Abzocke durch Arbeitsvermittler

Martin Behrsing 03.08.2008 22:12
Reich werden Dank Hartz IV- Zockt Berliner Arbeitsvermittlung Arbeitslose ab?

«Joblife Arbeitsvermittlung» erstellt haarsträubende Massenbewerbungen und kassiert für jedes Schreiben auch noch 5 Euro.
Berlin – Das Angebot war verlockend. «Joblife Arbeitsvermittlung» wirbt mit offenen Stellen und guten Kontakten zu Firmen. Laut Werbung erstellt die Arbeitsvermittlung mit vier Filialen in Berlin professionelle Bewerbungsunterlagen und versendet jeden Monat für den Bewerber individuelle Bewerbungsschreiben zu Arbeitgebern mit offenen Stellen. Die Kosten dafür könne man sich vom Job-Center erstatten lassen. Selbst Berliner Job-Center und die Arbeitsagentur schicken Arbeitslose zu dieser Erfolg versprechenden Firma und zahlte auch in vielen Fällen dafür. So etwas sollte man nutzen, dachte sich Walter G. und setzte sich umgehend mit «Joblife Arbeitsvermittlung» in Verbindung. Alles klang bestens und er unterschrieb Anfang Mai den Vertrag (1). Der Antrag auf Bewerbungskosten beim Job-Center war ja Grundlage für den Vertrag und kündbar war er auch jederzeit zum Monatsende. Die Dienstleistung kam prompt, doch Walter G. traute seinen Augen nicht.
Auszug aus einem angeblich professionell und individuell erstellen Bewerbungsanschreiben, der als Serienbrief an 22 Firmen von «Joblife Arbeitsvermittlung» als E-Mail versandt wurde:

«…Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mir die Gelgenheit geben würden das ich mich Ihnen nääher vorstellen kann…»(2) Dies für einen Preis zu 110 Euro. In sieben Sätzen insgesamt sechs Rechtschreibfehler.

Auch Spiegelartikel lesen:
Wie Jobvermittler Arbeitssuchende abzocken
Von Heike Sonnberger
 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,569479,00.html

Nach solchen Schreiben hatte Walter G. die Nase voll. Nicht nur, dass die fehlerhaften Schreiben als einfache PDF-Datei scheinbar völlig wahllos als E-mail verschickt wurden. Er gewann den Eindruck, dass die Firma überhaupt über keine Kontakte verfügt und sich einfach aus Branchenbüchern bedient hatte. Beginnend beim Buchstaben A bis zum Buchstaben Z. wurden Firmen ein Fahrer offeriert, dessen hervorstechendes Qualitätsmerkmal «Spaß an der Arbeit» ist. Sinnigerweise landete auch eine dieser schlechten Bewerbung bei einer anderen Arbeitsvermittlung, die sich schon etwas genervt von diesen nicht bestellten Bewerberangeboten fühlte. «Kein schlechtes Geschäft für wenige Minuten Arbeit. Man nehme einen Text, vor dem es jeden Deutschlehrer oder Personalmanager nur so grauen würde, verzichte auf weitere Anlagen, wie Lebenslauf, Bild und Zeugnisse, setze die Adressen aus einer Datenbank in den Serienbrief ein und schon ist in wenigen Minuten eine beachtliche Summe Geld zusammen gekommen. Mit Arbeitslosen und Arbeitsagenturen ist leicht Geld zu verdienen», so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. Walter G. hatte jedenfalls die Nase voll und kündigte ordnungsgemäß zum Monatsende Mai den Vertrag (3). Er dachte, der Spuk wäre vorbei.

Walter G. staunte allerdings nicht schlecht, als er im Juli erneut eine Serie von Anschreiben an Firmen erhielt. Die Firma wollte nunmehr insgesamt einen Betrag von 177 Euro haben. Er rief darauf bei «Joblife Arbeitsvermittlung» an und wies auf seine Kündigung hin. Doch ihm wurde erklärt, dass diese Schreiben noch im Mai versandt wurden(4). Tatsächlich wiesen auch alle Schreiben ein Datum von Mai auf. Walter G. wollte dies jedoch nicht glauben und rief einige der von «JobLife» «angemailten» Firmen an. Ein Arbeitgeber konnte sich sehr gut an diese eigenartige Bewerbung erinnern. Allerdings erhielt er sie erst im Juli.

