Anmerkung der Moderationsgruppe:
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Es ist nicht das Ziel von Indymedia, ein möglichst umfassendes Infoportal incl. Terminkalender anzubieten. Indymedia will eine Plattform für engagierte MedienmacherInnen und ihren eigenen Inhalte bieten. Das Veröffentlichen von Terminen, Aufrufen und Einladungen gehört nicht zu den Zielen des Projektes. Mehr Informationen, warum sich Indymedia nicht zum Veröffentlichen von Terminen eignet, findest Du hier. Bitte nutze stattdessen die verlinkten Terminkalender-Seiten.
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3.10. Hart Backbord!–Mobi für Hamburg startet
Vom 3. bis 5. Oktober finden in Hamburg die offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit unter dem Motto „Kulturnation Deutschland“ statt. Geboten werden soll ein „Bürgerfest“ mit Wurstbude, Deutschpop, Klassik, Boot und einer seichten Brise politischer Agitation. Zusammen mit mehreren 100 000 Besucher_innen soll hier patriotische Begeisterung gepflegt und als Event inszeniert werden „Hamburg möchte mit dem Kulturfest in der HafenCity und der Speicherstadt ein Zeichen setzen und demonstrieren, dass der Tag der Deutschen Einheit ein ganz besonderes Ereignis ist, das man fröhlich und dennoch anspruchsvoll feiern kann.“ so der Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH. Wenn an diesem Tag die selbsternannte Elbmetropole die Gelegenheit nutzen möchte, um ihr elitäres Protzprojekt Hafencity in Szene zu setzen, und das offizielle Deutschland sich anschickt, sich in leitkultureller Vielfalt zu präsentieren, wollen wir das nicht umkommentiert lassen und unseren ganz eigene Vorstellung von „anspruchsvoll feiern“ ins Spiel bringen. Dem reaktionären Einheitstaumel im Gewand kultureller Vielfalt setzen wir unsere Unversöhnlichkeit mit der Nation und den herrschenden Verhältnissen von Unterdrückung und Ausbeutung entgegen.
Vom 3. bis 5. Oktober finden in Hamburg die offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit unter dem Motto „Kulturnation Deutschland“ statt. Geboten werden soll ein „Bürgerfest“ mit Wurstbude, Deutschpop, Klassik, Boot und einer seichten Brise politischer Agitation. Zusammen mit mehreren 100 000 Besucher_innen soll hier patriotische Begeisterung gepflegt und als Event inszeniert werden „Hamburg möchte mit dem Kulturfest in der HafenCity und der Speicherstadt ein Zeichen setzen und demonstrieren, dass der Tag der Deutschen Einheit ein ganz besonderes Ereignis ist, das man fröhlich und dennoch anspruchsvoll feiern kann.“ so der Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH. Wenn an diesem Tag die selbsternannte Elbmetropole die Gelegenheit nutzen möchte, um ihr elitäres Protzprojekt Hafencity in Szene zu setzen, und das offizielle Deutschland sich anschickt, sich in leitkultureller Vielfalt zu präsentieren, wollen wir das nicht umkommentiert lassen und unseren ganz eigene Vorstellung von „anspruchsvoll feiern“ ins Spiel bringen. Dem reaktionären Einheitstaumel im Gewand kultureller Vielfalt setzen wir unsere Unversöhnlichkeit mit der Nation und den herrschenden Verhältnissen von Unterdrückung und Ausbeutung entgegen.
Nation, Staat und Kapital
Erster Ansatzpunkt für unsere Kritik an Nation und Nationalismus ist das Verhältnis von Staat und Kapital. Der moderne Staat ist die politische Form, mit der sich geschichtlich das Kapital und die bürgerliche Gesellschaft entfaltet haben. Auch wenn die Politik stets ihr eigenes Süppchen kocht, war und ist es die Aufgabe des Staates als „ideeller Gesamtkapitalist“ den Laden am Laufen zu halten. In dieser Funktion gewährleistet er zwar bürgerliche Freiheiten und formale Gleichheit – aber eben nicht mit dem Ziel der Verwirklichung einer befreiten Gesellschaft ohne Not und Zwang, sondern um die auf Privateigentum basierende kapitalistische Produktionsweise nach Innen wie auch im internationalen Maßstab durchzusetzen und abzusichern. In diesem Sinne zielt der moderne Staat auf die Aufrechterhaltung ökonomischer Ausbeutung – gestützt auf weitere gesellschaftlich etablierte Hierarchien, wovon geschlechtliche Arbeitsteilung und patriarchale Strukturen ein wichtiger Bestandteil sind.
Der bürgerliche Staat konnte nun aber nicht einfach im luftleeren Raum entstehen, sondern es bedurfte eines allgemeinen Bezugsrahmens, um die Gesellschaft unter seine Fittiche zu bringen. An dieser Stelle kommt die Nation ins Spiel. Weit davon entfernt, eine natürlich vorgefundene Gegebenheit zu sein, auf die einfach zurückgegriffen werden konnte, ging es in erster Linie erst einmal überhaupt darum, sie zu erfinden. Zu ihrer Konstruktion erfolgte der Rückgriff auf Geschichte, Kultur und Tradition, um Sinn- und Identitätsstiftendes herbeizuzitieren. Diese Schaffung eines nationalen „Wir“ erschöpfte sich dabei nicht in einem positiven Selbstbild, sondern beruht immer auch auf dem Ausschluss anderer. Es bedarf ihrer zur Abgrenzung, um das Konglomerat von Menschen, die ein Territorium bevölkern oder eine Sprache sprechen, zu einer Nation zu erhöhen und als privilegierte Gemeinschaft zu bestätigen. Durch diese Homogenisierung wurde Gesellschaft handhabbar. Nation und Nationalismus waren die Formen, sie in die institutionelle Matrix des kapitalistischen Staates zu integrieren.
