Rassistischer Normalzustand in Pankow

pankower aktivist 16.09.2008 12:26 Themen: Antifa
Am vergangenen Samstag (13.9.08) kam es wieder einmal zu verschiedenen Zusammenrottungen von Nazis im Berliner Bezirk Pankow. Ein Artikel über den alltäglichen rassistischen Normalzustand in Pankow:
Am 13./14.9.2008 war es wieder mal soweit: das mittlerweile 39. Fest an der Panke fand in Pankow in der Breiten- und Ossietzkystrasse statt. Auch dieses Jahr besuchten tausende Menschen an diesen beiden Tagen dieses traditionelle Strassenfest im Nordosten Berlins. Aber auch dieses Volksfest ist ein Anzugs- und Treffpunkt für Nazis und RassistInnen aller Art: so veranstaltete die NPD Pankow – seit Jahren einer der aktivsten Berliner Kreisverbände – am Samstag Nachmittag wieder einmal einen Infotisch, um welchen sich ca. 30 Nazis versammelten um ihre menschenverachtende Propaganda unter die Bevölkerung zu bringen. Leider konnte dieser Infotisch wie so oft ohne jeglichen antifaschistischen Protest stattfinden (erst vor Kurzem veranstalteten die „Nationalen Sozialisten“ an der selben Stelle einen Infotisch im Rahmen ihrer aktuellen „Jugend braucht Perspektiven“-Kampagne).

Aber auch auf dem Pankefest selbst tummelten sich an beiden Tagenden dutzende von Nazis: vom bekannten Kader aus Pankow bis hin zum Familienpapa in Thor Steinar Kleidung. Leider gehört dieses Bild auch ansonsten zum Pankower alltäglichen Normalzustand: nicht nur, dass sich hier AktivistInnen der verschiedenstenen Nazigruppen – und parteien von NPD, Republikanern, Autonomen Nationalisten, Freien Kameradschaften oder auch Nazihooligans aus dem Umfeld des BFC oder Nazirockern herumtreiben – auch die Durchschnittsbevölkerung stimmt stillschweigend dem rassistischen Normalzustand in Pankow zu – vorallem wenn es um den Neubau der ersten Ostberliner Moschee in Heinersdorf geht. Dieses Klima bewirkt fast schon eine Art „National befreite Zone“ in welcher sich Menschen die nicht in das völkische Weltbild der Nazis passen mehr als unwohl fühlen...

Vor allem in Niederschönhausen werden seit Jahren regelmäßig fast alle Strassenzüge mit Nazipropaganda zugepflastert: aktuell mit Plakaten der Kampagne der „Freien Kräfte Berlin“ für ein nationales Jugendzentrum oder auch massig mit Parteipropaganda der NPD/JN oder Aufklebern der „Vereinten Nationalisten Nordost“ oder der „Märkischen Aktionsfront“. Obwohl es einige Antifagruppen in Pankow gibt, hält sich der antifaschistische Widerstand vor Ort doch arg in Grenzen und somit ist es leider traurige Realität, dass die Nazis das Straßenbild mit ihrer Propaganda mehr oder weniger bestimmen. Hier fehlt es eindeutig an antifaschistischer Präsenz! Wo ist denn die antifschistische Gegenwehr auf der Straße geblieben...?

Wohin so ein alltäglicher Zustand führt verdeutlicht dann noch folgendes Beispiel - ebenfalls vom vergangenen Wochenende:

Vom 13.-15.9.08 fanden zeitgleich mit dem Fest an der Panke die Feierlichkeiten der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr statt. Dieses Jahr fand das Ganze im Stiftsweg direkt neben der jüdischen Mendel-Grundschule statt. Aufgrund der Nähe dieses Festes zum Pankefest besuchten natürlich sehr viele Menschen am vergangenen Samstag dieses Fest. Als ich gegen 22.00 Uhr in Richtung des Feuerwehrfestes lief, fielen mir schon die zahlreichen stark betrunkenen Jugendlichen auf, die dem äusseren Erscheinungsbild und der Fangesänge nach dem BFC- (Berliner Fußball Club mit bekanntermaßen hohen Anteil an rechten Hooligans)Umfeld angehörten. Als ich das Festgelände betrat wurde ich von allen Vorurteilen, die ich gegenüber Volksfesten hege, mehr als bestätigt: von den ca. 300 BesucherInnen waren einige dutzend offensichtlich als Nazis zu erkennen: von Thor Steinar Klamotten über Hatecore- und Lunikoff-T-Shirts bis hin zu „Fuck Israel“-Motiven war alles vertreten. Der restliche Teil der Feiernden benahm sich Stimmungs gemäß vom Halbnazi bis hin zum Normalrassisten oder zum typischen Pankower Verhalten: weghören und wegsehen. Der Großteil dieses Mobs war zu diesem Zeitpunkt schon schwer betrunken. So wunderte es mich dann auch kaum, dass schließlich eine ca. 20-köpfige Nazimeute lautstark das Siegheilen anfing und die „Party“ trotzdem ungestört weiterlief.

