Erneut symbolische Hausbesetzung in Freiburg

As You Like It 28.08.2008 04:21 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe
In der Nacht auf den 28. August hängten AktivistInnen in Freiburg ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „15 JAHRE LEER“ über das Dach eines Einfamilienhauses. Nach einer symbolischen Besetzung am 14. August ist dies die zweite in einer Reihe von Besetzungsaktionen mit dem Ziel, ein gesellschaftliches Klima für dauerhafte Wohnbesetzungen zu schaffen.
In der Nacht auf den 28. August wurde das Einfamlienhaus In der Hardt 5 in Freiburg westlich der Merzhauser Straße symbolisch besetzt. Das Haus steht seit 15 Jahren leer, doch die BesitzerInnen versuchen mit allerlei Tricks vorzutäuschen, dass es bewohnt sei. Der Rasen ist kurz gemäht, die Blumenbüsche blühen und die Bäume sind akkurat gestutzt. Ein kleines Gemüsebeet und ein Vogelhaus sind das i-Tüpfelchen spießbürgerlicher Normalität. Weiße Spitzengardinen hinter allen Fenstern suggerieren wohnliche Behaglichkeit und jeden Abend geht zur gleichen Uhrzeit im gleichen Zimmer die gleiche Lampe an. Eigentum verpflichtet? Nicht für Freiburgs Bourgeoisie...


Leerstehendes Einfamilienhaus in Freiburg

In Freiburg herrscht Wohnraummangel, die Mietpreise sind unerhört hoch. Um aber überhaupt Wohnraum mieten zu können, muss meist zunächst eine unverschämt hohe Provisionsforderung von ImmobilienmaklerInnen erfüllt, anschließend ein dreister Mietvertrag akzeptiert und eine hohe Kaution gezahlt werden. Nicht lange, und die erste Mieterhöhung flattert ins Haus, wie momentan im großen Stil bei MieterInnen von Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Freiburger Stadtbau GmbH.

Als MieterIn wirkt die Abhängigkeit von VermieterInnen einschüchternd und führt oft dazu, dass die gesetzlichen MieterInnenrechte nicht eingefordert werden. Um diese Rechte durchsetzen zu können, ist eine Menge Mut und Selbstvertrauen nötig. Außerdem Geld für AnwältInnen, Bürokratiekenntnisse, und natürlich Vertrauen in die Gerechtigkeit der deutschen Justiz. Die Situation von Flüchtlingen, Obdachlosen und Familien ist ungleich dramatischer: Ein ungesicherter Aufenhaltsstatus, Wohnungslosigkeit als Jobhindernis und in der „wohlverdienten Mittagsruhe“ lärmende Kinder können und werden von HausbesitzerInnen oft ausgenutzt.


Partybesetzung am 14.02.2007 auf der Neuen Messe

Luxussanierungen als eine Ursache und Folge von Gentrificationprozessen führen zu einer Verknappung günstigen Wohnraumes. Neoliberale Sozialreformen wie die Agenda 2010 und die Hartz IV-Gesetzgebung zwingen immer mehr Menschen in immer kleinere Wohnungen. Ärmere Menschen werden aus „aufgewerteten“ Stadtteilen verdrängt und von reichen Wohngegenden ferngehalten.

In Freiburg gab es Anfang 2007 den letzten Versuch, ein für Hausbesetzungen günstiges Klima zu schaffen. Die AktivistInnen sahen sich teilweise mit starker Repression konfrontiert. Zwar konnte kein Haus dauerhaft besetzt werden, doch die Kämpfe der Strassenpunx wurden solidarisch unterstützt. Wir wollen aus den Erfahrungen lernen und dieses Mal langsam, aber kontinuierlich auf unser Ziel hinarbeiten: Wohnraum dauerhaft zu besetzen.


Partybesetzung am 01.01.2006 in der Basler Straße 30

Symbolische Besetzungen wie in der Spittelackerstraße, in der Merianstraße, während der Freiraumtage und kürzlich in der Baslerstraße sind dabei nur eine Spielart des Häuserkampfes. Sehr beliebt bei jung und alt sind Partybesetzungen. In Freiburg gab es 2004, 2005, 2006 und 2007 Partys in leerstehenden Häusern ohne größere Repression für die Partygäste. Auf die Partybesetzung am 4. Juli in Bühl folgte hingegen eine Repressionswelle in Mittelbaden.

Besetzungen schaffen eine breitere Basis für Autonome Zentren (AZ). Oft führt eine Bedrohung von Freiräumen, die aus AZ-Besetzungen hervorgegangenen sind, wieder zu neuen Besetzungen. So wurde das AZ in der Oberen Weinsteige 9 (OBW9) in Stuttgart 2005 besetzt: 1., 2., 3., 5. und X. Tag der Besetzung. Doch auch nach der Räumung gab es noch Partybesetzungen.


Partybesetzung am 29.10.2005 auf dem Güterbahnhofsgelände

In Basel konnte 2008 eine drohende Räumung des Squats Villa Rosenau erfolgreich verhindert werden. Einige wenige AZs wie beispielsweise die KTS Freiburg aus den 1990ern oder in der Schweiz die Reitschule Bern aus den 1980ern existieren bis heute. In Bern gibt es seit 2005 zudem das denk:mal als Autonome Schule.

Karlsruhe hat wie Freiburg, eine lange Tradition des Häuserkampfes, zu allen Zeiten wird besetzt: 2003, 2004, 2006. Seit der Räumung des lange bedrohten AZs Ex-Steffi 2006 kämpft die Next-Steffi für ein neues AZ.


Partybesetzung am 17.01.2004 in der Basler Straße 66

In Heidelberg wurde das AZ Anfang 1999 geräumt. Seither gibt es immer wieder Besetzungen, so 2002 der Versuch das Alte Hallenbad zu besetzen (1 | 2), die Casa Loca 2004 (1 | 2), ein Gebäude in der Rudolf-Diesel-Straße 2006 (1 | 2) sowie die Partybesetzung des Schwesternwohnheims 2008 (1 | 2). Und weder das Autonome Zentrum im Exil noch die Autonome KulturZentren Aktion haben vor aufzugeben.

Unerwartet häufig existieren stille Wohnbesetzungen, bei denen sich die SquatterInnen Wohnraum aneignen, ohne dies in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. In Freiburg wurde der letzte Versuch einer politischen Wohnbesetzung auf dem Vauban-Gelände Anfang 2004 geräumt, während in der Schweiz Wohnbesetzungen trotz zunehmender Repression durchaus üblich sind. Aber was nicht ist, kann ja noch werden...

Besetzt mehr Häuser!


Wohnbesetzung am 10.01.2004 aufm Vauban
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Ergänzungen

siehe auch frankfurt

squat 28.08.2008 - 21:12

@HamburgerJung

Zappa 28.08.2008 - 21:37
Auch Bürogebäude unterliegen dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit. Ein Bürogebäude hat sich im Schnitt nach allerhöchstens 10 Jahren refinanziert, danach kann man es (zumindest aus wirtschaftlicher Sicht) abreissen.

Gebäude aus den 80er Jahren sind in Großstädten nahezu unvermietbar, da sie die technischen Anforderungen von heute nicht mehr erfüllen können. Damals gabs eben noch keine Vernetzung und Computer an jedem Arbeitsplatz.

So unlogisch ist der Büro-Neubau also nicht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Klasse — Mensch

15 jahre? — hamburger

unsinn in hamburg — hamburger

eat the rich — Stimmen aus dem Allgäu