Wenn auch aus Hirngespinsten geboren, war mit der Nation etwas entstanden, das nicht in den Wolken hocken blieb, sondern zu einem realen gesellschaftlichen Prinzip heranwuchs. Besonders in Krisenzeiten mauserte sich die erfundene Gemeinschaft zum ideologischen Kitt auseinanderstrebender Verhältnisse. Durch die Identifikation mit der gegebenen Ordnung wurden die Menschen an ihre eigene Unterordnung und Ausbeutung gefesselt (oder fesselten sich selber). Dabei profitierten sie durch ein Gefühl der Zugehörigkeit und – wenn auch begrenzte – materielle Vorteilnahmen gegenüber all denjenigen, die ausgeschlossen blieben. Der Nationalismus lieferte so auch oftmals die ideologische Grundlage für ein repressives Vorgehen gegenüber Abweichung und Dissidenz. Und schließlich bildete er einen Ausgangspunkt für die aggressive Expansionspolitik der Europäer und die Organisation globaler Ausbeutungsverhältnisse. Erst Rassismus und Kolonialismus und später die imperialistische Konkurrenz um die Aufteilung der Welt waren der geschichtliche Ausdruck dieses Zusammenspiels von Selbstkonstruktion, Überhöhung und Ausbeutung. Die (europäische) Geschichte der Nation und des Nationalismus ist eine Geschichte der Gewalt, eine Geschichte von Unterwerfung und Selbstunterwerfung. Also, kein Grund zum Feiern.
Deutsche Verhältnisse
Den eklatantesten und einmaligen Ausdruck fand die Dynamik aus Krise und nationaler Erweckung in der deutschen Geschichte: Abwendung von den emanzipatorischen Versatzstücken der bürgerlichen Revolution, Hinwendung zum autoritären Obrigkeitsstaat, die rassistische und antisemitische Konstruktion einer Volksgemeinschaft und schließlich die antisemitische Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus, die in der Shoah kulminierte.
Nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg, war der positive Bezug auf die eigene Nation erst einmal verunmöglicht. Die Geschichte wurde verdrängt und tabuisiert. Bewegung kam in diese Verhältnisse mit der Wiedervereinigung 1989/90. Der Taumel der Einheit war gefolgt von einer Welle offensiver rassistischer Übergriffe auf Migrant_innen. In Rostock, Mölln und Hoyerswerda fand die Parole „Wir sind ein Volk“ einen gewaltförmigen Ausdruck. Das offizielle Deutschland folgte dem durch den Mob vorgegebenen Kurs und schaffte 1993 das Asylrecht de facto ab. Die sich vollziehende Neukonsolidierung einer gesamtdeutschen Nation, gemahnte eindringlich an die Schatten der Vergangenheit.
Auch wenn völkischer Rassismus und Antisemitismus damit zum Alltag im vereinten Deutschland gehören, standen sie den Normalisierungsbestrebungen der 90er Jahre eher im Wege. Rot-Grün leitete schließlich die entscheidende „Wende“ ein und schickte sich an, Deutschland den Anstrich einer „geläuterten Nation“ zu verpassen, indem ein vermeintlich kritischer Bezug auf den NS in eine positive Strategien zur Modernisierung der deutschen Nation gewendet wurde: Nicht mehr aufgrund der Vergangenheit sollte auf jegliches militärische Gebaren verzichtete werden, sondern wegen Auschwitz wurde eine als „Übernahme von Verantwortung“ titulierte Kriegspolitik zum Gebot der Stunde. Auch ein allzu offen und gewalttätig auftretender Rassismus und Antisemitismus passten nicht mehr in das Konzept. In der Folge eines Brandanschlags auf die jüdische Synagoge in Düsseldorf in der Nacht auf den 3. Oktober 2000 wurde der „Aufstand der Anständigen“ ausgerufen und politisches und zivilgesellschaftliches Engagement „gegen Rechts“ angemahnt.
Sicherlich sind diese Bemühungen aus vergangenheitspolitischer und antifaschistischer Sicht als eine Farce zu bewerten. Stellen sie doch nicht die Voraussetzungen in Frage, auf denen der NS beruht hatte, sondern verkörperten den Versuch, den Bezug auf die deutsche Nation zu rehabilitieren. Nichtsdestotrotz kann diese Umorientierung aber auch Effekte für sich verbuchen. Ohne die Kontinuitäten völkischen Denkens völlig abzulösen, werden die Frage der Zugehörigkeit zur deutschen Nation gegenwärtig vor allem als Fragen der Kultur und der kulturellen Differenz verhandelt. Als leicht verdauliche, folkloristische oder ökonomische „Bereicherungen“ durchaus erwünscht, sind dem Spiel der Unterschiede gleichsam klare Grenzen gesetzt. Wer sich als verwertbar zeigt, ist willkommen. Und wer es nicht ist oder gegen die Spielregeln verstößt, soll bitteschön brav „zu Hause“ bleiben oder schnell wieder gehen. Als Preis und als Kehrseite multikultureller Greencard-Toleranz lautet die Devise Anerkennung der „deutschen Leitkultur“ bzw. „Integration“ in die „Kulturnation Deutschland“.
Im massenkulturellen Mainstream hat der neue zivilgesellschaftlich ausstaffierte Kultur-Nationalismus seinen Ausdruck etwa zur Männer-Fusball-WM 2006 und zur EM zwei Jahre später gefunden. Unter dem Motto „schwarz-rot-geil“ wurde dort ein überschwängliches Bekenntnis zur deutschen Nation zur Schau getragen. Frei von jedem kritischen Selbstverhältnis machte sich ein Ressentiment gegenüber etwaigen Störungen und Abweichungen Luft. „ Die immer schlecht gelaunten Miesmacher brauchen wir nicht!“, ließ die Bildzeitung verlauten, während unterdessen einige aufrechte Patrioten die ein oder andere Dönerbude zu Bruch schlugen. Statt einer Hinterfragung der deutschnationalen Possen, wurde das Geschehen – wie schon so oft – auf den Status eines Betriebsunfalls heruntergespielt. Pointiert kommt hier die Brüchigkeit des „antifaschistischen“ Credos der Berliner Republik zum Ausdruck. Unter dem Mantel zivilgesellschaftlicher Vielfalt und Friedfertigkeit manifestiert sich immer wieder der latente Chauvinismus in handfesten Dominanzgebärden. Und auch das ist nun wirklich kein Grund zu feiern.
