FeldbefreierInnenprozess in Gießen, 1. Tag

Feldbefreier 27.08.2008 15:56 Themen: Ökologie
Es waren bis 17.30 Uhr nur die PolizistInnen als ZeugInnen da - und die Vernehmumgen und ganzen Abläufe waren schon, wie ich fand, ziemlich abgefahren, was so aus Vernehmungen alles rauszuholen ist. Allerdings ging es ja nicht in der Hauptsache darum, dass die Bullen Deppen sind - auch wenn es schon schön war, als der Staatsschützer einräumen musste, dass es außer den HR-Filmen keine belastbaren Beweismittel mehr gab - irgendwas ging beim Staatsschutz oder der Polizeidirektion Gießen immer schief. Das Thema Gentechnik aber wollte Richter Oehm gar nicht zulassen. Doch darum soll nun gerungen werden: Am nächsten Prozesstag werden die Genpfuscher selbst als Zeugen erwartet. Zwischendurch gab es noch eine Einstellung - vor die Kanzlei des hessischen und thüringischen Innenministers die Worte "Rechtsbrecher" zu schreiben, wird nicht weiter strafrechtlich verfolgt.
Aber der Reihe nach. Hauptanklagepunkt war die Feldbefreiung 2006. AktivistInnen stürmten damals das Gerstenversuchsfeld der Uni Gießen am Alten Steinbacher Weg - angekündigt, vor laufenden Kameras und trotz Polizeibewachung trotzdem teil-erfolgreich. Der Ladungsplan für Dienstag, den 26. August nannte die Versuchs-Durchführenden und die vor Ort eingesetzten PolizeibeamtInnen als ZeugInnen. Gehört wurden aber vor allem Letztere. Doch bevor es losging, waren einige Klippen zu überwinden.

 

Der Tag vor dem Prozess

Am den 25.08., den Abend vor dem Gentechnikprozess gegen Patrick Neuhaus und Jörg Bergstedt, hielt Jutta Sundermann einen kritischen Vortrag über Gentechnik, dessen Folgen, Risiken und wie mensch damit umgehen kann. Dieser war inhaltlich überzeugend gehalten, wobei er leider nur mäßig besucht war, was aber auch daran gelegen haben könnte, dass kein Gentechnikbefürworter sich als Gesprächspartner für eine öffentliche Diskussion beteiligen wollte. Nach diesen Vortrag gingen 3 Teilnehmer noch am Amtsgericht vorbei, in dem am nächsten Tag der Prozess laufen sollte. Kurze Zeit später traf dann auch die Polizei dort ein, welche eine Personalienfeststellung durchführen wollte. Die betroffenen Personen gaben die Personalien aber nicht bereitwillig heraus, denn sie stiegen auf Bäume oder liefen kleine Erhöhungen entlang. Nach und nach kamen 6 weitere Polizeifahrzeuge. Es trafen auch noch drei Bekannte der betroffenen Personen ein. Wenige Minuten später eskalierte die Situation als die Polizei einen Rucksack wegnahm. Daraufhin erklomm eine Person die Fassade des Amtsgerichtes und es gab Platzverweise für die Beteiligten. Zudem beschimpfte die Polizei die anwesenden Leute. Die Feuerwehr kam dann auch noch um die Person wieder von der Fassade zu holen. Abschließend wurden drei Menschen in Gewahrsam genommen. Eine davon sollte ED-behandelt werden, was aber am Versagen der technischen Geräte der Polizei und den unkooperativen Verhalten dieser Person scheiterte. Sie wurde in der Nacht wieder frei gelassen. Die zwei anderen verbrachten die Nacht in polizeilichen Gewahrsam, worunter auch ein Angeklagter war, der am nächsten Tag einen Gerichtstermin hatte.

 

Vor dem Start

Wie immer: Riesenmengen Polizei in und um das Gebäude. Die sind gelangweilt, durchsuchen einiges und finden in einer Fahrradtasche 0,3 mg Haschisch. Aufregung, gleich jemanden abgeschleppt zur Wache - wahrscheinlich waren die enttäuscht, dass es nur so wenig war. Das reichte nicht für alle auf der Polizeiwache ...

