Das Unbehagen von Tagesschau, SpiegelOnline & Co

ra0105 et al. 13.08.2008 18:04 Themen: Weltweit
Der Krieg im Kaukasus liegt in den letzten Zügen - jetzt nehmen sich auch die Medien die Zeit für einen Blick zurück. Und das Fazit kann nicht überraschender ausfallen: Man ist belogen wurden! Unglaublich aber wahr, entsetzt stellen Tagesschau, Spiegel Online und die vielen anderen fest, dass die beiden Kriegsparteien Propaganda betrieben hätten. Man beklagt sogar das die Medien benutzt worden sind. Das mag alles ungeheuerlich sein - erklären kann dies das Versagen des 'Qualitätsjournalismus' freilich nicht.
Niemand darf ernsthaft erwarten, dass zwei Konfliktparteien sich um objektive Berichterstattung bemühen. Im Gegenteil, wahrheitsgetreue Angaben über eigene Verluste an Menschen und Material verbieten sich geradezu. Schließlich gibt man dem Gegner damit unnötig Informationen. Selbstredend muss man schließlich aber auch irgendwas berichten, und wichtig(!), es muss zumindest glaubhaft gelogen werden. Das Geheimnis guter Propaganda besteht schließlich darin ein Funken Wahrheit zu enthalten.
Im Gegensatz zur lokalen Bevölkerung, die meist nur eine Seite der Agitpropshow genießen darf, steht dem gemeinen Redakteur beim Spiegel, dem Focus, der Tagesschau, dem ZDF, den Nachrichtensendern und den vielen anderen, die sich auch nur entfernt mit Medien beschäftigen beide Seiten zur Verfügung. Und während „der einsame Blogger“ und die kleine Handvoll von Medienaktivisten, die das Feature auf indymedia gestaltet haben, nur die Agenturmeldungen der russischen und georgischen Seite verfolgen konnten, standen den professionellen Journalisten ein ganzer Stab an Mitarbeitern zur Verfügung, inklusive Korrespondenten vor Ort - Soviel zur Ausgangslage um dem geneigten Leser begreiflicher zu machen, wie peinlich das Ergebnis ist, was die so genannten Journalisten daraus gemacht haben.
Um mal einen Höhepunkt zu nehmen: Gestern berichteten beispielsweise praktisch alle Medien über Stunden hinweg, dass russische Einheiten auf Tiflis marschieren. Vereinzelt wurde, vermutlich in einem Anfall plötzlicher Objektivität, eingestreut, dass die Russen das alles dementieren. Und auch als der georgischer Präsident höchstpersönlich zurückruderte und erklärte, dass Tiflis sich nicht unmittelbar in Gefahr befände, berichteten die Tagesschau und n24 weiterhin munter weiter, über die drohende Einnahme der Stadt. Auf deren Homepage prangten um gleich lautende Berichten herum, auch groß und breit schöne Links mit angeblichen Hintergrundberichten über das aggressive Vorgehen der Russen. Den Vogel schoss natürlich Bild-Online mit der fetten Überschrift: 'Russen töten auch viele Frauen und Kinder' ab - fehlte eigentlich nur noch: "Und gefressen werden einige auch!". Man könnte vielleicht zur Verteidigung anführen, dass es ja schon spät in der Nacht war und auch der fleißigste Reporter irgendwann mal schlafen gehen muss. Dann bleibt einfach keine Zeit mehr Falschmeldungen zurückzunehmen. Aber wenn man dann vergleicht, dass Blogger, also die die der Spiegel in die Nähe von Geheimdiensten rückt, und auch ein paar andere Freiwillige genau dazu in der Lage sind, fragt man sich ernsthaft, wofür diese Leute eigentlich bezahlt werden.
Doch es kommt ja noch schlimmer, nicht nur das die Internetszene in der Lage war aktueller zu berichten, als die Mainstreammedien, nein zumindest die von uns beobachteten Blogs übernahmen viele der Falschmeldungen gar nicht. Wie ist das möglich? Haben die einfach Schwein gehabt? Nein am Beispiel von indy vielleicht mal erläutert: Es wurden alle ankommenden Agenturmeldungen einfach nur erstmal gesammelt, dann wurde geschaut, inwieweit es entsprechende Reaktion auf der Gegenseite gab. Außerdem wurden in verschiedensten Nachrichtenkanäle nach Koresspondentenberichten gefahndet, um unabhängige Bestätigungen zu bekommen. War dies nicht möglich, wurden beiden gegnerischen Meldungen einfach nur ein Wahrheitsgehalt von 50% unterstellt. Aus diesen Einzelmeldungen wurde dann ein Gesamtlagebild distilliert, was letztendlich die Grundlage für den Featuretext bildeten.
Belogen wurden während der ganzen Zeit alle gleich, der Unterschied war bloß, dass die Mainstreammedien den Russen prinzipiell nichts und den Georgiern alles geglaubt haben - deswegen waren diese Berichte voll von Falschmeldungen, aber anstatt das offen einzugestehen, wird jetzt öffentlichkeitswirksam herum lamentiert, dass im Krieg gelogen wird. Mit Unfähigkeit kann das kaum erklärt werden. Offensichtlich war man bereit einem vom Westen protegierten angeblich demokratischem System mehr Glauben zu schenken, als dem im Gegensatz dazu angeblich nicht demokratischem Russland, obwohl sich beide nicht viel nehmen. Die Gründe für diese Verhalten sind sicher vielschichtig. Unter dem Strich bleibt, dass die Mehrheit, der sich gern objektiv gebende 4. Macht im Staate, ganz offensichtlich alles andere als objektiv während der Berichterstattung über diesen Konflikt verhalten hat.

