Königs Wusterhausen – Browntown reloaded

Antifaschist 11.09.2008 02:46 Themen: Antifa Antirassismus Kultur
Am 28. September finden in Brandenburg wieder Kommunalwahlen statt. Doch diesmal versucht auch die NPD in vielen Regionen in die Parlamente zu kommen. So auch im südlich von Berlin gelegenen Königs Wusterhausen. Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren, in fast allen Straßen der Stadt hängen NPD-Plakate, Faltblätter wurden im großen Umfang verteilt und fast wöchentlich gibt es Aktionen des örtlichen Kreisverbandes. Doch das Treiben bleibt nicht unbeantwortet.
Königs Wusterhausen – ein knapp 30.000 Einwohner/innen zählendes Städtchen südlich von Berlin. Weit ab vom hektischen Treiben der Großstadt, aber dank S-Bahn-Anschluß doch nah genug um nicht komplett abgeschnitten zu sein von den Vorzügen Berlins. Der nah gelegene Spreewald und die vielen Seen in der direkten Umgebung könnten das Bild der Idylle komplettieren. Doch der Schein trügt. Schon seit den neunziger Jahren ist Königs Wusterhausen als Browntown bekannt. Und das ist nicht nur mit dem starken Interesse der Nazis am nahe gelegenen Waldfriedhof von Halbe zu erklären.

Browntown – Ein Rückblick

Nach dem Fall der Mauer nutzten die vielen Nazis in und um Königs Wusterhausen ihre Chance und gründeten den Landesverband Berlin-Brandenburg der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und die erste Sektion des rassistischen KuKluxKlan in Deutschland. Darauf fanden bald auch viele Kader verschiedener Neonazi-Organisationen, wie z.B. dem „Internationale Hilfskomitee für nationale politische Verfolgte und deren Angehörige e.V.“ in Königs Wusterhausen und Umgebung ihre Heimat. Mit dem Entstehen gefestigter Nazistrukturen ließ die rechte Gewalt auch nicht mehr lange auf sich warten.

Im Mai 1992 wurde der aus Nigeria stammende Steve E. schwer misshandelt und konnte nur knapp mit dem Leben davonkommen. Mehrere Nazis schlugen auf ihn ein bis er bewusstlos am Boden lag. Im Anschluss wollten sie ihn im Scharrmützelsee ertränken. Doch dies konnte in letzter Sekunde nur durch das Eingreifen einer anwesenden, unbeteiligten Person verhindert werden. Im selben Jahr wurden zwei Jugendliche zwischen Wildau und Königs Wusterhausen tot neben den Gleisen aufgefunden. Zuvor wurden sie schon mehrfach von Nazis bedroht, so das ein politisches Motiv als wahrscheinlich gilt. Außerdem ermordeten drei Naziskins den 51-jährigen Obdachlosen Rolf Schulze aus Zossen. Sie verschleppten ihn an den Kolpinsee und erschlugen ihn. Anschließend übergossen sie ihn mit Benzin und steckten ihn an.

Ein Jahr später, im Mai 1993, wurde der 25-jährige Jeff, dessen Vater Ägypter ist, auf der Autobahn von Berlin nach Dresden verfolgt und angefahren. Als er auf der Raststätte Waldeck bei Königs Wusterhausen anhielt, um den Schaden an seinem Motorrad zu reparieren, wurde er von Daniel K. aus Königs Wusterhausen überfahren. Doch trotz der erschreckenden Vorfälle nahm die Gewalt kein Ende. So wurde im Jahr 1997 der 60-jährige August Blotzki ermordet. Er wurde in seiner Wohnung von rechten Jugendlichen überfallen und unter Rufen wie „Ausländerschwein“ und „Bulgarensau“ totgeschlagen.

Erst nachdem ein führender Nazikader der "United Skins" als V-Mann aufflog und eine der wichtigsten Finanzquellen verloren ging beruhigte sich die Situation zeitweilig wieder. Trotzdem gab es weiterhin Übergriffe auf Migranten/innen und linke Jugendliche. So bewarfen in der Nacht vom 13. zum 14. Juli 2001 zwei Nazis die Bühne des antirassistischen Festivals „Le monde est á nous“ mit Brandsätzen. Dasselbe geschah zwei Wochen später mit einer Gruppe von Roma in Wildau, die ihr Lager in der Nähe der Autobahn aufgeschlagen hatten.

Die Restukturierung

Nachdem es zeitweilig etwas ruhiger wurde, formierte sich eine neue Generation von Nazis in Königs Wusterhausen. So gründete sich ein Ortsverband der NPD und erstmalig traten auch "Autonome Nationalisten" unter dem Laben "Freie Kräfte Königs Wusterhausen" (FKKW) auf. Auch ehemalige Mitglieder der "United Skins" fanden in den neuen Strukturen ihren Platz. So ist es nicht verwunderlich, dass auch wieder vermehrt rechte Übergriffe geschahen.

