Nürnberger aktiv für soziale Gerechtigkeit

Thomas Müller 01.08.2008 02:58
In den letzten Monaten waren Verstösse der Sozialbehörden der Stadt Nürnberg immer wieder Thema in den Medien. Wir sprachen nun Oberbürgermeister Dr. Maly, auf die Situation in der STADT DER MENSCHENRECHTE an.
Offener Brief:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Maly,

unglaubliche Zustände herrschen in der Stadt der Menschenrechte. Zustände, die nicht in Ihrem Interesse sein können und die Sie sicherlich nun abstellen werden, nachdem Sie Ihnen bekannt geworden sind.

So werden in Nürnberg beispielsweise die Heizkosten für ALG II Bezieher pauschaliert, aber auch Bezieher von Sozialhilfe bzw. Grundsicherung bei geringer Rente sollen betroffen sein. Dies ist aber nach geltendem Recht nicht zulässig. Viele Gerichtsurteile haben dies bundesweit ausdrücklich bestätigt. Zwar kann man Einspruch gegen diese Zumutung erheben, aber der wird in allen Fällen pauschal zurückgewiesen. Dann bleibt nur der Weg zu den Gerichten. Die Kosten dieser Gerichtsverfahren für den Steuerzahler sind weit höher als die eventuell im Einzelfall eingesparten Beträge. Was haben Sie vor gegen die rechtswidrigen Praktiken der ARGEn zu unternehmen? Betreffen diese Praktiken auch Sozialhilfebezieher und Bezieher von Grundsicherung im Alter? Wenn ja, werden diese auch hier abgestellt und rechtswidrig zu wenig bezahlte Beträge nachgezahlt? Werden die betroffenen Personen von den zuständigen Behörden informiert werden, damit Sie Ihre Rechte wahrnehmen können?

Als Beispiel der Rechtsprechung erlauben wir uns, nachfolgende Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts zu zitieren. Das Hessische Landessozialgericht drückt dies in seiner Entscheidung L 6 AS 145/07 ER, vom 05.09.07 folgendermaßen sehr klar aus:
Im Hinblick auf die nach § 22 Abs. 1 SGB, Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) berücksichtigungsfähigen laufenden Kosten für die Heizung ist nach mittlerweile gesicherter Rechtsprechung (z. B. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.03.2006, Az. L 9 AS 124/05 ER; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.12.2005, Az. L 8 AS 427/05 ER; Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 01.08.2005, Az. L 19 B 68/05 AS ER; Landessozialgericht Thüringen, Beschluss vom 07.07.2005, Az. L 7 AS 334/05 ER) auf die Festsetzungen im Mietvertrag oder auf die Vorauszahlungsfestsetzungen der Energieversorgungsunternehmen abzustellen, für die eine Vermutung der Angemessenheit spricht.

Die Antragsgegnerin hat lediglich darauf verwiesen, sie orientiere sich im Interesse der Gleichbehandlung der Leistungsempfänger an Pauschalbeträgen für bestimmte Brennstoffe. Dies entspricht jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers, der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind, geregelt hat. Die Anwendung von Pauschalbeträgen ist damit gerade nicht gesetzeskonform.

Desweiteren verweisen wir auf die Zeitungsberichte in der Nürnberger Abendzeitung zu den unmöglichen Wohnverhältnissen, die das Nürnberger Sozialamt, geführt von Ihrem Bruder, Sozialhilfebeziehern zumutet. Wurde bereits etwas unternommen? Betraf die Aktion nur die in der Presse erwähnten „Behausungen“ oder wurde allgemein eine Überprüfung der Wohnverhältnisse eingeleitet, damit derartiges in Zukunft nicht mehr vorkommen wird? Wie stehen Sie dem Problem gegenüber, daß diese schimmelverseuchten Behausungen bei den Bewohnern zu gesundheitlichen Schäden geführt haben können, die sich erst in Zukunft noch bemerkbar machen werden? Wird es Schmerzensgeldzahlungen an die Betroffenen geben? Nachweislich ist Wohnungsschimmel keine harmlose Angelegenheit. Derartige Zustände verstossen massiv gegen die Menschenrechte, die zu achten sich gerade Nürnberg während Ihrer Amtszeit auf die Fahnen geschrieben hat.

Inzwischen wurde durch einen Fernsehbeitrag im ZDF Magazin WISO bekannt, daß die Nürnberger Museumsverwaltung Praktikanten zu Monatssätzen von gerade einmal 150 Euro sittenwidrig niedrig bezahlt einsetzt. Nachweislich wurde ausdrücklich in einem Gespräch mit einem potentiellen Praktikanten zugegeben, daß es hier tatsächlich um Ersparnisgründe geht, warum man lieber Praktikanten ausbeutet, als reguläre Arbeitskräfte einzustellen. Wie stehen Sie als Oberbürgermeister dazu? Ist es akzeptabel auf Kosten der Praktikanten zu sparen? Was wird gegen diese Praxis unternommen?

Angesichts der Tatsache, daß sich Nürnberg als Stadt der Menschenrechte bezeichnet, aber auch einen Menschenrechtspreis vergibt, kann es nicht sein, daß Ihnen als Oberbürgermeister dieser Stadt derartige Vorkommnisse egal sind. Wir gehen daher davon aus, daß Sie Ihnen wohl nicht bekannt waren, man Sie also nicht informiert hat. Dies wäre wohl Anlaß für ein Donnerwetter Ihren Mitarbeitern gegenüber, aber das liegt allein in Ihrer Hand. Nun aber, nachdem Ihnen diese Vorgänge bekannt sind, gehen wir davon aus, daß Sie alles in Ihrer Macht stehende unternehmen werden, damit Nürnberg endlich wirklich zu einer Stadt wird, in der auch die Verwaltung Menschenrechte achtet.

Wir erwarten gespannt Ihre Antworten auf unsere Fragen. Damit Ihr intensiver Einsatz für die Menschenrechte in Nürnberg nicht unbeachtet bleibt, waren wir so frei und haben dieses Schreiben in Kopie den Stadtratsfraktionen, als auch der Presse zugänglich gemacht. Wir denken, daß wir damit auch in Ihrem Interesse gehandelt haben.


Mit freundlichen Grüßen



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Ergänzungen

Hinweis

Thomas Müller 01.08.2008 - 03:05
Über die Reaktionen von Seiten des Oberbürgermeisters bzw. des Stadtrates werden wir berichten.