Ein Orginal soll gehen, die Südstadt bebt.

Ernst Thalmann 25.08.2008 21:16 Themen: Soziale Kämpfe
Am 05.08.2008 wurde der bei der Jugendzentren Köln gGmbH beschäftigte Leiter der „Bauspielplatzes Friedenspark“ oder „Baui“ Gottfried Schweitzer fristlos gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Gottfried Schweitzer auf einer Ferienmaßnahme in Dänemark und erfuhr, da die Geschäftsleitung behauptet ihn nicht erreicht zu haben, obwohl die Mobilfunknummer einer Kollegin, die auch an der Ferienmaßnahme für 60 Kinder teilnahm, vorlag, erst am 12.08.2008 von seiner Kündigung.
Schon am Folgeabend des 12.08. organisierte sich gegen die Entscheidung der Jugendzentren Köln gGmbH vor dem „Baui“ein breiter Protest von etwa 100 Personen. Am 12.08. selbst begann schon eine Unterschriftensammlung für die Wiedereinstellung von Schweitzer, an welcher sich mittlerweile über 1000 Menschen beteiligt haben.

Aus dieser breiten Solidarität heraus bildete sich das Solidaritäskomitee „Schweitzergarde“ (s. www.schweitzergarde.de) welches eine Protestkundgebung vor dem „Baui“ am 24.08. organisierte.

Viele Eltern, Freunde, Bekannte, Kollegen, Prominente, Südstädter, Kinder sowie Ehemalige aus dem betreuten Personenkreises des „Baui's“ beteiligten sich an dieser Kundgebung. Am Ende zählten die Veranstalter über 1000 Besucher, darunter auch viel Laufkundschaft die von der Musik und den Redebeiträgen angelockt wurden.

Die Solidarität die Schweitzer und der „Baui“ als einen festen Bestandteil der Kölner Südstadt erfährt ist schier grenzenlos. Dies liegt unter anderem daran, das der „Bauspielplatz Friedenspark“ ins einer heutigen Form ohne Gottfried Schweitzer und seinem starken Engagement nicht so existieren würde.

So sorgte er unter anderem in aktiver Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen des „Baui's“ dafür, das der Bauspielplatz seine heutige Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekam. Dies geschah in einer breiten Öffentlichkeitsarbeit, verbunden mit Protestaktionen o.ä.

Auch ist er Mitverantwortlich für das alljährliche „Edelweißpiratenfestival“ am Bauspielplatz. Ohne sein Engagement wäre dieser Aspekt des antifaschistischen Widerstandes in Köln noch mehr in Vergessenheit geraten als so schon.

Schnell wurden nach seiner Kündigung Töne laut, das es sich bei der Kündigung um politisch motivierte Gründe handelt. So war Schweitzer immer der Erste, der sich gegen Kürzungspläne der Stadt stellte und innerhalb der höheren Ebenen in Köln schon immer als unbequem galt.

Der Hauptgrund für die Kündigung liegt aber wahrscheinlich in seiner Mitgliedschaft bei der Marxistisch- Leninistischen Partei Deutschlands und seiner sehr großen politischen Kompetenz. Vielleicht mag Schweitzers Kündigung nur der erste Schritt für eine „Umstrukturierung“ der Verhältnisse am „Baui“ sein. Denn Kürzungen und Schließungen von sozialen Einrichtungen gehen auch nicht an Köln vorbei.

Dabei ist die offizielle Version der Kündigung unglaublich simpel wie banal:

Die Geschäftsführung gibt am 18.8. schriftlich bekannt: „Am 29.7. haben wir festgestellt, dass eine Außeninstallation am Baui durch einen Mitarbeiter der JugZ nicht fachgerecht installiert wurde bzw. Fachfremde von dem Mitarbeiter mit der Durchführung beauftragt wurden. … Durch die nicht fachgerechte Ausführung ist Gefährdung für Leib und Leben eingetreten.“


Die Einwände die dagegen sprechen:

Es war kein Mitarbeiter der JugZ, der die Installation durchführte.

Es war kein Fachfremder.

Ein ausgebildeter Elektriker führte die Installation durch.
Verschiedenen Mitgliedern des Komitees gegenüber hat er das eindeutig bestätigt.

Ebenso eindeutig hat dieser Elektriker bestätigt, dass er den Auftrag nicht von Gottfried Schweitzer erhalten hat, sondern von einem anderen Personenkreis, der dem Komitee ebenfalls bekannt ist.

Der Strahler wurde an einem Gebäudeteil befestigt, der nicht zum Baui gehörte, sondern durch einen hohen Zaun vom Baui eindeutig abgetrennt war: Es handelt sich um den öffentlichen Zugang zum „Adler“.

Die Installation wurde bereits vor mehreren Jahren durchgeführt. Wenn sie je Mängel gehabt haben sollte, wäre die Geschäftsführung der JUGZ selber für deren Beseitigung verantwortlich und müsste dafür haftbar gemacht werden, nicht aber die Pädagogen des Baui.

Der Betriebsrat habe der Kündigung zugestimmt. „Vergessen“ wird dabei zu erwähnen, dass der Betriebsrat eine Woche später diese Zustimmung einstimmig zurückgenommen hat.