Die intensiven Kontrollen verzögerten den Einlass, zumal sich die Angeklagten brav hinten anstellten. Was den Richter erzürnte, aber als er gerade beschloss, die Nicht-Vordrängler hereintragen zu lassen, waren die durch die Schleuse und betraten den Gerichtssaal. Der war überfüllt und viele zeigten deutliche Sympathie mit Feldbefreiungen - durch Worte, T-Shirts und mehr. Bevor es dann losging, war es auch schon wieder zuende, denn der über Nacht eingesperrte Angeklagte monierte seine fehlenden Akten und bekam eine Stunde Pause, um diese zu holen. Gegen 10 Uhr ging es dann los - auf dem Tisch der Angeklagten viele Akten und zwei Computer.

  • 10.07 Uhr: Verlesung der Anklage
  • 10.10 Uhr: Angeklagte werden gefragt, ob sie sich einlassen zur Sache. Beide lehnen ab. Der Richter ist offenbar überrascht. Die Zeitplanung ist jetzt andersherum durcheinander. Die freie Zeit soll mit Filmgucken verbracht werden.
  • 10.20 Uhr: Unterbrechung für Aufbau der Fernseher. In Pause wird geklärt, dass doch keine Leute mehr reinkonnten. Nochmal protestiert, soll nochmal geklärt werden
  • 10.35 Uhr: Es gibt technische Probleme mit Beamer. Das nutzen die Angeklagten und spielen auf einem ihrer Laptops andere Feldbefreiungsfilme vor, z.B. zur Feldbefreiung in Gatersleben. Danach gibt es Musik von der Angeklagtenbank: ein Anti-Gentech-Song. Auch mal was Neues in einem laufenden Verfahren.
  • 10.45 Uhr: 2 HR-Filme vorgeführt, dann der Überwachungsfilm und 1 weiterer HR-Film. Wie sollte es anders sein: Der Überwachungsfilm zeigte auch öffentliches Gelände und es gab mal wieder keine Hinweisschilder (bekannter Streitpunkt aus einem anderen Verfahren). Folglich ...
  • 11.15 Uhr: Erklärung eines Angeklagten, dass Überwachungsvideo illegal war
  • 11.17 Uhr: Die erste Zeugin KKin Keller

 

PP Mittelhessen (Polizei-Peinlichkeiten)

Mit KKin Keller begann die lange Vernehmungsreihe der Uniformierten und Zivilen aus der Ferniestraße. Und wie üblich: Das ist ein Laden, wo alles schief geht, sich die Bediensteten widersprechen, blumiges Zeux ausdenken und mehr. Diesmal konnten es alle genießen - sichtbar hatten auch viele der Bediensteten von Papi Staat ihren Spaß einerseits am Unsinnreden der ZeugInnen, andererseits aber auch an den Vernehmungen durch die Angeklagten. Das ist schon nicht ganz einfach, da nicht in peinliche Dialog verstrickt zu werden ...

Hier folgt nur ein kurzer Überblick zu einigen Zeugen und den zentralen Aussagen:

 

KKin Keller
KKin Keller – die erste Zeugin – gibt an, dass sie erst nach dem Vorfall und nach den Festnahmen zum Gelände gefahren sei. Ihre Aufgabe sei gewesen, den Tatort aufzunehmen und eine Schadensabschätzung vorzunehmen. Dort habe sie von Prof- Kogel oder Dr. Langen – sie ist sich nicht sicher, wer von beiden es war – erfahren, dass 500.000 EUR Schaden entstanden sei. Aufgrund der hohen Schadenssummer habe sie den Vorgang an „die Spezialisten vom ED“ abgegeben, welche zur Spurensicherung angefordert.

 

POK Ganz: „Es war absoluter Zufall, dass wir dort waren“
POK Ganz gibt an, zusammen mit PHK Koch „relativ kurzfristig“ mit der Sicherung des Geländes und die Beobachtung der Mahnwache beauftragt worden zu sein. Sie seien zum Gelände gefahren, um dieses in Augenschein zu nehmen. „Es war absoluter Zufall, dass wir dort waren.“

