Zapateros verhagelter Sommer

Ralf Streck 21.08.2008 19:08 Themen: Weltweit
Entspannung und Ferien bleiben für die spanische Regierung in diesem Sommer aus. Erst letzte Woche trat die Regierung mehrfach zusammen, um ein neues Konjunkturprogramm zu schnüren, um den fatalen Entwicklungen der schnell abstürzenden Wirtschaft zu begegnen (Siehe unten). Am Mi ist der Ministerpräsident gerade noch daran vorbei geschrammt, dass im Parlament beschlossen wird, Jose Luis Rodríguez Zapatero zu zwingen, alsbald vor den Parlamentariern Rede und Antwort zu stehen, warum Katalonien kein Finanzierungssystem hat ( http://de.indymedia.org/2008/08/223981.shtml). Erstaunliches gibt es auch vom Verfassungsgericht, dass es abgelehnt hat, dass die baskischen Parteien die Volksbefragung im Oktober verteidigen dürfen, weil sie die Gesellschaft nicht vertreten. Erstaunlich, denn die rechtsradikale spanische Volkspartei (PP) kann dagegen das zugehörige Gesetz ( http://de.indymedia.org/2008/06/221085.shtml) vor dem Verfassungsgericht klagen, aber die Parteien, die es beschlossen haben, dürfen es nicht verteidigen.
Den dringlichen Antrag, um Zapatero im Sommer vor das Parlament zu zitieren, hatte die Initiative für Katalonien/Grüne (ICV) gestellt. Denn mit der Verabschiedung des neuen Autonomiestatuts für Katalonien war vor zwei Jahren der 9. August 2008 als letzte Frist gesetzt worden, um das definitive Finanzierungsmodell Kataloniens auszuhandeln. Doch wie so oft, wenn es um Verpflichtungen gegenüber den Autonomien geht, waren die Anstrengungen in Madrid begrenzt, ein letzter Termin scheiterte, weil die Katalanen weitere Abstriche hinnehmen sollten.

Zunächst schien der ICV-Antrag nur geringe Aussichten auf Erfolg zu haben, doch die Unterstützung wuchs. Auch die konservative katalanische Konvergenz und Einheit (CiU), die den Sozialisten (PSOE) als Mehrheitsbeschaffer, wollte zustimmen. Sogar Zapateros katalanische Sektion ist sauer und droht offen, ihm im Herbst die Stimmen zur Verabschiedung des Haushalts 2009 zu verweigern, wenn bis dahin keine Ergebnis vorliegt. Denn Katalonien leidet notorisch unter einer Unterfinanzierung, obwohl die wirtschaftlich stärkste Region einen überdurchschnittlich großen Anteil zur Finanzierung Spaniens leistet.

Aber es war die große oppositionelle Volkspartei (PP), die Zapateros Sommerferien verhagelte. Dass auch die PP den Ministerpräsidenten in der Frage vor das Parlament zitieren will, überraschte die PSOE. Denn die hat sogar Verfassungsklage gegen das neue Autonomiestatut eingelegt, weil ihr die wenigen Verbesserungen noch zu weit gehen. Sie will die angeschlagene Regierung schwächen. Die Finanzierung Kataloniens war ihr in acht Regierungsjahren egal. Wegen des Widerstands der PP setzte die PSOE auch den Hobel an dem einst geplanten Text an. So wurde der Wunsch der Katalanen gestrichen, wie die Basken die Steuern einziehen und mit der Zentralregierung jährlich den Teil auszuhandeln, der an Madrid abgeführt wird. Nebenbei will die PP weitere finanzielle Zugeständnisse für die Regionen Madrid und Valencia abpressen, in denen sie regiert.

Auf die Unterstützung der Basken kann Zapatero nicht bauen, die ihm im letzten Herbst noch bei der Verabschiedung des Haushalts halfen. Die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) ist verärgert, dass auch er seit drei Jahrzehnten ausstehende Autonomierechte den Basken verweigert. Dass er Verfassungsklage gegen die Volksbefragung eingelegt hat, mit der eine friedliche Konfliktlösung auf den Weg gebracht werden soll( http://de.indymedia.org/2008/01/204314.shtml), kühlte deren Verhältnis zur PSOE ab. Dass er mit dem Antrag auf vorläufige Suspendierung die Befragung am 25. Oktober praktisch verhindert, macht es für die PNV unmöglich, Zapatero nun beizuspringen.

