Clowns auf dem NRW-Tag Wuppertal

klauen 01.09.2008 20:06 Themen: Repression
Clowns kapern zeitweise Polizeibühne und Bundeswehrinfostand.
Puuuuh war das wieder aufregend... In Wuppertal hatten sich am Samstag eine schlagkräftige Elite Clownsarmy Einheit einngefunden. Bataillone aus allen Teilen NRWs hatten nach langen Vorausscheidungen nur die creme de la creme ausgesandt um dem großartigen abstrusen Theater des NRW Tags in Wuppertal beizuwohnen.


Der NRW Tag bot ein groteskes Bild. Neben Würstchenstand und Nordic-walking Infozelt war der Krieg ausgebrochen. Die deutschen Streitkräfte waren sich nicht zu schade einiges an Kriegsgerät zu aufzufahren. Unbemannte Aufklärungsdrohnen, Kampftaucher, Mienenroboter und Fuchsspürpanzer (heute ohne den optionalen Granatwerfer) waren angekart worden um den Bürger mit technischen Details zum Anfassen zu überzeugen. Denn der Kampf an der Heimatfront steht schlecht. Immer weniger jugen Menschen schließen sich freiwillig dem militanten Trachtenverein an, schlechte Schlagzeilen über von Bundeswehrsoldaten erschossene Kinder in Afghanistan leisten ihr übriges.

Auch die Polizei Wuppertal zog nach im militärischen Schwanzvergleich. So wurde neben Polizeimotorad (zum mal-drauf-sitzen für die Kleinen) auch Räumpanzer und Wasserwerfer neben gemütlicher Biergarten Athmosphäre präsentiert.



Ihr habt es sicher schon herausgelesen in Sachen PR brauchen die guten Kameraden und Kollegen dringend Hilfe und so war die Clownsarmee zur Stelle und übernahm kurzzeitig Polizeibühne und Polizeiinfostand. Eine offene Lucke lud dazu ein den Räumpanzer als mobilen Grünglas Container einer Technik begeisterten Passantengruppe anzupreisen. Das verheissungsvolle Massen-duschen unterm Wasserwerfer oder das befüllen mit Bier blieben aber leider aus. Jedenfalls suchte Clown vor Ort die Nähe zum Bürger und den Kollegen. Das Konzept war den Passanten schnell erklärt: "Polizei Wuppertal-Spaß muß sein" war die Devise. Insbesondere wo es doch in letzter Zeit einige unschöne Proteste über vermeintliche Polizeiübergriffe gab. Heute mal rote Nasen statt blaue Augen.
Diese kreativ Massnahme fand viel positives Echo. Nur die Kollegen haben in aller Aufregung über die Übernahme ihres Infostandes etwas die Orientierung verloren und versuchten einen Clow als Rädelsführer festzuhalten. Ein kurzes Gruppenkuscheln und etwas Pogo später einigte man sich aber darauf das der Rädelsführer woanders sein mußte und man begab sich nun gemeinsam auf die spannende Suche nach jenem mysteriösen "Verantwortlichen". Einige Zoten später entschied clown sich dann einen anderen Standort aufzusuchen.



Denn nun sollte es aber richtig in die Vollen gehen. Durch proppe volle Straßen vorbei an der THW Hundeführer Show fragte clown sich durch wo denn der Krieg sei, bis man endlich den befestigten Agitations und Propaganda Stützpunkt der deutschen Streitkräfte ausfindig gemacht hatte. Dort warteten bereist zillionen aufgeregter Wach-Polizisten, Soldaten und Feldjägern die den einmarschierenden Clowns einen gebürtigen Ehrenempfang lieferten. Pantomimisch zog clown mit dem präsentierten Kriegsgerät gleich und präsentiere die streng Geheime Clowns-Dannone, die Flik-Flak-Kannone und die Banana-split-Bombe. Die Clownsarmy übernahm vor Ort die Aufklärung der Zivilisten über die technischen Daten der beeindruckenden Vernichtungsmaschienerie. So konnte auch das übermüdete Feldjägerwachpersonal abgelöst werden. Diese gingen freiwillig nach dem man sich neben sie stellte und sie zu beliebten Fotomotiven der Passanten wurden. Bis auf einige Mütter die entsetzt über die vorgestellte Strategie reagierten das das Militär nach der schlechten Presse wegen den erschossenen Kindern nun versucht in Clownskostümen schon die Kleinsten anzulocken... Spießer.