KOK Birkenstock: „Fakt ist, dass wir auch einiges niedergetrampelt haben“

  • Auftrag und Vorphase: Sein Auftrag sei es gewesen, mit mehreren anderen Kollegen in zivil das Feld zu beschützen. Dazu seien sie mit einem Streifenwagen in dem Bereich unterwegs gewesen. KOK Birkenstock berichtet, dass ein Rundfunkteam vor Ort war. „Es waren Leute mit Kamera und ummantelten Mikro unterwegs, die gingen mit B mehrfach um das Gelände.“ B habe immer im Bereich dieser Leute gestanden.
  • Der Ablauf: Zur Situation vor dem Angriff berichtet KOK Birkenstock, dass er mit dem Einsatzleiter, PHK Koch, ich im Bereich des Wirtschaftsgebäudes unterwegs war, um einen Schlüssel entgegenzunehmen. „Das muss gegen 15 Uhr gewesen sein.“ Sie hätten sich hinter einem Wirtschaftsgebäude aufgehalten, dadurch wäre ihnen der Blick verwehrt gewesen.
    Dann habe er gesehen, wie sich Personen, die er zunächst nicht identifizieren konnte, auf die Versuchsfläche zuliefen. „Eine Person von links lief auf das Gelände, von rechts kamen noch drei Leute.“ Die Distanz zwischen den Personen beziffert er mit „50 bis 70 Metern“.
    Vier Personen hätten die Versuchsfläche geentert. „Und wenn ich damals auch so geschrieben habe, dann stimmt das auch so“, versetzt Birkenstock auf Rückfrage. Er wird gebeten, sich im Saal umzuschauen, ob er jemand anderen außer B und N erkennt. Birkenstock steht auf und deutet auf B – ja, noch einer mit B –, der sich im Publikum befindet. Lachen. Ob er die vierte Person auch sehe? Birkenstock lässt seinen Blick durch die Reihen schweifen, und einige Personen im Publikum versuchen ihn durch „ich bin es“-Rufe zu verwirren – ohne Erfolg.
    Zurück zum Geschehen. Als er die sich auf das Versuchsfeld zu bewegenden Personen gesehen habt, habe er nur gedacht: „Das kann ja doch nicht wahr sein“, und wollte so schnell wie möglich dahin.
    Es habe eine halbe Minute gedauert, bis er an der Versuchsfläche war. „Nach meinem Sprint konnte ich Leute auf den Knien sehen. Ich bin dann auch auf das Feld, auf den Knien gerobbt.“ Er habe dann versucht, dass erstbeste Bein zu fassen zu bekommen. Die Feldbefreier hätten einfach nur nicht aufgehört. „Es hat keiner nach mir getreten oder geschlagen; sie haben nur versucht, sich uns zu entziehen.“ Was er getan habe, um die Personen aus dem Versuchsbereich zu entfernen? „Ich habe geschubst, gezerrt, gezogen.“ Dennoch bejaht er, dass es moderat abgelaufen sei, von allen Seiten.
    Er kann nicht genau sagen, wie lange N und B auf dem Feld waren. „Dazu Kann ich nichts sagen; man ist sehr aufgewühlt.“ Kurze Zeit konnten sie ungestört arbeiten. Während des „Kampfes“ hätten sie weitergerupft. „Aber sie haben ja nicht uns angegriffen – wir haben halt gezogen, sie haben gerupft.“
    Ob er es für denkbar halte, ob man sein Verhalten als Teilnahme an der Feldbefreiung hätte werten können? Er antwortet zunächst nicht, auf weitere Nachfrage sagt er: „Wir sind ja nicht naiv. Es kann natürlich den Eindruck erwecken, dass eine zivile Person zu den anderen Personen gehört.“
    „Ich kann nichts Definitives zum Tatumfang der einzelnen Personen sagen“, gesteht Birkenstock, „nicht mal, an wem ich herumgezerrt habe. Ich war mehr oder weniger auf Knien. Wer wie viel beschädigt hat – kann ich nicht definitiv sagen. Ich habe gesehen, dass Personen Pflanzen ausgerissen haben.“ Zudem berichtet er: „Ich habe mit Sicherheit Pflanzen niedergetreten, ausgerissen habe ich keine.“
    Zur Frage, wie viel Schaden durch h Zugriffsmaßnahmen entstanden sei, antwortet KOK Birkenstock: „Da kann ich keine verbindliche Aussage machen. Fakt ist, dass wir auch einiges niedergetrampelt haben.“
    Er kann nicht sagen, ob vor dem Zugriff Pflanzen ausgerissen wurden. „Sie haben die Pflanzen nicht gestreichelt“, erklärt Birkenstock allerdings. „Es wurde an den Pflanzen gezogen, es wurde sich nicht zwischen die Pflanzen gelegt und gewartet, bis die Polizei da ist“, antwortet er auf die Frage, ob die Feldbefreier der Polizei möglicherweise eine Falle gestellt hätten.
  • Wie konnte das geschehen?
    Birkenstock gibt an, dass es vorher Anhaltspunkte für die Aktion gab. „Es stand eine mögliche Stürmung im Raum, mit vielen Fragezeichen.“ Von konkreten Absichtserklärungen habe er nichts gewusst. Das habe nicht er recherchiert. „Ich bin ja nur ein relativ kleines Licht bei der Polizei – wo genau die Informationen herkommen, kann ich nicht sagen. Das ZK 10 oder PHK Koch würden mehr wissen.