Kulturnationale Untiefen
Das Vorhaben, den 3. Oktober in diesem Jahr unter dem Motto „Kulturnation“ zu zelebrieren, stellt den Versuch dar, das überaus fragwürdige Modernisierungsprojekt „Deutschland“ weiter voranzutreiben. Die scheinbar harmlose Inszenierung als Kulturveranstaltung zielt darauf ab, die Vernutzung von Kultur als Ressource für das deutsche Nationalgefühl weiter auszubauen und die deutsche Geschichte als einen positiv gewendeten Mythos neu aufzurichten. Verfolgt wird eine Geschichtskonstruktion, die vor dem Nationalsozialismus ansetzt und bemüht ist, neben kulturellen Bräuchen das „Schöne und Gute“ hinter den Massakern der deutschen Historie wieder zu entdecken. Sollte dies gelingen, wäre hier eine weitere famose Verdrängungsleistung zu besichtigen. Denn dass die ältere deutsche Geschichte immer auch die Vorgeschichte des Nationalsozialismus gewesen ist, wird in dieser Aufbereitung sicherlich kein Thema sein. Übrig bleiben die „Gräuel des Hitler-Regimes“ als unbegriffenes Makel auf der weißen Haut. Als solches dürfen sie dann dazu herhalten, in eine sich antifaschistisch gebärdende Staatsdoktrin einzufließen, die, anstatt Kapital und Nation und damit auch ihre eigenen Grundlagen in Frage zu stellen, die Verdrängung der eigenen Geschichte erneuert und in eine modernisierte Variante deutschnationaler Formierung überführt.
Einen pointierten Ausdruck wird das Ganze sicherlich in dem Bürgerfest um den 03. Oktober in der Hafencity finden. Denn dort wird nicht nur Hamburger Aalsuppe und Thüringer Bratwurst gereicht werden, auch die „multikulturelle Vielfalt“ Deutschlands soll repräsentiert werden. Solange diese „Vielfalt“ unter ökonomischen Gesichtspunkten nützlich erscheint und den leitkulturellen Richtlinien gerecht wird, darf sie dazu beitragen die Befindlichkeit des Landes in ein allgemeines Wirgefühl zu überführen. Eine Befindlichkeit, die nichts mehr von ihren eigenen Unterdrückungs- und Ausschlussmechanismen weiß und von so Einigem aus ihrer Geschichte eigentlich auch nichts mehr so recht hören will.
Showground Hafencity: Aufforderung zum Tanz
Auch in der lokalen Konstellation des Ortes, an dem der Einheitsevent starten soll, spiegelt sich einiges von dem herrschaftsförmigen Zusammenspiel von Teilhabe und Ausschluss, wie es sich auch im Projekt einer deutschen Nationalkultur abzeichnet. Hinter der freundlich maritimen Fassade, mit der die Hansestadt die „Marke Hamburg“ der bundesdeutschen Öffentlichkeit präsentieren will, verbirgt sich mit der „Wachsenden Stadt“ eine stadtentwicklungspolitische Programmatik, die auf eine neoliberale Standortpolitik und deren repressive Absicherung setzt. Mit Hafencity ist in diesem Zusammenhang ein Quartier aus dem Boden gestampft wurden, dass sich als Ort zum Wohnen und Arbeiten klar an Besserverdienende richtet. Auf appellativer Ebene sollen sich zwar alle Hamburger_innen für dieses Glanzstück begeistern, vor Ort willkommen sind sie deswegen jedoch noch längst nicht. Zugleich ist die Hafencity auch sinnbildlich für die Unsichtbarmachung der Geschichte. Spuren aus der Kolonialzeit und dem Nationalsozialismus sind in der Neubebauung des Gebietes weitestgehend getilgt worden, während mit dem Tamm-Museum eine der größten maritime Militaria- und Devotionaliensammlung mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung durch die Stadt hier ihren Platz gefunden hat.
Wenn sich also am 3. Oktober diesen Jahres in der Hafencity das Projekt einer deutschnationalen Formierung als „Kulturnation“ mit der neoliberal-autoritären Stadtpolitik Hamburgs wie in einem Brennglas überschneiden und durchkreuzen werden, ist es der richtige Ort und die richtige Zeit um der Kritik an diesen Verhältnissen einen Ausdruck zu verleihen. An diesem Tag wollen wir daher die Hansestadt ein weiteres Mal zur Bühne handgreiflicher Kritik, von Dissidenz und Aufbegehren machen und der deutsch-nationalen Formierung einen Stock zwischen die Beine werfen! Dabei halten wir es gerne mit den Verlautbarungen der für das den Feierlichkeiten entsprechende Ambiente zuständigen Hamburg Marketing GmbH: „Radau! zu machen, ist an allen drei Tagen natürlich kostenlos.“
Gegen Rassismus, Antisemitismus, Kapitalismus und Nation!
