Prozess gegen TKDVler findet doch statt

TKDV-Initiative 30.08.2008 08:11 Themen: Militarismus
Die für Dienstag, den 2. September 2008, um 10:00 Uhr angesetzte Berufungsverhandlung am Landgericht Görlitz (Postplatz 18, Saal 200) gegen den Totalen Kriegsdienstverweigerer Andreas Reuter findet zunächst wie geplant statt.
Bisher wurde noch nicht über den Antrag der Verteidigung, die Berufung der Staatsanwaltschaft als unzulässig zu verwerfen, entschieden. Staatsanwältin Küsgen, welche um eine Stellungnahme zu dem Antrag gebeten worden war, hatte lediglich beantragt, "über die Zulässigkeit der Berufung im Urteil zu entscheiden." Dem kommt der Vorsitzende Richter am Landgericht, Böcker, nunmehr auch nach.

Insofern wird die Verhandlung zwei inhaltliche Stränge haben - zum Einen die Frage, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt im vorliegenden Fall berechtigt war, Berufung einzulegen (bzw. dass sie dies nicht war und es nur getan hat, um eine Überprüfung der unglaublichen Vorgänge am Amtsgericht Zittau im Wege der Revision zu verhindern), zum Anderen wird natürlich bis zu einem Urteil auch der strafrechtliche Vorwurf - die "Dienstflucht" des Angeklagten - zu erörtern sein (bzw. die Gründe, warum Andreas sich so verhalten hat, und die Frage, ob der Staat vor dem Hintergrund der in Art. 4 Abs. 1 GG postulierten Gewissensfreiheit in einem solchen Fall überhaupt strafrechtliche Sanktionen erlassen darf).

Reuter wurde nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zum 04.07.05 zur Ableistung
des Zivildienstes nach Weisswasser einberufen, war dort aber nicht erschienen. Der 25-jährige
Antimilitarist lehnt die Ableistung sowohl des Wehr- als auch des Zivildienstes wegen dessen militärischer
Verplanung im Rahmen des Konzeptes der sog. „Gesamtverteidigung“ ab. Zivildienst ist nach
dem Wehrpflichtgesetz ebenso wie der Wehrdienst bei der Bundeswehr Erfüllung der Allgemeinen
Wehrpflicht und trägt so maßgeblich zur Aufrechterhaltung der Zwangsrekrutierung bei. Zudem können Zivildienstleistende gem. § 79 Zivildienstgesetz im Verteidigungsfall zu unbefristetem Zivildienst herangezogen werden, wobei sie dann u.a. dazu eingesetzt werden sollen, „die Staats- und Regierungsfunktion zu erhalten, die Zivilbevölkerung und die Streitkräfte zu versorgen (und) die Streitkräfte mit zivilen Gütern und Leistungen unmittelbar zu unterstützen“ (Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums 1994, Abs. 695, S. 133). Der Zivildienst ist somit nicht etwa „zivile Alternative“ zum Wehrdienst, sondern ebenso Kriegsdienst – lediglich ohne Waffe. Darüberhinaus lehnt der Totalverweigerer den Zivildienst ab, weil sich dieser bei näherer Betrachtung als alles andere als ein sozialer Dienst herausstellt: durch den massenhaften Einsatz von Zivildienstleistenden bewirkt er den Abbau regulärer Arbeitsstellen und befördert damit geradezu die prekäre Lage in Pflegeberufen, der er angeblich entgegenzuwirken vorgibt.

Reuter war im Dezember letzten Jahres am Amtsgericht Zittau zu einer Bewährungsstrafe
von zwei Monaten verurteilt worden. Die Hauptverhandlung geriet dabei zur Farce, als der zuständige Richter Ronsdorf zu Beginn der Verhandlung den drei Verteidigern des Angeklagten überraschend die Zulassung entzog, dem Angeklagten keinerlei Unterbrechung nach diesem Willkürakt zugestand und schließlich „kurzen Prozess“ machte. Das Landgericht Görlitz hob im April die Entziehung der Verteidigerzulassung wieder auf.
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