Prozess nach rechten Brandanschlägen

Antifa's 08.08.2008 19:25 Themen: Antifa Antirassismus
Görlitz (Sachsen): Prozess nach rechtsextremistisch motivierten Brandanschlägen in Löbau

In der Nacht zum 17.04.2008 begangen 4 Nazis in Löbau zwei Brandanschläge sowie eine Sachbeschädigung. Nun kam es zum Prozess.
Zu den Tätern:

Henry R., geb. 1989, wohnhaft in Löbau
Ben S., geb. 1989, wohnhaft in Carlsbrunn / Löbau
Danilo P., geb. 1989, wohnhaft in Weißenberg
Marko S., geb. 1988, wohnhaft in Eibau


Alle Täter eint neben ihrer rechtsextremen Gesinnung, dass sie arbeitslos sind und keine Berufsausbildung haben. Außerdem sind drei von ihnen vorbestraft und einer hatte schon Verfahren wg. §86 StGB, wurde aber nicht verurteilt.
Auf die Frage nach ihrer Tatmotivation äußern sich die vier Täter sehr zurückhaltend, ihre rechtsextreme Gesinnung verschweigen sie weitestgehend. Eine feste Einbindung in die rechte Szene ist zumindest bei einzelnen Tätern zu erkennen, auch wenn die Solidaritätsbekundungen für die Täter wohl auch aufgrund der Schwere der Tat schwach ausfielen. Kontakte zu anderen Löbauer Neonazigruppierungen wie Sturm 33 (Jugend-Offensive-Umfeld, die bisher eher durch Propagandaaktionen wie "das System in Ketten legen" in Erscheinung traten) schienen aber punktuell bestanden zu haben. Allerdings wurde während des Prozesses weder von Seiten der Staatsanwaltschaft noch von Seiten des Staatsschutzes näher darauf eingegangen.


Marko S.:
Er fuhr das Fahrzeug, welches bei den Brandanschlägen benutzt wurde. Er wurde nicht in Untersuchungshaft genommen, da er „nur“ das Auto (Opel Astra Caravan ZI – XX XXX) fuhr und an den Taten selbst nicht beteiligt war.. Er überwies der Opferhilfe EUR 500, welche je zur Hälfte den Opfern der Brandanschläge zu Gute kommen soll.
Er war der einzige, der umfassend ausgesagt hatte und auch von rechter Gesinnung sprach. M.S. äußerte, dass in der „NS-Zeit ja nicht alles schlecht war“. Sein Vorbild war damals „Rudolf Hess“, „weil er den Krieg beenden wollte“.
Nach eigener Aussage hat er sich von der Naziszene losgesagt, will damit auch nichts mehr zu tun haben und engagiert er sich nun in einem Opel Club und hat „neutrale Freunde“. Ob dem tatsächlich so ist, ist aber fragwürdig. Er ist noch Anfang Juli im Internet mit rechtsextremistischen Parolen aufgefallen. Abgesehen davon ist der von ihm so genannte Opel Club vermutlich die "Schlesische Opel Front". Dort sind auch Neonazis aktiv.
M. S. wurde bereits wegen Verstoß gegen § 86a StPO und wegen Diebstahl angeklagt.

Danilo P.:
Er erschien zum Prozess in „Screwdriver“ Hose und ließ dadurch schon keinen Zweifel an seiner rechten Gesinnung aufkommen. Bei ihm wurde in seinem Zimmer eine Hakenkreuzfahne, ein Schlagring und Wurfsterne gefunden und beschlagnahmt. Außerdem hatte er angeblich in seinem Zimmer ein Hakenkreuz an die Wand gemalt. Auf seinem ebenfalls beschlagnahmten PC fand die Polizei weitere rechtsextreme Propaganda. P.’s Standardantwort vor Gericht war „Ich weiss nicht.“. Auch wollte er sich nicht dazu äußern, warum er die NS-Zeit so toll findet. P. verbüßte eine 6 monatige Jugendstrafe wegen Bedrohung und vorsätzlicher Körperverletzung und war vor der Tat gerade mal 6 Wochen in Freiheit.
Doch nicht nur gegen Ausländer und Linke wurde Danilo P. aktiv. Nach dem Bericht der JGH griff er auch bereits seine Mutter und seinen Bruder mehrfach mit physischer Gewalt an.