Gerade einmal eine Person schien dieser ganze mehr als offensichtliche Nazimüll zu stören – ich unterstelle den Veranstaltern der Freiwilligen Feuerwehr eine zumindest unterschwellige, wenn nicht sogar offene Sympathie für dieses Nazipack – so dass es nach einer Intervention bei den vor der Halle stehen Polizisten schließlich doch zu einer grösseren Intervention seitens des Team Green kam (und leider nicht von antifaschistischer Seite). Innerhalb kürzester Zeit waren mehrere Einsatzwägen mit Polizisten und Hunden vor Ort und versuchten einzelne NaziteilnehmerInnen aus der Veranstaltung zu ziehen. Ein Teil des am offensichtlichsten Nazimobs flüchtete jedoch noch vor den polizeilichen Einsatzkräften, so dass es sich meiner Erkenntnis entzieht, inwieweit es zu Festnahmen kam. Im heutigen Pressebericht der Berliner Polizei ist wie so oft keine Meldung zu diesen Ereignissen zu finden. Gegen 0.30 Uhr wurde das Fest dann offiziell beendet, die Polizisten vor der Halle führten noch freundliche Gespräche mit den verbliebenen Nazis und eine Straßenecke weiter gröhlten schon wieder besoffene Vollidioten Sieg Heil... Mehr als traurig und erschreckend, dass neben einer jüdischen Grundschule und auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwerk ein solches braunes Spektakel stattfinden kann. Mehr als Grund genug hier mal eine klare Stellungnahme seitens der VeranstalterInnen einzufordern!

Ansonsten ist es wirklich an der Zeit die antifaschistischen Kräfte vor Ort zu bündeln und endlich (wieder) in die Offensive zu kommen. In Pankow/Niederschönhausen hilft meiner Meinung nach nur noch eine massive antifaschistische Intervention gegen diesen alltäglichen rassistischen Normalzustand! Es gibt genügend Aktionsmöglichkeiten auch fernab von Antifademos...

Trotzdem sollten natürlich alle AntifaschistInnen die Gelegenheit nutzen und am 3.Oktober gegen den erneuten Aufmarsch der bürgerlichen RassistInnen der „ipahb“ (am selben Abend findet übrigens die 6.Musikmeile in Pankow statt, an der sich auch von Nazis und RassistInnen gerne besuchte Kneipen beteiligen) und am 15.November zur antifaschistischen Demonstration im Rahmen des „Siempre Antifascista“-Wochenendes auf die Strasse zu gehen.

Freiwillige Feuerwehr Pankow:
www.ff-pankow.de

Pankefest:
www.berlin.de/ba-pankow/aktuelles/veranstaltungen/pankefest.html

6.Musikmeile in Berlin-Pankow: www.musikmeile.com

3.10.08: Rassistische "ipahb"-Demonstration
 https://de.indymedia.org/2008/09/226623.shtml

www.heinersdorf-buendnis.de.vu
www.dritteroktober.blogsport.de

Berlin-Pankow: Neue Seite über Nazistrukturen
 http://de.indymedia.org/2008/09/225981.shtml

www.kein-kiez-fuer-nazis.de.vu
www.nazis-in-pankow.de.vu
www.siempreantifascista.tk
www.antifa-dezember.de.vu

Eine kurze Anmerkung noch zur größtenteils nicht funktionierenden Zivilgesellschaft in Pankow – zu der ich in diesem Fall auch die Pankower Freiwillige Feuerwehr rechnen würde:

„Fakt ist jedoch, dass es in Deutschland bereits schon lange eine „bad civil society“-Tradition gibt. Diese reicht zurück bis zu dem üppigen Vereins- und Assoziationswesen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, welches erheblich zur Stärkung antidemokratischer Tendenzen und schließlich zum Ende der ersten Republik beitrug. Das blühende Assoziationswesen der Weimarer Republik trug maßgeblich zum rasanten Aufstieg der NSDAP in
den Jahren von 1928 bis 1933 bei: „The Nazis had infiltrated and captured a wide range of national and local associations by the early 1930s, finally bridging the gap between bourgeois civil society and party politics that had plagued Germany for half a century.“ Die Nazis verstanden es demnach also zivilgesellschaftliche Zusammenschlüsse zu nutzen, „um den Rückhalt für ihre politische Bewegung zu verbreitern. Dieser Erfolg war nur möglich, weil in solchen Vereinen und Bünden bereits zuvor Anschluss fähige antidemokratische und antisemitische Werthaltungen und Praxisformen dominierten oder zumindest vorhanden waren.“ Aktuell besteht in vielen Gegenden (Ost-)Deutschlands die akute Gefahr, dass sich eine ähnliche Situation erneut entwickeln könnte. Deshalb ist es enorm wichtig bei der finanziellen und/oder organisatorischen Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Ansätze ein genaues Augenmerk darauf zu werfen, in welche
Initiativen, Stiftungen, Vereine usw. von den Städten und Kommunen investiert wird. Vor allem sollte die von den „Rändern“ der Zivilgesellschaft zunehmend ausgehenden Bedrohungen für eine demokratisch gestimmte Zivilgesellschaft weiterhin äußerst wachsam beobachtet werden.
Ansonsten bleibt eine weitere Expansion der „unzivilen Gesellschaft“ und ein (erneutes) Versagen der Zivilgesellschaft zu befürchten.“

Siehe auch: Roth, Roland: Die dunklen Seiten der Zivilgesellschaft – Grenzen einer zivilgesellschaftlichen Fundierung von Demokratie, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 16(2003)2, S.59-73
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Ergänzungen

MENDELGRUNDSCHULE?

Wursti 17.09.2008 - 19:28
Hallo,
toller Artikel, abgesehen davon, dass die Mendelgrundschule NICHT jüdisch ist und hier offensichtlich dramatisiert wird. Ihr Namensgeber mag Jude gewesen sein, die Schule jedoch DEFINITIV NICHT!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

tatü — tata

@ jonas — dws

Naziparolen gegrölt — Bungala

???????? — xxx