Zum Kaukasuskonflikt - Spiegelfechter: Psychologische Kriegsführung

Jens Berger / Spiegelfechter 15.08.2008 18:15 Themen: Weltweit
Georgien hat seit dem Regierungsantritt des amtierenden Präsidenten Saakaschwili sein Verteidigungsbudget mehr als versiebenfacht. Die georgischen Streitkräfte wurden von amerikanischen und israelischen Militärberatern in moderner Kriegsführung geschult. Militärisch hatte das kleine Georgien der Großmacht Russland trotzdem nicht viel entgegenzusetzen. In einem militärischen Teilbereich konnte Georgien allerdings glänzen und den Gegner auf allen Feldern in die Schranken verweisen. Die „Psychologische Kriegsführung“ ist ein militärisches Fachgebiet, das sich mit der Beeinflussung und Manipulation gegnerischer Streitkräfte und der Öffentlichkeit gegnerischer, neutraler und befreundeter Staaten befasst. Sie ist damit die militärische Schwester der „Public Relations“ und wird in einer weltweiten Mediengesellschaft immer wichtiger.
Wenn in einem Wald ein Baum umfällt und niemand ist da der es hört, hat es dann ein Geräusch dabei gegeben? Gibt es eine Wahrheit, wenn niemand sie kennt? In den westlichen Demokratien ist der Krieg nicht sonderlich beliebt. Der Wähler mag keine Politiker, die große Teile seiner Steuergelder für Militär und Kriege ausgeben und er versteht von sich aus nicht, warum einige Länder der Achse des Bösen angehören sollen. Um den Wähler von der Notwendigkeit dieser Ausgaben und der Richtigkeit einer ausgrenzenden und feindlichen Außenpolitik zu überzeugen, muss ihm glaubhaft gemacht werden, dass dies auch in seinem Interesse sind. Ein Bedrohungsszenario eignet sich dafür recht gut, wie auch die gefühlte Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus in Deutschland belegt. Menschliches Mitleid ist ein weiterer Punkt. Wenn ein großes Land ein kleines überfällt und dabei mordet, brandschatzt und plündert, so wird dies beim Betrachter als Ungerechtigkeit aufgefasst, die korrigiert werden muss. Problematisch wird es allerdings, wenn die Nation, der die Solidarität der Regierenden gehört, sich nicht so benimmt, dass ein teures und riskantes Engagement für diese Nation dem Wähler zu vermitteln wäre. Zur Lösung dieses Problems gibt es die “Psychologische Kriegsführung” und spezielle PR-Agenturen, die sich auf dieses Fachgebiet spezialisiert haben.

Weltweit werden im Marketingbereich jährlich über 1.000 Mrd. US$ ausgegeben. Wissenschaftlich perfektionierte Methoden sorgen dafür, dass der Großstädter den Wunsch hat, sich einen teuren und umweltfeindlichen Geländewagen zu kaufen und im Supermarkt gerne zum Markenprodukt greift, das wesentlich teurer als das No-Name Produkt ist. Marketing zielt tiefenpsychologisch auf das Unbewusste und hebelt rationale Prozesse aus. „Psychologische Kriegsführung“ nutzt diese Mechanismen, um den Bürger in einem militärischen Konflikt auf die „richtige“ Seite zu bringen. Die Grenzen zwischen klassischer PR und „Psychologischer Kriegsführung“ sind fließend. Die „Brutkastenlüge“ wurde von der PR-Agentur Hill & Knowlton konzipiert und hatte bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Unterstützung der US-Politik im Vorfeld der Zweiten Golfkrieges. Georgien wird in den Bereichen Medien- und Politikkommunikation von der PR-Agentur Aspect Consulting beraten. Deren Gründer und Senior-Partner James Hunt war zuletzt in der Geschäftsführung von Hill & Knowlton. Er arbeite während der Brent-Spar Krise für Shell, polierte das Image von McDonalds während der BSE-Krise auf und wischte die Bedenken der Gegner genetisch manipulierter Saatgüter vom Tisch. Der Georgien-Krieg ist allerdings sein Meisterstück und seine Arbeit kann getrost als meisterlich gewertet werden.