Öfter wurde gesagt: Schweitzer sei gegenüber der Geschäftsführung nicht gesprächsbereit gewesen. Tatsache ist: Mit Schweitzer wurde vor der Beschlussfassung nicht gesprochen und dem Betriebsrat wurde mitgeteilt, Schweitzer sei in Dänemark nicht erreichbar – obwohl die Geschäftsleitung die Handy-Nummer seiner Kollegin zur Verfügung hatte, Schweitzer somit jederzeit erreichbar war.

Bei Der Übergabe der Kündigung am 12.8. lehnte der stellvertretende Geschäftsführer jedes Gespräch mit Schweitzer ab.

Andere Hintergründe

Zuletzt wurde Schweitzer vor fast 4 Jahren abgemahnt, weil er gegenüber dem Förderverein erklärt hatte, dass er aufgrund einer Dienstanweisung grundsätzlich keine Pressemitteilung schreiben dürfe. Dieses „Aussprechen von Interna“ wurde als pflichtwidrig bezeichnet. Da diese Abmahnung statt der zulässigen 2 Wochen erst 6 Wochen nach dem bekannt werden des Vorfalls erstellt wurde, war sie auch formal ungültig.

Auch alle vorangegangenen vier Abmahnungen seien ähnlich gewesen; ihnen wurde meistens vom DGB-Rechtssekretär widersprochen. Mehr Abmahnungen habe es in den letzten 30 Jahren nicht gegeben.

Alle diese alten Abmahnungen werden von Arbeitsgerichten in der Regel nicht berücksichtigt und sollten deshalb aus der Personalakte von Schweitzer entfernt worden sein.
Weiterhin wies man auf den Zusammenhang hin, das Schweitzer mit linken Personen/Gruppen in Leverkusen (sein Wohnort) zusammenarbeitet; dazu ist zum einen festzustellen:

Zum anderen weist die Geschäftsführung selber „... die Unterstellung – es handle sich um eine politische Einflussnahme – schärfstens zurück. Die JugZ gGmbH als städtische Gesellschaft ist weltanschaulich und politisch neutral.“
Es ist deshalb völlig unverständlich, dass Politiker die Unterstützung von Schweitzer in dem Kündigungsprozess verweigern, weil dieser außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit links aktiv sei.

(Detailliertere Übersicht:  http://schweitzergarde.de/einwaende.html)

Auf der Protestkundgebung selbst wies Schweitzer darauf hin, das es mittlerweile einen Gesprächstermin zwischen ihm und der Geschäftsleitung gäbe. Allerdings bekräftigte er, dass er kein Angebot annehmen würde, welches nicht darauf hinausläuft, das er sofort wieder seine Arbeit antreten kann.

Diese Willensbekundung wurde von den Teilnehmenden der Kundgebung mit Jubel begrüßt.
Auch die Protestkundgebung selber, welche von 14:00 bis 18:00 Uhr andauerte, wies darauf hin in welche Richtung der einheitliche Wille geht – Bedingungslose Rücknahme der Kündigung von Gottfried Schweitzer.

Auch Prominente bzw. echte Kölsche Orginale wie Jürgen Becker beteiligten sich aktiv an der Kundgebung. So sagte Becker unter anderem:“ Gottfried, wenn ich mit Deine Kündigung so ansehe, dann versteht man den Sinn eines Schafotts“. Diese gestalteten das Bühnenprogramm neben den musikalischen Höhepunkten u.a. von Klaus dem Geiger. Viele dieser Menschen gehen mit der Geschichte des Bauspielplatzes und der persönlichen Lebensgeschichte von Schweitzer einher, neben den vielen Freunden die ihn an diesem Tag unterstützen.

Die Aktion selber gestaltete sich aufgrund der breiten Mitarbeit Solidarischer Personen, eher wie ein großes Sommerfest, auch wenn jeder genau wusste, warum man da ist.
So wurden unter anderem T-Shirts mit dem Slogan „Wir sind Baui“ bedruckt und Buttons mit dem Konterfei von Schweitzer und der Parole „Weg mit der Kündigung“ gepresst.

Auch gab es ein sehr schnell und gut organisiertes kulinarisches Rahmenprogramm.
All diese Dinge wurden zu sehr niedrigen Preisen bzw. gegen Spenden angeboten, diese sollen Schweitzer finanziell in seinem Kampf unterstützen. Auf der Kundgebung selber wies man darauf hin, das die Mittel, welche nach (hoffentlich) erfolgreichen Streit, übrig bleiben komplett an den Bauspielplatz gespendet werden.

Eine weitere Protestaktion plant man zum 02.09. mit anschließender Demonstration durch die Südstadt. Weiter Infos unter www.schweitzergarde.de

An diesem Beispiel gelebter Solidarität kann man sich jederzeit an Beispiel nehmen - Menschen aus den verschiedensten politischen Richtungen, egal ob jung ob alt etc. haben sich innerhalb kürzester Zeit Zusammengeschlossen, um einen festen Bestandteil der Kölner Südstadt zu schützen. Denn diese 30 Jahre „Bauspielplatz Friedenspark“ hätte niemand besser machen können als Gottfried Schweitzer.

Dies bekräftigten dann auch nochmal viele der „Baui“ Kinder auf der Kundgebung selbst mit dem eigens geschriebenen „Bauilied“. Besonders für diese ist der Bauspielplatz einer der selten gewordenen non- konformen Jugendeinrichtungen, die ein großes Stück Lebensqualität, besonders auch aufgrund der dort Beschäftigten, vermitteln.
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