Bündnis „Hart Backbord!“, Hamburger autonome und antifaschistische Gruppen
03.10. Demonstration und Plan B; 12:00 St-Pauli-Hafenstraße
03.10. Veranstaltung und Konzert im Uebel & Gefährlich
04.10. Veranstaltungsreihe zur Kritik an Staat und Nation auf St. Pauli
04.10. Party in der Roten Flora
Achtet auf weitere Ankündigungen und Infos unter www.3oktober08.tk
Nation, Staat und Kapital
Erster Ansatzpunkt für unsere Kritik an Nation und Nationalismus ist das Verhältnis von Staat und Kapital. Der moderne Staat ist die politische Form, mit der sich geschichtlich das Kapital und die bürgerliche Gesellschaft entfaltet haben. Auch wenn die Politik stets ihr eigenes Süppchen kocht, war und ist es die Aufgabe des Staates als „ideeller Gesamtkapitalist“ den Laden am Laufen zu halten. In dieser Funktion gewährleistet er zwar bürgerliche Freiheiten und formale Gleichheit – aber eben nicht mit dem Ziel der Verwirklichung einer befreiten Gesellschaft ohne Not und Zwang, sondern um die auf Privateigentum basierende kapitalistische Produktionsweise nach Innen wie auch im internationalen Maßstab durchzusetzen und abzusichern. In diesem Sinne zielt der moderne Staat auf die Aufrechterhaltung ökonomischer Ausbeutung – gestützt auf weitere gesellschaftlich etablierte Hierarchien, wovon geschlechtliche Arbeitsteilung und patriarchale Strukturen ein wichtiger Bestandteil sind.
Der bürgerliche Staat konnte nun aber nicht einfach im luftleeren Raum entstehen, sondern es bedurfte eines allgemeinen Bezugsrahmens, um die Gesellschaft unter seine Fittiche zu bringen. An dieser Stelle kommt die Nation ins Spiel. Weit davon entfernt, eine natürlich vorgefundene Gegebenheit zu sein, auf die einfach zurückgegriffen werden konnte, ging es in erster Linie erst einmal überhaupt darum, sie zu erfinden. Zu ihrer Konstruktion erfolgte der Rückgriff auf Geschichte, Kultur und Tradition, um Sinn- und Identitätsstiftendes herbeizuzitieren. Diese Schaffung eines nationalen „Wir“ erschöpfte sich dabei nicht in einem positiven Selbstbild, sondern beruht immer auch auf dem Ausschluss anderer. Es bedarf ihrer zur Abgrenzung, um das Konglomerat von Menschen, die ein Territorium bevölkern oder eine Sprache sprechen, zu einer Nation zu erhöhen und als privilegierte Gemeinschaft zu bestätigen. Durch diese Homogenisierung wurde Gesellschaft handhabbar. Nation und Nationalismus waren die Formen, sie in die institutionelle Matrix des kapitalistischen Staates zu integrieren.
Wenn auch aus Hirngespinsten geboren, war mit der Nation etwas entstanden, das nicht in den Wolken hocken blieb, sondern zu einem realen gesellschaftlichen Prinzip heranwuchs. Besonders in Krisenzeiten mauserte sich die erfundene Gemeinschaft zum ideologischen Kitt auseinanderstrebender Verhältnisse. Durch die Identifikation mit der gegebenen Ordnung wurden die Menschen an ihre eigene Unterordnung und Ausbeutung gefesselt (oder fesselten sich selber). Dabei profitierten sie durch ein Gefühl der Zugehörigkeit und – wenn auch begrenzte – materielle Vorteilnahmen gegenüber all denjenigen, die ausgeschlossen blieben. Der Nationalismus lieferte so auch oftmals die ideologische Grundlage für ein repressives Vorgehen gegenüber Abweichung und Dissidenz. Und schließlich bildete er einen Ausgangspunkt für die aggressive Expansionspolitik der Europäer und die Organisation globaler Ausbeutungsverhältnisse. Erst Rassismus und Kolonialismus und später die imperialistische Konkurrenz um die Aufteilung der Welt waren der geschichtliche Ausdruck dieses Zusammenspiels von Selbstkonstruktion, Überhöhung und Ausbeutung. Die (europäische) Geschichte der Nation und des Nationalismus ist eine Geschichte der Gewalt, eine Geschichte von Unterwerfung und Selbstunterwerfung. Also, kein Grund zum Feiern.
Deutsche Verhältnisse
Den eklatantesten und einmaligen Ausdruck fand die Dynamik aus Krise und nationaler Erweckung in der deutschen Geschichte: Abwendung von den emanzipatorischen Versatzstücken der bürgerlichen Revolution, Hinwendung zum autoritären Obrigkeitsstaat, die rassistische und antisemitische Konstruktion einer Volksgemeinschaft und schließlich die antisemitische Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus, die in der Shoah kulminierte.
Nach der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg, war der positive Bezug auf die eigene Nation erst einmal verunmöglicht. Die Geschichte wurde verdrängt und tabuisiert. Bewegung kam in diese Verhältnisse mit der Wiedervereinigung 1989/90. Der Taumel der Einheit war gefolgt von einer Welle offensiver rassistischer Übergriffe auf Migrant_innen. In Rostock, Mölln und Hoyerswerda fand die Parole „Wir sind ein Volk“ einen gewaltförmigen Ausdruck. Das offizielle Deutschland folgte dem durch den Mob vorgegebenen Kurs und schaffte 1993 das Asylrecht de facto ab. Die sich vollziehende Neukonsolidierung einer gesamtdeutschen Nation, gemahnte eindringlich an die Schatten der Vergangenheit.
Auch wenn völkischer Rassismus und Antisemitismus damit zum Alltag im vereinten Deutschland gehören, standen sie den Normalisierungsbestrebungen der 90er Jahre eher im Wege. Rot-Grün leitete schließlich die entscheidende „Wende“ ein und schickte sich an, Deutschland den Anstrich einer „geläuterten Nation“ zu verpassen, indem ein vermeintlich kritischer Bezug auf den NS in eine positive Strategien zur Modernisierung der deutschen Nation gewendet wurde: Nicht mehr aufgrund der Vergangenheit sollte auf jegliches militärische Gebaren verzichtete werden, sondern wegen Auschwitz wurde eine als „Übernahme von Verantwortung“ titulierte Kriegspolitik zum Gebot der Stunde. Auch ein allzu offen und gewalttätig auftretender Rassismus und Antisemitismus passten nicht mehr in das Konzept. In der Folge eines Brandanschlags auf die jüdische Synagoge in Düsseldorf in der Nacht auf den 3. Oktober 2000 wurde der „Aufstand der Anständigen“ ausgerufen und politisches und zivilgesellschaftliches Engagement „gegen Rechts“ angemahnt.
