§129-Prozess gegen Axel, Oli und Florian in B

Berlin 09.09.2008 18:00 Themen: Militarismus Repression
Am 25. September beginnt vor dem Berliner Kammergericht (OLG) ein Staatsschutzprozess gegen die Genossen Axel, Florian und Oliver. Der Vorwurf lautet: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, konkret: militante gruppe (mg), und versuchte Brandstiftung, konkret: sie hätten Bundeswehrfahrzeuge auf dem Gelände der MAN AG in Brandenburg/Havel angezündet.
§129 – der kurze Weg zur Kriminalität

Mit dem §129-Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung waren in den letzten Jahrzehnten schon viele politische Aktivist/innen konfrontiert. In den 1970er Jahren wurde die Pilotenvereinigung Cockpit auf Grundlage des §129 überwacht und abgehört, weil sie einen Streik organisierte. Und in Hamburg erklärten die Behörden kurzerhand 150 Hausbesetzer/innen zur kriminellen Vereinigung, einige landeten im Knast. Auch Ulrike Meinhof ist nach §129 verurteilt worden. Mitte der 1980er Jahre wurden rund 2000 atomkraftkritische Bürger/innen des Landkreis Lüchow-Dannenberg wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in einer Datenbank erfasst. In den 1990er Jahren traf es autonome Antifaschist/innen aus Göttingen und Passau sowie das klandestine Zeitungsprojekt radikal. Axel, Florian und Oliver befinden sich also in illustrer Gesellschaft, wenn Ende September der Prozess gegen sie eröffnet wird.

Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshof vom Oktober 2007 werden sie nicht, wie die Bundesanwaltschaft das wollte, als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung nach §129a, sondern wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Begründung: Die Aktionen der militanten gruppe seien nicht geeignet, die gesellschaftliche Ordnung ernsthaft zu gefährden. Diese höchstrichterliche Entscheidung aus Karlsruhe bringt keine neue Erkenntnis. Auch die militante gruppe weiß sicherlich, dass Brandsätze nicht zur Überwindung des Kapitalismus ausreichen. Festzuhalten bleibt, dass der §129 nicht etwa die harmlose Variante des Terrorismus-Paragraphen 129a ist. Beide Paragraphen sind Sondergesetze mit klarer Funktion: Bespitzelung, Ausforschung, Kriminalisierung (nicht nur) der Linken. Sie sind klassisches Feindstrafrecht.

Aber anders als zu Zeiten, als es noch einen „Staatsfeind Nr. 1" (RAF u.a.) gab und einen Großteil des in über drei Jahrzehnten hochgerüsteten Sicherheitsapparats band, werden heute diese Kapazitäten auch zur Verfolgung von so genannter Kleingruppenmilitanz eingesetzt.


Es geht nicht nur um die mg

Die militante gruppe (mg) hat sich im Jahr 2001 auf den Weg gemacht, auch mit illegalen Widerstandsformen für eine herrschaftsfreie Gesellschaft zu kämpfen. In den Zeitungsprojekten Interim und radikal beteiligte sie sich an Debatten um Theorie und Praxis militanter Politik. Mit ihren Texten, Farbbeutel- und Brandanschlägen gegen multinationale Konzerne, Justizbehörden, Arbeitsämter und andere Institutionen griff sie Themen der Linken auf.

Die klandestinen Organisierungsversuche und die kontinuierliche militante Praxis in der Hauptstadt – nicht nur die der militanten gruppe – führte zu jahrelanger Überwachung und einer Kriminalisierungswelle. Ins Fadenkreuz gerieten Menschen, die für die Freiheit von Gefangenen aus Widerstandsprozessen eintreten, Menschen, hinter denen staatliche Behörden die Redakteure der radikal vermuten, Menschen, die die Anti-G8-Proteste vorbereiteten sowie zahlreiche weitere Personen aus der linken und autonomen Szene.

