrolle im Alltag.
Es gibt für uns keinen einzigen guten Grund, weshalb das Fest in Zukunft angemeldet werden sollte. Wir sehen aber durchaus Gründe, die dagegen sprechen!
Ständig zunehmende Auflagen, steigende Kosten durch behördlichen Firlefanz, die Erfahrung von am Fest Beteiligten, dass dieser ganze Aufwand in keiner Art und Weise eine Bedeutung für den Ablauf des Festes als solches hat. Wir finden es z.B. gut und richtig, dass es einen Flohmarkt ohne Anmeldung und Standgebühren gibt. Im bürokratischen Genehmigungsverfahren sind solche soziokulturellen Freiräume für ein Stadtteilfest nicht vorgesehen. Stattdessen werden nach einer neuen Gesetzesrichtlinie Veranstalter_innen sogar noch zur Kasse gebeten, wenn die Polizei ein solches Fest angreift. Nach der Auflösung des Karoviertelfestes vor einigen Jahren wurde die Anmelderin dazu verurteilt, den Einsatz persönlich zu bezahlen. Eine Anmeldung bedeutet, dem staatlichen Kontrollwahn eine Legitimität zuzusprechen, die es nicht gibt. Wir fordern die politisch Verantwortlichen auf, ihre immer wiederkehrende Politik der polizeilichen Eskalation zu beenden. Es gibt für uns keinerlei Veranlassung, der vorgeschobenen Initiative von runden Tischen als Erfüllungsinstrument staatlicher und autoritärer Ordnungspolitik eine Legitimität zu verleihen. Diese Inszenierung dient nicht den Interessen der Menschen, die hier Leben, sondern ist ein Werkzeug zur weichen Durchsetzung einer bürokratischen Disziplinierungsgewalt. Der TeilnehmerInnenkreis solcher Runden gaukelt gesellschaftliche Offenheit vor, während er in Wirklichkeit die ökonomischen Interessen von privilegierten Protagonist_innen durchsetzt.
Dieser von oben inszenierte runde Tisch ist kein Forum zur Behebung der Gründe von gesellschaftlicher Gewalt oder Hierarchien, sondern Bestandteil dieser Verhältnisse.
Er ist ein parteipolitischer Angriff auf alle, die hier leben, arbeiten oder zu Besuch sind und denen etwas an selbstbestimmter Kultur und Politik in diesem Stadtteil liegt. Die Pappkartons werden weiter lodern, nicht nur beim Schanzenviertelfest, sondern auch im Rahmen anderer politischer Auseinandersetzungsfelder. Ob in Moorburg,
ob im Rahmen der Sozialpolitik oder den sich verschärfenden Alltagsbedingungen jener, die vom globalen Ökonomieexpress zunehmend abgehängt werden. Es ist nicht nur so, dass den Parteien politische Konzepte im Rahmen sich verändernder Bedingungen fehlen, sondern, dem zugrunde liegend als Teil des Ganzen, natürlich auch der Wille. Die wirkliche Antwort, eine Infragestellung der Werte des politischen Systems und seines autoritären Charakters bleibt in zwangsläufiger Weise aus.
Der Feuerschein am Abend des Schanzenfestes bildet insofern nicht nur ein lokales Erlebnis- und sperriges Protestbedürfnis von Jugendlichen ab, sondern ebenso das Hintergrundflackern eines viel weitreichenderen und politischeren Konfliktfeldes. Die Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe, nach Perspektiven jenseits ökonomischer Verwertung, die globale Entwicklung und ihre Auswirkungen vor Ort, das sind die Motoren dieser Auseinandersetzung. Wasserwerfer werden auf Dauer nicht ausreichen, um diesen Schwelbrand und seine lokalen Flammenausbrüche zu bändigen!
Der Senat will Befriedung durch Friedhofsruhe. Aber Wut macht erfinderisch!
Wir setzen auf kulturelle und politische Orte der Selbstdarstellung, eine Politik, die wir selbst gestalten und die an unserem Alltag ansetzt, auf Solidarität und Geschichtsbewußtsein. Wir setzen darauf, dass wir uns nicht zu den emotionslosen Objekten einer verfehlten Stadtplanung machen lassen, sondern lassen unseren subjektiven Bedürfnissen freien Lauf.
Wir sind laut, hysterisch, optimistisch. In keiner Art
und Weise stapelbar und passend zu biegen in eine Welt, die sich selbst und ihre Gefühle über den Normalzustand definiert.
WIR FEIERN, WIE WIR WOLLEN!
Für selbstbestimmtes Fluten und Leben!
Solidarität mit Betroffenen staatlicher Repression!
Autoritäre Tische umtanzen, ob rund oder eckig!
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Ergänzungen
guter artikel
(und in einem gewissen Sinne tun sie das, wenn wir 'sozialer Raum' nicht als politisch korrekte aseptische Szene-Wüste für Eingeweihte oder gar 'befreiten Raum'verstehen)
Sozialer Raum heisst eben auch: Gesellschaft mit all ihren unangenehmen Seiten. Wie man damit umgeht ist eine Frage des Kräfteverhältnisses und der eigene Fähigkeit in Konflikte zu intervenieren.
Wie dem auch sei: Die ausserparlamentarische Linke in Hamburg wird sich repolitisieren und bündnisfähiger werden müssen, wenn sie überleben will, ansonsten wird sie zur blossen Manövrierfläche einer immer autoritäreren Innenpolitik. Und ihre Realität und Wahrnehmbarkeit wird sich irgendwann wirklich nur noch auf die eigenen Szene-Wohnzimmer beschränken.
Übrigens
Wer die (sicher nicht unkomplizierten -aber wer ist mit 18 schon unkompliziert?)Jugendlichen aus dem Flora-Umfeld mit den Party-Sauf-Jung-Männern auf der Reeperbahn gleichsetzt, beweist damit nur: er hat schlicht keine Ahnung wovon er redet.
Und wenn man keine Ahnung hat: einfach mal die Fresse halten.
Der Grund ist da.
Und die wollen halt keine kaputten Fenster haben. Werden sie aber wohl - und zwar nicht nur zum Schanzenfest!
Aus dem Abendblatt:
GAL und Linke sollen es richten. Um im kommenden Jahr ein geordnetes Schanzenfest sicherzustellen, schickt Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose (parteilos) Vertreter dieser beiden Fraktionen in die Schanze. Diese sollen sich dort auf die Suche nach Anwohnern machen, die das bislang illegale Straßenfest, nachdem es immer wieder zu schweren Krawallen kommt, in seinem Amt offiziell anmelden. Hintergrund dafür ist die Ansage von Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU), dass "es eine Duldung des Schanzenfestes ohne Rechtsgrundlage nicht mehr geben wird".
Ganzer Artikel:
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Der Bezirk Altona scheint immer noch Böse zu sein das die Autonome Republik Sternschanze im letzten Jahr ihren Austritt aus dem Hamburger Stadtverbund erklärt hat :)
Fight Gerüchteküche
Das ist nun aber wirklich paranoider Blödsinn. So schnell würde es allein schon aus rechtlichen Gründen nicht gehen, außerdem scheint fraglich ob irgendeine Regierungskonstellation das politische Echo einer Räumung überstehen würde.
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
berlin lässt grüßen — 1.mai
zum nachdenken, wirklich! — 3x lesen, 5m warten, 2x lesen - antworten!
... — ...
bla — bla
Wann gibt's das Fest im nächsten Jahr? — Fischkopp
Dezentralisieren ist das Stichwort — riotqueer
is das — nich ne PM?
bemerkung am rande ... — zaungast