Dem Erwerbslosen Forum Deutschland ist diese Arbeitsvermittlung schon länger bekannt. In dem Internetforum der Initiative beschwerten sich Berlin er über die Geschäftspraktiken. So wurde ihnen durch die Firma zugesagt, dass die Bewerbungskosten durch die Job-Center übernommen würden. In einigen Fällen war dies aber nicht so und die Hartz IV-Bezieher wurden mit Forderungen überhäuft. Es dauerte auch nicht lange, bis sich der Rechtsanwalt von «Joblife Arbeitsvermittlung» beim Erwerbslosen Forum Deutschland meldete. Er versprach gegenüber dem Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland, Martin Behrsing, dass Hartz IV-Bezieher kein Geld bezahlen müssten, wenn die Job-Center nicht bezahlen würden und schickte eine entsprechende Erklärung, die allerdings nicht unterschrieben war (5). Im Gegenzug wurde der Diskussionsbeitrag vorerst aus dem Forum genommen.

« Wir haben uns heute dennoch entschlossen, dieses Geschäftsgebaren öffentlich zu machen, nachdem sich Walter G. an uns wandte. Wir halten es für unerträglich, wie mit den Erwerbslosen Geschäfte gemacht werden und die Job-Center sehen dabei zu oder vermitteln die Menschen noch an derartige Geschäftemacher», so Behrsing. Eine erneute Beschwerde gegen diese Berliner Arbeitsvermittlung erreichte das Erwerbslosen forum Deutschland heute Morgen. (7)

Dabei geht die Arbeitsvermittlung von Jan Kindvater geschickt vor. Mal unter dem Namen «Arbeitsvermittlung Berlin Mitte», «Arbeitsvermittlung Wilmersdorf», « Arbeitsvermittlung Prenzl´Berg» etc, wird Erwerbslosen suggeriert, dass diese Firma hunderte von Stellen offen hätte (6 siehe unten). Ebenso wird verschleiert, dass es sich immer wieder um «JobLife Arbeitsvermittlung» handelt. Doch die jeweils angebotenen Telefonnummern lassen sofort Rückschlüsse auf diese «Geldvermehrungs-Firma» zu. Bewerber, die sich auf die scheinbaren offenen Stellenangebote melden, werden recht schnell eingeladen. Dort wird ihnen dann mitgeteilt, dass die Stelle leider schon besetzt sei, man aber über gute Kontakte zu Arbeitgebern verfügen würde und den Arbeitslosen bei den Bewerbungsschreiben behilflich sei. Bis zu 260 Euro würden jährlich von der Arbeitsagentur übernommen. Der anschließende Vertrag begrenzt diese Summe auch. Die Stellensuchenden werden auf die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit verweisen, wonach bei der Beauftragung von Dritten, die Job-Center die Kosten übernehmen können. «Hier wird bewusst die Situation von arbeitslosen Menschen ausgenutzt und ihnen Sachen versprochen, die niemals gehalten werden können. Jeder Mensch kann ungeprüft Stellenangebote in die Stellenbörse der Arbeitsagentur einstellen. Ob es diese Stellen tatsächlich gibt, wird nicht überprüft. Allerdings sind wir äußerst verwundert, dass die Job-Center anscheinend Gelder für Bewerbungen bezahlen, die eigentlich schnell im Sondermüll entsorgt werden müssten. Da fragen wir uns, was prüfen denn überhaupt die Mitarbeiter in den Job-Centern», so Martin Behrsing in Bonn. Ein einfaches Durchlesen der Anschreiben würde nach Ansicht des Erwerbslosen Forum Deutschland ausreichen, um zu erkennen, hier sind Bewerbungen nach dem Motto geschrieben worden, wie bekomme ich auf keinen Fall einen Job.