Die Absicht der Bundesanwaltschaft ist klar. Sie wird alles versuchen, dass ihr §129-Konstrukt festgeschrieben und die militante gruppe zur kriminellen Vereinigung erklärt wird. Das würde die Grundlage für weitere Staatsschutzprozesse unter gleichen Vorzeichen schaffen. Von daher wird sich der Erfolg der Gegenmobilisierung nicht allein am Strafmaß messen lassen oder daran, ob eine Verurteilung verhindert werden kann, so wünschenswert dies für die Betroffenen natürlich ist. Die entscheidende Frage sehen wir darin, ob es gelingt, das Vorhaben der Anklagebehörde zu Fall zu bringen. Denn der Kriminalisierungsversuch gegen die mg mittels §129, - das haben u.a. auch die Hausdurchsuchungen im letzten Jahr vor dem G8-Gipfel gezeigt - geht bei weitem über die Betroffenen und den politischen Zusammenhang militante gruppe hinaus.


Die Rolle des Verfassungsschutzes

Immer mit dabei ist auch das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Sitz in Köln. Seine Rolle in den Ermittlungen und der Anklage verdient ein besonderes Augenmerk. Der Verfassungsschutz entscheidet de facto, dass ein Verfahren geführt werden muss. Er lieferte die Behauptungen, die zur Aufnahme der Ermittlungen führten. Wo Beweise fehlen oder ausbleiben, reicht die Stimme aus Köln zur Fortsetzung der Ermittlungen. Und wenn ein Ermittlungsrichter ausnahmsweise die Überwachung durch das BKA nicht verlängert, führt sie der Verfassungsschutz mit den selben technischen Anlagen weiter.

Das aus Erfahrungen mit dem deutschen Faschismus resultierende Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei ist längst ausgehebelt – auch ohne BKA-Gesetz und der geplanten bundesweiten Abhörzentrale („Zentrum für Kommunikationsüberwachung").

Selbst in der Anklage taucht der Verfassungsschutz auf. Er behauptet schon wieder zu wissen, wer hinter der militanten gruppe stecke. Die Information stamme von einem seiner Spitzel. Möglicherweise ist das alles erstunken und erlogen, aber mindestens ebenso denkbar ist es, dass der Verfassungsschutz seit Jahren einen Spitzel in der Berliner linken Szene hat und deshalb so selbstsicher auftreten kann.


Solidarität ist eine Waffe

Ist das nur eine Parole oder unsere Wirklichkeit? Fest steht: Gesellschaftliche Veränderungen gibt es nicht zum Nulltarif und Staatsschutzangriffe wird es immer wieder geben. Repressalien gehören notwendigerweise zur Ausgangsbedingung linker Opposition. Ein Ziel dabei ist auch Einschüchterung und Abschreckung. Dagegen sind gemeinsames Auftreten und Solidarität die richtige Antwort. Keine Gruppe und kein Zusammenhang wird sich alleine gegen staatliche Verfolgung durchsetzen. Bei allen Unterschieden, die es oft genug gibt: Am eigenen politischen Engagement festzuhalten und wenn möglich das aufzugreifen, was kriminalisiert wird, ist ein erster Schritt. Und: Nur gemeinsam können wir den notwendigen Druck aufbauen und Schutz vor zukünftiger Repression schaffen.
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Ergänzungen

Ermittlungen

Roland Ionas Bialke 09.09.2008 - 18:59
Das Bundeskriminalamt ermittelte nach dieser Festnahme weiter gegen die Militante Gruppe (mg), von daher kann geahnt werden, dass das Bundeskriminalamt die Vorwürfe gegen die Festgenommenen konstruiert hat. Selbst nachdem richterlich festgestellt wurde, dass die Militante Gruppe (mg) keine terroristische Vereinigung nach § 129a StGB sein kann, wurde noch monatelang nach der Festnahme und der richterlichen Feststellung nach einer terroristischen Vereinigung mit Namen Militante Gruppe (mg) durch das Bundeskriminalamt gesucht. Es wirkt nur merkwürdig, dass die Aktivität der Militenaten Gruppe (mg) anscheinend mit der Festnahme endete.

Als erstes wollte ich kritisieren, dass die Ermittlungen gegen die Festgenommenen nicht transparent genug gemacht wurden. Die Akten hätten doch wenigstens abgetippt werden können. Aber dann erinnerte ich mich, dass "Aktenberge" erwähnt wurden und da ist es in der Praxis nicht möglich soviel abzutippen beziehungsweise das überhaupt richtig zu überschauen!

Ich wünsche den Beschuldigten viel Mut und Kraft!

Wie ist das eigentlich mit den Begriff "Staatsschutzprozess" gemeint. Gibt es in der Theorie wirklich so einen Begriff, also ist das eine gesetzlich geregelte Prozessart? Oder ist das ein praktischer Unterschied der aber nicht gesetzlich geregelt ist?