Wie die Wahrheit den Krieg verlor" Spiegel Online
Propagandaschlacht im Kaukasus Tagesschau
Detaillierte Medienanalyse von Spiegelfechter
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Ergänzungen

Pressekodex

luky 13.08.2008 - 22:47
Ich kann dem eigentlich nur zustimmen. Es scheint, dass der Pressekodex nur noch für Blogger und Nachwuchsjournalisten gültig ist - aber nicht für Leitmedien und Alpha-Journalisten.

Alphajournalisten

kai-bernd 14.08.2008 - 01:46
Alphajournalisten von Stefan Kornelius (Süddeutsche Zeitung) bis Ralph Bollmann (taz) sind in transatlantische Netzwerke eingebundene Propagandisten von NATO und Co - von denen und Redaktionen unter ihnen ist keine halbwegs angemessene Berichterstattung zu erwarten.
Wäre der Coup von Saakashwili gelungen, Südossetien zu besetzen bevor das russische Militär eingegriffen hätte, dann hätten wir möglicherweise nur die georgischen Lügen aufgetischt bekommen und kaum jemand hätte die Alphas ihrer Lügenverbreitung überführen können.
Aber noch ist der Streit um die "Wahrheit" nicht gewonnen - mal schauen, was in einem Monat oder in einem Jahr bei uns als "richtige Version" der Ereignisse gilt...

bei staatstragenden medien

muss sowieso 14.08.2008 - 01:55
alles hinterfragt werden, das gilt für nahezu jede meldung. die drehen doch eh alles so herum wie sie es brauchen. sei es kosovo, bolivien, venezuala, cuba, tibet.... wenn mensch den nachrichten auf den grund geht, muss festgestellt werden das eine freie presse im westen nicht existiert. jede/r journalist/in ist von irgendwem, oder was, abhängig. und sei es das der redakteur die meldung so geschickt kürtzt, dass am ende die nachricht völlig verdreht ist. das ist standard in der "freien welt". wer demonstierte gegen olympia in atlanta oder sydney.... ein hoch auf jede/n die/der sich davon nicht beeinflussen lässt. mein fazit : alle korrupt!!! , oder sogenannten sachzwängen unterlegen!!! schöner artikel im übrigen!

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