Das Erwerbslosen Forum Deutschland fordert die Berliner Job-Center auf, sofort derartige Geschäfte oder Vermittlungen zu dieser Firma zu beenden. «Dummerweise fordern die Job-Center Erwerbslose dann noch auf, sich auf die Stellen dieser Firma zu bewerben. Es wird Zeit, dass die ganzen privaten Beschäftigungs-, Bildungsträger und Bewerbungsfirmen endlich zurück gezogen werden, solange es keine strengen Qualitätsnormen gibt. Viel zu lange wird schon mit der Arbeitslosigkeit ein großes Geschäft gemacht und Erwerbslose haben fast nie etwas davon», so Behrsing in Bonn.

Für Walter G ist das Ganze noch mal gut ausgegangen, nachdem seine Freundin ihm bei einer Bewerbung half bekam er prompt einen Job. Die Firma «Joblife» verzichtete erst nach vielen heftigen Interventionen. Der Firmeninhaber ließ sich überzeugen, dass im Mai eine ordentliche Kündigung vorlag und weitere Forderungen rechtlich keine Chancen hätten. Dennoch bleibt übrig, dass für «Un-Bewerbungen» im Monat Mai bezahlt wurde.


(1)  http://www.erwerbslosenforum.de/joblife/1.pdf
(2)  http://www.erwerbslosenforum.de/joblife/2.pdf
(5)  http://www.erwerbslosenforum.de/joblife/5.pdf
(6) Jobbörse der  http://www.arbeitsagentur.de , dann auf Volltextsuche, dann *mohren* oder *alexander* in Berlin (die Sternchen sind wichtig) und schon hat man etwa 100 Angebote der Firma. Und das jede Woche
(7) E-Mail an das Erwerbslosen Forum Deutschland
Betreff: Ärger mit Joblife
Sehr geehrter Herr Behrsing,

ich danke ihnen für ihren Beitrag über die Verbrecherbande Joblife und find ihr erfolg gegen diese Gauner sehr löblich.

Leider bin ich auch auf diese Gauner reingefallen und die Verlangen von mir eine hohe Rechnung für nix.

Sie haben viel zu viele "Bewerbungen" für mich berechnet von dem ich aber nicht alle Kopien bekommen habe und drohen mir mit SCHUFA.

Ich hab Widerspruch gegen die Rechnung gestellt das hat sie aber nicht interessiert und sie haben mir eine Mahnung geschickt.

Ihr Anwaltschreiben(wo drinnen steht das wenn das Jobcenter nix zahlt sieh keine Anspruch haben wollen) und das ich ihnen erklärt habe das ich vom Jobcenter nix bekomme haben sie nicht interessiert.

Als ich bei ihnen angerufen habe hat man mich einfach blockiert.

Man will nicht mit mir reden aber ich soll die Rechnung zahlen.

175!! Euro für nix !!!

Ich krieg keine Hilfe vom Jobcenter noch von dem Arbeitsamt. Ich soll das schön aus meiner Tasche zahlen wo nix drin ist.

Ich hoffe sie können mir helfen und würde mich freuen wenn sie mir ein paar Tipps schicken könnten oder irgendwas für mich machen könnten.

mit freundlichen Grüssen
Absender der Redaktion bekannt

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Ergänzungen

doppelte abzocke ...

... 04.08.2008 - 11:20
Mir ist die Firma Joblife Arbeitsvermittlung aus beruflichen Kontakten bekannt.
Die Mitarbeiter dort sind häufig Jugendliche und junge Erwachsene die über Bildungsmaßnahmen oder überbetriebliche Ausbildungen unbezahlte Praktika absolvieren. Ebenso wie die dubiosen Stellenanzeigen finden sich in der Jobbörse der Agentur für Arbeit regelmäßig Praktika-Angebote für Bürokräfte.
Die Praktikanten, die keine oder nur eine geringe Vorbildung mitbringen, können natürlich keine professionellen Bewerbungsunterlagen anfertigen. Die Anschreiben werden über Textbausteine zusammengesetzt.
Die Firma Joblife zockt dadurch doppelt ab. Nicht nur bei den Arbeitslosen, die auf eine baldige Anstellung hoffen. Junge Mitarbeiter, die sich dort neue Kenntnisse aneignen wollen und einen Einstieg ins Berufsleben suchen - können 8h/täglich auf Basis einer Datenbank Textbausteine verbinden und bekommen so keine wirkliche Berufserfahrung. ... und kaum vorhandene Lohnkosten steigern denn Gewinn der Firma sicher beträchtlich.