Zum Abschluß besuchte clown ein zweites mal die Polizeibühne und kam gerade noch rechtzeitig zum Hauptbühnen Spektakel. Der großangekündigten Polizeimodenschau! Der Platz vor der Polizeibühne war brechend voll und die Luft knisterte vor Spannung. Stolz demonstrierten Kollegen in historische Schale geschmissen auf der Bühne ästhetische Kontinuitäten die bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts reichten. Unvergessen bleibt der Strip der Riot-Cop Beamtin von Wasser- und brandfesten Overall über Kugelsichere Weste bis zur Schweiß-saugstarken Einsatzunterwäsche. Dies wurde selbstredend professionell vom Ober-Bühnen-Wachtmeister moderiert. Aber die Clowns waren trotz Faszination und Jubelstürme auf aufmerksam geblieben. Denn sie verpaßten Ihren Einsatz nicht als der Moderator die Uniformen der Zukunft ankündigte war die Freude groß als zwei Clowns in der einsatztypischen bunten und freizügigen Multiform auf die Bühne sprangen. Weil alles was Spaß macht immer viel zu schnell vorbeigeht und das Polizeibühnen Programm schnell auf laute Pop-Musik geändert wurde machten die Clowns vor der Bühne noch eine eigene Modenschau. Wörtlich Atemberaubend war dabei das präsentierte Modell "Guantanamo" bei dem die praktischen Bundeswehr-tarn-Jute-Beutel zu formschönen Kopfüberziehern umfunktionert wurden. Zum Abschließ am Abschluß wurde noch ein Abschiedslied von der multitalentierten Spezial-Clownseinheit vor der Polizeibühne gegeben. Und einigen Kollegen standen beinahe die Tränen in den Augen... Ach schön wars
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Ergänzungen

ein erstes Fazit

Croneberger 01.09.2008 - 21:44
Montag, 1. September 2008
DER NRW-TAG. (VII+ENDE)
Wuppertal bewegt. Kaum was.

Das vermeintliche Grossereignis NRW-Tag 2008 entpuppte sich am Wochenende als ein - wunderbar von allen Seiten ausgeleuchtetes - Windei. Weder war es jenes epochale Ereignis, als dass es offiziellerseits lange verkauft wurde, noch wurde das Wochenende zu einem starken Zeichen des Protests.

Das in weiten Teilen schlichte Volksfest, dem Lokalpolitik und Stadtmarketing länger als ein Jahr sämtliche Prioritäten eingeräumt hatten, ging bundesweit nahezu vollständig unbemerkt vonstatten. Die Bühne der medialen Aufmerksamkeit, auf der die "einmalige Gelegenheit, die Stadt Wuppertal zu präsentieren", stattfinden sollte, beschränkte sich dann letztlich doch auf einen Radius, der nicht bis hinter das WDR-Landesstudio reichte.

Kein einziger überregionaler Artikel und nicht ein Bericht über Wuppertal als "Standort starker Marken und Global-Player" sind in den bürgerlichen Medien erschienen und noch immer liegt die Website NRW Tag in der Wupper versenken, unmittelbar hinter der Startseite und dem Programm des NRW-Tags, sowie einer Seite, die sich mit dem letztjährigen Veranstalter, Paderborn, beschäftigt, auf einem sensationellen vierten Platz der aktuellen Google-Ergebnisseite. Dem Google-Ranking nach zu urteilen handelte es sich beim NRW-Tag also offenbar nur um allseits in die Augen gestreuten Sand.

Das Ganze also nur ein lokales Gedöns ohne jede, über Wuppertal hinausweisende, Bedeutung? Der NRW-Tag nur ein Fake der städischen Vermarktungsagentur zu Bestätigung einer eigenen Notwendigkeit?

Tribunal 29/08/2008


Wer weiss. Vielleicht sind die wichtigsten Präsentationen ja hinter den verschlossenen Türen des von der Bevölkerung abgeschirmten Teils des NRW-Tags abgelaufen, z.B. vor privaten Investoren, denen man weitere Stücke gemeinsamen, kommunalen Eigentums zuschanzen möchte. Die teilweise an einen Staatsbesuch erinnernde Präsenz von Ordnungskräften an der Stadthalle, mit der einige Demonstranten auf eine absurd grosse Distanz zum Meet & Greet der Provinzprominenz gehalten werden sollten, lässt zumindest darauf schliessen, dass der relevantere Teil des NRW-Tags sich bei Empfängen oder dem Unternehmerkongress abgespielt haben dürfte. Sicher kann man nur sein, dass Vorhaben, die dort verabredet wurden, sich gegen die Interessen derjenigen richten werden, die sich zeitgleich durch die PR-Abteilungen von Bundeswehr, Polizei und Kapital in grosser Zahl haben bespassen lassen.

Wer mit offenen Augen herumlief, konnte am Freitagnachmittag viele Situationen beobachten, die den inneren Zustand der Gesellschaft bestens illustrierten. Einer kleinen Versammlung kämpferisch Unzufriedener gegenüber, versammeln sich selten geschmacklos gekleidete Menschen auf der Freitreppe eines nur ihnen vorbehaltenen Prachtbaus, der doch eigentlich allen Bürgern der Stadt gehören sollte. Voneinander getrennt wurden die beiden kleinen Gruppen durch eine sechzig Meter breite Pufferzone und die darin befindlichen Polizisten. Während auf der einen Seite der Demarkationslinie um die Artikulaltion von Flüchtlings-, Mieter- oder einfach Bürgerinteressen gerungen wird, zelebrieren sich die anderen drüben selber, und arbeiten an der fortgesetzten Durchsetzung ihrer Eigeninteressen.