Sicherlich sind diese Bemühungen aus vergangenheitspolitischer und antifaschistischer Sicht als eine Farce zu bewerten. Stellen sie doch nicht die Voraussetzungen in Frage, auf denen der NS beruht hatte, sondern verkörperten den Versuch, den Bezug auf die deutsche Nation zu rehabilitieren. Nichtsdestotrotz kann diese Umorientierung aber auch Effekte für sich verbuchen. Ohne die Kontinuitäten völkischen Denkens völlig abzulösen, werden die Frage der Zugehörigkeit zur deutschen Nation gegenwärtig vor allem als Fragen der Kultur und der kulturellen Differenz verhandelt. Als leicht verdauliche, folkloristische oder ökonomische „Bereicherungen“ durchaus erwünscht, sind dem Spiel der Unterschiede gleichsam klare Grenzen gesetzt. Wer sich als verwertbar zeigt, ist willkommen. Und wer es nicht ist oder gegen die Spielregeln verstößt, soll bitteschön brav „zu Hause“ bleiben oder schnell wieder gehen. Als Preis und als Kehrseite multikultureller Greencard-Toleranz lautet die Devise Anerkennung der „deutschen Leitkultur“ bzw. „Integration“ in die „Kulturnation Deutschland“.
Im massenkulturellen Mainstream hat der neue zivilgesellschaftlich ausstaffierte Kultur-Nationalismus seinen Ausdruck etwa zur Männer-Fusball-WM 2006 und zur EM zwei Jahre später gefunden. Unter dem Motto „schwarz-rot-geil“ wurde dort ein überschwängliches Bekenntnis zur deutschen Nation zur Schau getragen. Frei von jedem kritischen Selbstverhältnis machte sich ein Ressentiment gegenüber etwaigen Störungen und Abweichungen Luft. „ Die immer schlecht gelaunten Miesmacher brauchen wir nicht!“, ließ die Bildzeitung verlauten, während unterdessen einige aufrechte Patrioten die ein oder andere Dönerbude zu Bruch schlugen. Statt einer Hinterfragung der deutschnationalen Possen, wurde das Geschehen – wie schon so oft – auf den Status eines Betriebsunfalls heruntergespielt. Pointiert kommt hier die Brüchigkeit des „antifaschistischen“ Credos der Berliner Republik zum Ausdruck. Unter dem Mantel zivilgesellschaftlicher Vielfalt und Friedfertigkeit manifestiert sich immer wieder der latente Chauvinismus in handfesten Dominanzgebärden. Und auch das ist nun wirklich kein Grund zu feiern.
Kulturnationale Untiefen
Das Vorhaben, den 3. Oktober in diesem Jahr unter dem Motto „Kulturnation“ zu zelebrieren, stellt den Versuch dar, das überaus fragwürdige Modernisierungsprojekt „Deutschland“ weiter voranzutreiben. Die scheinbar harmlose Inszenierung als Kulturveranstaltung zielt darauf ab, die Vernutzung von Kultur als Ressource für das deutsche Nationalgefühl weiter auszubauen und die deutsche Geschichte als einen positiv gewendeten Mythos neu aufzurichten. Verfolgt wird eine Geschichtskonstruktion, die vor dem Nationalsozialismus ansetzt und bemüht ist, neben kulturellen Bräuchen das „Schöne und Gute“ hinter den Massakern der deutschen Historie wieder zu entdecken. Sollte dies gelingen, wäre hier eine weitere famose Verdrängungsleistung zu besichtigen. Denn dass die ältere deutsche Geschichte immer auch die Vorgeschichte des Nationalsozialismus gewesen ist, wird in dieser Aufbereitung sicherlich kein Thema sein. Übrig bleiben die „Gräuel des Hitler-Regimes“ als unbegriffenes Makel auf der weißen Haut. Als solches dürfen sie dann dazu herhalten, in eine sich antifaschistisch gebärdende Staatsdoktrin einzufließen, die, anstatt Kapital und Nation und damit auch ihre eigenen Grundlagen in Frage zu stellen, die Verdrängung der eigenen Geschichte erneuert und in eine modernisierte Variante deutschnationaler Formierung überführt.
Einen pointierten Ausdruck wird das Ganze sicherlich in dem Bürgerfest um den 03. Oktober in der Hafencity finden. Denn dort wird nicht nur Hamburger Aalsuppe und Thüringer Bratwurst gereicht werden, auch die „multikulturelle Vielfalt“ Deutschlands soll repräsentiert werden. Solange diese „Vielfalt“ unter ökonomischen Gesichtspunkten nützlich erscheint und den leitkulturellen Richtlinien gerecht wird, darf sie dazu beitragen die Befindlichkeit des Landes in ein allgemeines Wirgefühl zu überführen. Eine Befindlichkeit, die nichts mehr von ihren eigenen Unterdrückungs- und Ausschlussmechanismen weiß und von so Einigem aus ihrer Geschichte eigentlich auch nichts mehr so recht hören will.
Showground Hafencity: Aufforderung zum Tanz
Auch in der lokalen Konstellation des Ortes, an dem der Einheitsevent starten soll, spiegelt sich einiges von dem herrschaftsförmigen Zusammenspiel von Teilhabe und Ausschluss, wie es sich auch im Projekt einer deutschen Nationalkultur abzeichnet. Hinter der freundlich maritimen Fassade, mit der die Hansestadt die „Marke Hamburg“ der bundesdeutschen Öffentlichkeit präsentieren will, verbirgt sich mit der „Wachsenden Stadt“ eine stadtentwicklungspolitische Programmatik, die auf eine neoliberale Standortpolitik und deren repressive Absicherung setzt. Mit Hafencity ist in diesem Zusammenhang ein Quartier aus dem Boden gestampft wurden, dass sich als Ort zum Wohnen und Arbeiten klar an Besserverdienende richtet. Auf appellativer Ebene sollen sich zwar alle Hamburger_innen für dieses Glanzstück begeistern, vor Ort willkommen sind sie deswegen jedoch noch längst nicht. Zugleich ist die Hafencity auch sinnbildlich für die Unsichtbarmachung der Geschichte. Spuren aus der Kolonialzeit und dem Nationalsozialismus sind in der Neubebauung des Gebietes weitestgehend getilgt worden, während mit dem Tamm-Museum eine der größten maritime Militaria- und Devotionaliensammlung mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung durch die Stadt hier ihren Platz gefunden hat.