Ben S.:
Während des Prozesses gab er an, alkoholabhängig zu sein. Ein geladener Arzt bestätigte dies und stellte bei der Untersuchung von B.S. eine Intelligenzminderung fest. Diese ist auch der Grund, dass er die Förderschule besuchte und die Schule ohne Hauptschulabschluss verließ. B.S. wurde wegen Diebstahl, Trunkenheit am Steuer, Fahren ohne Führerschein und Führen eine Fahrzeuges ohne Haftpflichtversicherung angeklagt. Er verbüßte bis zum 31.03.08 eine 10-monatige Gefängnisstrafe, war also vor der Tat ganze 16 Tage in Freiheit.

Henry R.:
Er ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der mutmaßliche Hauptäter gewesen. Im Gerichtssaal erschien er in einem blauen „Thor Steinar“ Kapuzenpullover. Bei der Durchsuchung der Wohnung von R. wurde ein Portrait von Adolf Hitler, eine Hakenkreuzfahne und Plakate mit der Aufschrift „Aus Schlagworten werden Brandsätze“ gefunden. Bei der Tat trug er einen Dolch der Waffen-SS und bei der Festnahme versuchte er gewaltsam gegen die Polizeibeamten vorzugehen. Nach der Vernehmung durch den Staatsschutzbeamten A. demolierte R. außerdem in der Zelle die Beleuchtung und erhielt eine weitere Anzeige wegen Sachbeschädigung. R. wurde bereits zwei mal wegen Diebstahls verurteilt, deswegen musste er bereits 4 Wochen in den Jugendarrest.


Zum Tathergang:
Gegen 21 Uhr fuhren die 4 Täter mit dem Auto des Angeklagten M.S. von der Wohnung des Angeklagten Henry R. zu einem ausländischen Bistro in Löbau. P. und M. S. warteten im Auto, während B. S. und R. zum dem Bistro gingen. R. sprühte 2 Hakenkreuze, eine Rune sowie „Pakisau“ in Spiegelschrift an die Schaufenster.
Dem vorangegangen war eine Besprechung der 4 Täter in R.’s Wohnung, welche Parole gesprüht werden sollte. Ein Vorschlag wie „Deutsche kauft deutsche Ware“ wurde von Marko S. eingebracht. Dieser orientierte sich nach seiner Aussage an einem Plakat der „NSDAP“. Nach dieser Aktion fuhren sie wieder in R.’s Wohnung.
Nun wurde der Vorschlag gemacht, dass man mit den Ausländern in Löbau mal „aufräumen“ muss. So kam es zu der Idee einen Brandanschlag auf den Imbisswagen in Großschweidnitz zu verüben. Bewaffnet mit Baseballschläger und Ehrendolch der Waffen-SS (laut Aussage der Angeklagten sollte dies lediglich zum Eigenschutz dienen und nicht dazu, andere Menschen zu verletzen), Kanister, Stoffresten und leeren Bierflaschen besorgten sie zuerst Benzin, bereiteten dann die Molotowcocktails auf dem Parkplatz des Löbauer Kauflandes vor und führten den Anschlag aus.
Nach dem Anschlag flüchteten sie und hielten sich versteckt. Anschließend fuhren sie erneut in R.’s Wohnung und kamen auf die Idee, das ganze zu wiederholen. Daraufhin verübten sie einen Brandanschlag auf den Asia-Imbiss am Löbauer Nicolaimarkt. Bei der Flucht wurden sie durch die Polizei gestellt, im Auto wurde der Kanister, Handschuhe, Trichter, Baseballschläger und leere Bierflaschen gefunden. Daraufhin wurde ihn die vorläufige Festnahme erklärt. Der Haftrichter bestätigte am 17.04.08 drei Haftanträge, Marko S. ließ er bis zum Prozess in Freiheit.

Als Reaktion auf diese Brandanschläge demonstrierten etwa 90 Antifaschist_innen am 19.04.2008 in der Löbauer Innenstadt.
Infos dazu unter  http://de.indymedia.org/2008/04/214003.shtml

Kurze Zeit später konnte an die Betroffenen auch eine Spende als Zeichen der Solidarität übergeben werden.
Mehr Infos dazu unter  http://de.indymedia.org/2008/04/214469.shtml


Zum 1. Prozesstag:

Fast alle Zuschauerplätze waren besetzt. Zwei Kamerateams, die MdL Bettina Simon (Die LINKE), Angehörige der Täter und Vertreter_innen der Opferhilfe waren vor Ort. Zwei Nazis fielen im Gerichtssaal auf. Der eine war der Bruder des Angeklagten P. und der andere begleitete P.s Mutter.