Im Jahr 2005 wurde ein junger Punker brutal geschlagen und mit einer abgebrochenen Flasche schwer im Gesicht verletzt. Im selben Jahr wurde das Auto eines Polizisten, welcher Mitglied der Spezialeinheit „Tomeg“ (Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische Gewalt) war, von einem jungen Nazi angezündet. Der Polizist war daraufhin gezwungen mit seiner Familie die Stadt zu verlassen. Doch dies sind bei Weitem keine Einzelfälle. Pöbeleien und Übergriffe auf Antifaschisten/innen und Migranten/innen gehören auch heute zum Alltag.

Zeitgleich mit der Restukturierung der Naziszene machte auch die Königs Wusterhausener Firma "Mediatex GmbH" Schlagzeilen. Diese hatte bis vor kurzem ihren Sitz im Ortsteil Zeesen und produziert Bekleidung der Marke "Thor Steinar". Uwe Meusel, Geschäftsführer von Mediatex, betreibt außerdem einen Laden in der Königs Wusterhausener Bahnhofsstraße, in dem unter anderem die Produktpalette von Thor Steinar erworben werden kann. Mittlerweile gibt es eine weitere, ähnliche Marke, welche im Treibsand von „Thor Steinar“ willige Käufer sucht: "Eric & Sons". Geschäftsführer ist Udo Siegmund, ein ehemaliger Mitarbeiter von Mediatex. Die Markenrechte liegen bei Dr. Petra Meier aus Königs Wusterhausen. Und auch "Eric & Sons" ist auf dem besten Weg sich zu etablieren. So ist Bekleidung dieser Mark im Online-Shop des „Deutsche Stimme Verlags“ erhältlich.

Kommunalwahlen 2008

Am 13. April 2007 gründete sich in Waltersdorf bei Königs Wusterhausen der Ortsverband der NPD. Strategie hinter der Gründung ist es über den Einzug in die verschiedenen Kreistage den Sprung in den brandenburgischen Landtag zu schaffen. So gründete sie im selben Zeitraum mehrere Ortsverbände in ganz Brandenburg.Im vergangenen Herbst organisierte der Verband eine Demonstration unter dem Motto "Jugend braucht Perspektive - hier und jetzt!" an der ca. 300 Nazis teilnahmen. Ansonsten gab es einige Infotische und Mahnwachen. Erst nach der Fusion der Verbände Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming zum Kreisverband Dahmeland nahmen die Aktivitäten erheblich zu.

Mittlerweile läuft der Wahlkampf auf Hochtouren. In der letzten Woche wurden in Königs Wusterhausen überall Wahlplakate aufgehangen und Faltblätter in großem Umfang verteilt. Am vergangenen Samstag fand ein Infotisch der NPD statt, der mehrmals den Ort wechselte und von ca. 15 Nazis bewacht wurde. Und das obwohl fast 100.000 Menschen den Brandenburgtag in Königs Wusterhausen feierten. Brandenburg feiert sich als aufstrebenes Bundesland und die NPD ist mittendrin dabei. Die Präsenz von Nazis war kaum zu übersehen und so wurden auch des Öfteren vermeintliche Antifaschisten/innen bedroht.

Doch Widerstand regt sich ...

Angesichts dieser erschreckenden Zustände taten sich zu Beginn des Jahres Antifaschisten/innen aus Berlin und der Region zusammen, um Gegenaktivitäten zu organisieren. So wurden im Rahmen der brandenburgweiten Kampagne "Keine Stimme den Nazis" antifaschistische Aktionswochen unter dem Motto "Keine Schweigenden Provinzen" initiiert. Am vergangenen Samstag fand deshalb ein Skate- & Grafitti-Jam im Plattenbauviertel Königs Wusterhausens statt. In dieser Gegend dominieren die Nazis die Straße, so dass viele alternative Jugendliche diese Gegend meiden. So versammelten sich bei warmen Wetter zeitweilig bis zu 200 Jugendliche auf dem Gelände des Skateparks. Es gab Live-Musik, u.a. politischen HipHop von Holger Burner, einen Grafitti-Contest, Workshops, eine Skateshow, Kinderbespaßung und Informationsstände. Viele Jugendliche äußerten sich positiv darüber, dass sie wenigstens an einen Tag im Jahr ohne Nazistress in dieser Angstgegend abhängen konnten. Auch schauten viele interessierte Passanten/innen vorbei und zeigten sich angesichts der Nazisituation Überrascht. Auch wurde der Brandenburgtag genutzt, um Material der Kampagne "Keine Stimme den Nazis" zu verteilen. Aber trotz der antifaschistischen Präsenz ließen es sich einzelne Nazis nicht nehmen am Rande zu pöbeln. Nur die massive Polizeipräsenz auf Grund des Brandenburgtages konnte vermutlich einen gezielten Angriff verhindern.