Kundgebung am 25.9. u. weitere Prozesstermine

Einstellungsbündnis 09.09.2008 - 21:44
Am 25.09.2008 findet um 8.30 Uhr eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude in der Turmstrasse 91 statt.

Die Prozesstermine sind am 25.09., 1.10., 8.10., 9.10., 15.10., 16.10., 29.10., 30.10., 5.11, 6.11., 12.11, 13.11., 10.12., 11.12., 17.12., 18.12.2008 und 7.1.2009. Jeweils 9 Uhr, Kriminalgericht Moabit, Turmstrasse 91, 10559 Berlin, Saal 700.

Wir brauchen dringend Geld für die Öffentlichkeitsarbeit zum Prozess! Spenden bitte überweisen an: Rechtsanwalt Thomas Herzog, Postbank Essen BLZ 360 100 43, Konto-Nr. 577 701 432, Verwendungszweck: Sonderkonto

News zum Prozessbeginn

Einstellungsbündnis 13.09.2008 - 21:06
Es gibt zahlreiche Neuigkeiten im Zusammenhang mit dem §129-Verfahren, über die wir euch hiermit auf dem laufenden halten wollen.

1. Prozesstermin steht fest
2. Kundgebung zum Prozessbeginn: 25.09.2008, 8.00 Uhr
3. Termine
4. Prozesszeitung
5. Aktuelle Presseerklärung
6. Spenden dringend benötigt

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1. Prozesstermin steht fest

Der Prozess gegen Oliver, Florian und Axel wegen versuchter Brandstiftung an Bundeswehrfahrzeugen und Mitgliedschaft in der militanten gruppe (§129 StGB) ist terminiert worden. Er wird am 25. September beginnen um 9 Uhr im Kriminalgericht Moabit, Turmstrasse 91, 10559 Berlin, Saal 700. Weitere Prozesstermine gibt es bis in den Januar 2009 und zwar am 1./8./9./15./16./29./30. Oktober, am 5./6./12./13. November, am 10./11./17./18. Dezember 2008 und am 7. Januar 2009.

Unseren Aufruf zum Prozess findet ihr hier:  http://einstellung.so36.net/de/1041

Auf folgender Webseite gibt es alle Informationen zum Prozess:  http://einstellung.so36.net/de/prozess

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2. Kundgebung zu Prozessbeginn: 25.09.2008, 8.00 Uhr

Am ersten Prozesstag wollen wir mit einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude unsere Solidarität mit den Angeklagten kund tun. Die Kundgebung beginnt am 25.09.2008 um 8.00 Uhr in der Turmstraße in Berlin-Moabit. Kommt alle!

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3. Termine

Fr, 19.09.2008, Malmö (Schweden): Seminar beim Europäischen Sozialforum
"The criminalisation and repression of social movements". Mit vorbereitet vom Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren im Rahmen des ESF-Netzwerks Repression Mit Vertreterinnen der Protest gegen die G8-Gipfel in Genua und Rostock, TierrechtlerInnen aus Österreich, die 3 Monate in U-Haft saßen, einer Beteiligten der Proteste gegen den NATO-Gipfel in Rumänien 2008, des Ungdomshuset in Kopenhagen, dem Netzwerk für soziale und politische Rechte aus Griechenland und dem Einstellungsbündnis [18 Uhr, Folkets hus Rosengård, Stora salen]

Sa, 20.09.2008, Berlin-Neukölln: Soliparty
Soliparty für die Angeklagten im mg-Prozess im Syndikat, Weisestr. 56, ab 22.00 Uhr

So, 21.09.2008, Berlin: Veranstaltung
Veranstaltungsreihe "TRAUMATISIERUNG UND WIDERSTAND". Trauma - zwischen Widerstand und Ohnmacht. Traumatisierte haben oft ein starkes Gerechtigkeitsbedürfnis doch wohin damit? Wie können wir uns gegen die bestehenden Verhältnisse wehren und dabei sensibel mit seelischen Verletzungen umgehen? 21.09.2008, 19.00 Uhr, KATO (U-Bhf Schlesisches Tor)

Di, 23.09.2008, Berlin: Infoveranstaltung
Aktuelle Infos zum Stand des Verfahrens, zum Prozess und zur Soli-Arbeit gibt es auf einer Mobilisierungsveranstaltung in Berlin am 23. September 2008, 19:00 Uhr, im Clash, Mehringhof, Gneisenaustr. 2a (U Mehringdamm).

