Aktionstag ohne Abschiebung in Mannheim

einige AntrassistInnen aus Mannheim 01.09.2008 20:41 Themen: Antirassismus
Im Rahmen des bundes- und österreich-weiten Aktionstag ohne Abschiebung fand in Mannheim eine Demonstration zum Abschiebeknast statt, die von verschiedenen Veranstaltungen, Aktionen und einer breiten Mobilisierung begleitet wurde. Der Aktionstag verlief insgesamt erfolgreich, der Protest gegen das "Migrationsregime" (Aufruf) wurde in die Öffentlichkeit getragen, polizeiliche Schikanen wurden zurückgewiesen, weitergehende Kritik an Staat, Nation und Kapitalismus wurde vermittelt.
Vorfeld

Bereits 2007 fand in Mannheim eine ähnliche Demonstration (zum Abschiebeknast) statt. Damals kamen etwa 400 Leute, der Aufruf richtete sich an die radikale Linke, die Demo war kämpferisch und entschlossen und am Abschiebeknast selbt wurde einiges kaputt gemacht. Zudem war die Demo 2007 teilweise in eine Kampagne des AK Antifa (zum 3. Oktober; gegen Nation, Rassismus und Kapitalismus) miteingebunden. So wurde die Demo in diesem Jahr auch am Vorjahr gemessen.

Die Mobilisierung lief 2008 etwas langsamer an, dafür war das Bündnis größer: AK Antifa Mannheim, Anarchistische Gruppe Mannheim, Antifaschistische Initiative Heidelberg, Bündnis gegen Abschiebungen (BgA) Mannheim, Die AktionsGruppe, Die Linke, Juz in Selbstverwaltung “Friedrich Dürr”, Linke Liste Mannheim, Stadträtin Gudrun Kuch und weitere Einzelpersonen. Einen eigenen Aufruf gab es nur in Form einer leicht abgeänderten Version des überregionalen Aufrufs zum "Tag ohne Abschiebung".

Gut zwei Wochen vor der Demo gab es im Kunstladen in der Neckarstadt eine Info- und Mobilisierungsveranstaltung zur Grenzschutzagentur "Frontex", die gut besucht und informativ war. Ansonsten wurde mit Plakaten, Flyern, Aufrufen in verschiedenen Sprachen, Aufklebern, Internet und Radiojingle mobilisiert. Ein Presseecho gab es im Vorfeld nur mit einem kleinen Artikel in der Rheinpfalz bezüglich der restriktiven Auflagen (dazu später mehr). Am Donnerstag vor der Demo gab es einen Infostand in der Innenstadt. Vor und in der Ausländerbehörde wurden Flugblätter verteilt.

Der Aktionstag in Mannheim

Gegen 15 Uhr versammelten sich die TeilnehmerInnen (etwa 300) auf dem Alten Messplatz in der Neckarstadt. Die VeranstalterInnen hatten sich gegen eine Route durch die Innenstadt entschieden. Relativ pünktlich begann die Auftaktkundgebung mit einem Redebeitrag der Anarchistischen Gruppe, der deutlich mehr zu bieten hatte, als der Beitrag aus dem Vorjahr. Es folgten ein Auftaktbeitrag des Bündnis gegen Abschiebungen und ein weiterer, der sich mit der Asylpolitik seit den 80er Jahren beschäftigte. Auf der Kundgebung wurden verschiedene Flugblätter verteilt, unter anderem eines des AK Antifa zur geplanten Verschärfung des Versammlungsgesetzes in Baden-Württemberg. Insgesamt war die Auftaktkundgebung mit einer halben Stunde recht lang angesetzt. Danach formierte sich die Demo, vorne ein kleiner "Black Block" mit Transparenten umschlossen, dahinter ein bunt gemischter Haufen AntirassistInnen von jung bis alt aus verschiedenen linken Organisationen und Strömungen.