Wenn sich also am 3. Oktober diesen Jahres in der Hafencity das Projekt einer deutschnationalen Formierung als „Kulturnation“ mit der neoliberal-autoritären Stadtpolitik Hamburgs wie in einem Brennglas überschneiden und durchkreuzen werden, ist es der richtige Ort und die richtige Zeit um der Kritik an diesen Verhältnissen einen Ausdruck zu verleihen. An diesem Tag wollen wir daher die Hansestadt ein weiteres Mal zur Bühne handgreiflicher Kritik, von Dissidenz und Aufbegehren machen und der deutsch-nationalen Formierung einen Stock zwischen die Beine werfen! Dabei halten wir es gerne mit den Verlautbarungen der für das den Feierlichkeiten entsprechende Ambiente zuständigen Hamburg Marketing GmbH: „Radau! zu machen, ist an allen drei Tagen natürlich kostenlos.“
Gegen Rassismus, Antisemitismus, Kapitalismus und Nation!
Bündnis „Hart Backbord!“, Hamburger autonome und antifaschistische Gruppen
03.10. Demonstration und Plan B; 12:00 St-Pauli-Hafenstraße
03.10. Veranstaltung und Konzert im Uebel & Gefährlich
04.10. Veranstaltungsreihe zur Kritik an Staat und Nation auf St. Pauli
04.10. Party in der Roten Flora
Achtet auf weitere Ankündigungen und Infos unter www.3oktober08.tk
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
NO NATION JAM 2008
Keine Party mit der Nation - Dafür aber mit uns!
NO NATION JAM 2008:
2. oktober * 22.00 Uhr * schlagwerk * saarbrücker Str. 24 * u-bhf. senefelder platz
soli für antifaschistische arbeit in nordost-berlin & für die mobilisierung gegen die deutschlandfeierlichkeiten 2008.
hipohop:
schlagzeiln [pgasuz-basement / berlin] http://www.myspace.com/schlagzeiln
holger burner [sav-crew / hamburg] http://www.myspace.com/holgerburner
herr von grau [l26 studio/ berlin] http://www.myspace.com/herrvongrau
kurzer prozess [block action music / nürnberg] http://www.myspace.com/kurzerprozess
joao xavi [rio de janeiro] http://www.myspace.com/joaoxavi
freestyle-showcase mit:
4tm [team elaboriert / hamburg] http://www.myspace.com/viertm
stee [seitensprung / hamburg] http://www.myspace.com/steevomfeinschliff
brum ’n’ bass:
flare 5 [basstion / berlin ] http://www.myspace.com/basstion
cyrilla [mighty motivation / berlin] http://www.myspace.com/cyrillla
ktc [mighty motivation / berlin] http://www.myspace.com/djkillthatcat
fallout-boy [raketenmusik/audiovandalism / berlin] http://www.myspace.com/raketenmusik
duff [provesoundpleasure / berlin]
visuals:
pal-secam
IFOVERANSTALTUNG:
zu den protesten gegen die deutschlandfeierlichkeiten am 3. oktober in hamburg.
29. september * 20.00 uhr * cafe morgenrot * kastanienallee 85
mit referent_innen der gruppe a2-hamburg
infos unter: http://3oktober08.tk/
AUF NACH HAMBURG!:
zugtreffpunkt für alle die zur antinationalen demo nach hamburg fahren:
07.00 uhr * zugtreffpunkt * hauptbahnhof, gleis 5
12.00 uhr * demo * hafenstraße
Org: FTP-Crew * http://myspace.com/ftp_culture
Support: North East Antifascists [NEA] * http://no-nation.de.vu/
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
DIE Demo ist in Berlin!
„Schwarz, rot, geil“
Ganz Berlin trägt wieder einmal schwarz, rot und gold und ist in einer unheimlichen Feierlaune. Der Anlass zu den Festivitäten ist der Jahrestag der Angliederung der DDR an die BRD. Alles freut sich, als wäre die „Wiedervereinigung“ des deutschen Volkes etwas tolles. Selbst in Berlin, neue und alte Hauptstadt, wird gejubelt und das, obwohl es seit 1990 stetig bergab geht mit der Stadt. Selbst der regierende Bürgermeister bezeichnet die Stadt unverhohlen als „arm“ und fügt zynisch hinzu „aber sexy!“. Davon können wir uns nichts kaufen, denkt mensch da. Wowereits Argumentation hat allerdings System: Real existierende Missstände, Widersprüche und Klassenkämpfe sollen im Denken der Menschen zurückfallen hinter abstrakte, konstruierte, ja ausgedachte Werte.
Anstatt sich darüber klarzuwerden, dass der Kapitalismus eine erbarmungslose Konkurrenzgesellschaft ist, in der alle gegen alle arbeiten und die Arbeiter_innenschaft mit den Kapitalist_innen im speziellen noch einmal Außeinandersetzungen führt, sollen die Angehörigen des nationalen Zwangskollektivs von so hehren Sachen wie Nationalgefühl, Patriotismus und dem scheinbaren Bewusstsein, alle säßen in einem Boot, besoffen gemacht werden.