Abzocke ist Teil des Systems

Doctore Hartz 04.08.2008 - 16:21
Dieser geschilderte Fall aus Berlin ist sicherlich kein Einzelfall. Die Einführung von privaten Jobvermittlern hat zu dem gewünschten (von den Politikern) Wettbewerb geführt. Allerdings finden mehr Arbeitsvermittler nicht unbedingt mehr Arbeit, so dass sich immer mehr dieser Vermittler auf dem knappen Resourcen-Markt Arbeit umsehen.
Die ARGE arbeitet sehr gerne mit diesen privaten Vermittlungsagenturen zusammen, denn man kann durch die Hinzuziehung von Dritten, unliebsame Arbeitslose in diese Agenturen abschieben, man kann die Statistiken mit Maßnahmen verbessern (wer z.B. eine zweiwöchige Maßnahme zum Erstellen von Bewerbungsunterlagen bekommt, ist statistisch in diesen zwei Wochen nicht arbeitslos. Ich kenne Menschen, die hintereinander vier dieser Maßnahmen erfolgreich absolviert haben und ihre Bewerbungsunterlagen nun in vier Versionen haben). Viele Vermittlungsagenturen bieten solche Kurse zusätzlich an.
Die Qualität der Arbeitsvermittler ist in der Regel mangelhaft, da die wenigsten eine adäquate Qualifikation besitzen, häufig sind Personalvermittler Menschen, die gerade selbst aus Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen kommen. Sozialpädagogen, Personalmanager etc findet man nur sehr, sehr selten. Das liegt meist daran, dass diese Vermittlungs-Agenturen untereinander in Konkurenz stehen und sich in den Ausschreibungen/Pitches bei der ARGE unterbieten und so keine Qualität liefern können. Eine bundesweite, renommierte Weiterbildungsakademie, die auch in der Personalvermittlung tätig ist, zahlt seinen Personalvermittlern z.B. 1000€/Brutto/Monat plus eine anteilige Vermittlungsgebühr bei erfolgreicher Vermittlung. Da ist es keine Seltenheit, dass der Arbeitslose netto mehr Geld auf Tasche hat als sein privater Arbeitsvermittler.
Die ARGE rechnet, obwohl staatlich wie eine AG: die Kosten sind unten zu halten, da wird bei der Hinzuziehung Dritter gespart, da werden mal Sanktionsquoten im letzten Quartal ausgesprochen (jeder ARGE Sachbearbeiter muss so und so viel Prozent seiner "Kunden" sanktionieren [30% für drei Monate kürzen], es verschwinden gerne auch mal eingereichte Fortzahlungsanträge...
Sehr interessant abschließend zu erwähnen ist vielleicht noch, dass das Bundesverfassungsgericht Teile der Hartz 4 Gesetze als verfassungswidrig erklärt hat und dem Gesetzgeber bis 2010 Zeit zur Überarbeitung gegeben hat. Die große Koalition plant nun eine Verfassungsänderung, weil es einfacher ist, das Grundgesetz den Hartz 4 Gesetzen anzupassen als umgekehrt. Gute Nacht Demokratie!

Fortsetzung

Erwerbslose 30.10.2008 - 11:08
JobLife Arbeitsvermittlung Berlin – BA verbrennt weiterhin Steuergelder

Fortsetzung II

Erwerbslose 17.01.2009 - 15:18
Vorsicht vor active-work24 und workcompany12!

Fortsetzung III

Wütende Erwerbslose 13.02.2009 - 12:14
Der Ganze Schmuh geht weiter.