PHK Koch: „Es ist Sache der Uni, das Gelände abzusichern“

  • Auftrag und Vorphase : Dann die Vernehmung von Polizeihauptkommissar – kurz PHK – Koch. Er war Einsatzleiter am 2. Juni 2006 und einer der drei Beamten, welche die Feldbefreier auf frischer Tat ertappten.
    Während der Vernehmung erkläre Koch, dass er sehr kurzfristig damit beauftragt worden sei, dass Gengerstenfeld zu bewachen. „Es ging um einen genehmigten Informationsstand und eine angekündigte Feldbefreiung. Ich war Einsatzleiter für die Kräfte für den Infostand und für den Objektschutz.“
    Um sich mit der Situation vertraut zu machen, sei er mit POK Ganz zum Feld gefahren. Dort hätten sie KOK Birkenstock – dieser in zivil – getroffen.
  • Der Ablauf: Koch ist sich nicht mehr sicher, was er getragen hat. „Wahrscheinlich ein Einsatzanzug.“ KOK Birkenstock sei vorgelaufen, er und POK Ganz direkt hinterher. „Wir hatten noch keine freie Sicht“. Bei seinem ersten Blick auf den unmittelbaren Tatort seien die Personen bereits unter dem Vogelnetz. Birkenstock sei über den Zaun gesprungen. Das habe er an einer anderen Stelle auch gemacht. Ein Lachen geht durch den Saal, als er auf die Frage nach dem offiziellen Zugang zum Feld antwortet: „Wo der reguläre Zugang war – weiß ich nicht, weil selbst wir über den Zaun gestiegen sind.“
    Womit sich die Personen dort beschäftigten, habe er erst erkennen können, als er dort war. Er habe sich dann auf Herrn N konzentriert. „Der hat mit bloßen Händen an den Pflanzen gezogen. Mit beiden Händen. Als ich sagte, er sollte das lassen, hat er nur noch schneller gemacht.“ Daher habe er ihn durch Ziehen an der Jacke aus dem Versuchsbereich transportiert.
    Alle Feldbefreier werden rausgezerrt oder geschubst. Danach stehen alle eine Weile neben dem Netz. Auf die Frage von Richter Öhm, was in dieser Zeit gesprochen wurde, sagt Koch: „Ich habe mit N und B nicht viel zu bereden. Wir kennen uns. Schon lange. Herr B hat mir schon in seinem Buch mehrere Seiten gewidmet.“
    Auch Koch wird gefragt, wie das Verhältnis des Schadens vor und nach ihrem Zugriff war, ob sie Teile der Fläche zertrampelt hätten. „Ich glaube nicht, dass wir größere Schäden verursacht haben.“ Er sei mit Landwirtschaft aufgewachsen und wisse, dass sich Gerste von selbst wieder aufstellt. Koch sei aber „relativ erschrocken“ gewesen, als Prof. Kogel – Versuchsleiter – ihm eine hohe Schadenssumme nannte. Es könne eine halbe Million sein. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so ein hoher Schaden entstehen konnte.“
  • Wie konnte das geschehen?
    PHK Koch gibt an, dass zum Zeitpunkt keine weiteren Beamten in der näheren Umgebung waren; höchstens eine weitere Streife, das wollte er nicht ausschließen.
    Einer der Angeklagten erkundigt sich, warum nur so wenige Einsatzkräfte anwesend waren, vor allem angesichts der vorab für Pfingsten angekündigten Feldbefreiung. Zunächst gibt Koch an, dass er diese Entscheidung getroffen habe: „Die Mahnwache war eine angemeldete Versammlung – warum soll ich da viele Kräfte hinschicken.“ Später widerspricht er sich und behauptet, dass er „die Kräftedisposition nicht vorgenommen habe“ – er habe einen Einsatzplan vorgesetzt bekommen.
    Koch sagt, dass er nicht davon ausgegangen war, dass zu diesem Zeitpunkt etwas passieren würde. „Die Aktion war ja für das Wochenende angekündigt.“ Zudem erklärt er: „Es ist Sache der Uni, das Gelände abzusichern. Und in zweiter Linie haben wir unsere Objektschutzmaßnahmen gefahren.“ Hinweisschilde auf die Videoüberwachung seitens der Uni habe er nicht bemerkt.
    Koch gibt zu, dass sie mehr aus Zufall zum „richtigen“ Zeitpunkt auf dem Gelände waren. Immerhin – über die Kripo sagt er: „Die Kollegen waren noch mit der Einweisung beschäftigt.“ Eine Vorbesprechung für den Fall, was zu tun ist, wenn das Gerstenfeld angegriffen wird, habe es nicht gegeben. „Ich sehe darin auch keinen Sinn“, sagt PHK Koch genervt. Warum auch – es ging ja nur um ein millionschweres Feld mit transgener Gerste …