Richter Schettgen führte den Vorsitz, als Staatsanwalt fungierte Gruppenleiter Ebert.
Der Staatsanwalt klagte R. wegen Sachbeschädigung, Brandstiftung und versuchter Brandstiftung an. B. S., S. und P. wurden „nur“ wegen Brandstiftung und versuchter Brandstiftung angeklagt.
6 Justizbeamte führten die drei in Haft genommenen Täter P., B. S. und R. in Handschellen in den Gerichtssaal. M. S., der damals nicht in Untersuchungshaft genommen wurde, erschien ebenfalls.

Staatsanwalt Ebert verlas die Anklageschrift, alle Angeklagten gestanden die Taten. Auf den Angeklagten B. S. ging er näher ein, da sich herausstellte, dass einer der Geschädigten der Lebensgefährte der Mutter seiner Freundin ist und er ihn kennt. Auf weiter entsetzliche Details seines Privatlebens, die ebenfalls angesprochen wurden, wollen wir hier nicht weiter eingehen.
Am ersten Prozesstag wurden als Zeugen die Geschädigten und drei weitere Zeugen gehört, die die Anschläge beobachteten und die Imbisse teilweise löschten. Polizeibeamte, die den Tatort sicherten und die Täter festnahmen, wie auch der Staatsschutzbeamte Christian A. aus Bautzen sagten ebenfalls aus.

Die Geschädigten der Brandanschlägen gaben die Höhe des Sachschadens mit je EUR 1.000 an. Für beide ist der Imbisswagen die Existenzgrundlage für die ganze Familie.

Polizeibeamter L. sagte aus, dass er während der Festnahme R. aufforderte, den offen getragenen Ehrendolch der Waffen-SS abzulegen. Dies verweigerte er, so dass der Polizeibeamte „einfachen körperlichen Zwang“ anwenden musste, R. wehrte sich. B. S. versuchte ebenfalls bei der Festnahme Widerstand zu leisten, so dass ebenfalls zwei Beamte notwendig waren, um ihn auf den Boden die Handschellen anzulegen. B. S. hatte bei einem Alkoholtest 2,01 und R. 1,76 Promille Alkohol im Blut (allerdings wurde der Alkoholtest bereits einige Stunden nach der Tat gemacht). Die Täter P. und M. S. waren nüchtern.

Gegenüber den Geschädigten entschuldigten sich alle Täter. Ob die Entschuldigung ernst gemeint war, darf aber bezweifelt werden. Vermutlich hatten sie eher den Zweck eine Strafmilderung zu erreichen.

Kurz vor Schluss gab Richter Schettgen den Hinweis an Staatsanwalt Ebert, dass der Anklagepunkt Brandstiftung in versuchte Brandstiftung vermutlich geändert werden muss, da „wesentliche Teile [des Imbisswagens; Anm. der Prozessbeobachter_innen] nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden bzw. selber hätten [weiter] brennen können“.

In den Ausführungen der Jugendgerichtshilfe wurde über die meist katastrophalen Biographien der Angeklagten berichtet. Für alle wurde von Seiten der Jugendgerichtshilfe die Anwendung des Jugendstrafrechts gefordert, da bei allen erhebliche "Reifedefizite" festzustellen waren.
Skandalös war die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe Frau K. (sie sprach ausschließlich über den Angeklagten Danilo P.): "Eine rechte Gesinnung kann ich bei Danilo beim besten Willen nicht erkennen". Warum auch? Screwdriver Hose im Gerichtssaal tragend, bei der Durchsuchung seines Zimmers eine Hakenkreuzfahne beschlagnahmt, aber kein Nazi. Diese Aussage zeugt von Naivität und Inkompetenz. Der Richter kommentierte diese Aussage aber bereits kurz später kritisch mit einem Verweis auf die bei P. gefundenen Nazi-Utensilien.