Es war kaum erstaunlich, dass das Verfassungsgericht es nun abgelehnt hat, dass vier Parteien, welche das Gesetz zu der Volksbefragung verabschiedet haben, es auch verteidigen dürfen. Die vertreten nicht die baskischen Gesellschaft, hatte die Staatsanwaltschaft vorgebracht und der Ansicht ist das das Verfassungsgericht am Dienstag nach nur wenigen Stunden Debatte gefolgt. Es ist erstaulich, dass die rechtsradikale spanische Volkspartei (PP/  http://de.indymedia.org/2006/10/160052.shtml) gegen das Gesetz zur Volksabstimmung ( http://de.indymedia.org/2008/06/221085.shtml) vor dem Verfassungsgericht klagen kann, es aber die Parteien, die es beschlossen haben, nicht verteidigen dürfen. Das ist eine Vorentscheidung, dass dieses von der PP bestimmte Gericht auch die Volksbefragung, wie von der Regierung bestellt, als illegal bezeichnen wird.

Fieberhaft versuchte die PSOE, die ICV zum Rückzug ihres Antrags zu bewegen und hatte letztlich Erfolg. Die ICV knickte ein und zog den Antrag zurück. Die Regierung hat versprochen, dass in den kommenden drei Monaten ein Finanzierungsmodell ausgearbeitet wird. Rede und Antwort soll vor dem Parlament in der kommenden Woche der Wirtschaftsminister Pedro Solbes stehen. Damit konnte Zapatero eine Niederlage bei der Abstimmung erspart werden. Mitten in der Wirtschaftskrise soll kein Bild entstehen, dass die Regierung keine Mehrheiten mehr findet.

© Ralf Streck den 20.08.2008

Ein neues Konjunkturprogramm für Spanien

Die Krise ( http://de.indymedia.org/2008/06/219382.shtml) in den USA und in Spanien sind ähnlich, ausgelöst wurden sie von geplatzten Immobilienblasen, die sich jahrelang gefährlich aufgebläht haben. Die Finanzkrise weiter sich zu einer Weltwirtschaftskrise ( http://de.indymedia.org/2008/06/219382.shtml) aus und auch in Deutschland ist es inzwischen mit dem Wachstum vorbei ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28533/1.html). Obwohl in den USA die Konservativen regieren und in Spanien die Sozialisten (PSOE) sind die Gegenmaßnahmen ähnlich. So reden beide Regierungen beharrlich das Ausmaß der Krise herunter und schmieden Konjunkturprogramme, nachdem sie untätig zugesehen haben, wie der Karren an die Wand fuhr.

Mitten im Sommer trat die spanische Regierung zu Sondersitzungen zusammen, um neue Hilfen zu beschließen. 2008 und 2009 sollen 20 Milliarden Euro in die Wirtschaft gepumpt werden, die Hälfte davon in den Wohnungsbau, zum Kauf von Eigentumswohnungen. Knapp zwei Milliarden entfallen auf die Vermögenssteuer, die 2009 abgeschafft wird. Auch die Rückerstattungen von Mehrwertsteuer an kleine und mittlere Unternehmen erinnern an das Vorbild USA.

Dabei ist das erste Konjunkturprogramm noch nicht völlig umgesetzt, dass einen Umfang von zehn Milliarden Euro hatte. Neben anderen Maßnahmen wurden jedem Arbeitnehmen, unabhängig von der Einkommenshöhe, bis zu 400 Euro Lohnsteuer zurückerstattet. Bedürftige gingen oft leer aus. Wer keine oder nur wenig Steuern zahlte, erhielt keine oder nur ein geringe Rückerstattung.