 

KOK Schöller: „Die Polizei hat sich mehr Sorgen darum gemacht als die Uni.“
KOK Schöller berichtet, dass er anfangs bei einem Kooperationsgespräch beim Ordnungsamt anwesend war. Es ging um einer Mahnwache, die über Pfingsten am Alten Steinbacher Weg stattfinden sollte. „Die Mahnwache wurde im Internet im gleichen Zusammenhang mit einer Feldbefreiung genannt.“ Daher habe man den Verdacht entwickelt, dass es zu Straftaten kommen könne. Später sei er eingesetzt worden zur zivilen Aufklärung und als Sachbearbeiter des Strafverfahrens.
Im Zuge der Befragung wird deutlich, dass bei der Beweissicherung nicht viel Verwertbares herausgekommen ist. So gibt es keine Bilder aus der unmittelbaren Tatzeit. Schöller dazu „Es sind Bilder weggekommen. Unmittelbar nach dem Tatgeschehen wurden welche aufgenommen. Sie waren nur als Datei vorhanden, die auf einmal nicht mehr vorhanden waren. Die Festplatte war defekt. Ich habe die Bilder nicht gemacht und nicht gesehen.“
Richter Öhm fragt Schöller, ob es der Uni nicht gedrängt hat, das Feld zu beschützen, es hätte sich ja um einen teuren Versuch gehandelt. Daraufhin erwidert der Kriminalbeamte: „Die Polizei hat sich mehr Sorgen darum gemacht als die Uni, aber das ist sehr subjektiv. Überwachungsdienst kostet Personal, während es so scheint, als sei das alles bei uns einfach so vorhanden.“

 

Welche Rolle spielte die Polizei?

Als alle PolizeibeamtInnen durch waren, herrschte vielerorts Kopfschütteln. Zwar war es für den Prozess gar nicht besonders bedeutsam, aber dennoch klar: Das ist eine dumme, aber auch widerliche Truppe. Dort wird richtig schlechte Arbeit gemacht, aber dann interpretiert und erfunden. Ermitteln kann mensch das wohl kaum nennen. Da ist jede Freizeitdetektivgruppe besser. Wäre es einer der vielen in Gießen laufenden Prozesse zu Polizei- und Justizkritik gewesen, die Geschichte der "Fiesen Tricks von Polizei und Justiz" hätte eine Fortsetzung erhalten ...

So aber hatte das weniger Bedeutung. Nichtsdestotrotz stellte ein Angeklagter noch genüsslich zwei Anträge mit dem Tenor, dass die Tollpatschigkeit der Polizei doch nicht nur durch Dummheit und die klassische Neigung von Herrschaftsstrukturen zu Fehlern erklärt werden könne. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass auch unter Uniformierten und Uni-MitarbeiterInnen das Interesse am Ende des Genversuchsfeldes verbreitet gewesen sei - und vielleicht einige in diesem Sinne mitgemischt hätten:

 

Dann war es zuende mit der Reihe von PolizeizeugInnen. Zwei werden noch nachgeladen, zudem die Anträge beschieden. Zwischendurch machten Richter und Staatsanwältin noch mit einer anderen Sache kurzen Prozess:

 

Sind Innenminister Rechtsbrecher? Lieber nicht untersuchen ...