2. Prozesstag:

Richter Schettgen las ein Schreiben vor, welches besagte Marko S. habe erfolgreich am Täter-Opfer-Ausgleich teilgenommen.
Danach stellte der Richter fest, dass die Aussage, das M. S. mit Gewalt dazu gezwungen wurde, sich an der Tat zu beteiligen, vermutlich falsch oder zumindest übertrieben ist. Selbst M. S. gab dies nun zu.
Die Beweisaufnahme wurde geschlossen, Staatsanwalt Ebert verlas sein Plädoyer und benannte deutlich, dass dies Taten waren, die einen klaren ausländerfeindlichen Hintergrund haben.
Für R., dem Sachbeschädigung in Verbindung mit Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und zweifacher versuchter Brandstiftung vorgeworfen wurde, 3 Jahre und 6 Monate.
Für B. S. und P. forderte er die gleiche Strafe.
M. S. sollte nach Ansicht des Staatsanwaltes 2 Jahre Jugendstrafe, ausgesetzt auf 3 Jahre Bewährung, die Beiordnung eines Bewährungshelfers und die Teilnahme an einem sozialen Kompetenztraining erhalten.

Die Verteidigung gab ebenfalls Stellungnahmen ab. Etwas peinlich war das Plädoyer von Rechtsanwalt David der M. S. verteidigte. Dieser unterschied in gute Ausländer, die Arbeiten und Steuern zahlen und stellte gleichzeitig fest, dass er keine Asylbewerber, die mit Betäubungsmittel dealen, lieben muss. Kurioserweise ging er aber über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus und forderte für seinen Mandanten zwar auch zwei Jahre auf Bewährung, aber noch zusätzliche 100 Arbeitsstunden und dass er finanzielle Wiedergutmachung leisten sollte.
R. Verteidiger wegen seiner Ehrlichkeit und (angeblich) guten Sozialprognose zwei Jahre auszusetzen auf Bewährung. 2 Jahre und 6 Monate ohne Bewährung sollten P. und B.S. nach Ansicht ihrer Verteidiger erhalten.
Die Pflichtverteidigerin des Angeklagten P. war offensichtlich von den Angklagten nicht sonderlich angetan und hielt ihrerseits nochmals ein Plädoyer in dem sie ihr Unverständnis für die politischen Einstellungen der Angeklagten äußerte und darauf hinwies, dass es in der Geschichte Deutschlands immer die Nationalisten waren, die "dem deutschen Volk" und dem Rest der Welt am meisten Unheil gebracht hätten und nicht Ausländer.

Letztendlich fällte der Richter folgendes Urteil und benannte in der Urteilsbegründung deutlich, dass es rechtsextremistischen Taten war, die von Hass und Gewalt geprägt waren und die von stumpfen und niederträchtigem Ausländerhass zeugten.
M.S. erhielt als Fahrer des Fahrzeuges 2 Jahre Jugendstrafe auf Bewährung. Der Bewährungszeitraum beträgt 3 Jahre, er muss ein soziales Kompetenztraining machen und 150 gemeinnützige Stunden ableisten.
Die 3 anderen Tätern erhielten je 3 Jahre Jugendstrafe ohne Bewährung. B.S. wird in eine Entziehungsanstalt eingewiesen.

Wertung:
Das Urteil ist als ein deutliches Zeichen an rechtsextremistische Täter zu verstehen. Sowohl das Gericht, als auch Staatsanwaltschaft und teilweise auch die Verteidiger verwiesen darauf, dass Rassismus und Ausländerhass mit zu den niederträchtigsten Tatmotivationen gehören. Dies ist sehr selten bei Gericht zu hören. Das offene Ansprechen der rechten Gesinnung und der rassistischen Motivation von Seiten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft ist daher zu begrüßen. Auch ging das Gericht nochmals würdigend auf das zivilcouragierte Verhalten der Zeugen ein, die schnell reagiert haben und die Brände löschten oder zumindest Hilfe holten. Das Gericht wollte damit nach eigenen Angaben auch den Menschen Mut machen, die bei rassistischer Gewalt nicht einfach wegsehen, sondern auch versuchen zu handeln. Kurz wurde auch nochmals auf das Leiden und die Gefühlslage der Geschädigten eingegangen und hervorgehoben was die Tat für diese bedeutete. Auch dies ist positiv zu bewerten.
Abschließend muss man sagen, dass dieses Verfahren wohl in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich war. Sowohl die Kürze der Zeit zwischen rechtsextremer Tat und Verurteilung, als auch das Wahrnehmen und Ansprechen der rechten Tatmotivation sind selten im deutschen Rechtssystem, aber setzten hier durchaus ein positives deutliches Zeichen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

Rechtsstaats-Fanclub "Antifa" wieder aktiv — K.O.B.R.A.-antirepressionsplattform

Fuck-Nazis! — Tom

KOBRA oder — Fascho-Fake

@unwichtig — Anja