Die, um die es dabei geht, die Wuppertaler schliesslich, deren Lebensqualität hinter verschlossenen Türen an belgische Energiekonzerne oder ortsnahe Drahtzieher korrupter Netzwerke verhökert werden, feiern unterdessen die Schimäre einer lebenswerten, netten Stadt. Sie machen sich sogar das sie verhöhnende Motto des Stadtmarketings "Keiner wie wir" zueigen, dessen wahre Bedeutung sich bei der Selektion genehmer Gäste an der Stadthalle, oder auch beim Trachtenumzug in Sonnborn gezeigt haben dürfte.

In dieser Beziehung hinterlässt das vergangene Wochenende dann auch Ratlosigkeit. Irgendetwas kann nicht stimmen. Während auf der einen Seite auf einen angeblichen "Linksruck" der Gesellschaft draufgehauen wird, dass die mediale Schwarte kracht, und Deutschland tatsächlich auch das derzeit einzige westeuropäische Land mit einer erstarkenden, zumindest dem Namen nach, linken Partei jenseits der Sozialdemokratie ist, lässt sich auf der anderen Seite weder der vermeintliche Trend, noch die parteipolitische Tatsache im Geschehen wahrnehmen.

Im Gegenteil. Unkritische und unhinterfragte Standpunkte sind en Vogue. Vorgetragene Kritik gilt als Miesepeterei. Kein Problem also für das lokale Zeitungs-Monopol, eine bis zum heutigen Morgen andauernde - und an Hartmannsche Zeiten erinnernde - Jubelperserberichterstattung durchzuziehen, peinlich darauf achtend, die politischen und kritischen Themen des NRW-Tags mit keinem Wort zu erwähnen. Kein Problem auch für die Politiker, sich bei der ein oder anderen Vergnügung zu zeigen, um gönnerhaft zu winken und Sprechblasen dazulassen, deren Inhalt häufig jeder Logik spotten.

So kann, unter Ausblendung urbaner Realitäten, die "Cronenbergisierung" einer grossen Industriestadt erfolgreich weiter vorangetrieben werden. Was immer den Blick auf die Inszenierung einer heilen Welt stört, wird unsichtbar gemacht oder instrumentalisiert. Vernichtung durch Niedlichkeit. Und so kann weiter glaubhaft vorgekaukelt werden, lokale "Entscheidungsträger" setzten sich für die Interessen der Wuppertaler ein, obwohl sie doch qua Parteibunch an bevölkerungsfeindliche Interessenpolitik gebunden sind.

Wie z.B. kann man einem Peter Jung, der gleichzeitig Oberbürgermeister und als solcher Angehöriger des mittleren Managements einer Partei ist, die den Raub des Volksvermögens Bahn entscheidend vorantreibt, abnehmen, ernsthaft und entschieden lokale Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung zu vertreten, wenn diese doch privatisierungsschädlich sind? Krieg ist Frieden und Frieden ist Krieg.

Trotz breit gestreuter Themen ist es den Protestgruppen nicht gelungen, dem etwas wahrnehmbar entgegenzusetzen und dem NRW-Tag das zu verschaffen, was er wirklich verdient gehabt hätte - eine Politisierung.



In diesem Zusammenhang stellen sich einige Fragen.

Zum Beispiel die nach der unrühmlichen Rolle des Wuppertaler AStA, und die, wie es dazu kommen konnte, dass ein unsicherer Mit-Organisator in der Lage war, am Morgen des geplanten Tribunals als begehrter Kronzeuge des Stadtmarketings gegen "gewaltbereite Störer" in Erscheinung zu treten. Die Wirkung dieser "Entschuldigung" des neuen AStA-Vorstands auf mglw. protestbereite, aber unsichere Menschen, die mehrheitlich von inneren Auseinandersetzungen des AStA keine Ahnung haben, ist nicht zu unterschätzen.

Eigentlich war der Protest durch die öffentliche Diskreditierung des Aufrufs zum Tribunal durch einen ehemaligen Mitorganisator als "gewaltbereit", von Anfang an auf eine ghettoisierte Normalsituation zurückgeworfen. Ebenso müssen Fragen, die sich mit Inhalt und Form eines Protest - wie z.B. einem Tribunal gegen die Landespolitik - beschäftigen, gestellt werden, wenn überhaupt gesellschaftliche Relevanz und eine strategisch offensive Position zurückgewonnen werden soll.

Ob eine Beschäftigung mit diesen Fragen möglich sein wird, ist für die Möglichkeit urbaner Selbstbehauptung von grosser Bedeutung - auf eine Beantwortung dieser und anderer Fragen zu verzichten und stattdessen die Verantwortung dafür, dass zuviele wegbleiben, woanders zu suchen, hiesse, einer ebensolchen Schimäre nachzulaufen, wie die Mehrzahl der feiernden Wuppertaler. Nur heisst sie hier "kämpferische Community" und "Reclaim the Streets".

"Wenn sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich." (George Orwell, "1984")
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Mit diesem Beitrag wird die UMLOG-Artikelserie zum NRW-Tag in Wuppertal abgeschlossen. Lokales wird zukünftig an anderer Stelle fortgesetzt. Dazu dann demnächst mehr.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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herrlich — AntifascistRuhrpott

Freitag HBF — Düsseldorfer