Vom ersten Moment an hatte Georgien die Lufthoheit im Krieg um die Wahrheit in den Köpfen inne. Die Krisen-PR war dabei generalstabsmäßig geplant. Am Morgen der 8. August, als die georgische Armee ihre Großoffensive startete, veranstaltete der georgische Premier Lado Gurgenidze ein gut organisiertes „Investoren-Treffen“ mit den fünfzig einflussreichsten Bankern der Wall-Street und impfte diese auf die georgische Version, das kleine Land würde von großen Nachbarn Russland brutal überfallen, obgleich zu diesem Zeitpunkt offensichtlich war, dass der Aggressor Georgien heißt. Die georgische Version wurde bereits am ersten Kriegstag nahezu Wort für Wort von den großen US-Sendern übernommen. Der smarte Präsident Saakaschwili, der an der Georgetown University in Rechtswissenschaften promovierte, suchte von Anfang an die Medienöffentlichkeit und stand CNN und BBC stets für Interviews zur Verfügung. Dort saß er dann an seinem Schreibtisch vor den Flaggen Georgiens und der EU und parlierte im fließenden Englisch. Georgien ist freilich kein Mitglied der EU aber die Botschaft war klar – wir gehören zu euch, wenn wir „angegriffen“ werden, werdet auch ihr angegriffen.

Den Korrespondenten der westlichen Medien, die zu Beginn des Krieges in Tiflis einfielen, wurden von der PR-Agentur Aspect Consulting mit gut ausgearbeiteten Informationen und regelmäßigen E-Mail Newslettern versorgt, die die georgische Sicht der Dinge als Fakten darstellten. Die TIMES berichtet von alleine 20 Presseinformationen, die am Sonntag per Mail herausgingen, um zu belegen, dass Russland eine Invasion gestartet hätte. Einige Meldungen ließen sich schlicht nicht überprüfen, andere hätten sich zwar überprüfen lassen, was von den Medien aber aus Bequemlichkeit meist unterlassen wurde. Wieder andere Meldungen waren schlichtweg grotesk – so wurde etwa gemeldet, dass russische Jets Tiflis intensiv bombardieren würden und russische Truppen Gori eingenommen hätten. Westliche Korrespondenten in Tiflis und Gori konnten zumindest diese Meldungen schnell widerlegen.

Die russische Pressearbeit war traditionell katastrophal. Den westlichen Journalisten standen entweder keine Ansprechpartner zur Verfügung oder diese blockten alle Anfragen ab – dies ist in Russland allerdings vollkommen normal. Was überblieb, waren Agenturmeldungen von RIA-Novosti und Interfax, die bereits im Tonfall nicht eben nach neutralen Informationen klangen und nicht durch Stellen in der Politik oder dem Militär bestätigt wurden. Russland verfolgte auch im Georgien-Krieg seine Politik, westlichen Journalisten keinen Zugang zur Konfliktzone zu gestatten. Georgien karrte die Journalisten in „genehme“ Konfliktzonen und sorgte so dafür, dass Bilder der bombardierten Wohngebäude in Gori um die Welt gingen, während Agenturphotographen und westliche Kamerateams in Südossetien keine Bilder machen konnten. Dass dadurch der Eindruck entstand, Russland würde einen Krieg gegen die georgische Zivilbevölkerung führen, ist kaum zu vermeiden. Die Macht der Bilder war den georgischen Spin-Doctors bekannt, Russland versagte auf diesem Gebiet kläglich. Man war in Russland vor allem auf die Rezeption im eigenen Lande konzentriert und schenkte der öffentlichen Meinung des Westens kaum Beachtung.

Die russische Arroganz hat dazu geführt, dass die georgische Version der Geschehnisse sich in den Köpfen der westlichen Medienkonsumenten festgesetzt hat. Kommentatoren sind auf diesen Zug aufgesprungen und passten ihrerseits die mediale Gemengelage in ihr Weltbild ein. Unabhängige Experten, wie Segbers, Rahr oder Krone-Schmalz kamen in den deutschen Medien freilich auch zu Wort, aber bereits die Überschriften wiesen den Weg, wohin die Berichterstattung geht. “Russlands Gas riecht nun nach georgischem Blut” ließ SPON seine Leser durch den Mund David Darchiaschwilis wissen. Darchiaschwili ist – wie die Hälfte der neuen georgischen Elite – ein Zögling von amerikanischen Think-Tanks, wie George Soros Open Society. Ein PR-Profi, der weiß, wie man westliche Medien in ihrem Wunsch nach „peppigen Schlagzeilen“ bedient.