Aber auch am nächsten Wochenende versuchen wir mit einen OpenAir-Konzert den Nazis ihre Dominanz zu entreißen. Ab 15 Uhr spielen auf der Festwiese Königs Wusterhausen Mal eleve (Sänger von Irie Revoltes), Marycones (Chanson-Ska), Tiefenrausch (Ska/Punk), Kleingeldprinzessin (Liedermacherin), Schlagzeiln (HipHop) und Knockout Allstars (Progressive Hardcore). Auch wird es wieder einen Grafitti-Contest, ein Kickerturnier und Informationsstände geben. Es bleibt zu hoffen, dass sich viele Leute nach Königs Wusterhausen aufmachen, schließlich hetzt die NPD unverblümt gegen die "kriminelle Antifa" und Pöbeleien oder Angriffe, wie sie regelmäßig beim antirassistischen Festival „Le monde est á nous“ passiert sind, scheinen nicht unwahrscheinlich.

An dieser Stelle sei natürlich auch noch auf die "Keine Stimme den Nazis" Bündnisdemo in Potsdam am Samstag hingewiesen. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Bahnhof Medienstadt. Trotz der ungünstigen Terminüberschneidung würden wir uns freuen, wenn ihr wenigstens nach der Demo den Weg nach Königs Wusterhausen findet.

Außerdem wird es am 27. September, einen Tag vor den Kommunalwahlen, eine Demonstration unter dem Motto "Keine Schweigenden Provinzen"durch Königs Wusterhausen geben. Treffpunkt ist 16 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz. Also raus in die Provinz – machen wir den Nazis ihre Rückzugsräume streitig.

Antifaschistisches Bündnis Königs Wusterhausen, 11.09.2008
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

bezeichnend...

vornedran 11.09.2008 - 11:59
"Erst nachdem ein führender Nazikader der United Skins als V-Mann aufflog (...)beruhigte sich die Situation zeitweilig wieder..." Dazu paßt die Aussage eines leibhaftigen VS - Chefs (Uhrlau), daß auf allen Führungsebenen der NPD und der sog. "Freien" mindestens ein V- Mann plaziert sei. Wer steuert hier wen? Eine wichtige Afgabe für indymedia, auch diese Hintergründe mal ausgiebig zu beleuchten- meine ich!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 8 Kommentare

danke

niko 11.09.2008 - 07:14
danke für die skatejam am samstag. war echt cool mal nicht von nazis angeopöbelt zu werden. freu mich schon aufs konzert !!!

niko

Es muss....

rick 11.09.2008 - 09:02
auch mit den Plakaten noch was passieren! Das geht so nicht weiter!!

Ich hör hier immer..

GenderBender 11.09.2008 - 16:59
V-Mann? Es gibt bestimmt auch V-Frauen. Also im Allgemeinen V-Menschen. Nur so am Rande...

V- Mann V- Frau?

vornedran 11.09.2008 - 19:31
@ GenderBender: Hast schon recht irgendwie... Aber es gibt bei diesem schmutzigen Geschäft gottlob kaum Frauen- außer in Hollywood. Schlapphüte gibts jede Menge, aber Schlapphütinen???

Textdieb

Textverfasser/in 11.09.2008 - 22:31
Du alter Textdieb

super sache

unterstützer 12.09.2008 - 01:55
hey ihrs,
find den text, aufruf , vor allem flyer oder sonst was total gut gelungen und freu mich dass bei euch noch was geht. macht weiter. ich wünsch euch alles gute in dieser schon fast an nazis verloren geglaubte region. großen respekt! da können sich so einige scheuklappen tragende goßstadtantifas ne scheibe abschneiden.
wir sehen uns in Potsdam UND Kw.
danke für euer engegemant.

GenderBender

Lauretta 12.09.2008 - 10:06
Ick hör hier immer GenderBender. Es gibt bestimmt auch GenderBenderInnen. Oder GenderInnenBender. Und ganz bestimmt auch GenderInnenBenderInnen. Nur so am RandInne...

solidarische grüße

XXX 13.09.2008 - 18:53
VIELE VIELE SOLIDARISCHE GRÜßE UND GLÜCK BEI DER "ANTIFA FEIEREI" BZW.keine stimme den nazis konzert!
fight naziscum und den rest.......