"Nach gescheiterter Reform kommt Revolution"

Ralf Streck 06.08.2008 12:08 Themen: Soziale Kämpfe
Es ist kein Sommertheater, was sich im spanischen Staat derzeit an Konflikten um die Finanzierung der Regionen und die Frage der Selbstbestimmung ( http://de.indymedia.org/2008/06/221085.shtml) abspielt. Gerade kocht wieder der Streit mit Katalonien ( http://de.indymedia.org/2007/10/195732.shtml) hoch, das zu einem guten Teil das Land finanziert und dessen eigene Finanzierung jedoch unzureichend ist. Genau das war eines der Anliegen des neuen Autonomiestatuts ( http://de.indymedia.org/2007/10/195732.shtml). Das war zwar bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden, doch nun soll auch die kleinen Verbesserungen der Finanzieurng der Hobel angesetzt werden ( http://de.indymedia.org/2006/06/150591.shtml). Bevor voraussichtlich am 9. August mit der Zentralregierung über die Finanzierung der Region verhandelt wird, drohten sogar die sozialistischen Abgeordneten aus Katalonien ihrer Zentralregierung, dem Haushalt bei der Verabschiedung die Stimmen zu verweigern.
Nach dem katalanischen Sozialistenchef José Montilla fand nun auch Miquel Iceta deutliche Worte gegenüber der Zentralregierung von José Luis Rodríguez Zapatero: "Wir wollen die Regierung von Zapatero nicht stürzen", sagte das Führungsmitglied der katalanischen Sozialisten. Man hoffe vielmehr, dass der lange im Amt verweile. "Doch das hängt zum großen Teil von seiner Kapazität ab, die eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten". Damit bezog sich Iceta auf die Finanzierungsfrage im neuen Autonomiestatut von 2006.

Katalonien leidet seit langem unter einer Unterfinanzierung. Ein Beispiel dafür ist, dass die Zahl der Beamten pro Einwohner weit unter dem spanischen Durchschnitt ist. In der armen Region Extremadura ist die Quote mehr als doppelt so hoch und auch in Madrid liegt sie um etwa 80 Prozent höher als in Katalonien. Anders als in Madrid ist die Infrastruktur in der katalanischen Metropole Barcelona meist alt, weshalb es oft zu Stromausfällen, zum Chaos im Nahverkehr oder auf dem Flughafen kommt. So war es ein zentrales Anliegen, über das Autonomiestatut die Finanzierung der Region zu verbessern, die mit 15 Prozent der Bevölkerung weit über 20 Prozent des spanischen Bruttosozialprodukts schafft.

Genaues weiß man nicht, denn die Zahlen hält die Zentralregierung geheim. Deshalb setzte man in Madrid den "Hobel" an dem Text an, wie er im katalanischen Parlament mit 90 Prozent Zustimmung verabschiedet worden war. Das Finanzierungssystem, nach baskischem Vorbild, wurde gestrichen. Es hätte auch den Katalanen erlaubt, die Steuern einzuziehen, um danach mit Madrid über den abzuführenden Anteil zu verhandeln. Dann hätte man in Barcelona endlich gewusst, mit welchen Summen man den Staat finanziert.

Doch auch die kleineren Verbesserungen der Finanzierung wurden in zwei Jahren nicht in die Praxis umgesetzt. Angesichts der Wirtschaftskrise, die in Spanien nach dem Platzen der Immobilieblase um sich greift, will der Wirtschaftsminister Pedro Solbes erneut den Hobel an der Finanzierung Kataloniens ansetzen. Dabei hatte Zapatero vor den Wahlen im März noch Milliardeninvestitionen versprochen, damit eine "erstklassige Infrastruktur" entsteht und Katalonien die "Führerschaft im Bahnverkehr, Ökonomie und Industrie" zurückgewinne. Doch davon ist nun nichts mehr zu hören.

So bildet sich in Katalonien eine breite Front heraus, welche die verbesserte Finanzierung verteidigt. Aus der Front schert nur die spanische ultrakonservative Volkspartei aus, die auch allein gegen das neue Statut stimmte und dagegen vor dem Verfassungsgericht klagt. Die katalanischen Sozialisten wissen aber, was vor dem angestauten Unmut in der Region auf dem Spiel steht. Wenn die Finanzierung scheitere, so der Sozialistenführer Iceta, komme es zu einer "stärkeren Radikalisierung", warnt er vor einem weiteren Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung: "Die Geschichte hat gezeigt, dass nach einem Scheitern der Reformen die Revolutionen kommen".

© Ralf Streck, Donostia den 05.08.2008

Hier noch was neues zu einem anderen Thema: Düstere Aussichten bei steigender Inflation

Ralf Streck 06.08.2008
Angesichts der Rezession hat die FED den Leitzins nicht erhöht und die EZB wird aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Aussichten wohl nachziehen
Die Weltwirtschaft kühlt weiter ab und den USA stehen die schlimmsten Zeiten wohl noch bevor. Experten meinen, wegen der Rezession würden noch hunderte Banken in die Pleite getrieben und die Krise werde den Steuerzahler bis zu zwei Billionen Dollar kosten. Wegen der düsteren Aussichten macht die US-Notenbank weiter unverdrossen Konjunkturpolitik und hält trotz der Rekordinflation an niedrigen Zinsen fest, statt den Geldwert zu stabilisieren. Immer trüber werden die Aussichten auch in den Ländern Europas, in denen ebenfalls Immobilienblasen platzen. So ist zu erwarten, dass trotz eines neuen Inflationsrekords auch die Europäische Zentralbank (EZB) eine weiteren Zinsschritt unterlässt, der nötig wäre, um für Geldwertstabilität zu sorgen. Ähnlich wird sich am Donnerstag wohl auch die Bank of England (BoE) verhalten.

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