"Behörde weiß, auch Gorleben ist untauglich"

Wolfgang Ehmke 04.09.2008 09:51 Themen: Atom
"Bundesbehörde weiß, dass auch Gorleben untauglich ist"
Bürgerinitiative Umweltschutz veröffentlicht Brief an das
Bundesamt für Strahlenschutz

Geologische Parallelen zwischen dem havarierten
Atommüllendlager Asse II und dem Endlagerbau im Salzstock
Gorleben gehen über die Tatsache hinaus, dass in beiden
Fällen Salz als Lagergestein gewählt wurde - "eine an sich
fragwürdige Angelegenheit", meint die Bürgerinitiative
Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.
Die Gorleben-Gegner sehen sich angesichts des Gipfeltreffens zwischen
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, Forschungsministerin
Schavan und den niedersächsischen Behördenspitzen zu einem
ungewöhnlichen Schritt veranlasst: "Wir veröffentlichen jetzt
den in der Sache unbeantworteten Brief an das Bundesamt für
Strahlenschutz vom Sommer diesen Jahres, in dem auf brisante
behördeninterne Einschätzungen Mitte der 80er Jahre
hingewiesen wurde. Diese lassen klar darauf schließen, dass
massive Zweifel an der Eignung Gorlebens als nukleares
Endlager durch eine Bundesweisung vom Tisch gewischt
wurden."

Rückfragen

Wolfgang Ehmke 1070 510 56 06


Offener Brief



Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg e.V.
Geschäftsstelle:Drawehnerstr. 3
29439 LÜCHOW
Tel. (05841) 46 84
Fax (05841) 31 97
Lüchow, den 4.8.08


Bundesamt für Strahlenschutz
Wolfram König

Postfach 100149
D 38201 Salzgitter


Sehr geehrter Herr König,


die Debatte um Laufzeitverlängerungen und um die Fortsetzung der
Bauarbeiten im "Erkundungsbergwerk Gorleben" ist voll entbrannt. In
Interviews haben Sie dazu Stellung genommen und sich bemüht, die
Debatte zu versachlichen. Sie warnen alle Seiten davor, die Eignung
oder Nicht-Eignung des Salzstocks Gorleben-Rambow als
Atommüllendlager zu behaupten. Sie verweisen darauf, dass ein
atomrechtliches Genehmigungsverfahren noch Jahre in Anspruch
nehmen wird und dass es ein hohes Risiko gebe, dass am Ende
Gorleben als Endlager nicht genehmigungsfähig sein wird, weil
wissenschaftlich anerkannte Grundsätze wie eine alternative
Standortsuche und eine Bürgerbeteiligung an diesem Standort nicht
gegeben waren.
Sie wissen, dass die Bürgerinitiative Umweltschutz "Gorleben" nicht
nur aus diesen Gründen für "verbrannt" hält. Das Gorleben-
Moratorium des Jahres 2000 war Ergebnis eines politischen
Kompromisses, zustande gekommen ist das Moratorium aber nur,
weil Geologen an der Eignung Gorlebens zweifeln. Ihrem Haus liegt
das 300 Seiten umfassende Gutachten von Prof. Dr. Klaus Duphorn
aus dem Jahr 1982 vor, im dem fundiert und akribisch dargelegt
wird, welche Risiken der Salzstock Gorleben als Folge der
komplizierten geologischen Struktur und der Wasserkontakte für die
Endlagerung hochradioaktiver Abfälle birgt. Auftraggeber war die
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), also Ihre
Vorgängerbehörde. Im Mai 1983 hatte der Amtsleiter Professor
Helmut Röthemeyer in Hannover gegenüber Journalisten eine
Zusammenfassung der bis dahin vorliegenden
Untersuchungsergebnisse mit einer "internen Gesamtbewertung"
verbunden, die zu der Empfehlung gelangte, "das Erkundungsrisiko
breiter zu streuen." Ziel der PTB war es, auch andere Salzstöcke zu
erkunden. Für eine Behörde war das ein unerhört mutiger Schritt,
konsequenter wäre gewesen, ganz auf die Einbahnstraße Gorleben
zu verzichten.
Erst zwei Jahre später erfuhr die Presse, dass die Bundesregierung
der PTB per Weisung untersagt hatte, derartige Überlegungen
anzustellen (FR 25.7.85 "Maulkorb für kritische Äußerung über
Gorleben"). Wir halten es für dringend geboten, dass dieser
Vorgang jetzt angesichts der anhaltenden Debatte um die
Fortsetzung der Arbeiten unter Tage seitens des BfS öffentlich
gemacht wird, um deutlich zu machen, dass die Zweifel an
Gorleben begründet sind, politisch aber vom Tisch gewischt
wurden.

Prof. Klaus Duphorn war Fachwissenschaftler, kein Politiker. Als
Fachmann agierte er äußerst umsichtig und forderte zunächst
weitere Erkundungen in Gorleben. Später revidierte er seine
Auffassungen und warnte eindringlich vor der Fortsetzung der
Bauarbeiten in Gorleben. Unter Erkundung verstand er
ausschließlich weitere Tiefbohrungen, u.a. an den Flanken des
Salzstocks, nicht den Ausbau des Bergwerks. Sie in Ihrer
Eigenschaft als Präsident des BfS sprechen in den jüngsten
Stellungnahmen auch davon, dass Gorleben nicht zu Ende erkundet
wurde. Wir möchten Sie bitten, klar zu stellen, was Sie unter
Erkundung verstehen. Wir können uns nicht vorstellen, dass Sie den
Ausbau des Endlagerbergwerks mit einer Erkundung gleichsetzen.

Beste Grüße
i.A. Wolfgang Ehmke
Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg e.V.
Geschäftsstelle:Drawehnerstr. 3
29439 LÜCHOW
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