Das hektische Sommertreiben widerspricht auch der Tatsache, dass dem Ministerpräsidenten Jose Luis Rodríguez Zapatero das Wort Krise nicht über die Lippen kommt, für das er viele Synonyme findet. Er erklärt, die starke spanische Wirtschaft werde mit den Problemen fertig. Dabei ist Spanien wie kaum ein EU-Land schnell und tief in die Krise gerutscht. Die Inflation hat die Rekordhöhe von 5,3% erreicht, 2% höher als in Deutschland. Die Verweise auf hohe Ölpreise erklären auch nicht, warum die Inflation beim Nachbar Portugal nur 3,1% erreicht. Es zeigt sich, dass hier Konsumenten kaum geschützt sind und Monopolisten ihre Stellung ausnützen.

In Portugal herrscht auch keine Rekordarbeitslosigkeit, die in Spanien auch im Sommer weiter steigt, obwohl zahllose Stellen im Tourismussektor besetzt werden mussten. Das Land wird im Herbst sogar der Slowakei den EU-Spitzenplatz streitig machen. Vom anvisierten Wachstum von 3,1 % ist keine Rede mehr. Im zweiten Quartal gab es offiziell noch ein Nullwachstum, doch tatsächlich steckt man längst in der Rezession.

Wegen ihrem Vorgehen greift nun auch die größte Gewerkschaft die PSOE an. Die Arbeiterkommissionen (CCOO) klagen, dass die aus der Steuerkasse gestützt werden, die jahrelang "fette Gewinne" einfuhren und denen nun auch noch die Vermögenssteuer erlassen werde. Statt weiter Wohnungen zu bauen, müsste ein Systemwechsel erfolgen und die Vermietung gefördert werden. Überschuldete Familien können ohnehin keine Wohnung kaufen und deren Lage hat sich wegen hoher Zinsen und Inflation weiter zugespitzt, doch sie werden nicht entlastet. Die Kreditausfälle haben mit 1,6 % einen neuen Rekord erreicht.

Deshalb häufen sich auch in Spanien, wie in den USA, die Zwangsversteigerungen im Rahmen der Immobilienkrise. Zehntausende Familien sind betroffen, die ihre Kredite nicht mehr abzahlen können. Nach Angaben der Konsumentenvereinigung (Adicae) wird es in diesem Jahr bis zu 180.000 Familien treffen. Verantwortlich dafür sind: stark gestiegenen Zinsen, die hohe Inflation und steigende Arbeitslosigkeit. Es sind meist unscheinbare Briefe der Bank, die Familien plötzlich ruinieren. Die jährliche Zinsanpassung machte bedeutete für viele in diesem Jahr, den Urlaub zu streichen und wird etlichen die Wochnung kosten. Denn in Spanien werden Hypothekenkredite fast immer mit variablen Zinsen vergeben und meist sind sie an den Euribor gebunden. Das ist der Zinssatz, mit dem Banken sich untereinander Geld ausleihen. Wegen der Finanzkrise ist das Misstrauen groß, der Euribor in den zwei Jahren in die Höhe geschossen und hat alle Rekorde gebrochen und ein Rückgang ist nicht in Sicht.

Neben Zinsen und Jobverlust entzieht auch die hohe Inflation weiter Kaufkraft. Mit 5,3 Prozent hat auch sie einen neuen Rekord erreicht. Wobei die Quote bei Lebensmitteln eher doppelt so hoch liegt, angeführt von Zitronen und Sonnenblumenöl mit fast 65 und 47 Prozent. Aber auch Milch, Nudeln und Mehl haben sich in einem Jahr um 22 bis 31 Prozent verteuert. Von Benzin und Diesel erst gar nicht zu sprecchen.

Da immer mehr Familien vor dem Ruin stehen, sagt das Finanzinstitut Morgan Stanley in einer Studie einen Kreditausfall von sechs Prozent voraus. Dann, so die Experten, wären die Überschüsse der Banken genauso aufgefressen, wie sich die Rekordüberschüsse der Staatskasse längst in ein Defizit verwandelt haben und dann stünden auch in Spanien Bankenpleiten wie in den USA und Großbritannien an.

© Ralf Streck, den 18.08.2008
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