Deutsche und britische Medien sind jedoch im Vergleich zur US-Konkurrenz geradezu sachlich. In den US-Medien gibt es kaum einen Zweifel an der georgischen Sichtweise und selbst liberale Kommentatoren schlagen kräftig auf die georgische PR-Trommel. Saakaschwili ist auf CNN Dauergast, wenn er vom „George-Bush Boulvard“ in Tiflis spricht, sagt er schon mal, dieser sei nach „unserem“(sic!) Präsidenten benannt. Die konfrontative bis bellizistische Linie der US-Mainstreammedien überrascht wenig, das offensichtliche Desinteresse der alternativen US-Medien schon eher. Auf den unabhängigen liberalen Internetplattformen, wie Mother-Jones, Foreign-Policy in Focus, Commons Dreams, Counterpunch oder The American Prospect wird das Thema entweder ignoriert oder herzergreifend naiv angefasst – es ginge nur um Öl (das Standardargument „progressiver“ Amerikaner) und das ganze solle man so und so nicht überbewerten. Zu den offensichtlichen Medienmanipulationen und Verdrehungen kein Wort.

Vergleicht man die Naivität, mit der viele deutsche Medien der „Psychologischen Kriegsführung“ Georgiens auf den Leim gingen oder in einigen Fällen sicher auch gehen wollten, so ist die Zurückhaltung seitens der Politik bemerkenswert. Springen sonst Hinterbänkler auf jedes Schwein, das durchs mediale Dorf getrieben wird, verhielt sich die deutsche Politik während des Georgien-Krieges erfreulich verantwortungsvoll. Die Medien sollten sich abseits jeglicher Quoten und Klickzahlen jedoch einmal selbstkritisch mit ihrer Berichterstattung auseinandersetzen. Der Michel will bei komplexen Fragen an die Hand genommen werden. Er will sich keine eigene Meinung bilden, sondern eine Interpretation der Ereignisse von verantwortungsvollen Journalisten mundgerecht serviert bekommen. Die Medien nehmen dabei eine sehr wichtige Aufgabe wahr. Ob sie sich dieser Verantwortung bewusst sind?

Es wäre falsch, anzunehmen, dass die Politik sich von der Berichterstattung der Medien nicht beeinflussen ließe. Politiker wollen gewählt werden und es ist dabei taktisch unklug, sich gegen die öffentliche Meinung zu stellen. Dies ist ja auch das Ziel „Psychologischer Kriegsführung“. Auf dem Schlachtfeld der US-Medien hat die georgische Kriegsführung einen Kantersieg eingefahren. Die Folge wird eine zunehmend antirussische Politik sein, wie sie vor allem von den NeoCons schon lange Zeit gefordert wird. War eine solche Konfrontationspolitik bislang nur in einem kleineren politischen Spektrum auf der Agenda, so darf sie heute als „common sense“ gelten. Die Folgen werden wir alle zu tragen haben und das stimmt wenig optimistisch.

Jens Berger

Zum Thema:
Yasha Levine - The CNN Effect: Georgia Schools Russia in Information Warfare
Tony Halpin und Roger Boyes - Georgia loses the fight with Russia, but manages to win the PR war
Mark Tran - Mikhail Saakashvili: the media’s man in Tibilisi
Andrei Fedyashin - Saakashvili as a propaganda phenomenon
Andreas Fecke - Kaukasuskrieg und internationaler Propagandakrieg

Bildnachweis: Alle Lenta.ru





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Ergänzungen

boah bist du schlau ey

tagmata 15.08.2008 - 19:50
"Die „Psychologische Kriegsführung“ ist ein militärisches Fachgebiet, das sich mit der Beeinflussung und Manipulation gegnerischer Streitkräfte und der Öffentlichkeit gegnerischer, neutraler und befreundeter Staaten befasst. Sie ist damit die militärische Schwester der „Public Relations“ und wird in einer weltweiten Mediengesellschaft immer wichtiger."

ich glaub alle die versucht haben dem kriegsverlauf zu folgen fassen sich innerlich an den kopf bei dem artikel. schau mal auf den kalender, so kram kann ich mich erinnern 1991 gelesen zu haben, und da war er noch halbwegs aktuell. aber im prinzip war der erste krieg der zumindest auf einer seite propagandamäßig durchgeplant war falklands 1982. das war vor über einem vierteljahrhundert, und im letzten jahrtausend.