Apropos besoffen: Einerseits lassen sich die Fahnenwälder während internationalen Fußballmeisterschaften oder Deutschlandfesten nur ausreichend alkoholisiert ertragen. Andererseits kann mensch nur ungläubig den Kopf schütteln, angesichts der Massen von Patriot_innen, die ungeachtet all der Schädigungen, die ihnen der deutsche Staat und die von ihm gewaltsam eingerichtete kapitalistische Wirtschaft angedeihen lässt, sich allein damit genügen, dass ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit zugestanden wird.
Im Zustand des nationalen Taumels, äußert dieser sich nun gewalttätig wie in Rostock-Lichtenhagen oder „voll so happy und friedlich, ey“ wie bei der WM der Herrenmannschaften, tritt die Irrationalität des Nationalismus deutlicher zu Tage als sonst.
Da geht das letzte Geld für Kunststofffahnen beim Discounter drauf, da brechen erwachsene Menschen körperlich wie seelisch zusammen, wenn „ihre“ Mannschaft aus dem Wettbewerb fliegt. Doch irrationale, nationalistische Handlungen können nicht nur Fremdscham, sondern auch nackte Angst zur Folge haben.
So brachte die "Wiedervereinigung" nicht nur Freude hervor, sondern auch Hass gegen diejenigen, die angeblich die gestärkte Nation am endgültigen Aufstieg hinderten. "Asylanten", "Sozialschmarotzer" und "Zecken" wurden nicht nur vom Mob zu Problemen erklärt, derer sich angenommen werden müsste. Zahlreiche Brandanschläge, Morde und Pogrome zeugen davon, auf welche Art zur Tat geschritten wurde.
Von logischen Überlegungen warum mensch in der Scheiße sitzt, welche Zustände dafür verantwortlich sind und wie diese zu beheben sind, ist hier keine Spur mehr. Und genau so soll es sein!. Spiel, Satz und Sieg für Deutschland.
Am Anfang war der Staat…
Der Staat, und natürlich auch der deutsche, richtet die Rahmenbedingungen für die kapitalistische Gesellschaft ein.
Wenn er erstmal als alleinige und souveräne gesellschaftliche Macht etabliert ist, macht sich der Staat bzw. sein Führungspersonal daran, geordnete Verhältnisse zu schaffen. In einer Konkurrenzgesellschaft, die blöderweise so strukturiert ist, dass sich in der Tat eher alle gegenseitig bestehlen, verprügeln und töten würden, anstatt zusammenzuarbeiten, stellt der Staat als über der Gesellschaft stehender „ideeller Gesamtkapitalist“ (Engels1) klar, wie mensch an sein Geld zu kommen hat und wie nicht. Da gibt es auch nur einen Weg, nämlich den Verkauf von Waren. Es kann sein, dass mensch genügend Geld hat, um dieses für Produktionsmittel, Rohstoffe und Arbeiter_innen vorzuschießen, um Waren zu produzieren, diese zu verkaufen und den Mehrwert „abzuschöpfen“, den die Arbeiter_innen hervorgebracht haben. Dies ist die Beschäftigung der Kapitalist_innenklasse.
Wer dieses „Glück“ nicht hat, der verkauft das einzige, was er hat, nämlich seine Arbeitskraft. Mag die (Lohn-)Arbeit in der schönen Theorie als tolle Tätigkeit gelten, die den ganz eigenen Beitrag an die Gesellschaft darstellt, ist es doch nüchtern betrachtet eine ausgesprochen absurde Vorstellung, dass die zwanghaft eingerichtete unwiederbringliche Verausgabung von Körper- und Geisteskraft etwas gutes darstellen soll.
Damit dies alles läuft, muss der Staat in verschiedenster Weise in die Gesellschaft eingreifen. Zuallererst wird eine formelle Gleichheit vor dem Gesetz des Staates hergestellt. Die Unterschiede zwischen den Menschen, seien sie körperlicher oder persönlicher Natur oder betreffen sie ihre Stellung im gesellschaftlichen Produktionsprozess werden eingebügelt, aber das nur ideell: Für den Staat sind nun alle gleich und zwar als Staatsbürger_innen. Ob Kapitalist_in oder Arbeiter_in, alle haben die gleichen Freiheiten, Rechte und Pflichten. Sie müssen sich natürlich auch gleichermaßen an die vielfältigen, staatlich gesetzten Grenzen und Verbote halten. Das sich manch ein Manager für hohe Geldsummen vor einer Gefängnisstrafe retten kann, mag manchen "unfair" erscheinen, aber so ist unsere Gesellschaft strukturiert und dem Staat sind ein paar Millionen mehr im Säckel halt allemal lieber als noch ein Typ im Knast.
Kapitalist_innen und Arbeiter_innen treten sich als gleichberechtigte Vertragspartner_innen gegenüber. Der Staat tritt also als Macht auf, die den kapitalistischen Normalzustand erst ermöglicht und diesen verteidigt. Gesetze über den Schutz des Privateigentums legen uns alle darauf fest, unser "Glück" in der Konkurrenz aller gegen alle zu suchen. Es bringt nichts einzelne Gesetze zu verändern, hier und da dem freien Wirtschaften Schranken aufzuerlegen oder Freund_innen der Kapitalfraktion in Justiz und Politik abzusetzen. Der Staat muss weg und mit ihm das Privateigentum.
Eine weitere Neuerung im Kapitalismus war die Herrschaft der Freiheit.
Niemand wird hier zu etwas gezwungen. Du kannst dich frei dazu entscheiden, ob du arbeiten gehen willst oder ob du verhungern willst oder ob du ein erbärmliches Leben als Bettler_in führen willst.
Die Lohnarbeiter_innen sind sogar gleich „doppelt frei“ (Marx2)! Sie sind frei von Produktionsmitteln und frei von unmittelbarem Zwang.
„…’cause we are living in a material world“ (Madonna3)
Im Kapitalismus ist alles Ware. Deine Arbeitskraft, Lebensmittel, Grund und Boden, Gemälde von Picasso, Wasser, Tiere und sogar Menschen.
