Spanien verbietet Basken Volksbefragung

Ralf Streck 13.09.2008 13:32 Themen: Weltweit
Wie nicht anders zu erwarten war, hat das spanische Verfassungsgericht am
späten Donnerstag die geplante baskische Volksbefragung am 25. Oktober
gestoppt ( http://de.indymedia.org/2008/09/225880.shtml)
Im Rekordtempo urteilten die Richter einstimmig, das Vorhaben
des baskischen Regierungschefs Juan José Ibarretxe sei verfassungswidrig.
Die sozialistische Regierung und die oppositionelle Volkspartei (PP)
hatten beantragt, das zugrunde liegende Gesetz zu annullieren, dass mit
Mehrheit im baskischen Regionalparlament am 27. Juni verabschiedet wurde ( http://de.indymedia.org/2008/06/221085.shtml).
Auf zwei Fragen hatte sich die Koalition aus Baskisch Nationalistischer Partei (PNV), Solidaritätspartei (EA) und Vereinte Linken (IU) geeinigt. Gut zwei Millionen Wahlberechtigte in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) sollten gefragt werden, ob sie "einen Prozess unterstützen, der über eine Dialog zum Ende der Gewalt führt". Bedingung
sollte sein, dass die Untergrundorganisation "ETA zuvor eindeutig ihren Willen erklärt, die Gewalt ein für alle Mal zu beenden". Dazu wurde auf einen "Verhandlungsprozess" abgezielt, um die "Beziehungen mit Spanien für die Zukunft neu zu regeln". ( http://de.indymedia.org/2008/05/218663.shtml).

Die Verfassungsrichter holten weit aus, um die Befragung zu verbieten. Die von den Sozialisten (PSOE) und der PP ernannten Richter definierten sie ganz in deren Sinn um. In Wahrheit sei es ein "Referendum, das alle spanischen Bürger betreffe" und damit handele es sich um eine staatliche Kompetenz. Dabei haben Katalonien und Andalusien in den letzten Jahren über neue Autonomiestatute abgestimmt. Das Gericht unterstellt, es werde von den Basken eine "Neubestimmung der bestehenden Ordnung" mit dem Staat angestrebt. Die Anerkennung eines "neuen souveränen Subjektes im Baskenland" benötige die Zustimmung durch das "spanische Volk". Das Selbstbestimmungsrecht wird mit dem Urteil den Basken, aber auch Katalanen... abgesprochen ( http://de.indymedia.org/2007/10/195732.shtml).

Nach Ibarretxes Vorstoß, mit einem neuen Autonomiestatut die Beziehungen neu zu
regeln, das im spanischen Parlament ohne jede Diskussion abgeschmettert wurde ( http://de.indymedia.org/2007/10/197247.shtml), wurde nun sein Vorstoß abgewürgt, den schwelenden Konflikt einer Lösung zuzuführen. Der wird weiter vertieft, weil die Basken keinen Weg finden, um ihre Rechte umzusetzen.

Damit wurde letztlich nur die Position der linken Unabhängigkeitsbewegung gestärkt, wonach es für die Basken innerhalb der spanischen Verfassung (die von den Basken ohnehin beim Referendum durchgefallen war), keine Möglichkeiten gibt, ihre Positionen durchzusetzen. Dass das Urteil ausgerechnet zum 10. Jahrestag des Friedensplans von Lizarra - Garazi kam, darf nicht verwundern. Denn es wird nach dem gescheitereten Friedensprozess mit den Sozialisten immer deutlicher, dass sich die Basken geeint gegen Spanien stellen müssen, wenn sie etwas erreichen wollen (unten eine Erinnerung was Lizarra war).