Am zweiten Prozesstag (29. August) sollten ganz andere Leute geladen werden. Das deutete darauf hin, dass das Gericht dem verfolgungswahnsinnigen Staatsanwalt Vaupel einen weiteren Anklagepunkt erlaubt hatte: Beleidigung des Innenministers Bouffier. Das hatet mit dem anderen Thema zwar gar nichts zu tun, sollte aber offenbar verhandelt werden. Ganz ohne wäre aber auch dieses Thema nicht gewesen, bei dem ein kleines Kreidebild der Stein des Anstoßes ist: "Rechtsbrecher und Innenminister" war zu lesen. Zu klären wären da mindestens zwei Fragen gewesen:
1. War überhaupt Innenminister Bouffier gemeint?
2. Ist der Spruch eine Beleidigung oder schlicht eine Tatsache?
Doch das Gericht zog die Reißleine. In einer kurzen Debatten zwischen Richter und Staatsanwältin wurde ein Beschluss zum Einstellung ohne Auflagen gefällt. Der betroffene Angeklagte protestierte - er hätte gern überprüfen lassen, ob Bouffier oder Gasser nicht als Rechtsbrecher bezeichnet werden dürfen.

 

Dann gab es nur noch eine Vernehmung ...

Frau Kraus: „Es gab eine Panne, die wir nicht aufklären konnten“
Frau Kraus bezeichnet sich als Leiterin des Rechtsdezernats der JLU Universität Gießen. Sie sei Ansprechpartnerin für die Polizei gewesen. „Wir haben versucht zu organisieren, dass rund um die Uhr dort jemand vor Ort ist.“ Es habe in der Überwachung eine Lücke gegeben und das sei von den Versuchsgegnern genutzt worden. „Es gab eine Panne, die wir nicht aufklären konnten.“ Am Ende der Befragung gesteht sie kleinlaut, dass die von ihr ermittelte Schadenshöhe einen „Oberwert“ darstelle.

 

Finale: Der Knackpunkt des Prozesses - wird der Genversuch durchleuchtet?

Während der Befragung der Chefin des Dezernats für Rechtsfragen und Zentrales, Susanne Kraus, unterbrach der Richter, als ein Angeklagter wissen wollte, wer die zuständigen Funktionsträger bei dem Gengersteversuch waren (z.B. Beauftragter für die Biologische Sicherheit) und welche gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildungen für diese Tätigkeit stattgefunden haben. Aus den Aufzeichnungen lässt sich der folgende Wortwechsel zwischen Richter und Angeklagtem festhalten (... kennzeichnet unwichtige Nebensätze, Wiederholungen oder nicht erfasste Satzteile):