"Vom ersten Moment an hatte Georgien die Lufthoheit im Krieg um die Wahrheit in den Köpfen inne."

tip: es gibt mehr auf der welt als fox news.

alle, aber wirklich ALLE massenmeiden haben "georgier töten 2000 in zchkinwali" geschluckt.

die leichenzähler kommen bislang vielleicht auf 200. und das sind südosseten (also die leichenzähler), nach unten werden die nicht untertreiben. und der friedhof von zchkinwali ist platt, also vergraben werden sie den rest nicht haben, jedenfalls nicht so daß man ihn nicht wieder ausgraben und an einen würdigeren ort verbringen wollen würde als des nachbarn kuhweide.

in den russischen medien wurden ab tag 2 die "toten" dann ganz mysteriös zu "opfern" und am dritten tag die "2000" zu "vielen".

SO sieht eine erfolgreiche kriegspropaganda aus. und nicht "die russen stehen in gori!!!!!1!1elf" wenn die reporter vor ort in der lage sind zu bestätigen daß sie das NICHT tun, sondern nur die georgische armee ohne ein zeichen von kohärenz oder oberkommando in panik das weite gesucht hat ohne zurückzuschauen.

und eine erfolgreiche psyop kann z.b. so aussehen, daß man einem hyperventilierenden georgischen präsi, der im kreml anzuft um zu fragen was das denn auf sich habe mit den russischen truppen, die sich grad vor seiner hintertür stapeln (5. oder 6. 8. 2008), sagt "armee?! welche armee? wir wissen nicht wovon sie reden. wir CHABEN da gar keine armee!"


ps: als die russen poti gerazzt haben, mittwoch iirc - also als sie trotz des waffenstillstandes noch ein bißchen "aufgeräumt" haben -, hat das 12 stunden gebraucht als es in westmedien erschien. die georgier haben vermutlich sofort ne pm rausgeschickt. aber denen hat einfach keiner mehr geglaubt.

ich habe noch keinen krieg gesehen, den der primäraggressor so verbockt hat. in jeder hinsicht.

@tagmata

Bert 15.08.2008 - 21:34
Scheint aber nicht bei allen angekommen zu sein. ;)
 http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_hohe_kunst_der_duplomatie/

In Sachen Zchinvali würde ich noch abwarten. Man hat ja nun eindeutig die Raktenwerfer gesehen, die nunmal kein Beispiel für präsises Zielen sind. Wo,it die Presse übrigens erst nach und nach richtig rausgerückt ist.
 http://scusi.twoday.net/stories/5124555/

Die Frage ist natürlich, wieviel Bewohner überhaupt noch in der Stadt waren und richtig geglaubt hat es bisher niemand, sondern es wurde immer schon dazu gesagt, dass die russische Seite das sagt, bzw. behauptet.

naja tagmata

ist 15.08.2008 - 22:08
deine wahrnehmungen werden immer schlechter ..falls du es noch nicht mitbekommen hast : willi tobt rund um die uhr auf den westlichen mediafeeds und channels in opferpose ..ob drei spezis das anders vergleichend wahrnehmen spielt gar keine rolle...für die mehrheit ist willi willi das opfer..ach ja, und diese qualität ist neu, dazu gibt es bis jetzt keinen vergleich in der jüngsten westlichen medialen kriegführung..

dreimal darfste fragen warum

bzgl. Russisches Medienverständnis...

ra0105 15.08.2008 - 22:11

Die Entzauberung Russlands

die stimme des feindes redet klartext 16.08.2008 - 13:50
 http://www.nzz.ch/nachrichten/international/die_entzauberung_russlands_1.808007.html

Das war also der Grund des scheinbar selbstmörderischen Angriffs von Saakaschwili. Alles in Davos abgekartet. Der Kalte Krieg soll wiederbelebt werden, um den unliebsamen russischen Staatskapitalismus als Konkurrent aus dem Markt zu werfen.

Ein medientechnisch leicht zu diskreditierender Klassenfeind ist den Herren der globalisierten Wirtschaft lieber als die staatskapitalistische Konkurrenz Russlands und Chinas auf dem Weltmarkt.

Russland täte gut daran, sich jetzt nicht in die sozialistische Ecke drängen zu lassen. Denn die Zeit ist für die sozialistische Weltrevolution eindeutig noch nicht reif.

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