Ibarretxe hofft nun auf Straßburg, wo demnächst über die Rechtmäßigkeit der Parteiverbote entschieden wird ( http://de.indymedia.org/2007/12/203234.shtml) Er trat gestern vor die Presse und erklärte, seine Regierung werde das Urteil befolgen, aber nicht resignieren. Er kündigte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das spanische Königreich an, "wegen der Verletzungen der Europäische Konvention für Menschenrechte". Er forderte alle Bürger und Parteien auf, "ihr Recht befragt zu werden, politisch und juristisch" durch eigene Klagen zu verteidigen.

Auf europäischer Ebene hat seine Regierung am Donnerstag in einer wichtigen Frage schon Recht erhalten. Ihr wurde vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg am Donnerstag die Steuerhoheit zugesprochen. Diverse Nachbarregionen hatten gegen die Entscheidung der Basken geklagt, die Unternehmenssteuer auf 32,5 % zu senken, die sonst 35 % beträgt. Damit
sollte ein wesentlicher Pfeiler des in 30 Jahren in weiten Teilen ohnehin nie umgesetzten Autonomiestatuts weiter ausgehöhlt werden. Damit haben die Basken ihr Finanzierungsmodell, eigene Steuern zu erheben, erfolgreich verteidigt. Die PSOE und die PP hatten dies den Katalanen als angeblich verfassungswidrig verweigert. Bisher haben die Sozialisten sogar die Frist verstreichen lassen, um das abgespeckte Finanzierungsmodell umzusetzen ( http://de.indymedia.org/2008/08/225008.shtml). Der Unmut nimmt dort auch immer weiter zu ( http://de.indymedia.org/2008/08/223981.shtml)

© Ralf Streck, den 12.09.2008

Lizarra ist eine Stadt in Navarra (spanisch Estella), die für den baskischen Nationalismus bedeutsam ist. 1931 hatten hier die Führer der vier baskischen Provinzen innerhalb Spaniens die Statuten von Estella verabschiedet, die vom republikanischen Präsidenten Alcalá Zamora anerkannt wurden. Sie gewährten den Basken das Recht auf Selbstbestimmung, wurden aber vom Putsch Francos 1936 im Blut der Republikaner ertränkt.

In der Stadt wurde der Friedensplan vom 12. September 1998 unterzeichnet, der vom „Forum für den irischen Weg“ ausgearbeitet wurde, das auf eine Initiative von Herri Batasuna zurückging. Als Folge erklärt die ETA am 17. September erstmals in ihrer Geschichte eine unbefristete Waffenruhe, die allerdings nach 14 Monaten ausgesetzt wird. Die politische, gewerkschaftliche und soziale Mehrheit des Baskenlandes verpflichtet sich mit dem Plan zu einem gemeinsamen politischen Handeln, um auf Basis eines Dialogs den Frieden im Baskenland zu erreichen. Der Plan wird von den politischen Parteien PNV, EA, HB, IU, AB, Zutik und Batzarre unterstützt. Die spanischen Parteien PP und PSOE sabotierten von Anfang die Bemühungen, weil der Plan auch das Selbstbestimmungsrecht der Basken vorsieht. Der Plan orientierte sich an Konfliktlösungsstrategien wie in Nordirland. Weil sich auf einem Treffen am 30. September in Garazi (Saint Jean Pied de Port) weitere Organisationen und Gewerkschaften, vor allem aus Iparralde (dem französischen Baskenland anschließen, wird oft auch von Lizarra-Garazi gesprochen.
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06.10.2008 Film "Permanenter Ausnahmezustand"

Internationalistischer Abend 13.09.2008 - 17:19
Am 6.10. zeigt der Internationalistische Abend den 50minutigen Film "Permanenter Ausnahmezustand" von 2006, der Film gibt einen Überblick über den Kampf um ein freies und sozialistisches Baskenland und ist mit deutschen Untertiteln unterlegt.
Ort: Berlin-FHain, Schnarup-Thumby, Scharnweberstr. 38, Nähe U-Bhf. Samariterstr.
Weitere Infos:  http://www.myspace.com/interabend