  • Oehm: "Herr Bergstedt, ...Gentechnik ... spielt keine Rolle bei der Frage, ob hier eine Sachbeschädigung vorliegt ... Hausfriedensbruch auch nicht ... ich habe mir das selbst lange angehört ... aber wir sind an einem Punkt angekommen, wo ihre gentechnischen Fragestellungen mit der Frage der Sachbeschädigung nichts zu tun haben ... Grenze vom Thema zu weit überschritten ..."
  • Der Angeklagte kritisierte daraufhin, dass der Richter ohne jegliche Sachprüfung im Prozess schon von vorneherein sagt, dass Gentechnik keine Rolle spielt - und dass mit dem Verbot von Fragen zum Thema gleichzeitig unmöglich gemacht werde, eine gegenteilige Auffassung zu vertreten.
  • Oehm: "Die Frage, die gentechnischen Grundlagen für das Institut spielt keine Rolle für die Frage, ob die Angeklagten es waren, ob die es waren, die daran beteiligt waren, auf das Genfeld einzudringen und Pflanzen zu zerstören. Ob dieser Gentechnikversuch wirksam genehmigt war, ob die Mitarbeiter geschult waren usw., spielt für die strafrechtliche Bewertung dieses konkreten Sachverhaltes nach derzeitiger Belehrung - ich lass mich gerne belehren - keine Rolle. Denn sie wollen wahrscheinlich darauf hinaus, dass hier Notstandshandlungen, Widerstandshandlungen vorliegen ... nicht den Hauch eines Ansatzpunktes. Und deshalb sind Fragestellungen dieser Art - und da bin ich mir sicher, dass wir jedenfalls derzeit unterschiedliche Auffassungen haben, ... sind Fragestellungen dieser Art nicht zulässig."
  • Dafür erntete er Kritik, dass er allein sei mit seiner rechtlichen Auffassung. Es sei zwar unterschiedlich, ob RichterInnen den rechtfertigenden Notstand für gegeben halten, aber: "Es gibt keine Richterinnen und Richter mehr, die sagen, bei Prozessen dieser Art werden Dinge wie der § 34 überhaupt nicht beachtet. In allen anderen Prozessen wird das geprüft. ... Da sind Sie wirklich der Zeit hinterher." Außerdem verwies der Angeklagte auf einen Vermerk der Staatsanwaltschaft in den Gerichtsakten. Dort hatte ein Staatsanwalt handschriftlich notiert: "Die Frage der Zulässigkeit des Genversuchs spielt allenfalls am Rande (Strafzumessung) eine Rolle". Damit sei die Staatsanwaltschaft auch der Meinung, die Frage müsse geprüft werden.
  • Richter Oehm weist auch die Meinung der Staatsanwalt ab: "Das ist die Auffassung der Sta, aber sie wissen sicherlich auch, dass die mit drei Richtern besetzte Beschwerdekammer des Landgerichts ... diesen Beschluss nicht beanstandet hat."
  • Wieder wiedersprach der Angeklagte: "Daraus kann man nicht ableiten, dass es von vorneherein klar ist, dass man selbst dadurch, dass man die Fragen dazu nicht mehr stellen darf, auch nicht eine andere Thematisierung geben kann."
  • Nun kam der Satz, der Richter Oehm, der nicht nur deutlich machte, dass er eine recht eigenartige Rechtsauffassung vertrat, sondern diese politisch motiviert war: "Nein, ich werde Ihnen sicherlich keine Plattform für eine politische Kundgebung gegen die Gentechnik geben." Damit unterstellte er dem Angeklagten, was er nun selbst vollzog: Juristische Auslegung aus politischen Interessen. Irgendwelche Gesetzestexte, Urteile oder Kommentare zu Gesetzen konnte er für seine Auffassung, dass Fragen zur Gentechnik nicht gestellt werden dürften, nicht benennen. Die bis dato von den Angeklagten gestellten Fragen mit Bezug zur Gentechnik waren ausnahmslos auf den konkreten Versuch bezogen. Doch ein Richter, der wörtlich aussagt, die Frage, ob das Genfeld überhaupt wirksam genehmigt worden sei, sei nicht Gegenstand des Prozesses, stellt damit auch klar, dass es ihm selbst nicht um das Rechtliche, sondern um eine politische Verhandlungsführung geht - die er anderen gleichzeitig verwehrt.

Der große Streit blieb an diesem Abend noch aus. Aber er wirkt unvermeidlich. Am nächsten Prozesstag steht als erster geladener Zeuge der Leiter der Versuchsstation, Dr. Langen, an. Er war vor Ort für die praktische Durchführung des Genversuchs zuständig. Welch eine absurde Vorstellung, dass ein Vernehmung sinnvoll sein könne, in der zum Thema Gentechnik nichts gefragt werden dürfe.

 

Am Freitag also gilt's!

Nur drei Tage Abstand bis zum nächsten Prozesstag. In der Zwischenzeit geht der Befangenheitsantrag ans Gericht. Zudem gibt es Donnerstag (28.8.) noch ein Prozesstraining im Infoladen Gießen (wenn genügend Interessierte kommen - bitte anmelden in der Projektwerkstatt).

Eine phantastische Einstimmung auf den Prozess am Folgetag stellt der Donnerstagabend dar. Um 20 Uhr gibt es im Cafe Amelie (Walltorstraße 17) eine Bilderschau mit Filmen und Fotos von besetzten und befreiten Genfeldern. Absolut lohnenswert!

 

Und dann?
Gibt es wieder Berichte und die Mitteilungen, wie es weitergeht. Wenn es noch weitergeht.

 

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