Es wird einem beigebracht, dass alles produziert wird, wofür eine Nachfrage besteht, aber so ganz stimmt das nicht. Kaufkräftige Nachfrage muss bestehen, sonst kommt das Produkt nicht zum Menschen. Schlimmstes Beispiel: in vielen Gebieten der Welt verhungern hunderttausende täglich, während in den Metropolen Nahrungsmittel verbrannt werden, die sich nicht verkaufen lassen. Es wird jeder Blödsinn produziert, wenn es nur irgendjemanden gibt, der genügend Geld dafür ausgibt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Blödsinn für Millionen von Euro produziert und verkauft wird, andererseits jedoch Abermillionen kein Geld haben, sich das nötigste zu kaufen. Das ist übrigens nicht nur in Afrika so, sondern auch in Deutschland. Während früher hierzulande Menschen, die in Mülleimern nach Flaschen gesucht haben, schockiert angestarrt wurden, ist heutzutage jedem klar, dass der Lebensstandard für Lohnabhängige stark gesunken ist. Auch in der BRD gibt es genügend Menschen, die sich zwischen etwas zu Essen, einem Arztbesuch und neuer Kleidung für die Kinder entscheiden müssen.
Der einzige Gesichtspunkt, unter dem die Wirtschaft organisiert wird, ist der Profit. Gegen diese Logik richtet sich unser gemeinsamer Kampf. Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Wirtschaft so organisiert ist, dass die Weltbevölkerung ihre Nutznießerin ist.
Wir hassen Deutschland, weil wir das Leben lieben
Diese kapitalistische Wirtschaft wird von Staaten national organisiert. Das Staatsvolk, welches in den jeweiligen Grenzen geschaffen wird, soll mit verschiedenen Luftschlössern geeint werden. So stehen „wir“ plötzlich gegen „die“. Die einfache Erkenntnis, dass die Arbeiter_innen kein Vaterland haben und sie ihren Klassenschwestern und –brüdern jenseits der Grenze doch eigentlich näher sind als ihrer „eigenen“ Herrschaftselite und Kapitalist_innenklasse soll vergessen werden. Überhaupt, wer zur Hölle ist eigentlich „wir“? Nationale Einigkeit, die auch immer wieder gewaltsam gegen unliebsame Staaten zur Sache geht, soll über Kultur, Sprache und Geschichte hergestellt werden.
Alles Quatsch. Kulturell stehen sich zum Beispiel Skate-Kids aus verschiedenen Ländern näher, als ein deutscher Emo und ein deutscher Schuhplattler. Ganz absurd wird es, wenn verschiedenste „Dichter und Denker“ zugeschrieben wird, ihre Werke wären – unabhängig von jeder Stilistik und jedem Inhalt – „typisch deutsch“.
Die Sprache ist ersteinmal nur schlichtes Kommunikationsmittel. Daraus, dass Menschen sich in der gleichen Sprache verständigen, folgt keine Interessen- oder Volksgemeinschaft, schließlich ist über den Inhalt ihrer Aussagen und die Ziele, auf die sie sich verständigen, garnichts gesagt.
Zur Geschichte: Die ist eine Geschichte von Klassenkämpfen und damit ist eigentlich auch schon alles zum Thema gesagt... Bis jetzt ist sie die Geschichte der Sieger_innen in den historischen Klassenkämpfen. Darin, dass Hungerrevolten und Revolutionen niedergeschlagen wurden, sehen wir nichts verbindendes, im Gegenteil! Es springt umso deutlicher ins Auge, dass die nationale Gemeinschaft eine Gemeinschaft ist, die gewaltsam befriedet und versöhnt werden musste und muss.
Lasst es krachen, lasst es knallen
Alles, was wir abstrakt ausgeführt haben, betrifft dich ganz konkret. Jede menschliche Emanzipation, jede Erhebung, jede Revolution hat ihren Feind im Staat. Abstrakt, weil wir ja abschaffen wollen, was er gewaltsam ins Recht gesetzt hat: die Warengesellschaft und die Lohnarbeit. Konkret, weil er sich mit unmittelbaren Zwangsmitteln gegen jede praktische Bestrebung richten wird, die eine Befreiung vom Kapitalismus bewerkstelligen will.
Die Vermittlung unserer Kritik wollen wir auf verschiedenen Ebenen angehen.
Am 03.10, dem Tag der deutschen Einheit, wollen wir eine anti-nationale bundesweite Nachttanzdemonstration durchführen, die unsere Gegnerschaft zu den herrschenden Zuständen klar formulieren soll. Mitten im nationalen Taumel und im selbstvergessenen Deutschlandwahn wollen wir Inhalte in die Öffentlichkeit tragen, die sich radikal gegen das Konzept der Nation und damit auch gegen Deutschland richten. Wir sind uns des provokatorischen Potentials durchaus bewusst und hoffen, es nutzen zu können. In den Abendstunden des "Tags der deutschen Einheit" soll in Berlin - dem Herzen der Bestie sozusagen - Unerhörtes laut durch die Straßen schallen.
Im Anschluss, am 04.10 folgt der Praxis die Theorie. In Vorträgen und Workshops wird kommunistische Kritik an Nation, Staat und Kapital vermittelt werden. Am Abend veranstalten wir dann noch eine Party, wo noch einmal im ungezwungenen Rahmen diskutiert werden kann, aber natürlich hauptsächlich entspannt und gefeiert werden soll.
Wir haben Schlafplätze organisiert, für Anfragen nach diesen, ebenso wie für Anfragen nach Aufrufen, Plakaten, Postkarten, Aufklebern und Info-Veranstaltungen richtet euch bitte an uns. Auf ein Wochenende, das wir alle nicht so schnell vergessen werden.
Meldet euch an! Beteiligt euch an der Demo!
Kämpft mit uns gegen Staat, Nation und Kapital! Deutschland in den Rücken fallen!
motto geklaut
mehr als von den bullen rumgeschubst zu werden, wird das eh nicht.
^^
@motto geklaut