Weitere Veranstaltungen findet ihr hier:  http://einstellung.so36.net/de/termine

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4. Prozesszeitung

Am Donnerstag 18.09.2008 erscheint unsere Prozesszeitung "Ende einer Dienstfahrt. Zeitung gegen Krieg, Militarismus, die mg-Verfahren und Repression". Sie wird der "taz" und der "jungen Welt" beiliegen und ist dann auch auf unserer Webseite zu lesen.

In der Zeitung erscheinen neben Infos zum Prozess auch Artikel zu Themen wie Antimilitarismus, zur aktuellen Situation in Afghanistan und der Rolle der Bundeswehr im In­ und Ausland sowie zu Themen wie Repressionsstrategien der Ermittlungsorgane und deren Folgen.

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5. Aktuelle Presseerklärung

Nachfolgend unsere aktuelle Presseerklärung anlässlich der rigiden Sicherheitsauflagen des Kammergerichts zum Prozess:

Prozessbeginn gegen Antimilitaristen
Kritik an übertriebenen Sicherheitsauflagen des Kammergerichts

Am Donnerstag, dem 25. September, soll vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gegen die drei Berliner Oliver R., Florian L. und Axel H. beginnen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen versuchte Brandstiftung an Bundeswehr-LKW und die Mitgliedschaft in der "militanten gruppe (mg)" vor. Die drei Angeklagten waren am 31. Juli vergangenen Jahres festgenommen worden, nachdem sie versucht haben sollen, Bundeswehrfahrzeuge in Brand zu setzen. Ohne Indizien für die Tatbeteiligungen an Brandanschlägen der "militanten gruppe" vorzulegen, hat die Bundesanwaltschaft Anklage nach §129 erhoben. Mit dem Konstrukt einer "kriminellen Vereinigung" drohen den Antimilitaristen mehrjährige Haftstrafen.

Die Sicherheitsvorkehrungen für den anstehenden Prozess gehen weit über die Standards von Gerichtsverfahren hinaus. Der Vorsitzende Richter Josef Hoch ordnete an, die Personalausweise sämtlicher Prozessbesucher zu kopieren. Außerdem sollen bewaffnete Polizisten mit und ohne Uniform im Gerichtssaal anwesend sein.

"Hier werden drei Antimilitaristen schon durch die Rahmenbedingungen im Gericht in die Nähe von organisierter Kriminalität gestellt. Das Anklagekonstrukt, die lange Untersuchungshaft und das Verfahrensprozedere - alles ist völlig überdimensioniert", urteilt Arthur Schüler vom Bündnis für die Einstellung der §129-Verfahren.

Bereits die bisher bekanntgewordenen Ermittlungsmethoden in dem Verfahren gegen die drei Angeklagten und vier weitere Beschuldigte waren im vergangenen Sommer auf breite Kritik gestoßen. Das Einstellungsbündnis befürchtet, dass die Angeklagten nicht mit einem fairen Prozess rechnen können.

Nach Informationen des Einstellungsbündnisses sind den Anwälten der drei Angeklagten noch immer nicht alle vorhandenen Ermittlungsakten zugestellt worden. Trotz dieser Einschränkung der Verteidigung hat der Vorsitzende Richter die Prozesseröffnung beschlossen.

"Wir rufen auf, den Prozess gegen Axel, Florian und Oliver aufmerksam zu verfolgen und solidarisch zu begleiten", sagt Schüler vom Einstellungsbündnis.

Das Bündnis mobilisiert zur Teilnahme an der Demonstration gegen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr am 20. September um 12 Uhr vor dem Brandenburger Tor, um dort zu einer Auseinandersetzung um Antimilitarismus und selbstbestimmte Abrüstungsinitiativen beizutragen.

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6. Spenden dringend benötigt

Nach wie vor sind wir auf Spenden angewiesen, um unsere Arbeit zu gewährleisten. Wir bitten um Spenden auf folgendes Konto: Thomas Herzog, Postbank Essen, Konto-Nr.: 577 701 432, BLZ: 360 100 43, Verwendungszweck: Sonderkonto.

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