Die Demo lief in die Mittelstraße, die "Hauptstraße" der Neckarstadt-West und machte mit Musik, lauten Sprechchören und einem deutsch- und türkischsprachigen Jingle auf sich aufmerksam. So gab es viel Jubel und Applaus, gute Stimmung und neue AnhängerInnen, die sich spontan der Demo anschlossen. Die Polizei hielt sich insgesamt zurück, lediglich die immer anwesende Reiterstaffel provozierte den hinteren Teil des Zugs. Dabei fiel insbesondere eine aggressive Polizistin mehrmals auf, die ihr Pferd immer wieder in die Menschenmenge hineinsteuerte und dabei TeilnehmerInnen und PassantInnen gefährdete. Diese beschwerten sich dann auch, bis es in einem heftigen Streit eskalierte. Vom Lautsprecherwagen wurde die Polizei mehrmals aufgefordert, die Povokationen zu unterlassen. Ergebnis war, dass versucht wurde, die Reiterin aus der Demo zu drängen und diese letztlich von ihrem Chef zurückgepfiffen wurde.

Nach der Mittelstraße lief die Demo über die Untermühlaustraße in Richtung Flüchtlingslager. Die Teilnehmerzahl war wieder etwas geschrumpft, die Stimmung schlief etwas ein, die Straße zog sich in die Länge. Vor dem Gebäude der Flüchtlingsunterkunft in der Pyramidenstraße wurde ein Redebeitrag zum "Point Store" gehalten. Dieser Laden ist ein von der Diakonie betriebener Einkaufsmarkt, in dem Flüchtlinge mit einem Punktesystem in beschränktem Sortiment einkaufen müssen. Um die Ecke befindet sich der Eingang zur Unterkunft. Die BewohnerInnen waren über das Kommen der Demo infomiert worden. Viele warteten schon vor dem Tor und begrüßten die TeilnehmerInnen. Es wurde ein Redebeitrag über die deutsche Lagerpolitik verlesen. Währenddessen suchten einige TeilnehmerInnen das Gespräch mit den BewohnerInnen und verteilten Flugblätter. Das hatte zur Folge, dass sich viele anschlossen und die Demo noch einmal etwas größer wurde.

Es ging weiter durch die Randbezirke der Neckarstadt in Richtung Abschiebeknast im Stadtteil Herzogenried. Die Polizei hatte an der JVA starke Kräfte zusammengezogen. An den Mauern angekommen, wurde die Abschlusskundgebung in Form einer Grußbotschaft an die Inhalftierten in fünf Sprachen gehalten. Ein letzter Beitrag der Partei Die Linke thematisierte die Situation der afghanischen und irakischen Flüchtlinge, die akut von Abschiebungen bedroht sind. Damit endete die angemeldete Demonstration.

Ein größerer Teil der TeilnehmerInnen entschloss sich dazu weiterzudemonstrieren, lief zurück in Richtung Polizei und bewarf diese mit Böllern. Ein Durchkommen zum Haupttor der JVA wie 2007 war nicht möglich. Es ging weiter durch die Neckarstadt. Im Laufe der Spontandemo wurden kleine Barrikaden gebaut, Parolen gerufen und pöbelnde Rassisten angegangen. Am nächsten Morgen waren an der Ausländerbehörde in den Quadraten die Scheiben eingeworfen. Festnahmen wurden dem Ermittlungsausschuss keine gemeldet.

Repression und Nazis

Im Vorfeld der Demonstration provozierte das Ordnungsamt und die Polizei mit schikanösen Auflagen. So waren Fahnenstangen und Transparente, die breiter als 1,5 Meter sind verboten, eine unverhältnimäßig große Anzahl an OrderInnen gefordet (diese sollten mit Warnwesten gekennzeichnet sein). Der AK Antifa Mannheim reagierte als mitveranstaltende Gruppe mit einer Pressemitteilung darauf. Diese wurde von der Rheinpfalz aufgegriffen, woraufhin sich das Ordnungsamt rechtfertigen musste. Im Ergebnis war die Repression während der Demo zwar spürbar, im Vergleich zur Demonstration am 3. Oktober 2007 oder der Demonstration kurdischer Kulturvereine im November 2007 jedoch geringer. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die VeranstalterInnen der Demonstrationen das Problem öffentlich machen und sich zunehmend Personen der Öffentlichkeit aus unterschiedlichen politischen Lagern über die polizeistaatlichen Maßnahmen empören (beispielsweise nach dem Einsatz gegen Fußballfans des SV Waldhof Mannheim am vergangen Wochenende. Dort wurden mehrere hundert Personen in einem Sonderzug Opfer einer Razzia.) Ein Problem, das weiterhin besteht, ist der Einsatz der Reiterstaffel der Mannheimer Polizei. Diese Prestigeeinheit stört nicht nur das Erscheinungsbild der Demonstration. Die berittenen Pferde vor oder (wie dieses Mal) am Ende der Demo stellen eine Gefährdung für alle FußgängerInnen dar. Dass der Einsatz der Pferde an Tierquälerei grenzt ist kein Geheimnis. Nicht zuletzt stellen die Pferdestaffeln ein effektives Mittel "für den Ernstfall" dar, mit dem die Polzei schnell und brutal Meschenansammlungen auflösen kann. Dass sich immer mehr Meschen über den Einsatz der Pferde bei Demonstrationen empören, äußerte sich am Samstag unter anderem darin, dass ReiterInnen auf verschiedene Weise verbal und direkt angegangen wurden.

