Besetzte Fabrik Zanon (Argentinien) bedroht

solidaridad obrera 03.08.2008 19:32 Themen: Freiräume Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Der bekannteste selbstverwaltete Betrieb in Argentinien, die Fliesenfabrik Zanon in Neuquén, ist erneut bedroht. Auf Antrag eines Gläubigers des alten Besitzers soll die Fabrik im Oktober versteigert werden. Dies könnte das Ende dieses außergewöhnlichen Experiments von Selbstverwaltung und Basisdemokratie bedeuten.
Zanon wurde im Oktober 2001 besetzt. Mit großer Unterstützung aus der Bevölkerung konnten die ArbeiterInnen mehrere Räumungsversuche verhindern. In den ersten Jahren haben sie ohne jegliche rechtliche Absicherung produziert, bis im Oktober 2005 das Konkursgericht in Buenos Aires entschied, ihnen die Fabrik offiziell zur Nutzung zu überlassen (bzw. der von ihnen gegründeten Kooperative FaSinPat (Fábrica sin Patrones - Fabrik ohne Chefs). Die Überlassungsfrist lief eigentlich bis Oktober 2009, wurde aber letztes Jahr auf Antrag eines Gläubigers um ein Jahr verkürzt. Wieder einmal sind die compañer@s gezwungen, um ihr Projekt und ihre Arbeitsplätze zu kämpfen.

160 Betriebe sind in Argentinien in der Krise von den ArbeiterInnen übernommen worden. Zanon / FaSinPat ist darunter das Projekt mit den radikalsten Positionen und den weitestgehenden internen Veränderungen. Von Anfang an haben sie sich nicht nur darum gekümmert, die Produktion wieder in Gang zu bringen und auszuweiten (wobei sie auch auf diesem Gebiet große Erfolge vorweisen können: die Produktion wurde von 20.000 qm Fliesen pro Monat auf 400.000 qm erhöht, und die Belegschaft von 260 auf 470 compañer@s ausgeweitet). Vor allem aber haben sie die Basisdemokratie weiterentwickelt und von der Fabrik aus ein Netz politischer und solidarischer Beziehungen aufgebaut. Intern werden alle Entscheidungen auf Versammlungen gefällt, und nach außen heißt es "Die Fabrik im Dienst der Gemeinschaft": einen Teil der Produktion spenden sie für soziale Projekte, und die Fabrik wird immer wieder als Freiraum für politische und kulturelle Veranstaltungen geöffnet.

Wenn es nach dem Willen der italienischen Gläubigerfirma SACMI geht, soll mit alledem im Oktober Schluss sein. Die ArbeiterInnen vermuten bei diesem Angriff, dass SACMI mit dem früheren Besitzer Zanon unter einer Decke steckt.

Nachdem die drohende Versteigerung der Fabrik bekannt wurde, haben die ArbeiterInnen sofort die Mobilisierung aufgenommen und Gespräche mit der Provinzregierung durchgesetzt. Diese hat zwar kundgetan, dass die Fabrik weiter für die Arbeiter zur Verfügung stehen müsste, schließt aber den Kauf der Fabrik aus und schlägt stattdessen den Kauf von Aktien der Vorzugsgläubiger vor, um bei der Versteigerung mitmischen zu können.

Für die ArbeiterInnen kann das nicht die Lösung sein. Zum einen ist der Ausgang der Versteigerung völlig ungewiss, und zum anderen halten sie es politisch für falsch. Sie fordern seit langem, dass die Provinzregierung die Fabrik enteignet und zum öffentlichen Gut erklärt. Denn warum sollte sie eine Fabrik kaufen, die ihr sowieso schon gehört? Die Schulden, die Zanon bei der öffentlichen Hand hat, belaufen sich auf 95 Prozent des Wertes der Maschinerie. Nach der argentinischen Verfassung wäre eine Enteignung möglich. Die ArbeiterInnen von Zanon haben gemeinsam mit Anwälten und Wirtschaftsexperten einen Enteignungsvorschlag für die Provinzregierung ausgearbeitet. Für diesen Vorschlag haben sie 90.000 Unterschriften gesammelt, und sie haben ihn dreimal eingereicht (2003, 2006 und 2007). Behandelt wurde er bis heute nicht.

Letzten Donnerstag, am 31. Juli sind die compañer@s mit UnterstützerInnen wieder zum Sitz der Provinzregierung gezogen. Dort haben sie deutlich gemacht,
- "dass die Arbeiter und die Bevölkerung von Neuquén die Verantwortung für den Millionenbetrug des alten Besitzers Zanon weder übernehmen können, noch wollen.
- Eine millionenfache Verschuldung der Kooperative oder der Gemeinde Neuquén, wie es Gouverneur Sapag vorschlägt, um an der Versteigerung teilnehmen zu können, käme einem Rettungsring aus Blei gleich. Die Familie Zanon und andere Unternehmer bereiten sich bereits auf die Versteigerung vor.
- Wir Arbeiter und die Bevölkerung können und wollen eine Versteigerung mit diesen Unternehmern nicht akzeptieren, denn bei der Arbeiterselbstverwaltung von Zanon handelt es sich nicht um ein Geschäft - sondern um eine gesellschaftliche Frage."
(aus der Presse-Erklärung)

Für jeweils aktuelle Infos zu den Mobilisierungen siehe die Webseite (neue Adresse):
 http://www.obrerosdezanon.com.ar/
Dort kann man sich in den Mailverteiler für die Presse-Erklärungen eintragen.

Infos zur bisherigen Geschichte auf deutsch:
 http://labournet.de/internationales/ar/zanon-index.html
 http://www.wildcat-www.de/wildcat/68/w68_zanon.pdf
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Ergänzungen