Lediglich eine Statistenrolle, die jedoch nicht unterschätzt werden sollte, spielten die Nazis. Am Auftaktkundgebungsort und in der Innenstadt konnten am Samstagmorgen vermehrt Naziaufkleber gesichtet werden. Um die Demo herum waren mehrere Nazis auf Fahrrädern unterwegs. Diese gaben sich teilweise wenig Mühe unerkannt zu bleiben. Deshalb mussten auch einige rennen. Die Mannheimer Nazis sind zwar weit davon entfernt, unseren Demos gefährlich zu werden, dennoch sollten sie nicht unterschätzt werden. Auf nicht autorisierte FotografInnen sollte geachtet werden. In den letzten Monaten wurden vermeintliche AntifaschistInnen häufiger Opfer von Rufmordkampagnen durch Nazis. Junge Leute auf dem Heimweg sollten darauf achten, sich wehren zu können (am Tag der Demo fand auch ein Waldhof Spiel statt, unter den Fans befinden sich noch immer viele Nazis und rechte Hooligans).


Weitergehende Inhalte

Auf den Internetseiten der aufrufenden Gruppen sowie der überregionalen Kampagne finden sich weitere Informationen, Termine, Aufrufe, Flublätter, Grafiken und vieles mehr.
Aktionstag ohne Abschiebung  http://abschiebefrei.blogsport.de/
AK Antifa Mannheim  http://www.akantifa-mannheim.de
Anarchistische Gruppe Mannheim  http://www.anarchie-mannheim.de
Antifaschistische Initiative Heidelberg  http://www.autonomes-zentrum.org/ai
Bündnis gegen Abschiebungen (BgA) Mannheim  http://www.buendnisgegenabschiebungenmannheim.com
Die Linke  http://www.dielinke-ma.de
Juz in Selbstverwaltung “Friedrich Dürr”  http://www.juz-mannheim.de
Linke Liste Mannheim  http://www.lili-mannheim.de
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Ergänzungen

Zerstörte Ausländerbehörde in Mannheim

Dokumentation 03.09.2008 - 12:02
Die Tür der Ausländerbehörde Mannheim wurde in der Nacht nach dem dezentralen Aktionstag von Unbekannten zerstört (siehe Artikel) und damit der Betrieb dieser Behörde zumindest etwas eingeschränkt. Hier zur Dokumentation zwei Bilder von der mit Spanplatten verrammelten Tür von Heute.

Feuer und Flamme den Abschiebebehörden!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 2 Kommentare

Spontandemo zur gleichen Zeit

Bea 02.09.2008 - 11:20
Zur gleichen Zeit der Antifa Demo fand eine Spontandemo von ca.25 Faschisten in Ludwigshafen statt. Die Nazis marschierten vom Lu-Mitte Bahnhof einmal quer durch die Fußgängerzone bis ans Rathauscenter wo sie sich auflösten... Neben den bekannten Ludwigshafener Faschos waren auch aus dem pfälzischen Umland (Vorderpfalz) Nazis dabei.
Es war nur ein Bullenauto gegen ende der Demo zu sehen das natürlich nicht eingriff...
Die Nazis schrien meist aggresive Dümmliche Parolen, u.a Hier marschiert der Nationale Widerstand, auch LuNaRa Sprechchöre gab es immer wieder... Wenn jemand Bilder der Faschodemo gemacht hat bitte einstellen.

@Bea

ALVP 02.09.2008 - 13:53
Wende dich doch bitte an uns, wir würden gerne wissen wer da denn aus der Vorderpfalz dabei war.
Danke

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